Quitsch. Quitsch. Der Schaukelstuhl auf dem ich saß, knarrte bei jedem vor- und zurückwippen. Meine dürren zerbrechlichen Hände lagen auf meinem Schoss. Ich schaute aus dem großen bodentiefen Fenster in den Garten. Mein Blick war starr auf die weiße Oberfläche des Schnees gerichtet. Gestern hatte der Himmel beschlossen, die Welt in Watte zu hüllen und bis jetzt noch nicht wieder damit aufgehört.
Es war Montagabend. Unser Rommé Abend. Da ich wieder als eine der letzten von den Pflegern geholt worden war, war die Anzahl der freien Plätze sehr begrenzt. Nicht das ich wirklich Spaß an diesen Abenden hatte, und mir nicht egal gewesen wäre wo ich sitze, aber ein Tisch mit jüngeren Gegnern wäre zur Abwechslung mal erfrischend gewesen. Thomas, der Pfleger der mich geholt hatte, führte mich an den Tisch an dem auch Gerlinde saß. Na ja wenigstens würde es nicht langweilig werden. Gerlinde konnte nicht mehr viel, aber reden! Viel reden! Mit von der Partie waren noch Wilhelm, und Gerda. Wilhelm hatte Alzheimer, der arme Kerl. Jede Woche kam seine Tochter, jedes Mal erkannte er sie nicht und jedes Mal verließ sie das Heim mit tränenden Augen. Seine Frau, Marga war vorletztes Jahr gestorben. Mein Mann war vor fünfzig Jahren einfach abgehauen. Ich beneidete die beiden. Fünf Jahre waren sie hier zusammen im Heim gewesen. Marga war eine sehr nette und geduldige Frau gewesen, sie hatte sich rührend um ihren Mann gekümmert, als sie die Krankheit bei ihm feststellten. Marga hatte er schon lange vergessen. Seit dem sie fort war, hatte sich die Krankheit bei Wilhelm rapide entwickelt.
So war das, wenn der Winter des Lebens einzog. Immer sah alles unscharf aus, so als würde man durch ein vereistes Fenster schauen. Die Gedanken brauchten länger, weil sie unterwegs einfroren. Die Kälte kroch in deine Gelenke und machte sie steif und ließen sie fürchterlich Schmerzen, wenn man sie gebrauchen wollte. Bei einem schnell, und beim anderen schneller.
´Ich sei am Zug.´ holte Gerlinde mich aus meinen Gedanken. Sie hatte eine Hand auf meinen Arm gelegt, und sich soweit zu mir gebeugt, dass sie in meine Karten schauen konnte.
´Ob sie schummeln wolle?´ fuhr ich sie an, schärfer als ich wollte. Sofort holte Gerlinde aus, für einen zehn minütigen Vortrag, wie ich nur darauf kommen könnte, sie des Schummelns zu beschuldigen. Und das ihr das schon so oft passiert sei, unschuldig als Schummlerin beschimpft zu werden und so weiter.
Ich hörte nicht genau hin, in einer halben Stunde würde sie es sowieso wieder vergessen haben.
Ich machte einfach weiter und legte meine Karten ab. Wilhelm war jetzt an der Reihe. Doch er legte nicht die Karte ab, die Tanja, eine Pflegerin die Wilhelm beim spielen half, ihm zeigte, sondern starrte zur Tür.
´Wer das sei.´ fragte er.
Ich ermahnte ihn weiter zu spielen, ohne weiter auf seine Frage einzugehen. Er fragte bei jeder Person die durch die Tür kam ´Wer ist das´.
Gerda wieß ebenfalls zur Tür, und deutete mir das Wilhelm diesmal im recht war.
Ich drehte mich um. Thomas führte gerade einen Neuen herein. Der ganze Raum verstummte und die Spiele wurden unterbrochen. Ein Neuer. Das hieß gaffende Blicke. Jeder fragte sich das gleiche. Wer ist er, kenne ich ihn, kennt er jemanden den ich kenne, wie geht es ihm.
Er musste in etwa so alt sein wie ich, und als die anderen das erkannten drehten sie sich wieder weg und nahmen ihr Spiel wieder auf. Die Jüngeren Mitbewohner blieben doch mehr unter sich, und sahen es nicht so gerne wenn einer von uns versuchte in ihren Kreis zu drängen. Sie hielten uns für völlig senil, wir konnten nicht mehr mit auf ihre Nachmittagsausflüge und wir würden nur in der Vergangenheit schwelgen. Aber viel mehr, als unsere Vergangenheit, hatten wir leider nicht mehr.
Er tat mir leid. Er stand da, auf seinem Stock gestützt, mit einer alten braunen Anzughose und einem sehr grellen, bunten Hemd über das er eine schwarze Weste gezogen hatte. Ich konnte sehen, dass ihn die unausgesprochene Ablehnung verletzt hatte. Thomas hatte das wohl auch gemerkt und schaute ratlos um sich, nicht wissend wo er mit dem armen Kerl hin sollte.
Tanja stand auf, ging zu ihm und holte den armen Kerl zu uns rüber.
´Guten Tag meine Damen,´ begrüßte er uns. ´Und der Herr. Ich bin Marten Trubin´
Wilhelm sprang sofort auf und reichte ihm die Hand. Es sah so aus als wollte er sich dem Neuen vorstellen, aber als er dann merkte, dass er nicht mehr wusste wie sein Name war, setzte er sich wieder verlegen hin.
´Schön sie alle hier zu sehen. Ich würde mich freuen, mich ihnen in dieser Runde anschließen zu dürfen.´ diese hübsch eingepackte Floskel, war wohl ein Versuch das unfreiwillige Eindringen in unsere Runde zu entschuldigen.
Das klang ein wenig aufgesetzt, so als wollte er seine voran erlabte Enttäuschung überspielen, und ein wenig zu geschwollen, aber wenigstens hatte er gute Manieren.
Die folgenden Tage verbrachten wir viel Zeit zusammen.
Wir hatten festgestellt, dass wir aus der gleichen Gegend kamen. Er sich nur nicht mehr daran erinnern konnte. Also er wusste es, aber er konnte sich nicht daran erinnern. Er erzählte mir dass er einen schlimmen Unfall hatte und alles was davor gewesen war, einfach vergessen hatte. Sein ganzes Leben, das er bis dahin geführt hatte war einfach weg. Für immer. Auch nach über zwanzig Jahren war keine einzige Erinnerung zu ihm zurückgekommen.
Wir lernten uns besser kennen. Klauten Kekse aus der Küche, und sausten um Ecken, na ja so schnell das eben ging mit einem Gehstock. Versteckten uns vor den Pflegern, wie kleine Kinder die etwas unrechtes getan hatten. Es war sehr erfrischend mit Marten, irgendwie schaffte er es die Trostlosigkeit des Lebenswinters zurück zu scheuchen, den Schnee wieder zu tauen.
Eines Nachmittags zeigte er mir sein Bilderbuch, wie er es nannte. Eigentlich war es ein Fotoalbum. Aber er nannte es Bilderbuch, weil er nichts mit den Fotos verband. Es machte es unpersönlicher, meinte er. Es waren Bilder von, vor dem Unfall. Der Mann der darauf zu sehen war, war nicht er. Nicht mehr. Es waren viele Bilder, auf denen er glücklich wirkte. Eins zeigte ihn, es musste kurz vor seinem Gedächtnisverlust gewesen sein, mit einer attraktiven Frau im Arm. Neben ihnen standen zwei junge Männer. Sie sahen ihm sehr ähnlich. Sehr aristokratische Gesichtszüge, dunkles Haar, gute Figur. Marten musste in dessen alter wirklich gut ausgesehen haben.
Er erzählte, dass er noch eine Zeitlang bei seiner Frau gewohnt hatte, bis er gemerkt hatte, dass er sie nicht liebte. Oder, nicht mehr. Dann war er ausgezogen, hatte seinen Namen geändert um ein neues Leben, sein neues Leben, Martens Leben zu leben. Er hatte seine Frau und seine Kinder seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, und es schien ihm nicht Leid zu tun.
Eine schwere last legte sich auf mein Herz. Ich sah meine Tochter zwar regelmäßig, aber dann stritten wir uns oft. Ich wusste dass sie immer wieder versuchte sich zu beherrschen, ganz anders als ich, ich ließ immer alles raus. Ich sah dass es sie viel Anstrengung kostete, meine schnippischen Bemerkungen nicht auf gleiche Weise zu begegnen. Der Lebenswinter schien wohl langsam auch mein Herz zu erfrieren. Vielleicht sollte ich auch versuchen mich mehr zu kontrollieren. Aufpassen was ich sagte. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie mich nicht mehr sehen wollte. Eine späte Einsicht.
An diesem Morgen war viel Aufregung beim Frühstück. Überall herrschte Gewusel, einige Pfleger schmierten Brote und verstauten sie in Rucksäcken. Andere brachten die `fitten´ Senioren wieder in ihre Zimmer um ihnen beim packen zu helfen.
´Alle die gleich mit zur Kirmes fahren, müssen sich ihre Brote hier vorne abholen und dann um zehn beim Bus sein´ rief Tanja in den Raum herein. Mehr zu ihren Kollegen als zu den Senioren, da sie sich sowieso selbst um alles kümmern müssten.
Marten fing neben mir an, eilig Brote zu schmieren um sie dann unter dem Tisch zu verstecken.
Als ich ihn fragte was das sollte, sagte er nur es sei eine Überraschung. Ich solle in mein Zimmer gehen und auf ihn warten.
Ich tat was er sagte, nahm meinen Stock und ging. An der Tür drehte ich mich noch einmal zu ihm um, er blickte mich an, zwinkerte mir zu und schnallste mit der Zunge.
Ich weiß nicht was es war, ein kribbeln breitete sich in mir aus. Ich konnte mich an das Gefühl erinnern, aber auch daran dass ich es seit Ewigkeiten nicht mehr gespürt hatte. Froren im alter etwa auch die Gefühle ein?
Mein Gesicht wurde warm. Schnell drehte ich mich um und machte mich auf den Weg. Peinlich! Wurde ich etwa rot! Und das in meinem Alter. Diese Wärme durchfuhr meinen Körper und erreichte schließlich mein erkaltetes Herz.
Marten brauchte nicht lange. Er trug einen dicken Mantel, Schal und Handschuhe und eine gestrickte Pudelmütze die irgendwie gar nicht zum Rest passte. Über seine Schulter hatte er einen Rucksack gelegt. Er legte seinen Stock aufs Bett, und nahm meinen Mantel. Er hielt ihn mir hin. `Wir fahren mit.´ sagte er nur. ´Ich habe es in deinen Augen gesehen. Sie haben mir gesagt dass du gerne mit willst.´
Ich war überrascht. Einerseits dass meine Augen, dass noch mitteilen konnten, und andererseits, dass er mich so genau beobachtete und es gesehen hatte. Denn es stimmte, ich hatte innerlich geschrieen. Ich will mit. Das man uns einfach ausschloss nur weil sie davon ausgingen dass wir es nicht bewältigen könnten einen Tag lang unterwegs zu sein, oder weil wir ihnen auf dem Ausflug zu viel Arbeit bereiten könnten, war nicht gerecht. So behandelt zu werden, wie eine Last, tat weh. Und dieser Schmerz wandelte sich im laufe der Zeit zu Kälte. Kälte die zuließ, dass einem alles egal wurde. Kälte, die einen mit Taubheit bedeckte.
Marten griff nach meiner Hand. Im ersten Moment erschrak ich und wollte sie ihm wieder entziehen, doch ich merkte, dass es sich gut anfühlte. Mich hatte lange keiner mehr an die Hand genommen. `Wir müssen los, sonst fahren sie ohne uns!´ ermahnte er mich, half mir in meinen Mantel und reichte mir meinen Stock.
Wir warteten an der Ecke auf dem Flur der nach draußen führte. Hier mussten sie lang kommen, dann würden wir uns einfach unauffällig in die Gruppe rein drängen. Unsere Gehstöcke hatten wir unter den Mänteln versteckt, wir stützen uns gegenseitig.
Die bunten Lichter der Fahrgeschäfte und das laute Treiben auf dem Kirmesplatz waren belebend. Wir sahen die ganze Stadt, als wir im Riesenrad saßen und es stockte als unsere Gondel ganz oben war, und aßen Unmengen von Zuckerwatte. An einem der unzähligen Schießstände hatte Marten versucht etwas für mich zu schießen. Er konnte mit dem Gewehr in den Händen kaum stehen ohne zu wackeln. Er traf zwei Sterne. Doch der Budenbesitzer, hatte wohl mitleid mit ihm, und gab ihm ein kleines rosa Bärchen, den er mir dann stolz überreichte. ´Nur für dich.´ hatte er gesagt. Unsere Brote die Marten heimlich beim Frühstück für uns geschmiert hatte, aßen wir auf einer Bank, mitten in dem ganzen Trubel. Die Kälte vertrieben wir uns mit Tee, den Marten uns besorgt hatte, aus den Gliedern. Wir beobachteten die Leute die an uns vorbei huschten, die Familien mit den Kindern, dessen Augen vor Aufregung leuchteten und die mit den nörgelnden Kindern.
Junge Paare, die Arm in Arm, sich verliebt in die Augen schauend, an uns vorbei schlenderten. So musste der Frühling sein, ich versuchte mich an das Gefühl zu erinnern. Ja ich kannte es noch, und ich war sehr darüber erstaunt, als ich merkte, dass es wieder auflebte. Sich in meinem inneren aufbäumte und nicht vergessen werden, sondern an die Oberfläche zurückkommen wollte. Es war berauschend.
Als wir unsere Brote gegessen hatten, machten wir uns auf den Weg zurück zum Bus.
Marten brachte mich bis vor meine Zimmertür und verabschiedete sich mit einem zarten Handkuss.
Mein Geburtstag. Mein 87.-ster. Die Pflegerinnen und Pfleger hatten den Aufenthaltsraum mit ein paar uralten ausgewetzten Girlanden und Luftballons geschmückt. Auf dem Tisch in der Mitte stand eine riesige Torte mit meinem Namen darauf.
Ich hoffte so sehr dass mein Tochter kommen würde. Gestern Abend hatte sie mich besucht.
Nicht lange. Eigentlich nur um mir Vorhaltungen zu machen, was mir denn einfallen würde, mich heimlich auf einen Ausflug in die Stadt zu schleichen. Die Pfleger hatten es am nächsten Tag herausgefunden, als sie Martens Teddy bei mir fanden. Er trug um den Hals ein Schleifenband, auf dem das Datum und der Ort der Kirmes geprägt war. ´Was alles hätte passieren können!´ hielt sie mir vor. ´Ich sei schließlich kein Teenager mehr.´
Ich versuchte meinem neuen Vorsatz treu zu bleiben, aber anstatt ihr alles in Ruhe zu erklären, sagte ich gar nichts. Wie sollte ich ihr auch erklären, dass ich mich wieder wie ein Teenager fühlte? Es fühlte sich frisch, richtig, und wie Frühlingsanfang an.
So wütend hatte ich sie noch nie gesehen, es tat mir leid, dass ich ihr solchen Kummer bereitete.
Die anderen Bewohner des Heims saßen mit mir an den kreisförmig aufgestellten Tischen. Marten saß neben mir. Er stach mit der Gabel ein Stückchen der Torte ab, von dem Teller den wir uns teilten. Langsam und sehr konzentriert führte er diese zu meinem Mund. Mit einem Schnapp hatte ich das Sahnestück davon erhascht. Ich konnte nicht anders als ihm in die Augen zu schauen. Seine wunderschönen blauen Augen. Sie strahlten mich an. Und ich strahlte zurück. Ja, ich war glücklich. Ja, vielleicht sogar verliebt.
In diesem Moment kam meine Tochter durch die Tür. Sie lächelte mich verlegen an, und bei diesem Anblick fiel mir auch die letzte Last vom Herzen. Sie würde mir verzeihen!
Mit einer herzlichen Umarmung begrüßte sie mich, sagte es würde ihr Leid tun und holte sich auch ein Stück von der Torte.
Der Nachmittag verging schnell. Wir hatten viel gelacht. Die Pfleger hatten Musik angestellt und Marten nahm meine Hand. ´Zu, alt wie ein Baum, müsse man unbedingt tanzen.´
Seine Hand umschloss meine Rechte, ein wohlig warmes Gefühl. Meine linke Hand hatte ich auf seine Schulter gelegt. Ich merkte wie seine Hand die auf meinem Rücken war, immer tiefer rutsche. `Marten!´ ermahnte ich ihn, obwohl ich es eigentlich genoss.
Wir tanzten langsam. Hatten überhaupt keinen Takt, aber das war uns egal. Wir hatten Spaß, und wir freuten uns über die empörenden und neidischen Blicke der anderen.
Nach dem Abendessen musste meine Tochter wieder fahren. Sie umarmte mich sagte noch einmal dass es ihr Leid tat, und sie heute gesehen hätte, das Marten mir einfach unglaublich gut tun würde. Dass sie mich in den letzten Jahren nie so glücklich gesehen hatte und das sie mich liebte.
´Ich liebe dich auch!´ antwortete ich ihr und begleitete sie noch bis zur Tür. Es hatte begonnen zu schneien und so rief ich ihr hinterher, sie solle vorsichtig fahren.
Auch diesen Abend brachte Marten mich wieder zu meinem Zimmer. Wir standen eine Weile da und schauten uns verlegen an. Dann sagte er ´Sina ich hab dich unglaublich gern und ich bin froh dich getroffen zu haben.´
´Ich freue mich ebenfalls. Du hast den Winter aus meinen Gliedern vertrieben und bringst den Frühling in mein Herz.´ antwortete ich.
Er nahm meine Hände in seine und schaute mir tief in die Augen. Er kam immer näher. Jetzt hatten sich auch die Schmetterlinge aus ihrem Winterschlaf erhoben, und sorgten für ein wohlig warmes Kribbeln in der Bauchgegend.
Er küsste mich. Nicht so wie ich es von früher kannte, wild und forsch. Nein einfach nur seine Lippen auf meinen. Aber es war wunderschön!
`Gute Nacht.´ er machte sich auf den Weg in sein Zimmer.
Mit meinen fingern berührte ich meinen Mund. Nie im Leben hätte ich gedacht noch einmal dem Winter in meinem Leben entfliehen zu können. Ich war mir so sicher wie nie zuvor, heute war der Beginn eines wunderschönen Frühlings!
Quitsch. Quitsch. Der Schaukelstuhl auf dem ich saß, knarrte bei jedem vor- und zurückwippen. Meine dürren zerbrechlichen Hände lagen auf meinem Schoss. Ich schaute aus dem großen bodentiefen Fenster in den Garten. Mein Blick war starr auf die weiße Oberfläche des Schnees gerichtet. Gestern hatte der Himmel beschlossen, die Welt in Watte zu hüllen und bis jetzt noch nicht wieder damit aufgehört.
Ich hatte mich geirrt. Heute Morgen war Marten ins Krankenhaus gekommen, Herzinfarkt!
Die Pfleger sagten mir es würde schlecht um ihn stehen. Bei der Operation gab es einige schwerwiegende Komplikationen. Er würde nicht zurückkommen.
Der Winter streckte seine Eiskalten Finger nach mir aus. Ich spürte wie sie mich umfingen. Jetzt würde er ohne Gnade und Verzögerung über mich einbrechen, und mich mit seiner alles vernichtenden Kälte heimsuchen.
Ich wusste jetzt, es war kein Frühlingsanfang gewesen!
Eher ein letzter, wunderschöner, viel zu warmer Wintertag.
Ein letzter Aufschub bevor der Winter mit seiner ganzen Härte zuschlug.
Am Abend nach ihrem Geburtstag mussten wir Frau Ehlert leider mitteilen, dass ihr Freund Marten Trubin gestorben war. Diese Nachricht hat sie sehr getroffen. Alle meine Kollegen im Heim hatten mitbekommen wie die beiden sich ineinander verliebt hatte, oder zumindest dabei waren es zu tun. Es war unsere ganz persönliche Daily Soap.
Jeder hatte mitbekommen das sie sich heimlich Kekse stibitzten und auch manchmal noch zu späterer Stunde durch die Gänge huschten. Wir haben ihr Spiel mitgespielt und uns immer hinter einer Ecke versteckt, damit sie uns nicht entdeckten. Es war herzerwärmend diese beiden alten Menschen dabei zu beobachten, wie das Leben in sie zurückkehrte.
Wir fanden Frau Ehlert heute morgen im Garten. In ihren dürren knochigen Händen hielt sie das kitschige kleine Stofftier, das Herr Trubin ihr auf der Kirmes geschossen hatte, fest umklammert. Sie war schneeweiß, und hatte sich auf dem Boden zusammen gerollt.
´Erfroren!´ sagte der Notarzt.
Keiner von uns konnte sich erklären, was sie hier draußen gemacht hatte, oder vor allem, wie sie hierher gekommen war. Normalerweise wurden nachts alle Türen nach draußen abgeschlossen. Diese Tragische Geschichte würde für uns alle ein bitteres Nachspiel haben!
Jetzt hieß es aber erstmal für mich, ihrer Tochter beibringen zu müssen, dass sie ihrem Freund gefolgt war.
Texte: alle Rechte bei mir.
Bildmaterialien: alle Rechte bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 04.03.2012
Alle Rechte vorbehalten