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Ich danke dir


Ein kalter fast schon stürmischer Wind umweht deinen Körper. 
Dick eingehüllt in Jacke, Schal, Mütze und Handschuh stehst du hier am Ende des Stegs und starrst auf den See hinaus. Eine Eisschicht bedeckt ihn. Nicht dünn, aber auch nicht dick genug das die Kinder darauf Schlittschuh laufen können. Bis es soweit ist, würden wohl noch einige Tage vergehen. 
Tief stecken deine Hände in den Taschen deiner Jacke und versuchen wenigstens so ein wenig Wärme zu erzeugen. 
Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel und überziehen die Landschaft mit einem weißem Film, legen sich wie eine Decke über deinen Körper. Durch die Kälte sind deine Wangen und Nase gerötet. 
Lange schon stehst du hier und verfolgst mit deinen Augen dem Tanz der Schneeflocken im Wind. Mit deinen Gedanken verweilst du schon längst nicht mehr in der Gegenwart.
Ein Jahr ist es jetzt her, da standest du an genau der selben Stelle.
Damals war es genauso kalt gewesen, der See war schon lange zugefroren und es schien als wäre die ganze Stadt zum Schlittschuhlaufen her gekommen ....


Es war Abend und bunte Lichter beleuchteten das fröhliche Treiben unter dir. Jubel und Lachen drangen an deine Ohren.
Ein trauriges Lächeln stahl sich auf dein Gesicht, während du einer Mutter dabei zusahst wie sie ihrer kleinen Tochter das Schlitschuhlaufen beibrachte. Ein einfaches Bild das dir wieder mal verdeutlichte wie einsam du doch warst. 
Deine Mutter war kurz nach deiner Geburt gestorben und vor wenigen Wochen hatte ein schrecklicher Unfall dir die wichtigste Person in deinem bisher wohlbehüteten Leben genommen. Deinen Vater.
Du warst danach in ein tiefes Loch gefallen, hattest dich von deinen Freunden ab gewand, dich von der gesamten Umwelt grade zu abgekapselt.
Der heutige Abend sollte eigentlich ein Versuch deinerseits sein, wieder in das normale Leben zurück zufinden, aber mit jeder Minute die du hier länger standest und dem fröhlichem Treiben zusahst, wurdest du trauriger.
Immer wieder sahst du einzelne Szenen deiner Kindheit in Gedanken an dir vorbei ziehen:
Dein Vater, wie er dir bei deiner Einschulung zulächelte... Der Streichelzoo-Besuch, bei welchem dein Vater von einer Ziege durch das Gehege gejagt worden war...deine Jugendweihe...
Eine einsame Träne stahl sich aus deinem Auge und rann deine Wange herab.
"Hey, alles in Ordnung?", verwirrt fiel dein Blick auf ein paar grüne Augen, die dich besorgt musterten.
"Was?", irritiert sahst du den Jungen vor dir an.
Er war größer als du, vielleicht einen Kopf, trug einen dicken schwarzen Wintermantel, sowie einen schwarzen Schal und seine braunen Haare standen ihm wirr vom Kopf ab, während seine Augen dich immer noch besorgt musterten. 
"Hey", eine Hand wedelte vor deinem Gesicht auf und ab und holte dich damit aus deiner Starre. "Ich hab dich gefragt ob mit dir alles in Ordnung ist?"- "Alles besten", gabst du knapp zur Antwort und wandtest dich dann wieder der Eisfläche zu, in der Annahme er würde einfach wieder gehen. 
"Das sah aber gerade ganz anders aus", wieder warfst du ihm einen irritierten Blick zu, konntest du doch nicht verstehen, warum er immer noch hier stand und nicht einfach ging. "Wenn du hier weiter stehen bleibst wirst du noch krank" - "Was?!" der Junge brachte dich vollkommen aus dem Konzept.
Wieso sorgte er sich um dich? Er kannte dich doch gar nicht. "Bist wohl nicht grade die gesprächigste, was? Okay, weißt du was? Mir wird das hier langsam zu kalt, was hälst du davon wenn wir in das Zelt gehen und ich spendier dir einen Kakao. Im Warmen lässt es sich besser schweigen."
Ein Grinsen legte sich auf seine Züge und zu deiner eigenen Verwunderung huschte auch über deine Lippen kurz die Andeutung eines kleinen Lächelns. "Schau an, sie kann ja doch lächeln", fröhlich hielt er dir eine Hand hin. 
"Na komm schon, ich verspreche auch, nicht zu beißen" Zaghaft legtest du deine Hand in seine und mit einem Ruck zog er dich mit sich. "Ach ja, ich heiße übrigends Kentin, aber meine Freunde nennen mich Ken. Und wie heißt du?" Lachend hatte er sich noch einmal zu dir umgewandt. Schüchtern warfst du einen Blick auf seine Hand die immer noch die deine hielt und meintest dann leise: "Suki..."



"Hier steckst du also" Zwei warme Arme schlingen sich von hinten um deinen Oberkörper und reißen dich soaus deinen Erinnerungen.
Automatisch schmiegst du dich nähr an den warmen Körper hinter dir und stößt ein zufriedenes Seufzen aus. "Sieht so aus, als würde es noch ein bisschen dauern bis wir hier wieder laufen können" 
Lächelnd drehst du dich zu Ken um. "Sosososo bis WIR wieder laufen können. Wohl eher bis ich wieder laufen kann, und du munter über das Eis stolperst" - "HEY" empört plusterte der Braunhaarige sich auf, "ich bin ein verdammt guter Läufer" - "Ja solange man dich nicht auf das Eis lässt schon" - "Pah..!!!"
Lachend beobachtest du, wie Ken schmollend seine Arme vor der Brust verschränkt und beleidigt seinen Blick abwendet.
Immer noch kichernd stellst du dich auf die Zehenspitzen und drückst dem Jungen, dem du soviel verdankst, einen Kuss auf die Wange. 
Du kannst gar nicht so schnell reagieren da hat der braunhaarige dich schon gepackt und wirbelt dich mehrmals durch die Luft. Ein kleiner Schrei entkommt dir und kichernd klammerst du dich an ihm fest. Seine Augen strahlen fröhlich als er dich wieder absetzt und bevor du irgendwie reagieren kannst versiegelt er deine
Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss. Genießerisch schließt du deine Augen.
Endlich konntest du wieder lächeln, endlich hatte dich jemand aus deinem Loch befreit und dafür warst du Ken unendlich dankbar.

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Tag der Veröffentlichung: 10.03.2014

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