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Klassentreffen


Ein Klassentreffen stand an. Zehn Jahre war es nun her, seit ich meine Schule verlassen hatte, ich hatte sie vorzeitig abgebrochen, als ich siebzehn war. Mein Abitur hatte ich nicht gemacht und somit waren mir viele Türen verschlossen geblieben. Was hatte ich für Pläne gehabt, Ärztin oder Anwältin wollte ich werden, das war mein Traum, aber es kam alles anders...

Wie auch immer, als mich der Brief eines ehemaligen Klassenkameraden erreichte, war ich schon ganz schön aufgeregt. Was war aus ihnen allen geworden? Wer hatte es „geschafft“, wer war abgestürzt? Wer war schon verheiratet, hatte Kinder und wer war möglicherweise immer noch Jungfrau?
Und doch überkam mich auch ein leichtes Gefühl der Angst...ich selbst hatte karrieremässig nichts zu bieten, ganz im Gegenteil. All die Jahre hatte ich mich am Rande des Abgrundes bewegt, immer kurz davor, endgültig abzustürzen. Von einer beruflichen Karriere im klassischen Sinne war ich meilenweit entfernt. Ich hatte nicht mal eine Ausbildung angefangen...

Aber dann wischte ich meine Bedenken fort. Was solls, ein paar Stunden Spaß bei einer Party im Keller von Christians Haus, trinken, quatschen, einfach für ein paar Stunden mal alles hinter sich lassen, das konnte ja nun wirklich nicht schaden...

Also ging ich zu meinem Kleiderschrank und überlegte, was passend für diesen Anlass sein könnte. Ich lächelte, meine Auswahl an sexy Outfits war wirklich beeindruckend, doch mein schwarzer Lack-Catsuit war nun wirklich nicht das Richtige. Ich entschied mich für das kleine schwarze, das ging immer. Es wirkte einigermaßen seriös, aber auch nicht zu spießig. Verkleiden wollte ich mich ja nun auch nicht, aber unangenehm auffallen, das wollte ich mit aller Macht vermeiden.

Kritisch betrachtete ich mein Spiegelbild. Für meine 27 Jahre sah ich wirklich gut aus, etwas müde vielleicht aber durchaus attraktiv. Ich wusste genau, welche Anziehung ich inzwischen auf das männliche Geschlecht ausübte und konnte mir das sehr gut zu Nutze machen. Allerdings war mein Aussehen auch das Resultat harter Arbeit. Ich investierte sehr viel Zeit und Geld in die Erhaltung meines Körpers und ich hatte meiner Meinung nach auch das Beste aus mir heraus geholt.
Wie die anderen Mädels wohl inzwischen aussahen? In meiner Schulzeit erschien mir jedes Mädchen hübscher als ich, ob das jetzt noch genauso war?

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich jetzt wirklich beeilen musste. Ich schnappte mir meine Handtasche, schloss die Wohnungstür hinter mir und eilte zum Taxistand an der Ecke. Die Fahrt führte mich in eine der besseren Wohngegenden der Stadt. Überall standen Villen und Einfamilienhäuser. Christian hatte es anscheinend zu etwas gebracht. War ja auch nicht anders zu erwarten gewesen bei seinem sozialen Hintergrund und seinen schulischen Bestleistungen. Er hatte die besten Voraussetzungen gehabt, um ein Leben in Erfolg und Wohlstand zu führen. Vermutlich war er auch kurz davor, seinen ersten Doktortitel zu bekommen.

Aufgeregt lief ich die lange Auffahrt entlang und kam direkt in die Eingangshalle. Die Villa war wirklich imposant und sie musste ein Vermögen gekostet haben, aber vielleicht war sie auch geerbt...auf jeden Fall war ich äußerst beeindruckt.
Christian kam leichten Schrittes auf mich zu. Ich war froh, sein Gesicht zu sehen, hatte ich mich doch etwas verloren in dem großen Haus gefühlt.
„Hallo“, er lächelte. Ich konnte genau sehen, wie seine Gedanken rasten. Er wurde ein bisschen rot, ich wusste, er fand mich sehr attraktiv, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wer ich war. Ich streckte ihm meine Hand entgegen.
„Ich bin Janine...“
Er dachte einen Moment angestrengt nach und schien zu versuchen, mich einzuordnen. Nach einer gefühlten Ewigkeit überkam ihn die Erkenntnis. Das war auch nicht verwunderlich. Damals war ich nicht gerade auffällig gewesen und Christian hatte mich sicherlich nicht als attraktives Mädchen in Erinnerung.
„Ach, ich habe dich überhaupt nicht erkannt, komm doch rein, ein paar sind schon da, aber ich denke, es werden noch mehr kommen,fast die ganze Klasse hat ja schließlich zugesagt.“
Er musterte mich noch einmal verstohlen. Ich hätte alles gegeben, um seine Gedanken lesen zu können. Christian war nun nicht gerade der Typ, den man einen Frauenheld nennen konnte. Er hatte das Aussehen eines typischen Intellektuellen, der mehr Zeit mit seinen Büchern und am Computer verbrachte, als sich dem realen Leben zu widmen. Er hatte eine dicke Brille, war blass und ziemlich dünn. Er zumindest hatte sich kaum verändert rein optisch.

Ich selbst hatte mich buchstäblich von der Raupe in den Schmetterling verwandelt, was mein Äußeres betraf. Die graue Maus von damals gab es schon lange nicht mehr. Sie war gestorben, als ich siebzehn war in den Armen eines attraktiven älteren Mannes...

Er führte mich in eine Art Salon, musste wohl das Wohnzimmer sein, wobei dieses „Wohnzimmer“ so groß war, wie die gesamte Wohnung der meisten Menschen.
Als ich eintrat, sahen mich alle erwartungsvoll an.
„Das ist Janine, erinnert ihr euch?“ stellte Christian mich vor. Ich sah Unverständnis in ihren Augen, die meisten nickten mir beiläufig zu nur Sandra kam direkt auf mich zu.
„Schön dass du auch gekommen bist, wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, mit dir habe ich ja fast nicht mehr gerechnet...“
Ich sah echte Freude in ihrem Gesicht. Sie war meine beste Freundin in der Schulzeit gewesen, ich hatte sie wirklich gern gehabt.
Sie zog mich zu einem Sofa in der Ecke und drückte mir eine Bierflasche in die Hand. Wir waren die einzigen, die Bier tranken. Die anderen hatten Gläser mit Wein oder Champagnerkelche in der Hand. Hier war eben alles etwas stilvoller. Aber Sandra schien das Gott sei Dank nicht zu kümmern.

„Meine Güte, du hast dich aber verändert, toll siehst du aus! „
Sie kicherte. Als ich sie intensiver betrachtete, musste ich feststellen, dass auch sie sich verändert hatte. Wir waren uns mal so ähnlich gewesen, damals vor 10 Jahren. Ihre tollen langen Haare waren nur noch schulterlang und stumpf, jeglicher Glanz schien verloren zu sein.
Sie trug keine Schminke, war etwas rundlicher geworden und schien nicht viel auf ihr Äußeres zu geben. Dabei war sie wirklich hübsch, aber nun wirkte sie ziemlich müde und abgespannt.
„Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder bekommen gleich nach dem Abitur und möchte vielleicht bald studieren oder arbeiten“, eröffnete sie mir. Das erklärte einiges, auch sie hatte es noch nicht geschafft, jedenfalls nicht jobmässig und sie machte auf mich auch keinen glücklichen Eindruck. Konnte es sein, dass dieses normale Leben mit Mann und Kindern vielleicht auch nicht das Richtige war? Zumindest machte Sandra auf mich nicht gerade den Eindruck, dass dies die Erfüllung ihrer Träume war. Aber immerhin hatte sie etwas erreicht in ihrem Leben, was mir bis jetzt komplett verwehrt geblieben war.

„Und du, was machst du? Hast du schon deinen Traummann gefunden?“
Sie platzte fast vor Neugier.
„Ach, ich jobbe mal hier mal da, es geht mir gut, ich kann überleben und den Traumprinzen habe ich bis jetzt noch nicht gefunden.“
Sie musterte mich einen Moment und überlegte, ob sie weiter nachhaken sollte, ließ es dann aber, da sie vermutlich bemerkt hatte, dass beim Thema Männer sich ein Schatten über mein Gesicht gelegt hatte.
„Komm, lass uns Spaß haben!“ sie prostete mir zu. Wir hatten uns so einiges zu erzählen und ich lachte viel mit ihr wie in alten Zeiten. Die Zeit schien für eine Weile stehen geblieben zu sein, als wir in unseren gemeinsamen Erinnerungen an die Schulzeit schwelgten.
Deshalb nahm ich von den anderen ehemaligen Mitschülern auch kam etwas wahr, was mich aber nicht weiter störte, schienen sie doch sowieso lieber mit sich selbst beschäftigt zu sein und es interessierte mich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich. Die einzige Person, die mir wichtig war, saß hier neben mir .
Als Sandra dann auf Toilette ging, ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen und für einen Moment glaubte ich, mein Herz würde stehen bleiben. Das konnte doch nicht sein. Ich vergewisserte mich mit einem zweiten Blick, ob ich mich nicht täuschte. Ich sah ihn lässig am Kamin lehnend, Bier trinkend,und in ein Gespräch vertieft. Mein Gott, wie hatte ich IHN vergessen können! Lenny! ER sah noch genauso aus, wie vor zehn Jahren, wild, lange Haare und sehr lässig gekleidet. Sein Jeans sahen ziemlich abgewetzt aus, die Haare waren ungekämmt und sein Lächeln war so unbekümmert wie früher. Ich konnte kaum glauben, dass er jetzt ein Mann war und kein Junge mehr und doch war diese Tatsache nicht zu leugnen. Etwas in seiner Haltung verriet mir, dass er inzwischen erwachsen geworden war. Er strahlte eine fast schon magische Anziehungskraft auf mich aus, der ich mich nun kaum entziehen konnte.
Er hatte sich kaum verändert, die Welt schien für ihn stehen geblieben zu sein und für mich in diesem Moment auch. Erinnerungen stiegen in mir hoch und mir wurde warm...ich konnte nicht mehr klar denken, mein Mund wurde trocken...

Klassentreffen (2)


Ich hielt einen Moment inne und versuchte, in mich zu gehen. Jetzt nur nicht in Panik ausbrechen, ermahnte ich mich selbst. Lenny war ein Mensch aus Fleisch und Blut und vor allem war er ein Mann und ein verdammt gutaussehender dazu...
Mein Herzschlag beschleunigte sich unweigerlich.
Was sollte ich tun? Ob er mich noch erkannte? Was, wenn er mich nicht sehen wollte? Ob ich ihm gefiel?
Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um meine Bedenken fort zu wischen. Wie konnte ich plötzlich so schüchtern sein? Was sollten diese Selbstzweifel? Das war doch gar nicht mehr meine Art, das hatte ich abgelegt vor sehr langer Zeit...und überhaupt, wieso brachte mich der Anblick eines Mannes, den ich so lange nicht mehr gesehen hatte, so dermaßen aus dem Konzept? Was sollte schon passieren? Im schlimmsten Fall würden wir und nur kurz „hallo“ sagen, danach würde wieder jeder seiner Wege gehen. Aber was, wenn Lenny mir plötzlich Vorwürfe machen würde wegen unserer Vergangenheit? Kam ich damit zurecht, mich diesen Dingen zu stellen, die ich doch schon längst aus meiner Erinnerung gestrichen hatte?
Nun ja, wer nicht wagt, der nicht gewinnt....

Ich stand auf , zupfte meine Haare in Form und rückte mein Kleid zurecht. Das musste genügen für den ersten Eindruck. Normalerweise hätte ich noch einmal gerne einen Blick in einen Spiegel geworfen, um mich zu vergewissern, dass ich unwiderstehlich aussah, aber ich konnte es kaum erwarten, endlich in seiner Nähe zu sein.

Ich ging direkt auf ihn zu, wobei ich darauf achtete, meinen Hüften einen gewissen Schwung beim Laufen zu verleihen. Das liebten die Männer.
Da Lenny grade in einer Unterhaltung vertieft war, sah er mich nicht sofort.
„Hallo Lenny“, sprach in ihn an. Sein Kopf drehte sich in meine Richtung, seine Augen fixierten mich.
„Hallo!“, antwortete er knapp.
Nachdenklich blickte er mich an. Ich lächelte. Sein Blick wanderte abschätzend über meinen Körper, dann kehrte er zum Gesicht zurück und blieb an meinen Augen hängen.
Ich konnte genau beobachten, wie die Erkenntnis ihn traf. Ich weiß nicht genau, was es gewesen war, vielleicht doch die Augen, denn der Rest hatte sich komplett verändert, aber vielleicht war es auch nur Lennys Intuition zu verdanken, dass er mich nun erkannte.
„Janine...“
Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Schreck und Freude.Er sprach nicht. Wahrscheinlich war ihm diese ganze Situation ziemlich unangenehm und er hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte. Hatte er damit gerechnet, mich auf diesem Klassentreffen wiederzusehen?

Auch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste ja nicht mal, was ich denken sollte. Ich hätte alles darum gegeben zu erfahren, was in ihm in diesem Moment vorging, dieses Schweigen zwischen uns war unerträglich. Was tat ich eigentlich hier? Warum hatte ich ihn angesprochen? Was versprach ich mir davon? Alte Geschichten aufwärmen...ich bezweifelte ernsthaft, dass so etwas Sinn machte, aber Lenny hatte mich irgendwie magisch angezogen, ich konnte also nicht anders, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wohin das eigentlich führen sollte. Aber brauchte man immer ein Ziel?

„Lange nicht gesehen, gut siehst du aus“, unterbrach er die Stille mit dem Versuch eines Smalltalks. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich attraktiv finden würde, das taten die meisten Männer, doch es aus seinem Munde zu hören, bereitete mir echte Freude. Vielleicht, weil ich früher niemals das Gefühl gehabt hatte, dass er mich rein optisch anziehend finden könnte.

„Ja, danke, du hast dich aber überhaupt nicht verändert, Lenny...“ , sein Gesprächspartner unterbrach uns „Ich geh mir mal was zu Trinken holen.“
Einen Moment überlegte ich angestrengt, wer er war, doch ich kam nicht drauf, aber im Grunde genommen war es mir auch nicht so wichtig. Wir zwei waren nun alleine, das war alles, was ich wollte.
„Möchtest du auch was trinken? Lass uns doch ein Bier holen oder trinkst du nicht?“ fragte Lenny mich.
„Super Idee.“
Ich musste lächeln. Ein Bier war sicherlich hervorragend dazu geeignet, die Stimmung zwischen uns etwas aufzulockern. Die Vorstellung, dass wir beide uns vielleicht nichts mehr zu sagen hatten nach all den Jahren, jagte mir schon irgendwie Angst ein.

Ich folgte ihm und ließ mir ein Bier geben. Hastig stürzte ich es runter und besorgte mir sofort Nachschub. Lenny musterte mich belustigt und ich wurde etwas rot. Keine Ahnung, ob er sonst in seinem Leben keine Frauen kannte, die ihr Bier so wie ich hinter stürzten, aber die Aufregung hatte mich ziemlich durstig gemacht.
Langsam kam auch ein Gespräch zwischen uns zustande.
Wir unterhielten uns ein bisschen über belanglose Dinge. Lenny hatte zwar sein Abitur gemacht, sein Vater hatte ja darauf bestanden, aber ansonsten keine Ausbildung oder Studium begonnen. Er war durch die Welt gereist und hielt sich mit ein paar Jobs über Wasser. gehalten. Das passte zu ihm, etwas anderes hatte ich mir für ihn auch nicht vorstellen können. Er war nicht verheiratet und Kinder hatte er auch noch keine. Diese Tatsache beruhigte mich irgendwie, zumindest schien er frei zu sein...aber für was eigentlich?
Lenny war immer noch nicht erwachsen geworden und begeisterte sich wie ein kleiner Junge für die einfachsten Dinge im Leben. Erwartungsvoll blickte er mich an.
„Und, was hast du so die ganzen Jahre getrieben? Du warst ja wie vom Erdboden verschluckt damals...“
Ich schluckte, aber für diese Gelegenheit hatte ich immer eine Erklärung parat. Die Frage nach meiner beruflichen Tätigkeit war mir natürlich nicht neu.
„Ich bin Kellnerin in einer Bar, hab jahrelang auch nur gejobbt, aber es geht mir gut. Kein Mann, keine Kinder, aber ich bin ja noch jung...“

Irgendwie schien auch er ein bisschen erleichtert zu sein, dass ich noch nicht komplett vergeben war. Er schaute mich lange an und scheinbar konnte er kaum seinen Blick von mir abwenden, also gefiel ihm auch, was er sah! Zumindest darum musste ich mir darüber keine Gedanken mehr machen...
„Noch ein Bier?“
So tranken und redeten wir den ganzen Abend. Die Welt um uns herum schien gar nicht mehr zu existieren. Ich wurde auch immer lockerer und Lenny war einfach unheimlich anziehend. Er war so sexy, lustig und strahlte eine unglaubliche Lebenslust aus, der ich mich nicht entziehen konnte, war sie doch geradezu ansteckend.
Es schien, als hätten wir uns in der Vergangenheit nicht gekannt. Es war auch so anders heute Abend zwischen uns. Es war nicht diese schüchterne Teenie-Schwärmerei wie früher, ich wurde auch nicht rot, wenn er mir ein Kompliment ins Ohr hauchte und nach einer Weile wurde mir klar: Ich wollte ihn heute Nacht! Nein, ich musste ihn heute Nacht haben, es gab gar keinen Zweifel! Er war nun kein Junge mehr, sondern ein richtiger Mann und diesen Mann wollte ich sehen, schmecken und spüren! Ich wollte mich ihm komplett hingeben und ihn hemmungslos lieben und von ihm geliebt werden.
Auch er schien nicht abgeneigt zu sein. Er rückte immer näher an mich heran, unsere Beine berührten sich, dann nahm er mich plötzlich in die Arme und küsste mich lange. Es war atemberaubend. Ich spürte, wie sich eine angenehme Wärme in meinem Unterleib ausbreitete. Am liebsten hätte ich ihn hier schon an Ort und Stelle vernascht. Bei dem Gedanken musste ich lachen. All diese Spießer um uns herum und wir mittendrin am Poppen! Das hätte ja gepasst, die ehemals graue Maus Janine und der Looser Lenny, was für ein Pärchen!

Er ließ von mir ab. Wir atmeten beide erst mal durch. Ein Blick auf seine Jeans verriet mir, dass er mich genauso wollte wie ich ihn. Hastig schnappte er sich ein kleines Sofakissen und legte es sich auf die Hose. Er blickte sich um, doch scheinbar schien keiner von uns Notiz zu nehmen.

„Mein Gott, ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist...“, sagte er mit erstickter Stimme. „Ich wollte dich nicht so überfallen, das ist nicht meine Art, wahrscheinlich habe ich zu viel getrunken, aber du bist einfach zu süß...und sexy, eben unwiderstehlich! Ich kann mir das gar nicht erklären, du hast mich in deinen Bann gezogen!“
Er lächelte mich verschwörerisch an und seine blauen Augen funkelten.
„Es macht nichts, mach dir keine Gedanken, ich will es doch auch!“
Er schaute mich überrascht an. Ich wusste genau, was er dachte und auch vor meinem inneren Auge erschien das Bild einer Szene im kleinen Park in der Nähe unserer alten Schule damals vor zehn Jahren an einem lauen Sommertag.

Erste Liebe


Wir waren beide erst 16 und besuchten die selbe Klasse eines Gymnasiums. Seit der siebten Klasse war das so, aber wir hatten uns gegenseitig innerhalb dieser Zeit kaum beachtet. Lenny saß im Unterricht oft neben mir, er war ein Außenseiter, genau wie ich und so kamen wir immer öfter ins Gespräch. Wir konnten feststellen, dass wir den selben Humor hatten und die gleichen Dinge und Umstände uns nervten, das war unsere gemeinsame Basis.

Nach der Schule verbrachten wir immer mehr Zeit miteinander, zunächst gingen wird nur ein Stück des gemeinsamen Heimweges zusammen, dann entdeckte ich manchmal morgens schon Lenny an der Ecke, er hatte schon auf mich gewartet und das gefiel mir. Irgendwann verabredeten wir uns auch nach der Schule, gingen spazieren oder hingen einfach nur zusammen ab. Wir verstanden uns wirklich sehr gut auch ohne Worte. Ich mochte seine lockere Art und sein Aussehen gefiel mir auch und langsam, ohne es selbst so richtig zu begreifen, verliebte ich mich in ihn. Auch er hatte offensichtlich eine Art von Zuneigung für mich entwickelt, denn er suchte immer öfter meine Nähe und lächelte mich an, wenn er mich erblickte.
Ich glaubte nicht, dass er mich besonders attraktiv fand, ich jedenfalls hasste mein Äußeres und so war es für mich unvorstellbar, dass ein männliches Wesen mich in irgendeiner Weise für schön halten könnte.
Meine dunkelblonden Haare waren dünn und hingen meist nur glatt herunter. Die einzige Frisur, die ich trug, wenn man es überhaupt so nennen konnte, war manchmal ein Pferdeschwanz. Ich war da nicht besonders kreativ und hatte auch keine Ahnung, was ich mit meinen feinen Haaren anfangen sollte.

Meine Schminkversuche waren bisher eher kläglich verlaufen, und so tuschte ich mir nur die Wimpern, um überhaupt ein wenig Farbe in mein Gesicht zu zaubern. Weil ich mich selbst figurmäßig für unförmig hielt, trug ich über den obligatorischen Jeans immer ein langes lässiges Oberteil, das meine „Problemzonen“ bedecken sollte. Meine Brüste erschienen mir etwas zu „üppig“, ich hasste es, wenn sie sich unter der Kleidung abzeichneten, denn im Gegensatz zu meinen Mitschülerinnen, die eine kleine feste Brust hatten, war meine einfach nur zu groß und weich. Das jedenfalls war mein vollkommen subjektiver Eindruck. Das andere Mädchen sich mit dem Problem herumschlugen, ihr Busen sei zu klein, das blendete ich komplett aus.

Ich war sowieso völlig orientierungslos damals, wusste nicht, wer ich war oder wo ich wirklich hingehörte. Ich war keine wirkliche Schönheit, mit herausragender Intelligenz konnte ich aber auch nicht punkten. Aber was hatte ich dann zu bieten? Ich war in keiner Clique, worüber ich eigentlich auch ganz glücklich war, denn dieser Gruppenzwang war mir zuwider. Ich fühlte mich meist wie eine Außenseiterin und doch sehnte ich mich innerlich nach Liebe und Zuneigung. Mein allgemeiner Eindruck war es, dass alle Mädchen schon ihre Jungfräulichkeit verloren hatten und ständig ihre Freunde wechselten nur ich nicht. Ich würde vermutlich als alte Jungfer enden, wenn nicht endlich etwas in meinem Leben passierte.

Lenny war das einzige männliche Wesen, dass überhaupt mit mir sprach. Die anderen Jungs in meiner Klasse würdigten mich keines Blickes, ihre Aufmerksamkeit galt eindeutig den hübscheren Mädels. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit 14 still gelitten hatte, weil ich mich in einen Mitschüler verguckt hatte, der mich aber konsequent ignoriert hatte. Er hatte damit mein Herz gebrochen, doch wusste er das nicht mal...
Lenny war ein bisschen verrückt, so ganz anders, als die anderen und das war es vermutlich auch, was mich am meisten anzog. Seine Pläne für die Zukunft waren eindeutig: „Ich werde Rockstar, dafür brauch ich kein Latein...“ Das imponierte mich natürlich, er hatte im Gegensatz zu mir ein Ziel vor Augen, was er auch auf seine eigene Art und Weise konsequent verfolgte.
Ich musste darüber lächeln. Seine Begabung, was Latein anging, war wirklich nicht besonders ausgeprägt, gegen ihn war ich ein Ass und das, obwohl meine Schulnoten meistens auch zu wünschen übrig ließen. Im Grunde besuchte er nur weiterhin die Schule, weil sein Vater ihn dazu drängte. Sein Sohn musste das Abitur in der Tasche haben, damit aus ihm etwas „Ordentliches“ wurde. Vielleicht konnte Lenny auch eines Tages mal die Firma seines Vaters übernehmen...

Ich erinnere mich, wie Lenny das erste Mal verstohlen nach meine Hand griff in seinem Kinderzimmer im Haus seiner Eltern, die Gott sei Dank nicht zu Hause waren. Es war das erste Mal, dass wir beide alleine waren und mein Herz klopfte vor Aufregung. Aus den Lautsprechern dröhnte Heavy-Metal-Musik und er war plötzlich ganz still geworden, was überhaupt nicht seine Art war. In diesem Moment war mir klar geworden, dass die Beziehung ein anderes Level erreicht hatte. Er schaute mich lange an und gab mir einen scheuen Kuss auf die Wange. Danach fing er aus Unsicherheit wieder an zu plappern über Musik und seine Träume. Ich hörte ihm interessiert zu, ich selbst hatte ja keine Träume, zumindest waren sie mir nicht bewusst. Er war wirklich süß, wie er da so saß auf seinem Bett leicht gerötet und mich unsicher anlächelte.

Lennys schulterlangen braunen Haare standen immer leicht ab wie frisch aus dem Bett gekommen, aber ich liebte sie. Es gab ihm irgendwie etwas Wildes, Verruchtes, schließlich hatten die wenigsten Jungs bei uns lange Haare. Er war insgesamt etwas zu dünn, aber sein Hintern, der schon jetzt rund und fest war, ließ erahnen, dass er mit ein bisschen Training und gutem Essen einen wunderbaren Körper haben könnte...
Lenny war nicht auf den ersten Blick ein Mädchenschwarm, er sah anders aus als die anderen und war auch nicht so zugänglich, wie die anderen Jungs und auch etwas schüchtern in Bezug auf Mädchen. Aber gerade das machte ihn für mich unheimlich anziehend und natürlich die Tatsache, dass er sich für MICH interessierte.

Es dauerte drei Monate, bis wir uns das erste Mal richtig küssten. Es war ein hastiger, sehr unbeholfener Versuch, so etwas wie einen Zungenkuss hinzukriegen. Keiner von uns hatte eine Ahnung, aber es war auch irgendwie schön, wenn auch etwas fremd. Etwas verschämt konnten wir uns danach kaum in die Augen schauen. Es war für uns beide etwas völlig Neues und Aufregendes, aber wir waren uns ziemlich unsicher, ob wir alles richtig machten. Gleichzeitig spürte ich, dass ich wirklich in ihn verliebt war. Er fehlte mir, wenn er mal wieder die Schule schwänzte. Nachts erschien er mir in meinen Träumen und ständig musste ich an ihn denken. Das musste ganz eindeutig Liebe sein und ich schwebte im siebten Himmel und hatte ständig die berühmten Schmetterlinge in meinem Bauch.

Unsere Beziehung war nahezu perfekt. Wir waren ein Paar, auch wenn wir das direkt nicht ausgesprochen hatten.Die berühmte Frage: „Willst du mit mir gehen?“ hatte keiner von uns beiden gestellt, aber das war auch nicht nötig. Wir konnten stundenlang über alles reden und teilten die gleichen Interessen. Wir waren ständig zusammen; in unserer Klasse war man sich nicht sicher, ob wir nun ein Pärchen waren, da wir öffentlich keine Zärtlichkeiten austauschten. Uns zu fragen wagte auch keiner, wahrscheinlich war es ihnen schlichtweg egal.

Das einzige Problem war ich selbst. Da ich mich nicht leiden konnte, erschien es mir unerklärlich, was Lenny an mir fand. Sämtliche Versuch meinerseits, etwas mehr aus meinem Typ zu machen, verunsicherten mich nur noch mehr. Ich kam mir absolut lächerlich vor in engen Tops und kurzen Röcken, andererseits wollte ich ihm natürlich auch etwas bieten. Und so zwängte ich mich in dieses Klamotten, obwohl ich mich absolut unwohl darin fühlte.

Lenny spürte das, aber er ermutigte mich immer, dass die Sachen wirklich toll an mir aussahen. Als ich ihn einmal überrascht hatte, in dem ich mir ein neues Outfit zugelegt hatte, das eng und gewagt war, konnte ich einen ganz neuen Blick an ihm entdecken.
„Woah Janine, du siehst echt...so sexy aus!“ Begehren, das muss es wohl gewesen sein, was seinen Blick immer wieder an diesem Nachmittag über meine so verhassten Brüste gleiten ließ, die in dem engen Kleid so richtig zur Geltung kamen. Ich schämte mich ein wenig und Lenny spürte das auch. Also riss er sich zusammen und starrte mir nicht mehr ganz so oft auf meinen Busen, der ihn scheinbar so magisch anzog. Zumindest hatte es Lenny bis jetzt nicht gewagt, meine Brüste zu berühren...worüber ich wirklich froh war.
Alles in allem war ich zufrieden, ich hätte nicht mehr vom Leben gewollt. Meine erste Liebe, mein Lenny. Ich wünschte mir, dieser Sommer würde ewig währen, dieser Sommer voll Liebe und neuer Entdeckungen. Ich war mir sicher, Lenny und ich, wir würden für immer zusammen sein, vielleicht eines Tages heiraten und Kinder bekommen... Es passte alles wie selbstverständlich zusammen, war so leicht und unbeschwert, bis zu dieser einen lauen Sommernacht...

So nah...und doch so fern


Lenny hatte einen Six-Pack Bier besorgt und eine Tüte Chips. Er führte mich zu einem Park, der gleich um die Ecke unserer Schule lag. Lenny steuerte sehr zielstrebig auf diese kleine grüne Oase zu, er hatte vermutlich schon einen besonders schönen Platz ausgesucht für uns beide.

Es war ein heißer und stickiger Tag gewesen im Hochsommer und auch jetzt am frühen Abend lag immer noch eine sehr drückende Schwüle in der Luft. Jede Bewegung war zu viel, die Luft flimmerte, als sei man in der Wüste und eigentlich wartete man nur auf ein erlösendes Gewitter, das Abkühlung verschaffen würde und die Luft wieder klar werden lassen würde.

Völlig durchgeschwitzt, unsere Kleidung klebte uns förmlich am Körper, setzten wir uns nun auf eine Parkbank, die an einem kleinen Tümpel lag. Der Wasserstand war aufgrund der Hitze ziemlich niedrig, grüne Algen hatten sich auf der Oberfläche gebildet, und doch wollte man am liebsten nur rein springen, um sich zu erfrischen.
Es war ein sehr ruhiger, romantischer Ort und hohe Hecken schützten uns vor den Blicken anderer Spaziergänger. Ich kannte den Park, aber diesem versteckten Ort hatte ich noch keine Aufmerksamkeit geschenkt. Frösche quakten, einzelne Vögel sangen ein Abendlied und es roch betörend nach Sommer, Leben und Liebe.
Anscheinend hatte schon andere Pärchen vor uns diesen Platz entdeckt, denn die Parkbank war mit vielen, teilweise schon verblichenen Liebesschwüren übersät.

„Gefällt es dir hier?“, fragte Lenny mich mit belegter Stimme, während er meine verschwitzte Hand ergriff.
„Ja, es ist wirklich schön hier.“ Ich war begeistert, obwohl wir mitten in Berlin waren, hatten wir hier das Gefühl, ganz alleine auf der Welt zu sein. Dass Lenny einen Hang zur Romantik hatte, war mir bisher völlig verborgen geblieben...
Wir öffneten die Flaschen und tranken das inzwischen lauwarme Bier, aber es störte uns nicht. Dabei blickten wir schweigend auf das Wasser. Ich hatte meine Schuhe ausgezogen und genoss nun das Gefühl der Abkühlung, als ein leichter Luftzuge meine Beine streifte.
„Janine, ich...“, unterbrach Lenny plötzlich die Stille. Ich schaute ihn erwartungsvoll an.
„Ich,...ich fühle sehr viel für dich, verdammt... du bist mir unheimlich wichtig....“
Lennys Stimme zitterte leicht, als er diese Wort aussprach . Er drückte dabei meine Hand und hatte seinen Blick verlegen gesenkt. Ich war wirklich gerührt. Das war seine erste Liebeserklärung, oder zumindest so etwas Ähnliches und ich wusste, wie viel Überwindung ihn das gekostet haben musste.
„Ich auch“, erwiderte ich knapp. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass ich ihn über alles liebte, aber aus irgendeinem Grund kamen mir diese Worte nicht über die Lippen. Vermutlich schämte ich mich ein bisschen dafür, wusste ich doch inzwischen schon länger, dass ich mich ernsthaft verliebt hatte, aber die Angst, vielleicht eine Abfuhr zu erhalten oder ausgelacht zu werden, war ja auf beiden Seiten sehr groß. Umso glücklicher war ich, dass Lenny das erste Mal sich zu seinen Gefühlen mir gegenüber geäußert hatte.

„Fühl mal!“, Er führte meine Hand zu seiner Brust. Unter seinem feuchten T-Shirt konnte ich seinen Herzschlag deutlich wahrnehmen, und er war deutlich beschleunigt. Wir schauten uns lange in die Augen und ich konnte dort einen Ausdruck erkennen, den ich vorher noch nicht so wahrgenommen hatte. Seine blauen Augen wirkten so sanft und so voller Zuneigung und Liebe, dass mir sofort warm ums Herz wurde.
„Ich will dich“, hauchte er mir ins auch. „Ich dich auch...“, flüsterte ich. Wohlig schmiegte ich mich an seine Brust. Er liebte mich genauso wie ich ihn, ein wunderbares Gefühl, hatte ich mich doch davor gefürchtet, er würde nicht annähernd so empfinden, wie ich.
Lenny suchte meinen Mund, fand ihn und küsste mich ungewohnt fordernd. Ich öffnete meine Lippen und nahm ihn auf, das erste Mal, dass ich einen Jungen so küsste und es verschlug mir fast den Atem.
„Komm“, er zog mich herunter ins Gras und ich war ihm so nah, wie nie zuvor.
„Ich bin verrückt nach dir!“ Lenny ließ seine Hand unter meine Bluse gleiten und nestelte nun ungeschickt an meinem BH-Verschluss rum. Ich erstarrte. Irgendwie war es ihm gelungen, den BH auf Anhieb zu öffnen und nun knetete er meine freiliegenden Brüste. Ich fühlte mich schrecklich in diesem Moment. Was tat er? Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass Lenny gefiel, was er da berührte. Am liebsten hätte ich ihn von mir gestoßen, doch dazu war ich nicht fähig. Ich wollte mich zusammenreißen, schließlich hatte er mir gerade erst seine Liebe gestanden.

„Oh mein Gott...“, sagte Lenny mit ungewohnt rauer Stimme.. Er rieb sich jetzt an meinem Oberschenkel und ich konnte deutlich seine Erregung spüren. Dann ließ er seine Hand immer tiefer gleiten und landete schließlich zwischen meinen Beinen. Mein Rock war hoch gerutscht und anstatt irgendetwas, was hier passierte zu genießen konnte ich nur daran denken, dass ich mich furchtbar für meinen Körper schämte. Ich war wie erstarrt. Lenny küsste meinen Hals und legte sich dann auf mich. Sein Gewicht lag schwer auf mir, zu ungewohnt war das alles und Lenny hatte ja auch noch keinerlei Erfahrung.

Sein Atem ging nun immer schneller während er hektisch seinen Hosenschlitz öffnete. Panik stieg in mir hoch. Was sollte ich nur tun? Was tat ER hier?
„Lenny, bitte! “, rief ich, aber er hörte mich nicht. „Lenny, das geht mir alles zu schnell! Warte bitte!“ flehte ich nun fast schon, doch er war in seiner eigenen Welt gefangen, ich konnte nicht zu ihm durchdringen.

Mein Rücken schmerzte, überall pikste es und Lennys Gewicht drückte mich fest in den Boden. Was, wenn jetzt auch noch jemand vorbei kam?

„Ich... Janine, ich KANN jetzt nicht aufhören!“
Seine Stimme war jetzt völlig verändert. Das war nicht der Lenny, den ich kannte, den ich liebte..
Seine Bewegungen wurden immer schneller, er war wie von Sinnen, während ich die Augen schloss, um sie vor der Wirklichkeit zu verschließen unfähig, irgendetwas zu sagen oder zu tun.

Lenny rieb sich an meinem Slip, er war nicht mehr dazu gekommen ihn mir auszuziehen, küsste mich hektisch und ungeschickt, dann ein allerletztes Aufbäumen und er brach förmlich über mir zusammen. Zwischen meinen Beinen spürte ich eine ungewohnte Feuchtigkeit. Ich starrte blicklos in den Himmel über mir. Gewitterwolken waren aufgezogen und verdunkelten bedrohlich den Himmel.
Ich war zu keinem klaren Gedanken fähig in diesem Moment. Lenny erschien mir tonnenschwer auf mir, doch ich drückte ihn nicht weg. Es war mir egal, irgendwie fühlte ich mich nur leer. Es gab keine Wut, keine Verzweiflung, nur diese Leere in mir.
Langsam bewegte sich Lenny, dann ließ er sich umständlich neben mir ins Gras fallen. Er schloss seine Hose, ich nahm das Geräusch des Reißverschlusses wahr. Ich sah ihn nicht an. Seine Hand glitt über meinen Rock, um ihn wieder herunter zu schieben, doch es gelang ihm nicht.
Ich konnte ihn schwer schlucken hören, bevor er sprach in einem unendlich traurigen Tonfall: „Es tut mir leid...“
In diesem Moment wurde mir schlagartig klar, dass zwischen uns etwas zerbrochen war. Ich weiß nicht mehr genau, was ich dachte, als ich mich auflehnte, ihn anblickte und voller Abscheu ihm entgegen spie: „Fass mich nie wieder an!“
Mein hasserfüllter Blick traf ihn tief mitten ins Herz, ich konnte das an seinem Blick erkennen...kein Wort fiel mehr, es gab auch keine Worte dafür...
Lenny ging...und ich blieb alleine zurück. Es fing an zu regnen. Erst waren es nur einzelne Tropfen, doch mit einem Mal prasselte mir der Regen wie kleine Nadelstiche auf den Körper. Innerhalb kürzester Zeit war ich komplett durchnässt und erst dann fing ich an zu weinen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, alles war kaputt, mein ganzes Leben und meine Liebe war für immer verloren...ich war noch Jungfrau, aber nicht mehr unberührt....

Die nächste Zeit war einfach schrecklich. Ständig begegneten wir beide uns. Lenny saß in der Schule immer noch neben mir und seine Nähe war für mich körperlich unerträglich. Ich konnte ihn nicht anschauen, er mich aber genauso wenig. Nichts war mehr wie vorher. Ich selbst kleidete mich nur noch schlampig, vernachlässigte mich vollkommen und war nur noch müde und unkonzentriert.

Jeder neue Tag war der blanke Horror für mich. Lenny vermied auch jeden Kontakt mit mir. Alles war anders. Wo vorher Freude und Unbeschwertheit zwischen uns gewesen war, herrschte nun nur noch absolute Sprachlosigkeit. Unsere frühere Schüchternheit in Liebesdingen war einer absolut peinlichen Scham gewichen. Ich glaubte, nur noch Hass für ihn zu empfinden. Was er über mich dachte, war mir schlichtweg egal, er hatte mich ja sowieso niemals geliebt...

Mein desolater Zustand entging auch meiner damaligen besten Freundin Sandra nicht.
„Was ist denn los mit dir, Janine?Ich erkenne dich gar nicht mehr wieder“, fragte sie mich auf unserem Heimweg. Ihr war natürlich aufgefallen, dass ich seit drei Tagen ungewöhnlich still war und zwischen Lenny und mir absolute Funkstille herrschte. Sie wusste noch nicht, was geschehen war, sogar vor ihr war mir die ganze Sache furchtbar peinlich. Ich antworte nicht.

„Was ist mit dir und Lenny? Ihr redet nicht, ihr schaut euch nicht mal mehr an, das ist doch nicht normal!“
Sie wusste, das ich mit Lenny zusammen war, dass ich ihn liebte, sie war die einzige Person, der ich das anvertraut hatte.Meine Kehle war wie zugeschnürt.
„Es ist aus“, presste ich mühsam hervor.
„Aber, davon hast du mir ja gar nichts erzählt!“
Wie hätte ich auch...Sandra hatte schon zwei Freunde gehabt, im Moment war sie solo, aber in meinen Augen verfügte sie im Gegensatz zu mir über einen unglaublichen Erfahrungsschatz, was Sex anging. Ich meine, sie hatte ES schon ein paar Mal gemacht und hatte auch Freude dran! Hätte ich ihr nun erzählen sollen, was zwischen Lenny und mir vorgefallen war? Dass er sich an mir gerieben hatte und plötzlich nach einer Minute alles vorbei gewesen war und ich mit nichts als einem nassen Slip zurückgeblieben war? Nein, diese peinliche Situation musste ein Geheimnis bleiben.
„Ich glaube, ich liebe ihn nicht mehr.“
Diese Erklärung schien mir ausreichen und einleuchtend. Sandra blickte mich verständnislos an. Sie wollte mehr, sie wollte alles wissen.
„Ihr wart doch so ein tolles Paar, was ist denn bloß vorgefallen? Hat er dich betrogen, oder was?“ Tja, betrogen hatte er mich ja irgendwie schon, betrogen um ein unvergessliches Erstes Mal, was nicht mal ein richtiges gewesen war...
„Sandra, bitte, ich kann nicht darüber reden. Es ist auch so schon schlimm genug. Ich liebe ihn einfach nicht mehr, er ist ein Arschloch...“ „Okay, ich lass dich erst mal in Ruhe. Männer sind eben scheiße, wer sollte das besser wissen, als ich? Ich glaube, etwas Ablenkung könnte dir ganz guttun. Lass uns doch bummeln gehen!“, versuchte sie mich aufzumuntern. Sie gab sich also Gott sei Dank fürs Erste mit meiner knappen Erklärung zufrieden.

Am nächsten Tag hielt Lenny mich nach Schulschluss am Arm fest. Ich erschreckte mich furchtbar und schüttelte seine Hand wie ein lästiges Insekt ab. Er war von hinten gekommen, ich hatte ihn nicht bemerkt, sonst hätte ich ja sofort die Flucht ergriffen.
„Bitte, lass uns reden...“, sagte er leise. Er wagte es immer noch kaum, mir in die Augen zu schauen.
„Es gibt nichts zu sagen“, erwiderte ich kalt. Er schaute unbehaglich zu Sandra, die neben mir stand.
„Ich gehe schon mal“, sagte sie und zwinkerte mir zu. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
„Lass uns ein Stück gehen“, forderte er mich auf.
Da ich keinen Aufstand hier vor der Schule und den gaffenden Mitschülern machen wollte, ließ ich Lenny neben mir gehen. Er rang sichtlich mit den Worten. Er sah schlecht aus, das bemerkte ich erst jetzt, da ich ihn gezwungenermaßen anschaute.
„Janine, ich..ich weiß nicht, was ich sagen soll, es tut mir alles so leid...“
Als wir an dem Park vorbeikamen, versuchte ich krampfhaft, nicht hinzuschauen, doch vor meinem inneren Auge spielte sich die ganze Szene in all ihren peinlichen Details ab ohne Gnade. Ich blieb stehen.
„WAS tut dir leid, Lenny? Du hast mich benutzt, ich war noch nicht bereit. Du bist ein Schwein!
Du hast nur an dich gedacht! Hast du dich auch nur einmal gefragt, wie ich mich dabei fühle?“
Nie hätte ich gedacht, jemals so mit Lenny zu sprechen. Er wurde puterrot. Fast tat er mir ein bisschen leid, doch mein Mitgefühl hielt sich in Grenzen, nach allem, was er mir angetan hatte.

„Ich, ...ich weiß nicht, es kam so plötzlich über mich...ich wollte dich und da, da konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, und dann ist es einfach so passiert, so schnell...und...“, sagte er jetzt sehr leise. Er schämte sich sichtlich.
„Schön, dass DU wenigstens deinen Spaß hattest“, sagte ich verbittert.
„Es war das erste Mal, ich wusste nicht, was passiert, das wird nie wieder geschehen, das verspreche ich dir.“
Ich war richtig in Rage und er bekam all meine angestaute Wut der vergangenen Tage zu spüren.
„Deine Geilheit hat alles kaputt gemacht! Du hast mich gedemütigt, nur noch an dich und deine eigene Befriedigung gedacht! Und um mich in Sicherheit zu wiegen, hast du mir ein paar nette Worte ins Ohr gesäuselt, aber nur so lange, bis ich unter dir lag. Warum konnte nicht alles so bleiben, wie es war? Ich hatte geglaubt, dass wir beide gut zusammenpassen. Es war schön, so wie es war, aber dann...du widerst mich an Lenny, ich glaube, ich kann nie wieder einen Mann lieben...du hast alles zerstört!“
Ich hatte meinen ganzen Hass in diese Worte gelegt, gleichzeitig ihm aber auch meine Liebe gestanden...aber dafür war es jetzt zu spät, viel zu spät. Lenny ließ meine Beschimpfungen stumm über sich ergehen. Was hätte er dazu auch noch sagen sollen?
Tränen der Wut kamen mir hoch, doch ich blinzelte sie weg.

Wie ich vor ihm stand wie eine Furie und ihn wie eine Klosterschülerin für seine Lust verdammte! Im Nachhinein erscheint mir das alles ziemlich lächerlich. Er hatte mich berührt und begehrt, aber da ich mich selbst hasste, konnte ich das alles nicht ertragen. Mein Körper war schrecklich, genau wie seine Lust auf diesen hässlichen Körper. Was für mich unerklärlich war, dufte nicht sein! Seine Unerfahrenheit hätte ich ihm auch nicht zum Vorwurf machen dürfen, er war doch noch ein Junge....doch ich war so selbstgerecht...Und so waren dies die letzten Worte, die wir jemals miteinander gewechselt hatten bis heute...

Leidenschaft


Sandra setzte sich zu Lenny und mir auf die Couch, nachdem sie uns genügend Zeit gelassen hatte, damit wir uns beide in Ruhe unterhalten konnten. Ich hatte sie schon beinahe vergessen und hatte jetzt ein schlechtes Gewissen.
„Ich hoffe, ich störe euch beiden Turteltäubchen nicht.“ Sie grinste uns vielsagend an.
„Es tut mir leid, Sandra, ich habe dich einfach links liegen lassen, das war wirklich nicht meine Absicht“, entschuldigte ich mich bei ihr.
„Ach, das ist doch nicht so schlimm. Ich habe mich inzwischen köstlich amüsiert mit diversen Cocktails und dem leckeren Buffet.“
Natürlich, Sandra hatte auch nie den besten Draht zu all unseren Mitschülern gehabt und ich konnte sie verstehen. Ohne sie und Lenny hätte ich diese steife Veranstaltung sicherlich schon lange verlassen, weil ich vor lauter Langeweile umgekommen wäre.
„Ich finde, ihr beide seid immer noch ein schönes Pärchen, auch nach all den Jahren. Ich hab ja nicht schlecht gestaunt, als ich von der Toilette wiederkam und euch beide zusammen gesehen habe. Es war ein wenig so, als hätte man die Zeit noch einmal zurückgedreht, ach ja, die guten alten Zeiten...“
Sandra klang dabei fast ein wenig wehmütig
Ich war immer noch etwas atemlos und mir war heiß. Allein Lennys Nähe brachte mich innerlich zum Kochen.
„Ja, wir verstehen uns gut “, antwortete ich knapp. Lenny lächelte mich verführerisch an. Die gute Sandra, es hatte ihr damals wirklich leid getan, dass Lenny und ich uns getrennt hatten. Den wirklichen Grund dafür kannte sie allerdings bis heute nicht. Sie glaubte immer noch, dass wir uns fast wie aus heiterem Himmel getrennt hatten, weil ich Lenny angeblich nicht mehr liebte. Eine andere Erklärung hatte ich ihr nie geliefert, auch wenn sie immer wieder nach gebohrt hatte, meine Scham über das Geschehene war damals einfach zu groß gewesen.

„Wisst ihr eigentlich, dass all die anderen auf dieser öden Party sich hier schon die Mäuler über euch zerreißen? Ich seid ja nicht zu übersehen, und da es hier ja sonst nichts spannendes gibt...!“ warf Sandra ein. Das konnte ich mir wirklich vorstellen. Eigentlich konnten diese ganzen Typen vermutlich nichts mit uns anfangen, aber dass zwei ihrer ehemaligen Mitschüler hier fast übereinander herfielen, das gab schon ordentlich Gesprächsstoff.

„Was soll's, lass sie doch reden, wir scheinen ihnen ja wirklich ein tolles Schauspiel zu bieten“, entgegnete ich. Mir war die Meinung dieser Leute wirklich egal, ich würde sie alle sowieso vermutlich nie wieder zu Gesicht bekommen.
„Nun ja, die allgemeinen Gespräche übers Studium, über den Beruf oder Papis Vermögen scheinen ein bisschen langweilig zu werden. Ist ja auch ein ziemlich trockenes Thema.“
Ja, irgendwie passten wir alle drei nicht in diese Welt hier. Aber jeder aus einem anderen Grund. Jeder ein Außenseiter. Sandra war Mutti, Lenny träumte immer noch davon Rockstar zu werden, und ich...ich passte in überhaupt keine Kategorie...jenseits aller gesellschaftlichen Normen. Wenn hier auch nur EINER die Wahrheit über mich kennen würde...undenkbar. Diese sogenannte „intellektuelle Elite der Gesellschaft“ würde sich vor lauter moralischem Protest gar nicht mehr ein kriegen, mit so einer wie mir wollte man am besten überhaupt nichts zu tun haben. Das war allerdings auch schon zu viel für den normalen Durchschnittsbürger...

Aber was interessierte mich das im Moment. Lenny war das Objekt meiner Begierde und alleine dafür hatte es sich definitiv gelohnt, hier herzukommen. Während Sarah sich angeregt mit ihm unterhielt, ließ ich meine Gedanken wandern zu dem, was sich zwischen uns heute Nacht noch abspielen könnte, nein, was passieren musste! Es war schon komisch. Normalerweise erregten mich Männer, egal wie sie toll aussahen, nicht mehr so schnell. Die Zeit und das Leben hatten mich regelrecht abstumpfen lassen. Ich hatte sie alle gehabt, den reichen Banker, den alten Sack und den geilen Rocker. Nichts war mir mehr fremd...

Doch Lenny übte auf mich eine unheimliche sexuelle Macht aus. Ich wusste nicht, woran das lag. Er hatte etwas jungenhaftes, unbeschwertes an sich und doch war er unübersehbar ein Mann...unser unrühmliches Beisammensein vor zehn Jahren konnte wohl kaum der Grund dafür sein. Wir waren wahrlich nicht im Guten auseinander gegangen und das war noch milde ausgedrückt. Ich hatte damals geglaubt, dass kein Mensch auf dieser Welt mich jemals mehr verletzen konnte, als Lenny es getan hatte. Ich hatte ihn nur noch gehasst, doch lagen Hass und Liebe nicht meistens nah beieinander? Gab es das eine ohne das andere?
Aber sich darüber Gedanken zu machen, war wirklich müßig. Schon lange hatte ich mich nicht mehr mit diesem Thema beschäftigt, warum sollte ich dann heute damit anfangen? Was zählte war allein der Augenblick..mir kam eine Idee!
„Lenny, was hältst du davon, wenn wir uns noch einen Drink holen und ein bisschen Luft schnappen?“
Dabei lächelte ich ihn vielversprechend an.
„Oh ja, warum nicht? „
An Sandra gewandt sagte ich: „Wir sind gleich wieder da, kann ich dich wieder ein bisschen alleine lassen?“
Ich konnte sehen, wie ihre Gedanken sich fast überschlugen.
„Oh, na klar, ich werd mich noch ein bisschen übers Buffet hermachen...“
Ich zwinkerte Sandra noch mal zu, die mich daraufhin verschwörerisch angrinste. Natürlich ahnte sie, dass es zwischen Lenny und mir gewaltig knisterte. Ich war mir sicher, dass die Vibrationen, die zwischen uns in der Luft lagen, fast greifbar waren.

Ich zog Lenny an der Hand hinter mir her, organisierte uns zwei Bacardi-Cola und ging mit ihm in den Garten. Wobei der Ausdruck Garten vielleicht ein wenig untertrieben war, dies hier war eher ein Park. Wir entdeckten einen Pavillon, der romantisch von einem Rosengarten umgeben war. In der Luft hing schwer der Duft von tausend Rosen, die in voller Blüte standen. Es war wunderschön hier, wie in einem Schlossgarten und die Nachtigallen sangen. Ich sog den Duft ein, mir wurde fast schwindlig. Es war ein perfekter Ort, schon lange hatte ich nicht mehr meine Umgebung so intensiv wahrgenommen und auch Lennys Gegenwart war mir nur allzu bewusst, was ich an einem warmen Gefühl in meinem Unterleib bemerkte. Oh Gott, ich konnte nicht mehr warten!

Wir setzten uns auf die harte Bank, kippten unsere Bacardi-Cola runter und kamen ohne Umschweife zur Sache. Wir küssten uns so leidenschaftlich, wie zwei Verdurstende in der Wüste. Ich öffnete eiligst seine Hose, er riss mir gleichzeitig den Slip herunter, was ihm nicht schwerfiel, da er nur unter mein Kleid greifen musste. Schon war er über mir, ich lehnte mich zurück, zog meine Beine an und als er in mich eindrang, glaubte ich schon sofort vor Lust explodieren zu müssen.
„Oh Gott“, stöhnte er. Er packte fest meine Brüste und das war mir bei Gott nicht mehr unangenehm! Erst bewegte er sich langsam und behutsam in mir, so als würde die Erinnerung ihn dazu treiben. Er füllte mich perfekt aus, so als wären wir füreinander geschaffen! Dann schaute er mich an und als er die Lust in meinem Gesicht entdeckte, die unbedingt gestillt werden musste, hielt er sich nicht mehr zurück. Er stieß immer tiefer und schneller zu. Nach kurzer Zeit erlebten wir beide gemeinsam einen gewaltigen Orgasmus. Ich biss in seine Schulter, um meinen Schrei zu ersticken. Seine schweißnassen Haare berührten meinen Hals. Das erste Mal seit Jahren fühlte ich mich komplett befriedigt. Ein unglaubliches Gefühl! Obwohl das Ganze vielleicht nur zwei Minuten gedauerte hatte, erfüllte es mich auf eine ganz besondere Art und Weise...

Lenny, meine erste Liebe und gleichzeitig mein größter Schmerz. Hier war er nun, all die Jahre hatte ich die Erinnerung an ihn an einem gut geschützten Ort in meinem Inneren eingeschlossen und niemand hatte dort Zutritt gehabt, zu schmerzlich war es gewesen...und gleichzeitig hatte ich so viel bereut. Wenn ich ihn damals nicht seine Jugend und Unerfahrenheit zum Vorwurf gemacht hätte, wenn ich mich selbst nicht so verachtet hätte...Jahre später hatte ich in einer stillen Stunde Tränen der Reue vergossen. Es hätte anders laufen können zwischen uns, wie hätte unser Leben gemeinsam aussehen können? Vor allem, wie wäre mein eigenes verfluchtes Leben verlaufen, wenn wir uns damals nicht getrennt hätten?

Er riss mich aus meinen Gedanken.
„Wow, Janine, das war so unglaublich...“ Er rang immer noch nach Luft. Ja, ich hatte ihn umgehauen. Nun war ich eine attraktive erwachsene und selbstbewusste Frau, die sich genommen hatte, was sie wollte und ihre Reize bewusst eingesetzt hatte, um an ihr Ziel zu gelangen. Ich war nicht mehr der dumme Teenager, der sich selbst und die Lust verdammte. Und Lenny war derjenige, der zur rechten Zeit am rechten Ort war. Und noch mehr als das war ich ihm unendlich dankbar, dass er in mir diese längst vergessenen Gefühle erweckt hatte...diese Lust, die sofort befriedigt werden musste ohne Rücksicht auf Verluste.

Ich ordnete meine Kleidung und richtete meine Haare so gut es ging. Wir schauten uns beide an und mussten laut loslachen. Wir waren ja tolle Gäste auf diesem Klassentreffen...einen Moment hatte ich ja auch mit dem Gedanken gespielt, die Treppe der Villa zusammen mit Lenny hochzusteigen und uns im Schlafzimmer des Hausherren zu vergnügen! Das hätte sicherlich für DEN Skandal gesorgt, aber das wäre dann doch zu dreist gewesen, obwohl an sich die Vorstellung schon ziemlich anregend war, denn Christians Bett war garantiert kalt und wir hätten Leben in die verstaubten Bettdecken gebracht...

„Was meinst du, sollten wir noch mal reingehen?“, fragte Lenny vergnügt.
„Oh ja, unbedingt, ich habe plötzlich einen riesen Durst und auch Hunger und du doch sicherlich auch...wir haben ja schließlich schwer gearbeitet!“
Wieder mussten wir lachen.
Dann begaben wir uns wieder zu den anderen mit Unschuldsmienen, so als wäre nie etwas vorgefallen. Doch sie musterten uns kritisch. Wahrscheinlich stand es uns förmlich ins Gesicht geschrieben und unserer Äußeres sprach auch Bände. Wie waren beide ziemlich zerzaust und noch rot im Gesicht. Aber niemand sagte etwas! Was hätten sie auch sagen sollen...vermutlich wollte auch niemand sich ernsthaft vorstellen, dass wir es im Garten getrieben hatten...die graue Maus und der Looser...
Es war auch schon ziemlich spät geworden. Christian, der Gastgeber, sorgte unauffällig dafür, dass die Gäste langsam gingen. Die Putzfrau begann schon damit, die Tische abzuräumen und zu fegen. Alles ging seinen geordneten Gang, niemand schlug über die Stränge, jedenfalls nicht offiziell.

Sandra kam auf uns zu.
„Oh, da seid ihr ja wieder. Janine, sag mal...“ Sie hielt inne und musterte uns dabei prüfend.
„Ihr habt doch nicht etwa wirklich? Das kann ich nicht glauben, ihr zwei im Garten?“, prustete sie und hielt sich eine Hand vor den Mund, um nicht laut loslachen zu müssen. Wir zuckten nur unschuldig mit den Schultern.
„Okay, ich frag nicht weiter nach, aber ehe ich es vergesse, gibst du mir deine Nummer? Wir könnten uns doch mal wieder treffen und weiter reden, nach all den Jahren gibt es doch noch einiges zu berichten.“
Ich zögerte einen Moment. Eigentlich gefiel mir der Gedanke nicht, Kontakt zu haben zu Personen aus meiner Vergangenheit. So hielt ich es schon seit Jahren und war immer gut damit gefahren. Es war mir einfach zu anstrengend, mich ständig zu verstellen, aber anderseits hatte ich mich sehr gefreut, Sandra wieder zu sehen.
„Gut, warum eigentlich nicht?“, willigte ich ein.
„Ich werde jetzt gehen, ist ja schon ziemlich spät. Muss ja morgen wieder früh raus, wenn die Kinder um sechs auf der Matte stehen, macht's gut, ihr beiden. Man sieht sich“, verabschiedete sich Sandra.

Lenny stand jetzt etwas unbeholfen in der Gegend rum.
„Was jetzt?“ , fragte er. „
„Ach, ich bin jetzt auch ein bisschen müde geworden und alle gehen nach Hause. Es war echt toll, dich wieder zu sehen nach der langen Zeit, da haben wir beide wohl nicht mit gerechnet. Ich werde nach Hause fahren. Und du?“ Lenny schaute mich jetzt fast ein wenig enttäuscht an.
„Ich fahre auch gleich..es war toll mit dir Janine, ich bin immer noch völlig durcheinander...ich...“ Mir schien, als ob er noch etwas sagen wollte, aber ich fand es einfach besser, zu gehen. Zum Abschied küsste ich ihn noch mal auf den Mund.
„Mach's gut, Lenny und grüß die anderen noch mal von mir.“
Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Villa. Die frische Luft draußen tat jetzt wirklich gut. Ich lief ein Stück zu Fuß, ein Taxi konnte ich mir immer noch holen. Wie ich so durch die Nacht spazierte, ließ ich diesen unglaublichen Abend noch mal Revue passieren. Mit diesem Ausgang hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Es war schon überraschend, was das Leben manchmal für einen bereit hielt. Lenny hatte mich zum Lachen gebracht und als Lover hatte er mich mit seiner unglaublichen Anziehungskraft fast um den Verstand gebracht. Eine wunderschöne Ablenkung von meinem Leben und meinen Sorgen. Wenn Lenny wüsste...aber er würde es ohnehin nicht erfahren. Das hier war etwas Einmaliges gewesen, eine schöne Erinnerung, von der ich lange noch zehren würde...

Impressum

Texte: Lucindra
Tag der Veröffentlichung: 10.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

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