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Kapitel 1

Alexander

 

Von einem Fuß auf den andern tappend versuche ich mich irgendwie warm zu halten. Obwohl ich gefütterte Boots und mehrere Paar Socken trage, ist mir elendig kalt. Zudem stecken meine Hände in dicken Handschuhen. Trotzdem fühlen sie sich taub und halb eingefroren an und das alles nur, weil mein Onkel mich überredet hatte, an seinem Süßwarenstand auf dem Weihnachtsmarkt in unserem Ort auszuhelfen.

Na gut, eine Wahl war mir nicht geblieben, immerhin gab Jörg mir ein Zuhause, als meine Eltern mich im Alter von vierzehn Jahren aus dem Haus geworfen hatten. Daraufhin brach er mit ihnen und nahm mich bei sich auf.

Eine fröhliche Gruppe junger Frauen reißt mich aus meinen trüben Gedanken und die vielen Bestellungen lenken mich zusätzlich ab, wofür ich unheimlich dankbar bin. Zugegebenermaßen sind die Feiertage für mich immer noch schwer, da sie mich daran erinnern, dass ich fast meine gesamte Familie verloren habe.

„Ich hätte gern das Lebkuchenherz da vorne. Das mit der Aufschrift Herzblatt“, erklärt die blonde Frau vor meinem Stand und zeigt auf besagte Leckerei.

„Sehr gerne, darf es sonst noch etwas sein?“, frage ich höflich, während ich bereits das Herz von der Wand nehme.

„Nein, danke.“

„Das macht dann fünf Euro, bitte.“

Nachdem sie bezahlt und die Süßigkeit erhalten hat, zieht die Gruppe schnatternd weiter, sodass ich wieder allein in der kleinen Holzhütte stehe und den Heizlüfter verfluche, der kurz nach der Eröffnung vor mehreren Stunden den Geist aufgegeben hat.

Leider ist heute so gut wie nichts los, weshalb ich hauptsächlich in meinen negativen Gedanken gefangen bin. Zappelnd, um nicht festzufrieren, beobachte ich die wenigen Gäste am Glühweinstand gegenüber.

„Hey, Alex. Ich hab dir einen Kakao besorgt.“

Erschrocken zucke ich zusammen, da ich Daniel gar nicht bemerkt habe. Dazu kommt, dass ich niemals damit gerechnet habe, von diesem perfekten Mann überhaupt wahrgenommen zu werden. Immerhin ist er Fitnesscoach in dem Studio, das ich regelmäßig besuche. Mit mäßigem Erfolg, wie ich anmerken möchte. Lauch bleibt Lauch. Innerlich verdrehe ich die Augen, bevor ich mich räuspere.

„Huch, ich hab dich gar nicht gesehen“, erkläre ich und spüre unerwartete Hitze in meinen Wangen.

„Ja, sah aus, als wärst du ziemlich weit weg.“ Ein verschmitztes Lächeln ziert sein Gesicht und ich will ihn küssen. Einfach so. Jetzt sofort.

Anstatt über die Theke zu springen, um meinen Wunsch in die Tat umzusetzen, räuspere ich mich erneut.

„Hmhmhm … stimmt schon.“

Daniel reicht mir die Tasse mit dem dampfenden Getränk und ich nehme sie mit zitternden Fingern entgegen, wofür ich eine hochgezogene Braue von ihm ernte.

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Tag der Veröffentlichung: 27.11.2021

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