In Gedanken versunken saß ich in der hintersten Ecke des Speisesaals. Sogar hier war es zugig. Man sollte meinen, ich hätte mich in der ganzen Zeit daran gewöhnt, doch dem war nicht so. Wie sehr ich es hier hasste, war kaum in Worte zu fassen. Es erschien mir immer dunkel und kalt zu sein, als wäre das das einzig passende Ambiente, um junge Hexen und Hexer in die Kunst von Tränken und Zaubern einzuweihen.
Genervt stieß ich die fette Spinne, die im Begriff war, über mein Essen zu krabbeln, von dem massiven Eichenholztisch. Es war schon ätzend genug hier, da brauchte ich keine Viecher in dem ohnehin kaum genießbaren Brei.
Ständig dachte ich an Andariel, meinen besten Freund. Wir waren in der gleichen Straße aufgewachsen. Früh hatten wir festgestellt, dass wir magisch begabt waren. Durchaus eine Besonderheit, da unseren Eltern keine Begabung innewohnte. Andariel und ich hingen von klein auf zusammen. Spielten, erlebten unsere ganz eigenen Abenteuer im angrenzenden Wald. Ich ließ meinen Blick durch die schlecht beleuchtete Halle schweifen.
Das alles fühlte sich wie ein anderes Leben an. Damals war alles bunt und fröhlich gewesen. Meine liebste Erinnerung war der Kuss, als wir gerade vierzehn Jahre alt geworden waren. Mein allererster Kuss. Bittersüß rannen die Bilder dieses Tages durch meine Hirnwindungen. Zu meinem Leidwesen war das bis heute mein letzter Kuss gewesen. Leise seufzte ich, versuchte den Schmerz zu verdrängen.
Kurze Zeit später wurden wir auf unsere Fähigkeiten getestet, der schlimmste Tag meines bisherigen Lebens. Denn dadurch wurde ich von dem besten Freund getrennt, den man sich nur wünschen konnte.
Tag der Veröffentlichung: 24.05.2021
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