Mein Name ist Jason, bin Mittdreißiger und nicht sehr groß. Ich trage zudem meine strohblonden Haare gerne sehr kurz. Leider bin ich kein typischer Mann, meine Gesichtszüge sind leicht feminin, genau wie mein Körperbau, der schlank, fast zu schmal ist. Auch besitze ich keine Muskeln, da ich es nicht so mit dem Sport habe. Am liebsten lese ich und gehe nur hin und wieder schwimmen, um mich einigermaßen fit zu halten. Das Außergewöhnlichste an mir sind vielleicht meine Augen, denn sie sind grün und mandelförmig. Gerade reibe ich sie mir leicht, weil ich erschöpft bin und mich nicht richtig auf meine Arbeit konzentrieren kann. Deswegen liegen nun drei Stunden meiner Arbeit zerknüllt im Papierkorb. Ich bin nämlich Reporter für eine größere Zeitung. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, keiner meiner Entwürfe kann mich überzeugen. Sie wirken leer, substanzlos und ohne Format. Mein Blick richtet sich zum Fenster und was ich sehe, ist ein strahlend blauer Himmel. Es ist der erste, warme Frühlingstag in diesem Jahr und das Wetter ist fast zu schön, um am Schreibtisch zu sitzen, wer weiß wie es morgen sein wird. Ich sollte eine Pause einlegen und mich in ein Straßencafe setzen, denke ich bei mir. Dort kann ich dann den Leuten zusehen, wie sie durch die Innenstadt hetzen. Diese Idee lässt mich aufstehen und mein Büro verlassen. Der Münzplatz ist nur eine Kreuzung entfernt, die dort befindlichen Cafés und Restaurants sind um diese Zeit bereits gut besucht. Ich gehe zu Milano, meinem Lieblingscafe und freue mich, dass mein Stammplatz frei ist . Von dort aus überschaue ich den Münzplatz, genieße die warme Sonne und versuche an nichts zu denken, was mir meistens auf Anhieb gelingt. Laura, die Bedienung, kommt lächelnd mit einem Tablett an meinen Tisch. „So wie immer! Richtig?“ Fragt sie, und stellt einen doppelten Espresso und einen Grappa vor mir ab, ohne meine Antwort abzuwarten. „So wie immer! Laura, du bist ein Schatz!“ Erwidere ich schmunzelnd. Ihr Lächeln wirkt noch breiter von meinem Lob. Nun geht sie mit einem eleganten Hüftschwung an den Nachbartisch, um dort die Bestellung aufzunehmen. Ich beobachte, wie sich der Platz immer mehr mit Menschen füllt. Passanten gehen an den Cafés vorbei, einige bleiben stehen und schauen, ob noch ein Tisch zu besetzen ist. Nur der Stuhl mir gegenüber ist noch frei. Ein junger, gut aussehender Mann fällt mir auf, als er mit nervösem, unruhigem Blick auf das Milano zukommt. Auch er bleibt kurz stehen, um nach einem freien Platz zu suchen, geht ein paar Meter weiter, kehrt dann um und kommt an meinen Tisch. „Entschuldigung, ist hier noch frei? Ich will nicht stören“, fragt er an mir vorbeischauend. „Noch“, antworte ich darauf nur. „Ach Entschuldigung, es kommt also noch jemand, für den Sie den Platz freihalten?" Ich antworte: „Nein!“ „Nein?“ Er scheint etwas irritiert zu sein, oder er ist einfach nur dumm. Daher sage ich: „Ich halte den Platz nicht frei!“ Ich lasse meine Augen über ihn gleiten. Der Mann, ich schätze ihn auf Anfang fünfundzwanzig, mit seinem kurz getragenen, schwarzem Haar, besitzt wahrhaftig einen gut gebauten Körper. Er ist genau mein Typ, geht mir durch den Kopf. Ich bin nämlich schwul! Er trägt einen riesigen Rosenstrauß bei sich, und runzelt jetzt die Stirn. „Aber Sie sagten doch "Noch!“ „Richtig, der Platz ist so lange frei, bis jemand darauf Platz genommen hat“, meine ich zu ihm und lächel ihn an. Nachdem er sich den Stuhl zurecht gerückt hat, setzt er sich und legt die Rosen auf den Tisch. Der Strauß besetzt fast den kompletten Bistrotisch. Da nimmt er ein Taschentuch aus der Innentasche seiner Jacke und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er wirkt sehr unruhig, greift zur Karte, die er aber nach einem kurzen Blick wieder auf den Tisch legt. Laura kommt und er bestellt einen Milchkaffee bei ihr. „Schöne Blumen“, sage ich, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Wer weiß, vielleicht hat er eine interessante Geschichte zu erzählen, die mir für meine Arbeit neue Impulse gibt, überlege ich.
„Das sind Rosen, rote Rosen!“ Bemerkt er knapp, sieht mich dabei aber nicht an. Seine Belehrung ist vollkommen überflüssig, denn erstens reichen meine botanischen Kenntnisse aus, um Rosen von Löwenzahn zu unterscheiden, und farbenblind bin ich auch nicht. „Ach ja, Rosen!“ Meine ich sarkastisch: „Rot und sehr schön!“ „Ja, schön und Rot!“ „Und so viele, ich schätze fünfzig Stück!“ Er schaut überrascht auf, blickt kurz in mein Gesicht, ehe er in eine andere Richtung schaut. „Es sind fünfundsechzig Rosen“, antwortete er dennoch und ich frage ihn. „Hat jemand Geburtstag?“ Er sieht mich an, und trinkt dann an seinem Kaffee. Was ist das denn für ein Vogel, denke ich bei mir und kann es nicht lassen, mir einen Spaß zu erlauben. Ich grinse, es kostet mich Mühe, nicht lautlos zu lachen. Irgendwie ist dieser seltsame Mensch sehr amüsant. „Ich habe keinen Geburtstag", sage ich und frage ihn, wer denn Geburtstag hat. „Die sind nicht für einen Geburtstag. Ich bringe den Strauß Rosen meinem Mann. Ich will ihn gewissermaßen auf Rosen betten.“ Ich frage mich, ob er das wirklich wörtlich meint, denn Rosen haben doch Dornen. Mir würde es nicht gefallen, darauf zu liegen. Mir gehen die Stellen durch den Kopf, wo ich mich überall verletzen könnte. Ob er selbst darüber nachgedacht hat? Aber er kennt seinen Mann sicher und wer weiß, vielleicht gefällt es ihm sogar.
Trotzdem finde ich es etwas schade, dass mein Gegenüber schon vergeben ist. Ich lasse es, mich weiter mit ihm zu unterhalten, beobachte stattdessen zwei Tauben, die sich um ein Stück Brot streiten und schließlich mit schwirrenden Flügelschlägen davon fliegen. Als mein Blick wieder zurückkehrt, sind der Mann und sein Rosenstrauß verschwunden. Das Geld für den Kaffee hat er neben die Tasse gelegt. Ich bleibe noch eine Weile, gehe dann ohne zu zahlen. Laura würde es aufschreiben und ihr Geld im nächsten Monat bekommen, es ist nicht das erste Mal.Jetzt sitze ich wieder an meinem Schreibtisch und das weiße Papier blendet mich. Nach dem Besuch im Milano, kommt mir die Stille in meinem Büro unheimlich vor. Ich versuche, mich noch etwas mit meiner Arbeit abzulenken. Als ich das nächste Mal aufschaue, ist es spät geworden und draußen wird es schon langsam dunkel. Für heute mach auch ich Feierabend und gehe nach Hause. Dort schalte ich meinen Fernseher an, um die Einsamkeit, die mich in meiner kleinen 2 Zimmer Wohnung erwartet, zu überspielen. Die Meldung in den Nachrichten macht mich aufmerksam. Der Sprecher berichtet von einem Toten im städtischen Rosengarten, der entkleidet unter den Rosensträuchern gefunden wurde. Sein Körper wäre über und über, bedeckt mit dunkelroten Rosen gewesen. Die Würgemale an seinem Hals ließen auf ein Gewaltverbrechen schließen. Habe ich etwa vor ein paar Stunden mit dem Mörder am selben Tisch gesessen, stößt es mir plötzlich durch den Kopf. Oder ist das alles nur ein Zufall? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mann, der mit mir im Milano seinen Milchkaffee trank, die Kraft und die Kälte besitzen würde, einen anderen Menschen zu erwürgen. Nach einigem hin und her beschließe ich erst einmal, die Polizei anzurufen. Die Nummer für maßgebliche Hinweise zu dem abendlichen Mord im Park habe ich mir so nebenher notiert. Der Krimialinspektor kommt keine 10 Minuten später bei mir vorbei und nimmt meine Aussage, zusammen mit einer Beschreibung des Mannes, mit dem ich am Tisch gesessen habe, auf. Er meint zu mir, er würde sich bei mir melden, wenn sie Näheres wüssten. Total von der Rolle lasse ich mich hinterher in mein Bett fallen. In der Nacht träume ich von dem Mann mit den Rosen. Er sucht mich und will den einzigen Menschen umbringen, der ihn identifizieren kann. Schreiend wache ich auf, als das Messer, dass er in der Hand hält, auf mich zurast. Ich reiße meine Augen auf und sehe als erstes den Wecker, der mir 2 Uhr Nachts anzeigt. Jetzt kann ich nicht mehr schlafen und ich stehe lieber auf und schreibe mir das Erlebnis mit dem Mann auf. Morgen werde ich es meinen Redakteur geben und mit etwas Glück, wird meine Geschichte sogar veröffentlicht. Gegen 4 Uhr fallen mir meine Augen vor Müdigkeit wieder zu und ich schlafe an meinen kleinen Arbeitsplatz ein, den ich mir zuhause eingerichtet habe. Gerädert wache ich am frühen Morgen, den Kopf über meiner Tastatur liegend auf, und brauche erst einmal einen Kaffee. Ich strecke mich, mein ganzer Körper ist verspannt von der ungewohnten Lage, die er für den Rest der Nacht eingenommen hatte. Eine halbe Stunde später und einer weiteren Tasse Kaffee, klingelt mein Telefon. Jemand von der Polizei, der meint, sie haben den Mann erwischt, auf den meine Beschreibung passt, ruft mich an und sagt mir auch, der Mann habe alles zugegeben. Ich wusste jetzt schon, das würde der Artikel des Monats werden. Auge in Auge mit einem Mörder! Mein Chef würde begeistert sein. Nun heißt es nur noch den Artikel bei ihm abzugeben. Stunden später kommt es in den Druck und ich erhalte eine Gehaltserhöhung.
Der Tod ist nur der Anfang
Nun bin ich in der Klinik und mache müde meine Augen zu, schwer klingt meine Lunge, ich habe eine Lungenentzündung und weiß genau, ich habe nicht mehr lange zu leben. Denn ich habe eindeutig keine Kraft mehr, um noch weiter zu kämpfen. Wer ich bin? Nun, mein Name ist Alex und ich bin fast 65 Jahre alt. Meine grauen Haare sind nicht mehr auf meinen Kopf erkennbar, denn ich bin gezeichnet von einem langen Leidensweg. Ich habe Krebs! Mein Arzt hat bei mir Hodenkrebs, nun im Endstadion diagnostiziert. Als der Krebs gestreut hatte, mussten sie mir meine Hoden operativ entfernen, wodurch ich dann kein ganzer Mann mehr war. Aber was solls, brauchen tue ich sie eh nicht mehr. Ich lebe schon seit 20 Jahren alleine, seit Chris von mir gegangen ist. Er war meine große Liebe, nach ihm bin ich alleine geblieben. Ich habe weis Gott versucht, jemanden Neues für mich zu finden, doch keiner war wie er. Mein Neffe David sitzt als einziger neben mir am Krankenbett. Er hat mir vor einiger Zeit anvertraut, dass er wie ich schwul ist. Der Junge hat sein Herz auf dem rechten Fleck, seine Hand hält die meine. Ich bin schon längst hinweg gedämmert und sehe das Gesicht von Chris vor mir, seine warmen, braunen Augen, die mich voller Liebe ansehen, sein Mund der mir sagt, dass er mich liebt. Seine Lippen, die mich zum Küssen einladen, seinen schmalen, ja fast femininen Körper, der mich immer gerne in sich willkommen hieß. Wir hatten eine Menge Spaß wir beide, er hat die verrücktesten Dinge getan und mich mitgezogen. Er war mein Licht in dunkler Nacht. Mein Engel! Mit seinem blonden Haar hat er auch fast wie einer ausgesehen. Ich weiß es noch heute, er war mit unserem Auto unterwegs, als ein Lkw ihm das Leben nahm, ihn aus meinen Leben riss. Er hat mich alleine gelassen, ohne dass er es wollte. Der Fahrer des Lastwagens war übermüdet gewesen, als er ihm das Leben nahm. Der Fahrer hat zwar eine Haftstrafe bekommen, aber Chris habe ich damit nicht wieder bekommen. Ich erwache kurz aus meinen Traum, den ich gerade von ihm hatte. Meine blauen Augen liegen auf dem jungen Mann neben mir, der mir etwas ähnlich sieht. Mein Neffe ist doch tatsächlich eingeschlafen. Stundenlang sitzt er Arme schon hier bei mir. Ich denke, es wäre besser, wenn er nach Hause zu seinem Freund ging, anstatt mit einem alten Zausel seine Stunden zu vergeuden, die er sonst mit seinem Schatz hat. Ich rufe mit schwacher Stimme seinen Namen und sage: „David, wach auf und geh heim! Ich bin sicher, Marius wartet schon auf dich!“ Meine Stimme klingt alt, so alt wie ich mich gerade fühle. Sie ist leicht belegt, denn sie ist gezeichnet von meiner Krankheit. David öffnet seine grünen Augen und sieht mich an. Dort kann ich die Sorgen sehen, die er sich um mich macht. Ich weis sehr wohl, dass ich nicht wie das blendende Leben aussehe. Davids Stimme dringt in mein Ohr „Ich bin wach Onkel, wie geht es dir? Und bist du dir denn sicher, dass ich gehen soll?“ Ich nicke und antworte leise: „Du hast dein Leben noch vor dir David, meines ist schon gelebt. Geh und genieße die Zeit, die du mit deinem Freund hast. Es kann schneller vorbei sein mit der Liebe, als du glaubst! Ich habe dir doch erzählt, wie es mir mit Chris ergangen ist. Er wartet bestimmt schon auf mich! Nun geh und lebe deine Liebe! Marius ist nett und ich mag ihn! Es freut mich sehr für dich, dass du denjenigen gefunden hast, mit dem du den Rest deines Lebens verbringen willst. Mein Testament ist hinterlegt, du allein bekommst alles, was mir lieb und teuer war." Mein Neffe drückt meinte Hand, dann meint er zu mir, er komme später noch einmal vorbei. Ich nicke und kaum ist er aus dem Zimmer, schließen sich meine Augen, fallen einfach so zu, das letzte Mal. Ich bin eingeschlafen, habe aufgehört zu atmen und sehe vor mir ein helles Licht, das immer klarer wird. Es ist Chris, der mich holen kommt. Deutlich sehe ich sein Gesicht und seinen Körper vor mir. Ich verlasse meinen Körper und schwebe auf ihn zu. Sein Lächeln lässt mich schneller werden. Wir küssen uns innig und er sagt mir. Er sei mein Engel gewesen, seit er von mir gegangen ist. Nun nimmt er mich mit hinüber. Kurz sehe ich noch einmal zurück auf meinen alten, kranken Körper, sehe die Ärzte, die hereinkommen und wie sie mich für Tod erklären, ehe ich mit Chris, meinen Engel in den Himmel fliege.
Die Station
Die Raumstation Omega lag in einer Senke auf dem Mars. Sie war nicht zufällig dort gebaut worden. Es ging darum, einen besseren Zugang zu den Eisvorkommen des Planeten zu erhalten und damit die Trinkwasserversorgung der Station zu sichern. Regelmäßig dockte dort einmal im Monat das Shuttle von der Erde an, um den Bewohnern der Station, Nachschub zu bringen. Waren es oft Nahrungsmittel oder Materialien, so war es dieses Mal sogar ein neues Mitglied, das die Besatzung von Omega verstärken sollte. Kein Geringerer als der weltberühmte Forscher Dr. Christian McQueen. Die kleine Mannschaft, die aus der Forscherin Dr. Sabine Sommer, dem Physiker Sebastian Stern und mir bestand, begrüßte den Neuankömmling auf das Herzlichste."Willkommen auf der Raumstation Omega! Wenn ich mich Ihnen vorstellen darf, ich bin der Leiter des Projektes hier. Mein Name ist Fabian Maus und ich bin Doktor der Medizin und der Geologie.“ Ich war fast 31 Jahre alt, als ich die Zusage für den Mars bekam. Nur noch wenige Tage und ich würde 32 werden. Kaum zu glauben, dass wir schon fast 1 Jahr hier auf dem Mars waren! Der Forscher begrüßte uns kühl. Er war nur etwas größer als ich und trug eine Brille. Er wirkte auf mich sportlich, seine rehbraunen Augen musterten mich kurz, ehe er sich eine Strähne seines rot gefärbten, kurzen Haares aus der Stirn strich. Hier oben musste man eine ganze Menge tun, damit man seine Muskeln behielt. Die meiste Zeit des Tages war die Raumstation ohne Gravitation. Nur für die Ankunft des Shuttles hatten wir die künstliche Schwerkraft eingeschaltet. Ich musste mich erst einmal wieder an das Laufen auf zwei Beinen gewöhnen.
Das erste Treffen
Ich war kurz in Gedanken und bekam so gar nicht mit, dass McQueen mich fragte, wo er sein Quartier finden könnte. „He, Dr. Maus ich habe sie was gefragt!“, sagte er in einem genervten Ton, der mich zu ihm aufblicken ließ. Ich musste mich wirklich sehr zusammen reißen, ihn nicht in seine Schranken zu weisen. Ich war es nicht mehr gewöhnt, mich mit jemandem länger zu unterhalten, denn das Team war inzwischen so eingespielt, dass es zumeist auch ohne viel zu reden, gut zusammenarbeitete. „Oh entschuldigen sie Doktor, ich war etwas in Gedanken. Was wollten sie von mir wissen?“ Er wiederholte im gleichen genervten Ton seine Frage nach seiner Unterkunft. „Nun, sie müssen wissen, wir haben nicht sehr viel Platz hier oben. Sie müssen sich wohl oder übel ein Zimmer mit mir teilen. Ich denke, das ist kein Problem für Sie?“ Dr. Sommer und der Physiker Stern waren ein Paar und wohnten zusammen im größeren der beiden Quartiere. Bisher hatte ich meines allein bewohnt. Dass dieser Umstand unserem Neuankömmling so gar nicht gefiel, merkte ich schnell, denn er schnaubte wütend und seine Augen warfen Blitze, als er mich anstarrte, als hätte ich sonstwas gesagt. Schon schossen seine kräftigen Hände auf mich zu, packten mich und zogen mich an ihn heran. „Hören sie mir gut zu Herr Maus, ich brauche meine Ruhe, vor allem, wenn ich nach einem langen Arbeitstag entspannen will. Ich brauche ein Zimmer für mich allein! Ich muss darauf bestehen, dass Sie sofort ausziehen!“ Meine Augen verengten sich. Was bildete sich dieser Fatzke eigentlich ein?! Ich holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Der rote Abdruck war deutlich auf seiner Wange zu sehen. Sein Ton und sein Gehabe hatten mich wütend gemacht. „Nun hören sie mir mal zu, Prinzessin! Ich bin Leiter dieses Projektes und immer noch ihr Vorgesetzter! Ich bitte mir also ein wenig mehr Respekt aus. Fassen Sie mich nie wieder an! Mir ist es völlig egal, was sie wollen. Entweder Sie teilen sich mit mir diese Unterkunft oder Sie schlafen draußen im Flur. Haben Sie mich verstanden, Herr Doktor McQueen?“ Ich war alles andere als erfreut, so eine Diva hier auf Omega zu haben. Das konnte ja heiter werden, schwante mir. McQueen brauchte eine ganze Weile, um sich aus seiner Erstarrung zu lösen, die in dessen Körper gefahren war, nach dem ich ihm eine geknallt hatte. Als ich den Blick sah, den er mir zuwarf, war ich froh, dass Blicke nicht töten konnten. Vermutlich wäre ich sonst gerade Himmelaufwärts gefahren. „Nun gut, wie Sie wünschen, Dr. Maus“, schnaubte er verächtlich, „Aber ich warne Sie! Das Leben mit mir ist alles andere als leicht.“ Den Weg zu unserer Unterkunft gingen wir schweigend nebeneinander her. Ich glaubte, seine finsteren Gedanken bis zu mir zu hören und war sehr froh, dass die Wege auf der Station höchstes eine halbe Stunde zu Fuß dauerten. Wenn die Schwerkraft nicht ein geschaltet war, brauchte man sogar nur 20 Minuten für den längsten Weg.
Die Überraschung
Die Tür glitt automatisch auf, wenn sich ihr ein Mensch näherte und ließ uns ein. Dass das Bett in diesem Raum ein Doppelbett war, hatte ich bisher immer als Segen empfunden. Nun drohte dies zum Albtraum zu werden. Vor allem, als ich das Gesicht des jungen Mannes hinter mir sah, als er meinem Blick folgte. „Das kann doch alles nicht wahr sein! Wieso haben Sie mir das verschwiegen?“ Er deutete auf das Bett, knurrte mich an und verlange sofort ein Telefonat mit der Erde. „Nur damit Sie es wissen, Maus, ich stehe nicht auf Männer! Deswegen ist es eine Unmöglichkeit, neben Ihnen hier zu schlafen.“ Er wies auf das Bett. Damit war seine Ansage vorbei und er schob mich aus dem Raum. Er kam frisch von der Erde und war mir körperlich völlig überlegen und hatte keine Chance. Dass ich auch nicht auf Männer stand - zumindest glaubte ich das bis zu diesem Zeitpunkt - sagte ich diesem Widerling allerdings nicht. Stunden später und ein Telefonat zur Erde weiter, saßen wir in der Küche und aßen zu Abend. Die Stimmung war gedrückt. Dr. McQueen hatte sich beim Oberkommando nicht durchsetzen können. Er hatte nicht einsehen wollen, dass er sich ein Zimmer mit mir teilen musste und gezwungen war, mit mir auch noch in einem Doppelbett zu nächtigen. Die Ansage von der Erde indes war klipp und klar. Das verschaffte mir wenigstens etwas Genugtuung. Dieser berühmte Forscher sollte sich doch nicht so haben, ich musste da schließlich auch durch. Wir waren schließlich beide Männer und ich hatte nichts, was er nicht auch hatte. Nach dem Abendessen würde die künstliche Schwerkraft nur in den Quartieren herrschen. Der Rest der Station würde wieder zur fast schwerelosen Zone werden. Denn auch auf dem Mars herrschte eine gewisse Anziehungskraft, die allerdings nur ein Drittel der Erdschwere ausmachte.
Die erste Nacht und der Morgen danach
Das Abendessen, das selbst für unsere Verhältnisse ungewöhnlich still verlief, ging schnell vorüber, und schon eine halbe Stunde später würde nur noch Marsschwere herrschen. Wie gewöhnlich machte ich vor dem Zubettgehen meinen Kontrollgang durch die Anlage. Ich musste dringend schlafen. Morgen würde ein langer Tag werden und ich brauchte meinen Schlaf. Ich ging ohne Umwege zu unserer Unterkunft, wo ich schweigend empfangen wurde. Die Temperatur, als ich in unseren Raum trat, schien um zehn Grad zu fallen. Ich ging ins Bad, um zu duschen und tat ahnungslos. Ich hatte einfach keine Lust auf einen neuen Streit. Für meine abendliche Toilette benötigte ich keine fünfzehn Minuten, bevor ich, nur mit Boxershorts bekleidet, aus dem Bad kam und mich ins Bett legte. Meine Seite des Bettes war immer die linke gewesen, auch als ich noch alleine hier schlief. Kurz glitt mein Blick über den schönen Körper des Anderen. Als ich mir bewusst wurde, dass ich ihn anstarrte, wurde ich rot. Froh, dass er es nicht bemerkte, da er nun seinerseits ins Bad verschwand, schlüpfte ich schnell ins Bett. Er blieb sehr lange weg und ich hatte das Gefühl, der Kleine wäre mindestens eine Stunde oder länger im Badezimmer gewesen. Schließlich kam er raus, legte sich schweigend und etwas steif auf seine Seite des Bettes und drehte mir den Rücken zu. In diesem Moment dankte ich dem Schicksal oder den Ausstattern dieser Station dafür, dass wir jeder eine Zudecke hatten. Einen Deckenstreit hätte ich nicht auch noch verkraftet. Meine erste Nacht neben der Diva im Bett verlief jedoch noch recht friedlich. Ich träumte sogar, wir hätten uns geküsst, mit dem Resultat, dass ich mich an ihn kuschelte, ohne es recht zu merken. Am nächsten Tag wachte ich unter dem Körper von Christian auf. Ich musste dringend ins Bad und ihn deswegen wecken. Es gab anders einfach kein Entkommen für mich, denn meine Muskeln waren nach fast einem Jahr auf dem Mars nur noch ein Bruchteil ihrer selbst. Daher konnte ich den großen Kerl nicht so einfach von mir schieben. Kaum hatte ich ihn wach bekommen, musterten mich wieder diese großen, rehbraunen Augen und ließen mich kurz vergessen, dass er eigentlich ein Arschloch war. Seine Lippen luden mich praktisch zum Küssen ein und ehe ich mich versah, hatte ich auch schon meinen Kopf gehoben, um den Süßen auf mir zu kosten. Er schmeckte sehr gut, irgendwie nach mehr, nach mehr Zärtlichkeit. Plötzlich wollte ich ihn nur noch öfter küssen. Er schmeckte nach einem würzig, herben Gemisch zwischen Schweiß und Salz. Verschlafen wie er war, ließ sich der neue dies eine ganze Weile gefallen, ehe die Diva merkte, was wir gerade hier taten. Blitzschnell rollte mein Zimmergenosse von mir herunter, es war fast so, als hätte dieser sich an mir verbrannt. Ich war jedoch froh, endlich die Last, die sein Körper für mich darstellte, los geworden zu sein. Doch da er als erster wie eine Tarantel gestochen von unserem Bett aufgesprungen war, um ins Badezimmer zu gehen, hatte ich nun das Pech, warten zu müssen. Ich schaute auf meinen Körper herunter, denn leider hatte die Küsserei am morgen meine Libido geweckt und ich konnte deutlich erkennen, dass mein Penis zu einer Wasserlatte angeschwollen war. Na toll, wie sollte ich denn in dem Zustand auf Klo gehen können? Das war für einen kurzen Moment mein Gedanke, ehe ich den Blick von ihm auffing, als er gerade aus dem Badezimmer kam. Er wirkte fast als würde er mich fressen wollen. Ohne nur ein Wort mit mir zu wechseln, stürmte er aus dem Zimmer, nachdem er sich angezogen hatte. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich bestimmt schon tot .Ich rappelte mich auf und verschwand, kaum das ich alleine in der Unterkunft war, auch ins Badezimmer, wo ich Dank meines kleinen Problems sehr viel länger als er brauchte. Ich pustete meinen Pony nach oben, als ich mich anzog und sagte mir "Na toll, das kann ja noch etwas werden!"
Das darf doch alles nicht wahr sein
Ein neuer Tag brach auf der Raumstation an. Der Tag hatte alles andere als gut begonnen. Christian McQueen raubte mir noch den letzten Nerv und leider war ich heute nicht ganz unschuldig daran. Ich drückte auf das Symbol mit der Tasse Kaffee an unseren kleinen Kaffeeautomaten, und begrüße erst einmal meine Kollegen. Sabine saß neben Sebastian und fütterte ihn mit einem Nutella Brötchen. Sie lachten und unterbrachen ihr Frühstück nur kurz, um mir ebenfalls einen guten Morgen zu wünschen. Chris saß schon im Raum und würdigte mich keines Blickes. Er hatte wohl schon seine Aufbackbrötchen gegessen. War ich wirklich solange im Badezimmer gewesen, fragte ich mich. Ich setzte mich und schmierte mir ebenfalls ein Brötchen, dass ich stillschweigend aß. Als wir fertig waren, besprachen wir gemeinsam, an was wir heute arbeiten würden. Der Morgen verging recht schnell. Ich hatte eine Menge zu tun, indem ich einige Gesteinsproben analysierte, die einer der Roboter, die ständig auf dem Mars unterwegs waren, gesammelt hatte. Die Daten, die ich gewonnen hatte, trug ich gleich in den Computer der Station ein, dieser sendete meine Ergebnisse keine 2 Minuten später zur Erde. Es würden wahrscheinlich ein paar Tage vergehen, bis sie ankamen. Wir forschten zwar viel, doch die Datenübertragung war seit den Anfängen von Omega nicht schneller geworden. Gegen Mittag kochte Sabine uns ein Mahl aus den Packungen, die uns die NASA hoch geschickt hatte. Ich nannte dieses Essen fertig vergammelt, weil es 100 Jahre hielt, in dem Zustand, wie es uns geliefert wurde. Es schmeckte merkwürdiger Weise ab und an ganz gut für so eine Fertignahrung. Doch mir wäre ein frisches Steak allemal lieber gewesen. Am Nachmittag stand ein Außeneinsatz auf unserer Liste, weil wir dabei waren, die Station zu vergrößern. Eine riesige Glaskuppel sollte gebaut werden und wir sollten dann versuchen, unsere Nahrung selbst anzubauen, nebenbei auch noch Sauerstoff produzieren. Noch versorgten uns Maschinen mit unseren lebensnotwendigen Sauerstoff. Diese nahmen allerdings eine Menge Platz weg und zudem wurden sie woanders gebraucht. Aus diesem Grund hatte die Regierung beschlossen, dass wir Bäume zusätzlich zu unserem Gartengemüse pflanzen sollten. Die großen, runden Streben standen schon deutlich sichtbar auf der Oberfläche, heute sollte der untere Rahmen für die Glaskuppel angebracht werden. Wir benötigten für die Oberfläche des Mars nicht dieselbe Schutzkleidung, als wenn wir ins All hinausgehen. Hier herrschte nur eine kleine Schwerkraft. Wir vier Wissenschaftler arbeiteten den ganzen Nachmittag hart daran, und schafften so ungefähr die Hälfte des Rahmens von der Kuppel. Morgen würden wir den Rest erledigen, aber fürs erste waren wir alle völlig erledigt. Meine Muskeln fühlten sich wie Gummi an. So eine harte, physische Arbeit ist hier oben sehr selten. Deswegen war ich froh, als Dr. Stern meinte, dass wir für heute Feierabend machen sollten, denn ich selbst hatte die Zeit völlig vergessen. Nach dem Abendessen fiel ich förmlich ins Bett, welches ich nicht mehr alleine für mich hatte. Meine Augen hatten sich so schnell geschlossen, dass ich gar nicht mehr mitbekam, wie Christian den Raum betrat. Noch in der Nacht kuschelten wir uns wieder zusammen, es war nicht gerade warm in unserem Raum. Der menschliche Körper brauchte nun mal Wärme und Nähe. Ich ahnte, dass ich mich in den Mann neben mir, verliebt hatte. Wir hatten noch viel Zeit uns kennenzulernen, zumal hier eh keiner von uns so schnell von hier oben weg kam. Außerdem konnte es ewig dauern, bis die nächste Fähre hier oben sein würde, um an der Raumstation anzudocken. Ich wachte am nächsten Morgen auf und das Erste, was ich sah, war Christians Gesicht. Er war schon wach, seine Augen musterten mich lange, ehe er es war, der diesmal näher kam und mich küsste.
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2015
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Widmung:
Die Geschichte 'Einmal sehen wir uns wieder, mein Engel'
widme ich dem Sänger Andreas Gabalier!
Ein Dankeschön an meine Betaleserin Loreley