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Prolog



„Schlaf, mein Kind, schlaf tief und fest… deine Zeit kommt“ flüsterte ER und schaukelte das Baby in seinen Armen. ER strich mit seinen knöchernen Klauen zärtlich über das runde, lebendige Gesicht des Säuglings. Dieser hob bei der Berührung die Lider und blickte mit seinen meerblauen Augen in die unendliche Leere der schwarzen Kapuze. Jedes andere Kind hätte bei diesem Anblick geschrien, doch dieses war besonders. Es weinte weder, noch schien SEINE Anwesenheit es zu beunruhigen. Es griff mit seinen knubbeligen Händen unsicher nach dem schwarzen Stoff des Umhangs und gurrte leise. ER ließ es geschehen und sog den Duft des Babys in sich auf. „Du wirst sein.“ Hauchte ER und legte das winzige Bündel zurück in die Gitterkrippe des Krankenhauses. Kein Name stand auf ihr. Nur eine Nummer, ein Datum und darunter die Worte „Babyklappe“ und „anonym“. ER schenkte dem Säugling einen letzten Blick und im nächsten Moment schon erinnerte nur noch eine durchsichtige Rauchwolke an den Besuch der unheimlichen Gestalt.


~ KAPITEL 1 ~



- 23 Jahre später –
Schnee fiel sanft auf die Spitzen der dunklen Bäume, die die winzige, schneebedeckte Straße säumten. Die klirrende Kälte der vorangegangenen Nacht kroch wie ein schleimiger Wurm durch das Fenster der kleinen Wohnung und ließ eine Gänsehaut über die nackte Haut des Mädchens wandern. Grollend drehte sie ihre schlanke Gestalt unter der Decke in Richtung des Nachttisches und ihre zugeklebten Augen konnten gerade noch die Ziffern des Radioweckers erahnen. „Früh!“ murrte sie und versuchte den Traum wieder einzufangen, in dem sie sich noch vor ein paar Minuten befunden hatte. Doch die Kälte störte weiterhin ihren Schlaf und piekte scharfe Nadeln in die von der Decke ungeschützten Hautpartien . Nach ein paar erfolglosen Versuchen die Augen geschlossen zu halten seufzte sie genervt und setzte sich auf. „Dreck!“ Ein Blick auf den Wecker zeigte eine Minute vor 6 Uhr an. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und schenkte der Uhr noch einen tödlichen Blick bevor sie aufstand und sich frierend in eine Jeans und einen dicken Pulli mummelte. Als sie aus dem Schlafzimmer in die Wohnküche schlurfte, hörte sie schon die Kaffeemaschine fröhlich vor sich hin gluckern und der rauchige Geruch des Kaffees durchströmte die kleinen Quadratmeter die sie seit kurzem bewohnte. Im Bad kratzte sie sich erst den Schlaf aus den Augen, schob die Zahnbürste durch den Mund und fing dann an, ihre blonde Mähne wieder in den Griff zu bekommen. Sie schnitt dem Spiegelbild eine kleine Grimasse und kurz darauf trabte sie auch schon mit einem Kaffee im Bauch und einer Zigarette in der Hand den Weg zu der U-Bahn hinab. „Ein weiterer sinnloser, langweiliger Tag in einem sinnlosen, langweiligen Leben.“ Grummelte sie.
Niemand achtete auf das eingemummte Mädchen als sie sich wie jeden Morgen ihren Weg durch die Menschenmenge an der Haltestelle bahnte. In der U-Bahn setzte sie sich zu einer Gruppe ihrer Kollegen, die jeden Morgen mit ihr zu dem Bürokomplex fuhren. „Morgen!“ knurrte sie und schmiss ihre Tasche neben die der anderen. „Das blühende Leben… Die pure Freude!“ bemerkte Dietmar, genannt „Dit“ und grinste wölfisch hinter seiner dicken Brille hervor. „Ja, da bekommt man jeden Morgen noch mehr Lust wieder einen ganzen Tag in dieser Tretmühle zu verbringen.“ Fügte Maud hinzu und grinste ebenfalls. Die junge Frau verdrehte die Augen himmelwärts und schüttelte den Kopf. „Wie könnt ihr jeden Morgen so fröhlich sein? Ist ja ekelhaft!“ Maud grinste. „Oh Lucy! Wie kann man jeden Morgen so muffelig sein?“ Dit nickte zustimmend und rutschte mit seinem knochigen Gesäß auf dem dreckigen Sitzplatz herum. „Ekelhaft… widerlich… dieses Dreckloch.“ Schimpfte er mehr zu sich selbst und versuchte den größten Schmierflecken mit seltsamen Verrenkungen seines hageren Körpers zu entgehen.
Ein halbe ruckelnde Stunde später stiegen die Drei aus der überfüllten U-Bahn aus und trabten im Schneematsch zu dem riesigen Bürogebäude in dem die Dolmetscheragentur fast ein ganzes Stockwerk belegte. Dampf bildete sich wie ein Maulkorb vor ihren Gesichtern und ließ ihre Lippen taub werden. „Meine Mimik friert!“ stellte Dit weinerlich fest und tatschte mit seinen dünnen Händen über seine Wangen. „Hör auf zu jammern und stirb wie ein Mann!“ grollte Lucy und öffnete die Eingangstür des Wolkenkratzers. Ein paar Minuten später kamen sie in dem Großraumbüro der Dolmetschergesellschaft an aus dem schon lautstark die Telefonisten zu hören waren die der Zeitverschiebung der anderen Länder ihre Nacht zollen mussten. Lucy latschte lustlos zu ihrem Schreibtisch, ließ sich auf den quietschenden Bürostuhl fallen und gähnte offensiv ihren Posteingang an, aus dem schon die Papiere herausquollen. Ein paar Seufzer änderten ihre Situation nicht, also machte sie sich murrend an die Arbeit. Gegen Mittag fingen die Worte vor ihren Augen an zu verschwimmen und sie sah das erste Mal an diesem Tag von den Übersetzungen auf. Ihr Blick schweifte über den Raum und blieb an einem der Fahrradkuriere hängen, der gerade ein Paket bei der Suaheli-Fraktion ablieferte. Er sah irgendwie komisch aus. Als wäre er nicht wirklich da. Seine Existenz schien fast vor der weißen Wand zu verblassen. Lucy sah genauer hin. Etwas schien neben ihm zu stehen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte sie einen dunklen Schatten erkennen der wie ein hungriger Tiger um den Kurier herumschlich. Das Mädchen schüttelte den Kopf, griff in ihre Tasche und holte einen Plastikdöschen hervor. Sie schüttelte zwei kleine, gelbe Pillen aus der Dose und trank sie mit einem großen Schluck aus ihrer Wasserflasche hinunter. Jede Pflegefamilie, bei der sie untergekommen war, hatte sie zu den verschiedensten Psychologen, Psychoanalytikern und Psychotherapeuten geschickt um diese Wahnvorstellungen unter Kontrolle zu bringen, doch es brachte nie den gewünschten Erfolg. Sie war schon immer seltsam gewesen. Als Baby hatte sie nie geschrien, als Kleinkind tobte sie nicht herum, sondern las Bücher oder spielte für sich allein in einer Ecke. Die Pflegefamilien die sie wegen ihrer ruhigen Art mitnahmen brachten sie jedesmal wieder zurück in das Waisenhaus. Sie wäre unheimlich, sagten sie. Mit 16 kam sie dann endgültig in ein Heim, in dem sie ihre Ausbildung abschloss und mit 18 zog sie dann endlich in ihre erste, eigene Wohnung. Immer wieder verfolgten sie Träume und Visionen von Menschen die bald sterben würden. Immer wieder sah sie diese verschwommenen Bilder und die dunklen Schatten. Jedesmal wenn sie das ihren Pflegeeltern erzählt hatte, wurde sie zu einem anderen Arzt geschickt. Jedesmal musste sie andere Medikamente schlucken um die Halluzinationen auszublenden. Doch trotz allem, hatte sie jedes Mal recht.
Als der Paketlieferant wieder gegangen war, riss das Pausensignal Lucy aus ihren Gedanken. Sie stand auf, ging zu Dit´s Kabine und sah eine Weile dabei zu wie der ungeschickte Mann sich beim telefonieren immer weiter in sein Telefonkabel verwickelte. Kaum legte er auf und blickte Lucy hilfesuchend an, da gesellte sich auch Maud zu den beiden. „Döner oder Pizza?“ Dit schüttelte den Kopf. „Salat und…“ der Satz ging in einem lauten Gepolter unter als der Stuhl inklusive Telefon und dürren Mann auf den Boden krachte. „...Schmerzmittel?“ beendete Lucy den Satz. Maud fing an verhalten zu lachen und entschied: „Sandwiches.“ Sie zupfte die Bluse über ihren weitläufigen Körper zusammen und schickte sich an zu gehen.
Im „Lorenzos“ war die Hölle los. Die ganze Stadt schien in dem sonst so ruhigen Laden ihre Mittagspause verbringen zu wollen. Maud schlängelte sich trotz ihres beachtlichen Körperumfangs geschickt durch die Menschenmassen und eroberte ihren Stammtisch indem sie ein paar verschüchterte Jugendliche anknurrte die ihre Sandwiches ängstlich auf den Tellern liegen ließen und schleunigst Boden gutmachten. Die Kellnerin war verschwitzt und sah abgehetzt aus, als sie die Bestellung der ungleichen Gruppe aufnahm. Es dauerte eine Weile bis das Essen kam und als die gehetzte Kellnerin endlich die Tabletts auf den Tisch stellte schien Mauds Laune sich wie von Geisterhand zu deeskalieren. Lucy nuckelte lustlos an ihrem Kaffee und beobachtete die Menschen um sich herum. Einige von ihnen hatten Schatten, doch sie war an den Anblick gewöhnt und empfand nur ein klein wenig Mitleid mit den Todgeweihten. „Der Tod gehört zum Leben.“ Hatte eine ihrer Pflegemütter gesagt, als Lucy ihr den Tod ihres Mannes prophezeit hatte. Sie war die einzige, die sich gern um das kleine Waisenmädchen gekümmert hatte. Als ihr eines Tages auch ein Schatten folgte, rannte das damals 9-jährige Mädchen aus dem Haus und versteckte sich in der alten Hundehütte. Die Pflegemutter fand sie ein paar Stunden später und hockte sich mit ihr in den winzigen Bretterverschlag. Sie strich ihr übers Haar und beruhigte sie fast eine Stunde lang. Es hatte angefangen zu regnen, als sie endlich wieder zurück in das Haus gingen. Schon am Abend stand die Polizei vor der Tür und versuchten ihr schonend beizubringen, dass die Pflegemutter bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war. Sie wollte nur noch ein paar Dinge aus der Drogerie in der nächsten Stadt holen. Lucy weinte damals nicht. Mit ihren 9 Jahren und dem zerbrechlich wirkenden Körper wirkte sie gefasst wie eine gestandene Frau. Keine Träne lief über ihre Wangen, als die Polizisten ihr eine Jacke um die Schultern legten und sie in den Polizeiwagen schoben. Sie fuhren sie direkt in das Waisenhaus zurück aus dem sie gekommen war. Als sie der Direktorin des Hauses erklärten was passiert war, hatte sie Lucy nur angesehen und ihr übers Haar gestrichen. „Du bist schon ein kleiner Pechvogel, Kleines. Aber du wirst trotzdem dein Leben meistern.“ Hatte sie damals gesagt. Das Mädchen hatte sie nur mit ihren tiefblauen Augen angesehen, die in solchen Momenten fast größer als ihr ganzes Gesicht wirkten. Ein paar Monate später war sie schon wieder bei einer neuen Familie, die sie kein Jahr bei sich behielten.
Eine Stimme riss sie aus ihren schwermütigen Gedanken. „Ist da noch frei?“ fragte der dunkelhaarige junge Mann noch einmal und zeigte auf den Platz neben ihr. Etwas verwirrt und mürrisch nickte sie und rutschte ein wenig auf der Bank um dem Kerl Platz zu machen. Maud grinste hinter ihren Chicken-Wings hervor und zog ein paar mal die Augenbrauen hoch. Dit schüttelte nur genervt den Kopf. Lucy sah sich den Gast genauer an. Unter den langen, dunklen Wimpern stachen hellblaue Augen hervor, die wachsam auf dem Cesars Sandwich ruhten das Maud schon hungrig ins Auge gefasst hatte. Seine tiefschwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht als er den Kopf neigte und sie direkt ansah. „Für ein Passfoto nur 5 Euro.“ Grinste er und biss in das Sandwich ohne seinen Blick von ihrem zu wenden. Lucy verdrehte die Augen und wandte sich wieder ihrem Kaffee zu. „Bilder von Affen finde ich auch kostenlos im Internet.“ Erwiderte sie gelangweilt. Anstatt sich aufzuregen fing er an zu lachen. Als sie wieder zu Maud sah grinste sie über beide Ohren und ihre Augen quollen fast aus den Höhlen bei dem Versuch ihr zu signalisieren das sie sich weiter mit ihm unterhalten sollte. Lucy schüttelte nur den Kopf und sah zu Dit, der sich in der Ecke und hinter seinem Salat verschanzt hatte. Fragend und mit einem Rukola-Blatt im Mund kaute er weiter, harrend der Dinge die da kommen. „Seid ihr zusammen hier?“ nahm der junge Mann das Gespräch wieder auf. Maud nickte heftig und gestikulierte weiter mit den Augen in Richtung Lucy. Diese sah ihn nur mit einem Blick an der jeden anderen auf der Stelle getötet hätte. „Nein, die verfolgen mich nur.“ Er lachte wieder. „Ich heiße übrigens Damien.“ stellte er sich vor. „Lucy.“ Grummelte sie in ihren imaginären Bart und schlürfte noch einmal an ihrem Kaffee. „Maud!“ quietschte Maud dazwischen. „Und er ist Dit.“ Stellte sie den mittlerweile in seinen Salat vertieften Mann vor. Dit nickte zustimmend und grinste. „Dit??“ Maud nickte wieder heftig. „Wie das Geräusch das ein PC macht, wenn man eine falsche Eingabe macht.“ Fügte Lucy hinzu. Dit schoss einen bösen Blick in Richtung des hübschen Mädchens und wandte sich wieder suchend seinem Grünfutter zu. Sein Protest ging zwischen Chicorée und Tomatenscheiben unter. Damien grinste wölfisch und beendete sein Sandwich mit einem lauten Schmatzen. Er fingerte in seiner Tasche herum und zog einen zerknitterten Zettel hervor den er mit mehr oder minderem Erfolg wieder einigermaßen glättete. Aus seiner Jacke fischte er noch einen Kuli und begann etwas zu notieren. Als er fertig war, schob er Lucy den Wisch hin und meinte:“Melde dich mal, wenn du etwas erträglicher bist.“ Grinste, schnappte seine Jacke und schob sich durch die Menschenmassen aus den Augen der Drei. „Na, Luce… Komm schon… Der war doch süüüüüüß!!!“ quietschte Maud und himmelte den Zettel an auf dem Damien seine Nummer geschrieben hatte. „Der war dämlich. Das ist alles.“ Erwiderte Lucy und fügte noch an:“ Und nenn‘ mich nicht immer Luce.“ Maud grinste noch ein Stück breiter und versetzte Dit einen Stoß in die Rippen, dass ihm die Luft für einen Moment wegblieb. „Guck mal Dit. Unsere Lucy hat ein Date.“ Säuselte sie fröhlich. Dit verdrehte nur die Augen. „Muss ich dich an den letzten Verkupplungsversuch erinnern? Der bei der dieser seltsame Stalker mich tagelang verfolgt hat?“ Maud zuckte mit den Schultern. „Konnte ich wissen das SIE ein ER ist und diese gewissen Neigungen hat?“ entschuldigend hob sie die Schultern. Dit atmete tief durch und stimmte ein monotones Gemurmel an, aus dem die Worte „auf den Zeiger gehen“ und „Er wollte DINGE mit mir anstellen“ zu hören waren. Lucy verzog die Lippen und steckte den Zettel in die Tasche. Dabei fiel ihr Blick auf die Uhr, die ihr sagte, dass sie sicherlich zu spät aus der Mittagspause kommen würden. Maud packte hektisch die letzten Chicken-Wings in eine Alufolie und sie machten sich im Laufschritt auf dem Weg zurück in das Bürogebäude.

~ KAPITEL 2 ~



Es war später Nachmittag als Lucy aus dem modernen Neonlicht des Geschäftsgebäudes in die kalte Wintersonne hinaustrat. Die umliegenden Häuser warfen schon lange Schatten auf die Straße und tauchten die Umgebung in ein unwirkliches Licht. Lucy schnaubte kurz und klappte ihren Kragen hoch. Die Kälte kroch schnell durch ihren dicken Wintermantel als sie die Fußgängerzone Richtung Bahnhof hinab stapfte. Immer wieder musste sie anderen Menschen ausweichen, doch sie hielt den Blick weiter gesenkt um nicht zu viel des schneidenden Windes abzubekommen. Eine Dampfwolke folgte ihrem Weg als sie die Treppen zu der U-Bahn-Station hinunter lief. Der Fahrplan versprach eine Fahrt nach Hause in nicht einmal einer halben Stunde. Also holte sie sich noch einen Kaffee an dem kleinen Kiosk und ließ sich auf eine der Bänke der Haltestelle fallen. Sie konzentrierte sich auf ihren viel zu heißen Becher und bemerkte nicht die Gestalt, die sich vorsichtig neben sie setzte und schüchtern ansah. Als das Mädchen nicht reagierte, räusperte er sich um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Lucy erschrak und leerte sich fast den Kaffee in den Schoß. Sie wollte gerade zu fluchen anfangen, als sie die allmählich verschwimmende Gestalt näher betrachtete. Ihr Blick wanderte nach oben, genauer gesagt hinter ihn, wo sich eine schwarze, schemenhafte Form gegen das schummerige Licht des Tages abzeichnete. „ER ist da, nicht war?“ flüsterte ihr Besucher leise, fast verschwörerisch. Lucy nickte langsam und auch etwas verwirrt. Der Kerl war ziemlich schlecht gekleidet für dieses harte Wetter. Seine Hosen und sein T-Shirt war zerrissen und sie konnte seine dürre Figur sehen. Die zerrupfte Jacke schien auch nicht wirklich zu helfen, denn er zitterte am ganzen Körper. Seine Augen glänzten fiebrig und die Pupillen waren stark erweitert. In ihrem Kopf stritten sich die Geister lauthals darüber ob sie weglaufen oder einen bösen Spruch bringen sollte. Doch dieses bestimmte Gefühl, das sie jedes Mal bekam, wenn sie die Todgeweihten ansah ließ keines von beiden zu. „Wie wird er mich mitnehmen?“ fragte er weiter. Lucy zuckte mit den Schultern. „ER weiß wer du bist. ER weiß du kannst ihn sehen und hören. Ich habe ihn gebeten, mich ohne Schmerzen zu holen. Macht er das?“ Seine Stimme klang ängstlich und war nicht mehr als ein Hauch. Lucy musste sich weiter zu ihm beugen um ihn zu verstehen. Sie sah auf und die dunkle Form hinter ihm schien zu nicken. Ihr Hals war wie zugeschnürt als sie ihren Blick wieder zu ihm senkte und nickte. Der Obdachlose Punk seufzte erleichtert und schien lächeln zu wollen, aber sein Gesicht schien von der Kälte eingefroren zu sein. „Wie lang habe ich noch?“ krächzte er. Lucys Blick wanderte wieder zu der schwarzen Gestalt, die immer mehr an Form gewann. „Nicht mehr lange.“ Brachte sie stockend heraus. Der Obdachlose nickte wissend. Dann griff er in die Gesäßtasche seiner zerrissenen Jeans und holte einen schmierigen braunen Zettel hervor. „Danke.“ Sagte er, reichte ihr den Wisch und stand auf. Lucy wollte etwas sagen, ihn beruhigen, doch der Punk winkte ab. Seine Umrisse verschwammen immer mehr vor ihren Augen. „Es ist gut so, wie es ist. Der Tod gehört zum Leben.“ Lächelte er bitter und ging in Richtung der Gleise. Sie stand auf und wollte gerade schreien, als ein durchfahrender Zug angekündigt wurde. Der Punk drehte sich noch einmal um und winkte Lucy zu. Seine unheimliche Begleitung schien nun fast schon stofflich neben ihm zu stehen. Die schwarze Wolke zuckte, verdeckte für einen Moment den Punker und verschwand dann spurlos. Dieser schien plötzlich haltlos zu sein und ließ sich rückwärts auf die Gleise fallen. In dieser Sekunde fuhr die Bahn ungebremst in die Haltestelle ein. Das Mädchen schloss die Augen vor Schreck und hörte nur das Rauschen der Tram und einen dumpfen Schlag. Etwas klebriges, flüssiges traf sie im Gesicht noch bevor sie die Arme zum Schutz hochreißen konnte. Die Schreie der umstehenden Menschen übertönten fast das durchdringende Kreischen des Zuges, als dieser abrupt zu bremsen versuchte. Lucy versuchte die Augen zu öffnen, doch die Angst wollte es nicht zulassen. Zu sehr fürchtete sie den Anblick der sich ihr bieten würde. Erst als der Zug angehalten hatte, konnte sie sich überwinden endlich die Realität zu sehen. Die Haltestelle war ein Chaos. Menschen liefen panisch durcheinander, stießen sich gegenseitig an und überall waren Schreie zu hören. Einige wollten weg von der Unfallstelle, andere wiederum wollten mehr sehen. Lucys Herz schlug ihr bis zum Hals und in ihrem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus, als sie die Glasscheibe neben sich betrachtete. Sie war voller Blut und undefinierbaren Kleinteilen, die wie Erdbeermarmelade an ihr herunterrutschten. Von der Scheibe wanderte ihr Blick auf ihre Kleidung die kein besseres Bild abgab. Panisch rieb sie über ihren Mantel, doch das machte es nur noch schlimmer. Ihre Gedanken überschlugen sich und die Situation schnürte ihr die Luft zum atmen ab. Sie machte auf den Hacken kehrt und spurtete ohne sich noch einmal umzusehen die Treppen zu der Fußgängerzone hinauf. Sie rannte in mehrere Leute die sie nur seltsam ansahen oder ihr sofort Platz machten. Ihre Füße trugen sie weit weg von der Erinnerung und erst als ihre Lunge von der Winterluft brannte wurde sie langsamer. Ihre Knie waren weich und sie zitterte am ganzen Körper. Die Gedanken rasten ohne Unterlass und das Bild des Punkers, wie er ihr zuwinkte und dann auf die Gleise kippte fraß sich wie Säure in ihr Gehirn. Ihre Beine wollten nicht mehr stehen und sie ließ sich auf die Knie fallen. Ihr Atem ging schwer und der Druck auf ihrer Brust schien ihre Rippen sprengen zu wollen. Sie befand sich am Rande des Wahnsinns und der Schrei der ihrer Kehle entwich konnte daran nichts ändern.
Ihre Augen schwammen vor Tränen und sie konnte die dunkel gekleidete Gestalt, die sich zu ihr herabbeugte und ihr die Hand auf die Schulter legte, nicht genau erkennen. Die Stimme des Fremden ging in dem Lärm ihres eigenen rauschenden Blutes in ihren Ohren unter. Als er sie in den Arm nahm und an seine Brust drückte, beruhigte sich Lucy ein wenig. Die Angst legte sich und machten befreienden Tränen Platz. Der Fremde stand eine Weile da, hielt sie fest und raunte ihr beruhigende Dinge ins Ohr. Irgendwann versiegten die Tränen und machten einer müden Leere Platz. Lucy sah hoch und erkannte Damien, der ihren Blick unverwandt erwiderte. „Was ist passiert? Du siehst aus als hättest du…“ Er beendete den Satz nicht als Lucy schluchzte und versuchte sich von ihm zu entfernen. Er packte sie etwas fester und drehte ihren Körper wieder zu dem seinen. „Sag schon. Was ist passiert? Bist du verletzt?“ In seiner Stimme lag ein seltsamer Unterton. Lucy schüttelte den Kopf und wich seinem bohrenden Blick aus. Wimmernd begann sie ihm von dem Punker zu erzählen. Das Gespräch klammerte sie geflissentlich aus. Die Geschichte wurde immer wieder von Schluckauf und Schluchzern unterbrochen, doch Damien nickte verstehend. Er bot ihr an sie nach Hause zu fahren und bevor sie sich wehren konnte, schob er sie schon in Richtung eines schwarzen Golf und setzte sie auf die Beifahrerseite. Die Fahrt zu ihrer Wohnung verlief bis auf Richtungsangaben schweigend. Immer wieder schweifte der Blick des jungen Mannes zu dem Häufchen Elend neben ihm, doch Lucy starrte in Gedanken versunken auf die Straße. An ihrer Wohnung angekommen stieg sie aus und trabte zur Türe. Damien folgte ihr und sah ihr dabei zu wie sie mit zittrigen Fingern die Schlüssel in das Schloss stecken wollte. Als ihr der Schlüsselbund ein drittes Mal herunter fiel, hob er ihn auf, schloss die Tür auf und lud sich selbst auf einen Kaffee bei ihr ein. Sie warf die Kaffeemaschine an und entschuldigte sich dann ins Bad um sich zu waschen. Damien ließ sich in den Sessel plumpsen und wartete geduldig bis das Mädchen die Erinnerungen von ihrer Seele gewaschen hatte. Als der Kaffee fertig war, brachte er zwei dampfende Tassen an den kleinen Wohnzimmertisch und nahm seinen Platz auf ihrem Sessel wieder ein. Als Lucy das Bad verließ, räusperte sich der Junge. „Okeeey… Angebot! Ich bleibe bei dir, bis du eingeschlafen bist. Dann gehe ich. Ich will wissen das es dir gut geht, in Ordnung?“ Lucy nickte gebrochen. Sie war zu müde und fühlte sich viel zu leer, als dass sie sich gegen ihn hätte wehren können. Der Junge nickte und nippte an seinem Kaffee.
Er hatte gerade seine Tasse vollends geleert, als Lucys Atem endlich ruhiger ging. Sie war auf dem Sofa einfach eingeschlafen. So leise wie möglich stand Damian aus dem Sessel auf und hob das Mädchen hoch. Sie schien leicht wie eine Feder und ihr schlanker Körper wirkte so zerbrechlich das er sie nur mit Vorsicht auf seinen Armen in ihr Schlafzimmer trug. Er legte sie behutsam in ihr Bett und legte die Decke über sie. Zärtlich strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und blieb noch eine Weile an ihrem Bett sitzen. Als er sich anschickte zu gehen, fiepte das Mädchen und zuckte im Schlaf. Damien seufzte und setzte sich wieder zurück an ihr Bett.

~ KAPITEL 3 ~



Am nächsten Morgen wachte Lucy schweißgebadet auf. Immer wieder war ihr das Erlebnis im Traum erschienen und hatte ihre Nacht zur Tortur gemacht. Sie gähnte und streckte sich ausgiebig und wunderte sich darüber dass sie auf ihrer Couch eingeschlafen, aber im Bett aufgewacht war. Das Klappern von Tassen ließ sie alarmiert auffahren. Erst als sie den letzten Tag etwas rekapitulierte kamen die Erinnerungen zurück. Müde fischte sie nach ein paar Klamotten, zog sich an und tappte in die Küche, in der Damian schon mit dem Frühstück kämpfte. „Wolltest du nicht gehen wenn ich schlafe?“ fragte sie als Begrüßung düster mit einem humorvollen Unterton. Der junge Mann grinste hinter seinen Haaren hervor und stellte die Tassen auf die Arbeitsfläche zurück. „Guten Morgen erstmal. Naja, ich wollte ja gehen, aber ich wusste nicht wie du ohne ein wahnsinnig gutes Frühstück überhaupt wach werden solltest.“ Witzelte er. Lucy lächelte etwas gequält zurück. „Wahnsinnig gut? Ist wohl das einzige was du kannst, hm?“ Damien schüttelte den Kopf und griff gleichzeitig nach den Zuckerwürfeln. „Ich kann noch viel mehr, aber das ist der falsche Zeitpunkt um es dir zu beweisen.“ Säuselte er. „Na, deinen Humor hast du noch nicht verloren. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.“ Fügte er hinzu. Lucy schüttelte nur missmutig den Kopf und folgte ihm und dem Kaffee ins Wohnzimmer. „Warst du wirklich die ganze Nacht da?“ fragte sie nach ein paar Schlucken des belebenden Getränks. Damian zuckte mit den Schultern. „Wo sonst? Ich hab sogar angefangen deine Sachen einzuweichen. Das hab ich da gefunden.“ Dabei zeigte er auf den Zettel des Punks, den er aufgefaltet auf den Tisch gelegt hatte. Lucy schnappte sich das Papier und sah es sich genauer an. Es fühlte sich alt und brüchig an und als sie es etwas glatt strich erkannte sie eine fast schon verblasste Schrift erkennen. „Ich glaube es ist irgendwas codiertes oder so. Ich konnte es nicht lesen.“ Warf Damien ein. Lucy nickte zustimmend und versuchte die Worte zu entziffern.“Es ist Sütterlin-Schrift. Aber die Worte ergeben keinen Sinn.“ Stellte sie fest. Damien wedelte zustimmend mit der Hand. „Ich kenne da jemanden der uns vielleicht helfen kann. Ein Freund von mir ver- und entschlüsselt Nachrichten für die Regierung. Möglicherweise hat er eine Ahnung davon.“ Lucy sah von dem Papierfetzen auf und zuckte mit den Schultern. „Wie kommst du denn auf „UNS“? Und vor allem wer sagt das es mich interessiert was auf dem Wisch hier steht?“ Damien lehnte sich zurück und schmunzelte. „Weil ich glaube, dass du recht neugierig bist und sicherlich wissen willst was da steht. Das ist doch der Zettel den dir der Penner gegeben hat, oder?“ Lucy starrte ihn nieder. „Nun gut, Herr Psychologe. Dann zeig mir mal was dein toller Freund kann.“ Damit warf sie ihm den Zettel hin und griff nach ihrer Tasse. Damien zog eine Augenbraue hoch, holte sein Handy raus und fotografierte das Stück Papier. „Ich schicke es ihm und dann sehen wir weiter.“ Als nach ein paar Minuten die Antwort das Handy vibrieren ließ, schien er Oberwasser zu haben. Doch der Inhalt der SMS ernüchterte ihn recht schnell. „Er sagt er wird einige Zeit brauchen um das zu entziffern. Er muss erst einmal den Code knacken und dann sehen wir weiter. Er sagt es ist ein Code im Code im Code und so weiter.“ Seufzte er. Lucy feixte gewinnend.
Es war fast schon Mittag, als Damien sich verabschiedete. Lucy hatte in ihrem Übersetzungsbüro angerufen und sich ein paar Tage Urlaub erkämpft. Sie hatte gesagt, sie hätte sich eine Grippe eingefangen. Stolz auf ihre schauspielerische Leistung die für eine Hauptrolle eines Fernsehdramas gereicht hätte, machte sie sich einen Tee und kuschelte sich gemütlich auf das kleinen Ledersofa. Sie merkte nicht, wie sie langsam wegdriftete und erschrak fast zu Tode als sich eine transparente graue Rauchwolke auf ihrem Sessel bildete. Die Wolke verfestigte sich schnell und nahm die Form eines Mannes im mittleren Alter an. Er trug einen schmucklosen schwarzen Anzug, eine silberfarbene Krawatte und ein rotes Tüchlein in der Brusttasche. In der Hand hielt er einen Gehstock, dessen Knauf einen silbernen Totenschädel zeigte. In die Augen des Schädels waren zwei Edelsteine eingelassen, die in einem unwirklichen Licht fast zu glühen schienen und dem Stab ein unheimliches Eigenleben verliehen. Lucy setzte sich auf und versuchte das Gesicht des Mannes zu erkennen, aber dieses verschwamm immer wieder vor ihren Augen. Das einzige, das sie klar erkennen konnte, waren seine Augen. Zwei tiefe Löcher, gefüllt mit unendlicher Dunkelheit in der das Licht der Umgebung zu verschwinden schien. „Um deine Frage zu beantworten müsste ich sehr weit ausholen.“ Stellte ER mit einer ruhigen, sonoren Stimme fest. Das Mädchen blickte verwirrt auf den düsteren Fremden, der sich ohne zu fragen in ihrem Sessel materialisiert hatte. „Ja, ich kann deine Gedanken hören.“ Fügte ER etwas gelangweilt hinzu. „Nun ja, nun bist du wohl so weit. Du hast den Tod dieser armen Existenz erlebt. Du hast ihn gespürt und ihn gesehen. Das ist die Voraussetzung das du mich überhaupt so sehen kannst. Lucy, ich habe mit dir einige Dinge zu klären.“ Dabei beugte ER sich vor und sah dem verdatterten Mädchen direkt in die Augen. Sie spürte wie sich eine unangenehme Hitze in ihrem Körper ausbreitete und ihr Kopf fing an zu schmerzen. SEINE Stimme hallte in ihren Gedanken wie das Echo in einer großen Kathedrale. Ihre Wohnung verschwamm vor ihren Augen und sie fand sich plötzlich in tiefster Dunkelheit wieder. Kein Licht erhellte die Düsternis um sie herum und sie konnte den Boden unter ihren Füßen nicht mehr spüren. So sehr sie auch ihre Augen aufriss, so sehr sie sich bemühte etwas zu sehen, so wenig brachte es ein Ergebnis. Erst als sie den Kopf etwas drehte, sah sie IHN. Ganz im Gegenteil zu der undurchdringlichen Finsternis war ER klar und deutlich zu erkennen. Fast so als würde ein einzelner, unsichtbarer Spot nur auf IHN zeigen. „Keine Angst. Dir kann nichts passieren. Mir ging es am Anfang genauso, als ich das erste Mal in die Ewigkeit eintauchte. Es fühlt sich wahrlich nicht gut an.“ Lächelte ER dünn. „Ganz ehrlich? Nicht gut ist untertrieben.“ Grollte sie und versuchte eine Art Halt zu finden. ER zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich dran… Mit der Zeit zumindest. Dies hier ist eine Welt der Gedanken. Zeit ist hier nicht nur relativ, sondern nicht existent.“ Lucy zog eine Augenbraue hoch und atmete tief ein. „Ich weiß, das klingt unbegreiflich, doch mach dir keine Sorgen. Dir wird nichts geschehen.“ Beruhigte ER sie. „Und du bist NICHT tot.“ Fügte ER noch hinzu als ER den Blick der 23-jährigen deutete. ER machte eine runde Bewegung mit dem Stab und wie von Geisterhand erschien ein Sphären-artiges Bild vor ihnen. Es zeigte ein verschwommenes Bild des Obdachlosen, den sie hatte sterben sehen. Er wirkte ruhig und bei weitem nicht mehr so leidend wie es an der Haltestelle der Fall war. „Das ist unser Beruf. Wir führen die Sterbenden ihrer Bestimmung zu.“ Erklärte ER und SEIN Blick schien Lucy wieder durchdringen zu wollen. Diese aber hatte ihre Fassung mittlerweile wiedergewonnen und war dabei ein paar Krümel Mut zusammen zu suchen. „Das heißt du bist der Tod!“ Stellte sie nüchtern fest. Der Tod nickte und schüttelte dann den Kopf. „Erstens bin ich viel mehr und zweitens finde ich es immer sehr diskriminierend nur „der Tod“ genannt zu werden. Ich sage doch auch nicht „du Mensch“ oder „du Sterbliche“. „ Grollte ER pikiert. „Wenn du mich schon so nennen musst, dann sag bitte TOD!!!!. Also, mit einer Betonung.“ Fügte ER hinzu. Lucys Augenbraue zuckte einen Moment lang amüsiert. „Also, TOOOOOD!“ äffte sie ihn nach. „Was mache ich dann hier?“ Der TOD blickte sie säuerlich an. „Sarkasmus ist das Instrument der Schwachen.“ Erwiderte ER gekränkt. „Du bist hier um zu lernen.“ Das Mädchen hatte inzwischen genug Mutkrümel gesammelt um einen kleinen Courage-Keks zu formen und ging nun zum Angriff über. „Um zu lernen? Was soll ich lernen? Wie man in der EWIGKEIT schwebt, oder wie man sich laut Knigge mit dem Tod unterhält? Komm zur Sache.“ Der TOD seufzte geschlagen und machte eine kurze Bewegung mit dem Finger. Von einem auf den anderen Moment machte die unendliche Dunkelheit dem Bild der Stadt in der das Mädchen lebte, Platz. Sie schwebten hoch über den Häusern, weit über der Fußgängerzone in der sich die Menschen tummelten. Von diesem Blickwinkel sahen sie aus wie Ameisen die ziellos durcheinander liefen. Aber selbst von hier konnte sie mehrere verschwimmende Existenzen erkennen, deren Tod nahe war. „Knigge war übrigens ein langweiliger Gesprächspartner.“ Damit schnippte ER mit den Fingern und plötzlich standen sie mitten zwischen den Menschen. Niemand schien diese Ungewöhnlichkeit bemerkt zu haben. Die Leute liefen an ihnen vorbei als würden die beiden ungleichen Gestalten nicht existieren. „Sie können uns nicht sehen, beziehungsweise wollen sie das nicht. Niemand wird gern mit dem TOD konfrontiert, also blendet ihr Hirn die Existenz aus.“ Erklärte der TOD. „Menschen, die den TOD nicht fürchten, oder sich mit uns arrangieren, sehen uns auch.“ Nachdenklich blickte Lucy in die Menschentrauben die sich pausenlos an ihnen vorbei schoben. „Bedeutet das, dass ich mich mit dir arrangiert habe, oder das ich den Tod nicht fürchte?“ fragte sie leise. Der TOD wiegte seinen Kopf hin und her. „Beides und Keines von beiden, aber du bist nahe dran. Hast du Angst vor mir?“ Lucy verneinte. „Ich habe Angst davor wie ich sterbe. Was danach ist… Nun ja, dann ist es ja vorbei.“ ER lächelte wissend. „Nun ja, vorbei ist so ein hartes Wort und auch nicht ganz richtig. Wenn das Leben endet, endet nur die physische Existenz. Das lernst du aber alles noch.“ Damit setzte ER sich in Bewegung und folgte mit gebührendem Abstand einem alten Mann, dessen Umrisse flackerten wie ein schlechtes Fernsehbild. Der Schatten hinter ihm wuchs mit jedem seiner Schritte. Lucy trottete wortlos und in Gedanken versunken hinterher. „Der Schatten hinter ihm. Ist das auch ein Tod?“ fragte sie als sie wieder auf gleicher Höhe mit IHM war. Der TOD schüttelte bestimmt und fast schon ärgerlich den Kopf. „Das ist ein Schatten! Sie sind wie Aasfresser. Sie spüren wie das Leben aus den armen Existenzen strömt und laben sich daran. Je näher ein Mensch dem Zeitpunkt seines Ablebens kommt, desto mehr Leben strömt aus ihm, ergo wird der Schatten größer und stärker. Wenn der Zeitpunkt dann da ist, kommen wir ins Spiel. Wir haben die Aufgabe die Schatten daran zu hindern auch noch die Seele des Menschen aufzusaugen. Wir holen uns die Seelen, bevor die Schatten es tun können.“SEINE Stimme klang wie die eines Professors als ER Lucy den Sachverhalt erklärte. Doch das Mädchen hatte das dumpfe Gefühl, dass der TOD ihr nicht alles gesagt hatte. Inzwischen waren sie an einer kleinen Bank inmitten eines idyllisch verschneiten Parks angekommen. Der Mann setzte sich, schlug seine Zeitung auf und begann zu lesen. Es hatte leicht zu schneien begonnen, doch das schien ihn nicht zu stören. Der Schatten hatte mittlerweile beachtlich an Größe gewonnen und überragte den TOD um fast das Doppelte. Lucys Herz schlug plötzlich bis zum Hals. Die unmittelbare Nähe zu dem Schatten schnürte ihr die Brust zusammen und ließ ihre Kehle augenblicklich austrocknen. Ein heiseres, fast unhörbares Kreischen ging von der unförmigen Wolke aus als der Tod den Knauf seines Gehstocks auf ihn richtete. Mit einem Mal änderte sich die Szenerie. Das unterschwellige Rauschen des Windes in den Bäumen verstummte und die Zeit stand still. Schneeflocken mitten im Fall, standen in der Luft wie ein fragiles Kunstwerk und auch der alte Mann war mitten in der Bewegung eingefroren. Der Schatten war nun nicht mehr nur ein verschwommenes Bild, dass man nur aus den Augenwinkeln erahnen konnte, sondern eine stoffliche, wabernde Wolke die ständig ihre Form änderte. Das einzige was gleich blieb waren die pechschwarzen Krallen, lang und scharf wie Dolche und das unglaublich riesige Maul, dass über und über mit nadelspitzen Zähnen gespickt war. Der Schatten kreischte ein zweites Mal und diesmal war es alles andere als unhörbar. Lucys Ohren klingelten und ihr Schädel fühlte sich an als wolle er zerspringen. Der TOD stellte sich vor Lucy und auch er hatte sein Aussehen verändert. Sein edler, schwarzer Anzug hatte einem schwarzen, bodenlangen Kapuzenumhang Platz gemacht und der Gehstock mit dem silbernem Schädelknauf war nun eine riesige Sense, deren silberne Schneide in einem unwirklichen Licht glühte. Der Schatten schien sich bei dem Anblick der Sense zu ducken und zurück zu weichen, doch es war kein Zeichen von Angst. Er machte sich bereit für den Angriff. Seine Klauen schossen vor und schlugen nach dem TOD, doch dieser wich geschickt aus und schwang die Sense in Richtung der Wolke. Er traf den Schatten seitlich an einer Stelle wo Lucy den Kopf der Kreatur vermutete und riss ein Loch in die wabernde Fläche. Dunkler Rauch schoss aus der Wunde hervor und der Schrei des Schattens steigerte sich in ein durchdringendes, hasserfülltes Schrillen. Sein sich ständig verändernder Körper ballte sich zu einer kompakten Masse purer Dunkelheit und schoss wie von einem Katapult gefeuert auf den TOD zu. Sein Maul öffnete sich als wollte er den Sensenmann am Stück verschlucken doch der TOD reagierte instinktiv. Geistesgegenwärtig duckte er sich unter seinem heran springenden Gegner hinweg und hielt die Sense hoch aufgerichtet über sich. Der Schatten verfehlte den TOD nur um ein Haar, kam einige Meter hinter ihm wieder auf, überschlug sich ein paar Mal und richtete sich mit einer katzenähnlichen Grazie wieder auf. Doch anstatt den TOD ein weiteres Mal anzugreifen, schien er ungläubig auf die riesige klaffende Wunde auf seiner Unterseite zu starren aus der dunkler Rauch wie aus einem ausbrechenden Vulkan hervorsprudelte. Sein massiger Körper verlor seine Stofflichkeit und je mehr Rauch aus der Wunde austrat, desto transparenter wurde er. Er heulte noch einmal kraftlos auf und kippte dann mit einer fühlbaren Wucht auf den verschneiten Boden. Der TOD blickte Lucy mit unverhohlener Genugtuung unter seiner Kapuze an und trat ruhig hinter den alten Mann, als hätte es den Kampf nicht gegeben. ER legte seine knochige Klaue auf die Schulter des Alten und sah noch einmal zu dem Schatten hinüber, der mittlerweile so gut wie verschwunden war. Als der TOD seine Hand von der Schulter nahm, sank der alte Mann in sich zusammen. Eine Art Glühwürmchen löste sich aus dem Körper und schwebte für einen Moment in der Luft, bis der TOD es einfing und in eine etwa faustgroße Glaskugel sperrte, die er aus den unendlichen Weiten seines Umhangs gefischt hatte. In der Kugel schwebten schon ein paar andere Seelen-Glühwürmchen durcheinander und hüllten die Umgebung in ein goldenes Licht. Der TOD grinste sadistisch (soweit es erkennbar war) und schüttelte die Sphäre ein wenig. Die winzigen Leuchtkugeln stoben durcheinander und versuchten aufgeregt zu entkommen. Lucy schüttelte tadelnd und etwas fassungslos den Kopf. „Sie können nicht mehr erbrechen, aber ich finde die pure Vorstellung amüsant.“ Damit steckte ER die Kugel wieder irgendwo in die Falten seines Umhangs und deutete Lucy aufzustehen. Diese stellte sich tapfer wieder auf die Beine und wollte gerade Luft holen um zu fragen was sie gerade gesehen hatte, als der TOD ihr das Wort abschnitt. „Du hast gerade gesehen, wie ich einem Schatten eine Seele entrissen habe.“ Beantwortete ER ihre Frage noch bevor sie gestellt worden war. Seine Gestalt verschwamm für einen kurzen Moment vor ihren Augen und als sie ihn wieder klar sehen konnte, war ER wieder der gut gekleidete, vornehme Mann mit dem Spazierstock. „Das ist auch deine Bestimmung. Ich werde dir alles lehren, was ich weiß.“ Fügte ER noch hinzu. Lucy runzelte verwirrt die Stirn. „Aber ich habe einen Beruf. Wer sagt denn dass ich TOD werden will?“ fragte sie nun etwas überfordert. Der TOD zuckte mit den Schultern. „Nun ja, gezwungen wirst du natürlich nicht. Doch was wäre dir lieber? Jeden Tag dieselbe langweilige Arbeit in demselben langweiligen Büro, oder als TOD jeden Tag neue Leute kennenlernen?“ ER pries die Vorzüge der Entscheidung an wie der Moderator einer Gameshow. Dabei gestikulierte ER in die Richtung des nun toten alten Mannes. „Du lebst Ewigkeiten, kannst Gedanken lesen, bist ständig in den schönsten Metropolen der Welt unterwegs… Was will man mehr?“ Die Schneeflocken um sie herum begannen wieder zu fallen und das Rauschen der Bäume war wieder zu hören. ER hatte die Zeit wieder weiterlaufen lassen. Lucys Gefühl, dass der TOD ihr etwas verheimlichte verstärkte sich mit jedem Wort. „Was für einen Haken hat die Sache?“ Fragte sie vorsichtig. Der TOD drehte sich beschwingt wieder zu ihr. Lucys Blick ruhte auf dem Gesicht des Toten auf der Parkbank. Dort sammelten sich die Schneeflocken und bedeckten langsam den zusammengesunkenen Körper als wollten sie die Schönheit des verschneiten Parks wieder herstellen.
Der TOD schien einen Moment lang nachzudenken und ER wirkte nicht mehr so sicher in seinen Worten.“Der Haken ist, wenn du deine Bestimmung nicht annimmst, werden dich die Schatten holen. Sie werden dich aussaugen und ihre Macht wäre stärker denn je. Ich werde dich nicht beschützen können.“ ER hatte nun offensichtlich Angst. Seine nächsten Worte sprach er schnell und gehetzt aus. „Wenn sie deine Seele in ihre hässlichen Klauen kriegen, wird niemand sie mehr besiegen können und die Menschen werden nach und nach ausgerottet. Jede Seele, die sie nehmen, lebt in ihnen und in ihren Höhlen zwar weiter, aber sie leben in Gefangenschaft und in Qualen. Ihre Energie wird von Tag zu Tag weniger und irgendwann sterben auch sie. Sie können nicht wiedergeboren werden und je mehr Seelen die Schatten stehlen, desto weniger neues Leben kann es geben. Alles Leben würde auf kurz oder lang verschwinden.“ Seine Ausführungen trieben Lucy eine Gänsehaut auf den Körper. „Das bedeutet also ich habe keine Wahl.“ Stellte sie nüchtern fest. Der TOD nickte wortlos. „Muss ich dann auch so einen hässlichen Kartoffelsack tragen oder darf ich mir etwas … moderneres Aussuchen?“ Verdutzt blickte der Sensenmann Lucy an. „Das ist kein KARTOFFELSACK!!! Das ist ein Kapuzenumhang.“ Erwiderte ER empört. Sie hätte schwören können, dass sich die bleiche Färbung seines Gesichts um ein paar Nuancen in Richtung Rot verändert hatte. „Und das hat Tradition!!! Schon von Anfang der Zeit hat der TOD diesen Umhang getragen. Er verleiht Würde!“ Die Entrüstung stand dem TOD ins Gesicht geschrieben. Lucy feixte. „So sieht er aus.“ Der TOD schien nun wahrlich erzürnt und rang nach Luft. „Ich habe nun einiges zu tun.“ Schnappte er, schlug den Stab auf den Boden und die Welt um Lucy verschwand.

~ KAPITEL 4 ~



Als sie ihren Körper wieder spürte, öffnete sie die Augen. Sie war wieder in ihrer Wohnung auf der Couch und der Sessel in ihrem Blickfeld war leer. Verwirrt und müde setzte sie sich auf. Hatte sie das alles nur geträumt? Hatte sie wieder eine Halluzination gehabt? Ihr Kopf schmerzte und ihre Kehle fühlte sich an wie ausgedörrt. Sie setzte sich vorsichtig auf, rieb sich die Augen und griff nach einer Wasserflasche die auf dem Tisch stand. Sie leerte fast die ganze Flasche bis ihre Augen auf dem Wohnzimmertisch hängenblieben. Dort lag ein schwarz eingebundenes Buch, das vorher noch nicht dort gelegen hatte. Sie setzte die Flasche ab und griff verwundert danach. Es war zwar nicht groß, aber dafür um so dicker. Der Einband fühlte sich an wie Leder und hatte fast Körpertemperatur. Lucy erschauderte als sie sich vorstellte aus was der Einband in Wahrheit bestand. Sie fuhr mit den Fingern über den Titel des Buchs der ganz oben eingebrannt war. „Das Buch des Todes“ stand dort in reich verzierten Lettern. Sie schlug es auf und blätterte etwas darin herum. Die Seiten bestanden aus vergilbtem Papier, die aber trotz ihres Alters nicht brachen. Die ersten Worte des Buches waren mit blutroter Tinte (hoffte Lucy zumindest) geschrieben und erklärten wozu es nütze war. Es war eine Anleitung für den TOD und enthielt jede Menge mehr oder weniger nützliche Informationen. Sie blätterte die ersten paar Kapitel durch in denen es um die Grundlagen des Todes ging. Ihr fiel auf, dass die Kapitel - die zu großen Teilen mit der selben roten „Tinte“ geschrieben waren - verschiedene Handschriften trugen. Zu manchen Themen waren Anmerkungen dazugeschrieben oder gleich ganze Seiten eingeklebt worden. Hier und da fehlte eine Seite, dort war eine angesengt. Alles in allem musste dieses Buch durch viele Hände gegangen sein und viele Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende überdauert haben. Je länger sie las, desto müder wurde sie. Schließlich legte sie das Buch beiseite und wollte sich auf den Weg ins Bett machen als es an ihrer Wohnungstür klingelte. Lucy schrak zusammen und sah auf die Uhr. Dabei fiel ihr ein dass Damien noch einmal vorbeischauen wollte. Hektisch packte sie das Buch unters Sofa, hechtete zur Tür und riss diese auf. Wie erwartet stand Damien davor, der sie mit gerunzelter Stirn unverwandt ansah. „Entschuldige, ich war eingeschlafen.“ Murmelte sie und ließ den Jungen in die Wohnung. „Hey. Hast du einen Kaffee für mich übrig?“ fragte er müde. Lucy nickte und machte sich an die Arbeit. Damien hängte die Jacke an die Garderobe und ließ sich dann in den Sessel fallen. „Was ist los?“ fragte Sie aus der kleinen, offenen Küche, als sie sein Gesicht sah. Er winkte ab und meinte:“ Nichts besonderes. Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend.“Lucy zog eine Augenbraue hoch. Etwas sagte ihr, dass Damien ihr nicht ganz die Wahrheit sagte. Kurz darauf stellte Lucy zwei Tassen mit dampfendem Kaffee auf den Tisch und setzte sich auf ihr Sofa. Mit den Füßen konnte sie das Buch spüren. Vorsichtig schob sie es noch ein Stück weiter nach hinten. Ihr Instinkt sagte ihr, dass es nicht gut wäre, ihm von ihrem Nachmittag zu erzählen, geschweige denn von dem Buch, dass sicherlich nicht für fremde Augen geschrieben worden war. Schweigend tranken sie die ersten Schlucke bis Damian sich räusperte. „Du hast also den ganzen Mittag geschlafen.“ stellte er fest. Lucy nickte und nippte noch einmal an ihrer Tasse. „Was arbeitest du eigentlich?“ fragte sie. Damian rückte unangenehm berührt auf seinem Sitzplatz herum bevor er eine bedächtige Antwort gab. „Ich arbeite im Im- und Exportgeschäft.“ Lucys Gefühl , dass Damien ihr nicht alles sagte, verstärkte sich durch diese ausweichende Aussage nur noch mehr. Sie blickte tief in seine Augen auf der Suche nach einer Antwort. Er erwiderte den Blick kurz und sah dann schnell weg. Lucys Blick konnte einem bis tief in die Seele sehen, hatten die Kinder aus dem Waisenhaus immer gesagt. Das war auch einer der Gründe warum niemand etwas mit ihr zu tun haben wollte. „Ich wollte mit dir über etwas reden…“ er stockte als er Lucys gerunzelte Stirn sah. „Es ist wichtig.“ Meinte er leise. Lucy nickte ihm langsam zu. Etwas in seiner Stimme verriet ihr, dass es kein gutes Thema war. „Ich wollte dich fragen, ob es stimmt was du mir erzählt hast. Also das mit dem Punk.“ Er redete leise und eindringlich. Seinen Körper hatte er dabei vorgebeugt und sein Mund war nun sehr nahe an ihrem Ohr. Die plötzliche Nähe des gutaussehenden Mannes machte Lucy auf eine seltsame Weise nervös. Sie sog seinen Duft ein und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Er roch nach einem anregenden Parfüm oder Deo, dass einen leichten Brandgeruch aber nicht überdecken konnte. Als sie wieder ausatmete, bildete sich auf Damiens Hals eine leichte Gänsehaut. „Was genau meinst du?“ flüsterte sie ebenso leise zurück. Damien schluckte bevor er weitersprach. „Ich meinte das du den Schatten gesehen hast.“ Das Wort „Schatten“ sprach er lang gezogen und seltsam betont. Lucy runzelte wieder die Stirn. In ihrem Kopf stritten sich die Geister. Einige wollten es ihm sagen, andere wiederum warnten sie vor den verschiedensten Folgen und wieder andere wollten die momentane Situation ausnutzen. Wann käme ihr denn bald wieder ein so gutaussehender Kerl so nahe? Lucy war wie betäubt. Nach einer kurzen Bedenksekunde entschied sie sich für den Mittelweg und dafür, Damien mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. „Ich stand unter Schock. Ich weiß nicht mehr was ich gesagt habe.“ Flüsterte Sie. Wieder bildete sich diese leichte Gänsehaut auf seinem Hals. Er war also auch nicht abgeneigt. Eine Idee reifte in ihr heran. Innerlich grinste Lucy ein kleines, teuflisches Grinsen. Sie stütze sich mit einer Hand auf seinem Knie ab und wandte ihren Kopf näher an seine Kehle und sein Ohr. Damiens Atem ging schnell , als wäre er gerade einige hundert Meter gerannt. Seine Hände zitterten leicht, als er sie auf ihren Nacken legte. „Was ist denn eigentlich mit diesen Schatten?“ fragte sie und drehte damit den Spieß um. Nun saß er in der Falle. Lucy konnte spüren das er einen schweren Kampf mit sich selbst focht. Als Entscheidungshilfe rutschte sie ein winziges Stück näher zu ihm, so dass sich ihre Beine berührten. „Sie…“ begann er, brach aber wieder ab. „Was ist mit ihnen? Was weißt du?“ Hauchte sie. Dabei berührten ihre Lippen sanft und nur kurz seinen Hals. Damien konnte sich nun fast nicht mehr beherrschen. Er zog sie noch etwas näher zu sich heran. „Sie wollen dich.“ Etwas in diesen Worten brach den Bann und Damien schob Lucy schnell von sich weg. Etwas perplex aber nicht unerwartet ließ sie es geschehen und stand auf, bevor er gehen konnte. „Was wollen sie von mir? Und warum zum Teufel weißt du von ihnen? Kannst du sie etwa auch sehen?“ Die Fragen prasselten auf Damien ein, der schon seine Jacke in der Hand hatte und im Begriff war zu gehen. Lucy packte seinen Arm und drückte den verdutzten Mann gegen die Wand. Er versuchte sich aus ihrem Griff und den Fragen herauszuwinden doch Lucy war stärker als sie aussah. Eisern hielt sie ihn an der Stelle fest und ihr Blick bohrte sich in den seinen. Da passierte etwas seltsames. Damiens Blick wurde irgendwie durchsichtiger und sie hörte Worte, ganze Sätze in ihrem Kopf die nicht ihre eigenen waren. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, da die Gedanken die sie hörte, nicht geordnet waren. Sie mussten von ihm kommen und er musste ziemlich aufgeregt sein. Seine Gedanken rasten. Als ihr das klar wurde, übernahm das Verlangen nach Wissen ihre Handlungen. Sie hatte ihn schon wieder in der Zange und diesmal würde er nicht davonkommen. „Weißt du wer ich bin?“ Fragte sie und hielt den Blick weiter auf seine Gedanken gerichtet. Damien zuckte wie unter Schmerzen. Er wusste es nicht genau, soviel konnte sie aus den Erinnerungsfetzen herauslesen. Er schüttelte den Kopf. „Nicht genau.“ Presste er durch seine zusammengebissenen Zähne. „Wer bist du wirklich?“ fragte sie weiter. Damien zuckte wieder. Es schien ihm wirklich weh zu tun, doch Lucy kannte nun kein Mitleid mehr. Endlich waren die Antworten auf Fragen die sie sich ihr ganzes Leben lang gestellt hatte in greifbarer Nähe. Sie hatte genug davon dass man ihr Lügen, Halbwahrheiten und Ausflüchte präsentierte. Sie wollte die Wahrheit über sich, ihr Leben und die Veränderungen die ihr Leben durcheinander geworfen hatten, wissen. Damien wand sich weiter und es schien ihm schwer zu fallen, ihr zu antworten. Mit einem letzten Aufbäumen versuchte er sich loszureißen. Dachte Lucy zumindest. Doch sie lag falsch. Anstatt Damiens Arm im Griff zu halten, hielt sie plötzlich nicht viel mehr fest als rauchige Luft. Seine blitzartige Abwesenheit traf sie unerwartet und sie stolperte heftig gegen die Wand. Aus Wut, Enttäuschung und einer gehörigen Portion schlechten Gewissens schlug sie die Faust gegen die dünne Rigipswand ihrer Wohnung. Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie rutschte weinend an der Wand entlang auf die Knie.

Kapitel 5



Die nächsten Tage verbrachte Lucy damit, in ihrer Wohnung herumzustreunen, aus dem Fenster zu sehen und sich Vorwürfe zu machen. Das Buch lag immer noch unberührt unter dem Sofa. Zuviel Angst davor und vor den Erinnerungen die es wecken würden lagen allein in seinem Anblick. Doch trotz allem quälte sie die Neugier, was es enthalten würde. Was für Schätze und welches Wissen darin verborgen lagen. Am letzten Tag ihrer vorgetäuschten Krankheit, saß sie auf ihrem Sessel, starrte Löcher in die Luft und war kein Stück weiter wie zu Anfang. Immer wieder fiel ihr Blick auf den Ledereinband der ein klein wenig unter dem Sofa hervor lugte. Sie dachte an Damien, der sich direkt vor ihren Augen in Luft aufgelöst hatte, an den TOD, der seit dem Ereignis im Park nichts mehr von sich hören lassen hatte und daran, dass sie sich momentan ganz allein auf der Welt fühlte. Sie suhlte sich noch eine Weile in Selbstmitleid bis sie sich selbst auf die Nerven ging. Mit einem Ruck stand sie auf, langte unter das abgelegene Sofa und fischte das Buch darunter hervor. Sorgsam wischte sie den Schmutz und Staub auf, der sich darauf gesammelt hatte und blätterte zum Inhaltsverzeichnis. Sie suchte nach Antworten auf die vielen Fragen die sie quälten. Mit dem Finger fuhr sie über die Worte bis sie einen Punkt erreichte, der „Teleportation“ hieß. Hatte Damien sich teleportiert? Schnell blätterte sie auf die angegebene Seitenzahl und begann zu lesen. Es war eine detailgenaue Beschreibung was man tun musste, um ohne Zeitverlust von dem einen zum andern Ort zu kommen. Lucy runzelte die Stirn. Es klang eigentlich ganz leicht. Und seit sie Damiens Gedanken hatte lesen können, hatte sie etwas Oberwasser gewonnen. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und mit einem Mal begann ihr Körper zu vibrieren. Es fühlte sich an, als würde ihr Körper auseinandergerissen. Erschrocken riss sie die Augen wieder auf und hielt die Luft an. Hastig überzeugte sie sich davon, das sie kein Teil ihres Körpers vermisste. Es war nicht der Fall und sie atmete beruhigt wieder aus. Dabei schalt sie sich eine Närrin und andere Dinge, dass sie nicht den ganzen Text gelesen hatte. Dort waren nämlich einige Warnungen im Bezug auf falsch angewandte Teleportation zu lesen. Mit einem Schauer auf dem Rücken besah sie sich die vielen Zeichnungen, die verkrümmte, verstümmelte und schrecklich zugerichtete Körper zeigten. Einige von ihnen waren mit Gegenständen oder gar in Türen, Wänden und Fußböden verwachsen. Zu ihrer eigenen Sicherheit blätterte sie ein paar Kapitel weiter. Ihr kam Damien wieder in den Sinn. Er hatte sich sicher teleportiert. Nur im Gegensatz zu ihr, hatte er es im Griff. Er wusste auch über die Schatten bescheid. Lucys Gedanken fingen an, die ganze Geschichte zu verstehen. Sie suchte den Titel „Wesen der Finsternis“ und landete fast sofort bei „Schatten“. Die Altdeutsche Schrift und Sprache wirkte wie ein Relikt einer längst vergessenen Zeit. Einige Passagen waren schon so verblichen, dass die Schrift nicht mehr lesbar war.

„Schatten sind in vielerlei Form vertreten. Nicht würdig den Augen der Menschen, zeiget er sich ihnen nicht. Er sauget sie aus, wie ein Parasit. Dem Blutegel gleich stehlet er die Lebenskraft und ihre unsterbliche Seele. Nur die Sense des Gevatter Tod macht ihrem unheiligen Treiben Ende, nur die Klauen der Schatten können den Tod zu Fall bringen. Von Anfang der Zeit sind sie die schlimmsten Feinde, niemals wird es Frieden geben. […] Die Apokalypse abzuwenden gleichet eines Perpetuum Mobile. Die Hand Gottes, die seinen Reitern befielt Tod über das Land zu bringen kann nur […]“



Der Rest der Seite war angebrannt und zerrissen. Enttäuscht ließ Lucy das Buch sinken. Diese Passage schien wichtig zu sein. Sehr wichtig sogar. Sie las den Teil noch einmal durch und die Schrift kam ihr verdammt bekannt vor. Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Der zerrissene Zettel des Punkers hatte genau dieselbe Handschrift wie die in dem Buch. Fieberhaft fing sie an den Zettel zu suchen. Sie durchkämmte ihre Schubladen und stellte die Wohnung komplett auf den Kopf. Sie sah überall nach, doch das Blatt war verschwunden. Damien musste es mitgenommen haben. Lucy fluchte laut und warf sich wütend zurück auf das Sofa. Er hatte sie eiskalt belogen und ihr den Zettel abgenommen. Wer weiß was er damit machen würde und was auf diesem Papier stand. Aufgebracht schnaubte sie ein paar Mal und fluchte vor sich hin. Ihr Gemüt beruhigte sich nur langsam und sie tigerte durch die Wohnung auf der Suche nach einer Beschäftigung. Als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, reifte in ihr ein Entschluss. Sie würde es diesem Lügner, der ihr Gefühle vorgegaukelt, sie bestohlen und belogen hatte, heimzahlen. Und das nicht zu knapp. Mit eiserner Entschlossenheit setzte sie sich wieder an das Buch und begann zu lernen. Das nächste Mal würde sie ihn daran hindern, einfach abzuhauen oder sich in Luft aufzulösen. Sie würde sein Hirn kochen, wenn es sein müsste. Sie las zuerst die Kapitel in denen es um Gedankenkontrolle und vor allem um Gedankenlesen ging. Das hatte sie ja schon erfolgreich gemeistert und fand, es sei der einfachste Weg dort anzufangen, wo man am schnellsten Erfolge erzielt. Die Nacht war schon lange hereingebrochen, als sie es endlich schaffte, eine Katze auf dem gegenüberliegenden Dach dazu zu bringen in die andere Richtung zu gehen, fing sie an zu jubeln. Sie übte bis in die frühen Morgenstunden. Erst an vorbeifliegenden oder –laufenden Tieren und als die ersten Menschen aus ihren Wohnungen kamen, an denen. Von Mal zu Mal wurde sie besser darin. Als es Zeit war, wieder zu ihrer Arbeit zu gehen, stand sie vor einer schweren Entscheidung. Als Tod-Anwärter brauchte sie nicht zu arbeiten. Als ihr das klar wurde lächelte sie stumm. „Nie wieder arbeiten!“ grinste sie, nicht ahnend was noch alles auf sie zu kommen würde.


Kapitel 6



Ihre Kündigung war einige Tage später per Brief bei ihr angekommen, doch Lucy hatte das nicht gestört. Sie war so vertieft in das Buch und in die Übungen mit ihren Fähigkeiten, dass sie die Welt um sich herum vergaß. Der Frühling war ins Land gekommen, doch sie hatte keinen Blick dafür. Mittlerweile hatte sie das Gedankenlesen und die Kontrolle perfektioniert und das teleportieren funktionierte auch schon ganz passabel. Sie war gerade dabei, ihre Begabung in Hinsicht der Telekinese zu testen, als vor ihr eine schwarze Rauchwolke wie aus dem nichts vor ihr auftauchte. Lucy wich ein Stück zurück, entspannte sich aber wieder, als sie in der Wolke den TOD erkannte. Dieser stützte sich lässig auf seinen Gehstock und winkte ihr zu. „Wo warst du so lange?“ Fragte sie ohne eine Begrüßung. Der TOD zuckte mit den Schultern. „Ich hatte geschäftlich zu tun. Die Menschen sterben ja nicht einfach so.“ Lucy nickte zustimmend und lehnte sich zurück. „Du scheinst gelernt zu haben.“ Stellte der TOD etwas überrascht fest, als er bemerkte dass sie ihre Gedanken vor ihm verborgen hielt. „Etwas.“ Antwortete sie kurz. „Wann bekomme ich eigentlich so eine Sense?“ fragte sie dann relativ geschäftlich. Der TOD nickte anerkennend. „Du scheinst dein Schicksal recht gut verkraftet zu haben.“ Seine Stirn legte sich in Falten als er noch einmal versuchte ihre Gedanken zu lesen und es wieder nicht schaffte. „Deine Sense bekommst du wenn du bereit dazu bist. Vorerst musst du dir mit etwas anderem behelfen. In dem Buch sollte eine Anweisung stehen, wie man sich sein Werkzeug erschafft.“ Lucy seufzte tief. Sie hatte das Kapitel schon gelesen und es klang fast unmöglich. Der TOD lächelte dünn als er ihr Gesicht sah. „Versuche erst einmal deine Fähigkeiten auszubauen. Dann sehen wir weiter. Wenn du soweit bist, werde ich dich wieder besuchen und zu einem Ort mitnehmen, an dem du alles weitere lernst.“ Sprach er bedächtig. Noch mehr lernen. Lucys Kopf rauchte schon jetzt und die Schrift in dem Buch war des Öfteren schon vor ihren Augen verschwommen. Sie hatte auch fast nichts gegessen in den paar Monaten, doch seltsamerweise sah man es ihr kaum an. „Und Lucy… Halte dich von den Schatten fern. Einige von ihnen können dich verführen.“ Riet er ihr. Lucy sah ertappt auf. „Was meinst du damit?“ fragte sie. Der TOD verzog das Gesicht. „Du weißt was ich meine. Nicht alle Schatten sind von der Natur wie du sie gesehen hast. Einige sind so mächtig, dass sie Menschengestalt annehmen und sich benehmen können wie einer von uns. Unterschätze sie nicht. Und das wichtigste: Vertrau ihnen nicht! Niemals! Sie führen dich in Versuchung und bringen damit das Gleichgewicht des Lebens und des Todes durcheinander. Das wiederum würde das Gleichgewicht der Welt stören und du kannst dir denken was das bedeutet.“ Lucy nickte nachdenklich. „Wir sind neutral. Wir stehen zwischen dem Himmel und der Hölle wenn du so willst. Die einen Kräfte wollen das Gute, die andern das Böse in der Welt verbreiten. Sie beide muss es geben! Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Wir sind da um das Gleichgewicht zu halten. Wir räumen sozusagen hinter den beiden auf und haben die Pflicht jede Seele eines Menschen einzufangen und sie zu den Orten der Wiedergeburt zu bringen. Die Seelen die verloren gehen, bleiben verloren. Niemand kann ihnen mehr helfen.“ Der TOD sprach mit ihr, als würde er es einem Kind erklären. Lucy nickte. „Das verstehe ich schon, aber wie ist es mit der Überbevölkerung der Erde? Es werden mehr Menschen geboren als sterben. Wo kommen diese Seelen her?“ Der TOD lächelte wissend. „Du bist clever, das muss man dir lassen. Das fragen wenige. Glaubst du, du bist allein im Universum? Denkst du es gibt nur diese Welt? Es gibt tausende und abertausende Welten neben dieser. In jeder leben unzählbar viele Kreaturen. Niemals wird eine Seele in der gleichen Art von Kreatur wiedergeboren. Immer sind es andere. Das hat den Vorteil, dass jeder sein Leben ändern kann und nicht mit den Lasten seines alten Lebens kämpfen muss.“ Er endete seine Ausführungen mit einem Seufzer und einem Blick auf eine nicht vorhandene Uhr an seinem Handgelenk. „Ich muss nun wieder gehen. Lerne weiter und eigne dir so viel wie möglich an. Du wirst es brauchen.“ Ohne ein weiteres Wort löste er sich wieder in eine kleine Rauchwolke auf und verschwand. Lucy war wieder allein mit ihren Gedanken. Das Gleichgewicht der Welt hing also daran was sie tat? Die Last, die damit auf ihren Schultern ruhte, erdrückte sie fast. Wie sollte sie das alles bewältigen? Seufzend steckte sie ihre Nase wieder in das Buch.

Kapitel 7



Der Sommer war ins Land gekommen und die Sonne brannte unerbittlich auf den winzigen Balkon, den Lucy ihr Eigen nannte. Sie hatte in der Zwischenzeit so viel gelernt und ausprobiert, doch der TOD hatte sich immer noch nicht blicken lassen. Sie konnte nun aus dem Handgelenk heraus teleportieren und sogar schwere Dinge eine ganze Weile in der Luft herum schweben lassen. Sie nutzte ihre Begabungen im täglichen Alltagsleben schon als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Ein paar Mal hatte sie versucht, Damien oder den TOD in ihren Gedanken zu kontaktieren, doch dies schien ihr nicht zu gelingen. Entweder wollte keiner von beiden sie hören, oder sie konnten es nicht. Lucy schlug eine Seite auf, die die Überschrift „Finden von Gegenständen“ trug. In ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Wenn sie das konnte, konnte sie auch Damien finden und ihn zur Rede stellen.
Was sie nicht wusste war, dass Damien sich an dem Abend als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, vor ihrem Haus mit letzten Kräften wieder materialisiert hatte. Lucy hatte ohne Übung seine Gedanken durchforstet und dabei war sie nicht gerade sanft vorgegangen. Sie hatte sich durch sein Hirn gewühlt und ihn damit fast getötet. Er trug es ihr aber nicht nach. Sie hatte ja nicht wissen können was sie da tat. Er war noch eine Weile bewusstlos und unfähig jeder Bewegung im kalten Schnee gelegen bis ein zufällig vorbeiziehender Schatten ihn gefunden hatte. Dieser hatte ihn zurück in die Bastion genommen wo die Heiler einige Zeit damit verbrachten ihn wieder auf die Beine zu bekommen. Sein Körper war immer noch schwach und seine Kräfte waren noch nicht ganz zurückgekehrt, als der Herr der Dunkelheit ihn zu sich befahl. Im großen Thronsaal des Herrschers wurde er vor die Ältesten geführt, denen er sich erklären musste. Er erzählte ihnen, wie er Lucy gefunden hatte, wie er es geschafft hatte ihr näher zu kommen. Er sagte ihnen wie der
Versuch sie zu verführen schief gegangen war. Was er geflissentlich nicht erwähnte, war dass er sich von ihr wirklich angezogen fühlte. Sie hatte so gut gerochen, ihre Nähe war ihm unter die Haut gegangen. Er beschloss es für sich zu behalten und zu vergessen. Er hatte einen Auftrag. Einen wichtigen zudem. Den Zettel, den er ihr gestohlen hatte, hielt er trotzdem geheim. Erst wollte er wissen was darauf stand, bevor er es dem Herrscher überreichte. Irgendwas an diesem Papier schien wichtig zu sein. Als er die Geschichte beendet hatte, fielen die Ältesten in ein unangenehmes Raunen. Erst als der Herr der Finsternis seine Stimme erhob, verstummten die Ältesten respektvoll. „Damien! Dein Auftrag ist klar. Du sollst SIE verführen. Du sollst Sie zu einer der unsrigen machen. Spiel nicht weiter. Ich will Ergebnisse sehen. Der Zeitpunkt ist bald gekommen und dann muss SIE auf unserer Seite stehen. Du weißt was davon abhängt.“ Damien erzitterte unter seiner Stimme. Sie drang ihm durch Mark und Bein. Er nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Der Herrscher stand auf und seine Fratze verzog sich zu einem hässlichen Grinsen. „Ich hoffe nicht, dass du ihr erliegst, oder dich gar von ihr verführen lässt.“ Warnte er. Etwas in seiner Stimme sagte ihm, dass er es todernst meinte. Damien nickte noch einmal, drehte sich respektvoll um und verließ den Saal. In seiner Unterkunft legte er sich auf die Pritsche und versuchte wenigstens ein paar Stunden zu schlafen, bevor ihn der Herrscher wieder auf die Erde schickte. Dabei hielt er den Zettel in der Hand und betrachtete die seltsame Schrift. Er hatte sich immer noch keinen Reim drauf machen können. Er steckte ihn wieder zurück in seinen Mantel und schloss die Augen. Das letzte an was er dachte als ihn der Schlaf übermannte, war Lucy, wie sie nur wenige Zentimeter von ihm entfernt auf dem Sofa saß.


Kapitel 5 folgt...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Freunde, für die, die mich verlassen haben, für die Liebe und für den Tod.

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