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Ein unmoralisches Angebot

Neulich, ich kann’s vor lauter Geschmunzel, ja geradezu radikaldebilem Gegrinse kaum aufschreiben, neulich also wurde mir voller Vorfreude ein gar grotesk anmutender Vorschlag unterbreitet.
Ich mag eigentlich gar nicht mehr weiterschreiben, so randvoller Fassungslosigkeit bin ich noch, doch dem geschriebenen Wort wird ja eine beträchtliche therapeutische Wirkung zugeschrieben. Also zwinge ich mich jetzt, und mir jetzt die wirklich wahre, selbsterlebte Geschichte einfach raus.
Mit zwei liebgewonnenen Freundinnen saß ich dereinst in trauter Runde, friedlich schlürfend an einem kleinen Gläschen Cola-Bourbon, nichtsahnend. Allein diese Tatsache hätte mich stutzig machen, ja alarmieren müssen. Wer mich ein wenig kennt befürchtet, dass schon diese Whiskey-Cola-Sache ein Abdriften ins Surreale einleitet. Wird doch zur zünftigen Zufriedenheit Aller üblicherweise Bier aufgetischt. Zumal für hochprozentiges eine hundertprozentige Dreieinigkeit gilt: Muss aus Schottland kommen, muss single malt draufstehen, muss pur genossen werden. Diskutiert wird da nicht!
„Jahaaan...“, wurde also links neben mir angehoben, wobei die Stimme ihre Vertrautheit eingebüßt zu haben schien, und mich ein spontanes Unwohlsein überfiel.
„Jaaaahan, ich habe für uns, und für Dich auch, Karten besorgt. Für die Mambo-Bar in zwei Wochen, Salsa tanzen. Du kommst doch mit?!“
Ich gefror schlagartig, erstarrte und versuchte aufzuwachen. Hat die das gerade wirklich gesagt? Zu mir? Bei weiten Teilen meiner Freunde hätte ich die sichere Gewissheit, Opfer eines albernen Scherzes werden zu sollen. Aber hier? Mir stellte sich sofort die generelle Frage, ob es überhaupt Menschen mit solcherlei Ansinnen geben kann. Zähneknirschend musste ich mir eingestehen: Es kann! Tagtäglich konfrontieren uns die Medien mit ähnlich undenkbaren Ungeheuerlichkeiten: Ehrenmörder, Diätenerhöhungen, oder gar Fans von Hinter Peine.
Ein kurzer Blick zur Seite bestätigte meine Befürchtung: Sie erwartete tatsächlich eine Antwort. Verrückt! Ein „nein“ würde endlose Diskussionen nach sich ziehen und mich in Teufels küche bringen, ein „ja“ erst recht. Mein Hals fühlte sich an, als ob ich die gesamte Wüste Gobi inhaliert hätte, trockener als Harald Juhnke damals den einen Tag nach seinem Entzug.
Ich wär gern cool geblieben, das muss mir bitte jeder glauben. Wie gern hätte ich mit einem souveränen Lächeln meine eigenen Gedanken aufgegriffen, um mit potenzierter Absurdität zu kontern: „Hör mal, das ist mir einfach nicht extrem genug, weißte. Lass uns doch lieber mal in voller 96-Montur ins Stadion von Hinter Peine fahren, um uns so richtig geil die Fresse polieren zulassen!“ Das Thema wäre durch gewesen.
Sagte ich aber nicht. Stattdessen krähte ich unbeholfen: „....ach neee, lass ma...“ Blöde Antwort, ich weiß.
„Jaaaahan! Du musst da auch mal spontan sein können!“ Spontan! Spontan!!! Spontan griff ich zur Flasche mit dem Yankee-Fusel. Und es ging weiter: „Jaaaahan! Man kann nicht immer nur nein sagen, Du musst auch mal ja sagen können...“ Muss ich also? Ich muss vielleicht gleich kotzen, aber mehr muss ich eigentlich nicht, außer atmen und für Schnapsnachschub sorgen. Und was zur Hölle soll jetzt plötzlich schlecht sein an einem prinzipiellen nein? Ich bin immer gut gefahren mit mürrischem Alles-Scheiße-Finden.
Und dann der kam die geilste Dröhnung, ein richtig linker Haken, der zum sofortigen knock-out führen sollte: „Jaaahan, Du musst doch gar nicht tanzen. Du kannst Dich doch auch an einen Tisch setzen und über die Leute, über das Tanzen schreiben.“ Ich fand die Fassung nicht. Geld bezahlen für einen Mambo-Salsa-Schuppen um zu schreiben? Worüber denn? Über Leute, die ihre bescheuerte Lebensfreude nicht für sich behalten können? Denen es doch nur darum geht, ständig fremdes Fleisch zu begrapschen? Arrogant eklige Schmalzlöcken schlabbern an frustrierten Pädagogikstudentinnen rum? Gruselig! Geisterbahn! Ich halte mich nicht für prüde, aber ich bin Hannoveraner und habe eine gewisse vornehme Distanz zu meinen Mitmenschen schon mit der Muttermilch eingesogen. Außerdem würde ich überhaupt nicht zum Schreiben kommen, vor lauter Schädel auf Tischplatte trümmern, in der Hoffnung auf baldige Ohnmacht.
Nein, nicht mit mir! Wahrscheinlich gibt’s da noch nicht mal ein vernünftiges Bier. Nur diese hippen Chemobrühen aus Übersee, deren Geschmack sich umgekehrt proportional zum Preis verhält.
Nein! Der Versuch mag gut sein, meine Damen, aber so leicht werde ich mir nicht meine grundsolide schlechte Laune verderben lassen! Amen.

Nachsatz: Ich bin dann natürlich trotzdemmitgegangen. Aber das ist `ne andere Geschichte.

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Tag der Veröffentlichung: 06.11.2011

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