Cover

Prolog

Ein Wort machte mich zu einem Mythos.
Sowohl gefürchtet als auch bewundert. Von vielen gejagt, doch nie geschnappt worden.
Geliebt und gehasst von einer Person. Beschützt und zu dem gemacht was ich bin von einer Legende.
Unerkannt bleiben, wenn ich es will.
Nicht wahrgenommen werden, mich aus euren Gedanken löschen.
Oder mich für immer in eurem Kopf einbrennen.
Die Herzen in euren fragilen Körpern schneller zum schlagen bringen.
Euer Blut zum kochen bringen.

 

Die Körper meines gleichen in Flammen aufgehen lassen, sie Dinge machen lassen die sie nicht zu tun vorhatten.
Nur wenige wissen wie ich wirklich heiße, wer ich wirklich bin.
Oder gar wer ich einst war.
Ich war schwach, abhängig von einem schlagenden Herzen. Getrieben von Angst, von der Angst zu sterben. Beeinflussbar durch dich.
Ich war einen von ihnen, bis du mich zu dem machtest was ich nun bin.
Du meintest es wäre zu schade ein so hübsches Ding wie mich sterben zu sehen. Mit anzuschauen wie meine Schönheit vergeht. Meine Haare sich grau färben und meine alabasterfarbene Haut nicht mehr eng an meinem Körper anliegt.
Sie hatte dich vor der Macht die in mir wohnt gewarnt, dir gesagt dass ich weitaus stärker und mächtiger sein würde als die meisten anderen. Doch du hast es nur belächelt, ihr nicht geglaubt. Helena gesagt sie sei eine alte verrückte Hexe.
Erst war ich schwach, was dich in der Annahme bestätigte das Helena langsam durchdrehte. Aber ich wurde stärker, hatte Fähigkeiten von denen ich nie zu träumen gewagt hätte.
Ich war nicht einfach schneller und stärker als es sich für einen Neuling gebührte, nein. Ich war eine der wenigen, die eine Gabe in sich trug. Eine Gabe, wie es nur Hexen vererben können.
Oh nein. Natürlich wusste ich vorher nicht dass ein paar Hexen meinen Stammbaumgezeichnet haben. Woher denn auch.
Aber es fühlte sich gut eine solche Macht in sich zu spüren. Sie benutzen zu können.
Die Verblüffung in euren Augen zu sehen, wenn ihr plötzlich in Flammen auf geht.
Ihr fragt euch wie das möglich sein kann und ehe es euch in den Sinn kommt seid ihr schon auf der anderen Seite.  
Jahrtausende alte Meister fürchten meine Kräfte. Neulinge buhlen um meine Gunst.
Du hast mich zu dem Mythos gemacht, den viele junge Mädchen fürchten.
Und nun.
Blicke ich in eure Augen, sehe die Angst. Höre wie eure Herzen mehr Blut durch eure zierlichen Körper pumpt. Ihr wisst was mit euch geschehen wird.
Es wird eine grauenvolle Zeit sein. Gepeinigt, missbraucht und ausgenützt.
Und dennoch versucht ihr nicht aus meinen Fängen zu entkommen. Ihr habt gesehen was passieren wird wenn ihr es versucht.
Genießt die letzten Minuten, bevor ihr alles vergessen werdet was vor unserem aufeinander treffen geschehen ist. Erinnert euch noch ein letztes Mal an das Gesicht des Mannes für den ihr versprochen habt. An das Gefühl was jede seiner Berührungen in euch hervorgerufen hat. Denkt ein letztes Mal an seine sanften Lippen auf den euren, bevor ihr all das aufgeben werdet. Aufgeben um den meinen zu dienen.
Blickt ein letztes Mal auf eure makellosen Körper, bevor ihr gezeichnet werdet.
Fühlt euch ein letztes Mal frei, bevor ihr zu Eigentum werdet.  




Es ist kalt und feucht. Mein Körper ist lediglich in ein weißes Leinenkleid gehüllt. Wir alle müssen es tragen.  Doch ihr seid kleiner als ich, es geht euch fast bis zum Knie. Wobei es bei mir gerade einmal den Hintern bedeckt. 

 

Das Licht der Kerze, die in der hinteren rechten Ecke unseres Verließ stand würde bald erlischen.  Ihr schlaft schon. Habt euch eng nebeneinander gelegt um euch gegenseitig zu wärmen.
Doch Wärme ist etwas für Schwächlinge, meint Vlad.
Zumindest entgegnet er uns das immer wenn eine von uns jammert ihr sei kalt.
Nadia ist immer noch bei ihm oben.  Keine von uns kann sich je sicher sein ob sie seine Spielchen überleben wird. Immer wieder bedauert er, er wolle uns nicht wehtun. Seine Pupillen weiten sich, seine Stimme wird tiefer, mein Herzschlag wird ruhiger. Ich weiß was er vorhat, doch er kann mich nicht beeinflussen.  Doch um ihn nicht wütend zu machen tat ich immer so als könne er es.
Bis ich mich ihm heute wiedersetzte.
Sein Kiefer spannte sich an und er zog die Augenbrauen zusammen. Er schrie. Es waren keine Worte, zumindest keine die ich verstehen konnte. Ich rutschte immer weiter nach hinten. Drückte mich in die Kissen des großen Doppelbettes. Seine Wut wurde größer. Mit einer einzigen Bewegung räumt er seinen kompletten Schreibtisch ab. Seine Bewegungen sind schneller als ich sie wahrnehmen kann.
Pompöse Vasen zerschmetterten auf dem Holzboden, ein steinerner Brieföffner flog durch das Glasfenster.
„Geh mir aus den Augen.“ Wie paralysiert blieb ich sitzen. Vlad wurde lauter. Plötzlich stand er wieder neben dem Bett. Von einer auf die andere Sekunde. Hart umgriff seine Hand meinen Oberarm. Er zog mich aus dem Bett. Schliff mich über den Boden, bevor er mich buchstäblich aus dem Zimmer warf. Mit einem lauten Schrei knallte ich gegen die harte Steinwand gegenüber seiner Gemächer.

Eins

„Die Erinnerung ist ein Paradies aus dem man nicht vertrieben werden kann.“

 

Ich öffne die Tür zum großen Speisesaal und gehe mit gesenktem Haupt zu meinem vorhergesehen Platz. Rasch ziehe ich den alten Holzstuhl heraus um mich mit geradem Rücken darauf niederzulassen. Sogleich fange ich an meine Mahlzeit zu verspeisen. Ich wage es nicht zu den anderen Sklaven zu blicken oder gar meinen Kopf zu den Aufsehern zu drehen. Ich lasse meinen Kopf gesenkt und blicke auf mein mageres Frühstück hinunter. Alles andere zieht an mir vorbei. Mich geht es nicht an, was mit den anderen Sklaven ist. Ob die eine humpelnd hereintritt, oder gar nicht erst zum Frühstück erscheint. Mir sollten solche Sachen gar nicht auffallen. Ich sollte über solche Belanglosigkeiten gar nicht weiter grübeln und dennoch lausche ich gespannt.

Als jedoch mein Teller leer ist, verweile ich nicht an meinen Platz. Nein, ich stehe auf und gehe wieder nach draußen. Meine Schritte hallen über den großen Flur entlang und verfolgen mich wie mein eigener Schatten. Rasch sehe ich mich um, doch niemand ist um dieser Stunde in diesem Abteil unterwegs. Mir wäre es auch nicht gestattet mich hier aufzuhalten und dennoch tue ich es. Als ich endlich vor dieser dunklen, großen Holztür stehe, sehe ich mich rasch noch zu allen Seiten um und schließlich öffne ich sie, um dann rasch hindurch zu schlüpfen. Erst als ich sie hinter mir verschlossen habe, atme ich erleichtert aus. Meine Anspannung legte sich wieder und ich beruhige mich langsam. Dieser Raum war verbotenes Terrain für mich. Doch ich hatte es noch nie erlebt, dass jemand die Bibliothek in dieser neuen zivilisierten Welt genutzt hatte. Dies war einer der wenigen Orte, in denen ich mich sicher fühlte.

Ich schaute mich um und wie jedes Mal, wenn ich die Regale voller Bücher ansehe, juckt es mich in den Fingern, eines herauszunehmen und in die Welt der Geschichten einzutauchen. Einfach alles um mich herum zu vergessen. Doch ich beherrsche mich. Ich kann schon dankbar sein, dass mir mein Meister das Schreiben und Lesen gelehrt hat. Es wäre jedoch undenkbar, wenn ich eines seiner Bücher herausnehmen würde. Diese Art der Unterhaltung waren nur für die kultivierten Damen und Herren bestimmt und nicht für uns einfaches Gesindel. Wehmut überkam mich bei diesem Gedanken. Wie jeden Tag setzte ich mich in die dunkelste Ecke, in der man mich von der Türe aus nicht sehen konnte und die dennoch nah genug am Fenster war, falls ich einen Fluchtversuch starten müsste. Ich blickte von meinem Platz aus in den Himmel und seufzte. Es war wieder ein bewölkter Tag und an den Bäumen konnte man erkennen, dass der Herbst schon da war. Der Winter würde auch nicht mehr lange brauchen und dann würde die tote Zeit beginnen. Eine Zeit in der es nie richtig hell wurde und die von Gewalt geprägt war. Ich zitterte jetzt schon leicht, nur bei diesem Gedanken. In dieser Zeit hatten wir Blutsklaven kein leichtes Leben und in solchen Momenten wurde uns oft gezeigt, wohin wir wirklich gehörten. Der Meister und seine feinen Herrschaften waren unausstehlich. Ich hatte Angst vor dieser Zeit und auch meine Zukunft sah nicht besser aus. Mit jedem Jahr, das ich älter wurde, wurden die Herrschaften aufmerksam auf mich. Als kleines Kind konnte man sich unter den Tausenden Sklaven gut verstecken, doch es würde immer schwerer werden. Wir waren den Launen des Meisters ausgeliefert. Wir hatten keine Rechte, die uns vor seinen Gräueltaten schützen. Nein, wir hatten nicht einmal die Ehre einen Namen zu tragen, oder unsere Erinnerungen zu haben.

Wieder blickte ich nach draußen und mein Auge wanderte weiter zu dieser hohen undurchdringbaren Mauer. Mein Gemüt wurde schwer. Ich war noch niemals draußen gewesen, wir durften nicht in den Garten. Ich lebte mein Leben in dem Schloss. Uns war es verwehrt auch nur ein Schritt nach draußen - in diesen wunderschön angelegten Garten zu setzten. Ich wusste wie hart alles bestraft wurde und dennoch gingen meine Gedanken in eine Richtung die falsch war.

In den Nächten in denen ich vor Schmerzen nicht schlafen konnte, hatte ich mich oft gefragt, ob hinter dieser Mauer vielleicht mein Paradies auf mich wartete. Oder ob jemand da draußen mich liebte und mich vermisste. Doch ich konnte über diese Wunschvorstellung nur verächtlich den Kopf schütteln. Es gab niemand da draußen der mich liebte oder suchte. Meine Mutter war sicherlich eine Sklavin gewesen, die entweder danach verkauft worden war oder sogar getötet wurde. Sicherlich war ich keine Tochter von den feinen Damen, denn die würden es niemals zulassen, dass ihre Tochter als Sklavin verkauft wurde. Das war lächerlich, so schön auch der Gedanke war.

Plötzlich hörte ich laute Stimmen, die eindeutig von draußen kamen. Ein Fluch wurde gezischt. Dann schrie eine glockenhelle Stimme vor Schmerz auf. Ich zuckte zusammen. Ich kannte diese Stimme, ich wusste welche Sklavin hier einen Fluchtversuch startete. Es gab nur eine Person, die noch nicht genug eingeschüchtert war und es auch nie sein würde. Aber dass sie es am helllichten Tag versuchte, hätte ich  niemals geglaubt. Ich drückte die Hand vor meinen Mund, damit ich mich auch ja nicht verraten würde, denn ich wusste was noch kommen würde. Ich wusste, dass sie es diesmal nicht überleben würde und ich haderte mit meinem Herzen. Es schrie mir zu, endlich aufzustehen und zu kämpfen doch mein Verstand hielt mit den Konsequenzen dagegen an. Ich kämpfte mit mir selber und wusste nicht was richtig war. Ich wollte nicht, das ihr etwas geschah, doch was konnte ich schon tun? Ich hatte keine Macht, mit der ich es verhindern konnte. Mit der ich sie retten konnte. Ich hatte nur die Macht über mein Leben indem ich jetzt entschied, ob ich mich zeigen würde und ihr vielleicht helfen würde und statt ihr sterben würde oder ob ich hier bleiben würde und dafür aber sie nie mehr zu Gesicht bekommen würde.

Ich versuchte mich in Gedanken von diesem grauenhaften Ort zu entfernen. Ich stellte mir eine wunderschöne Blütenwiese vor, in der ich lag und in Sicherheit war. In der ich Rechte hatte und auch geliebt wurde. In der es Hoffnung, Glück und Frieden für mich gab.

Doch beim nächsten Schmerzensschrei wurde ich unsanft in die Realität katapultiert. In eine Realität die nicht schön war, in der ich gerade miterlebte wie eine Person meines gleichen einfach so getötet wurde.

Tränen benetzten meine Wange, doch ich gab keinen Laut von mir. Es waren Tränen der Trauer und des Abschieds. Sie war immer ein Vorbild für mich gewesen. Durch sie war ich überhaupt so weit gekommen und noch am Leben.

Ich saß noch lange dort und lauschte den Geräuschen, doch irgendwann mit Einbruch der Dämmerung wurde es draußen ruhig. Wieder hatte ich ein Tag überlebt, aber dafür einen wichtigen Menschen in meinem Leben verloren.

Leise schlich ich in mein Zimmer, ging in das kleine Badezimmer und entkleidete mich. Ich war genau wie sie. Sie war auch nicht so blass wie die anderen Sklaven, sie hatte auch einen immer währenden leicht gebräunten Teint und aus diesem Grund wurde sie von den feinen Damen gehasst. Da diese ihre Farbe im Winter wieder verloren. Doch sie hatte aschblonde Haare gehabt und ich hatte honigblonde. Wie ihre Augenfarbe war, wusste ich nicht, da ich nie die Gelegenheit hatte, in ihre Augen zu blicken. Ich hatte saphirblaue Augen, die mich gerade eingehend musterten. Meine Augen wirkten trostlos und leer. Ich hatte noch nie ein Glänzen wie bei den feinen Damen in ihnen gesehen. Wie würden sie dann wohl aussehen? Ich würde es nie erleben, denn ich würde sicherlich nie die Gelegenheit bekommen, mich über etwas freuen zu können. Wie sollte ich mich auch freuen können, wenn ich wusste, dass ich insgeheim einfach eine feige Person war? Ich hatte schweigend mitangehört, wie sie getötet wurde und hatte nichts getan. Hatte nicht mein Leben für sie geopfert. Nein, ich hatte mich auf meine wunderschöne Wiese verkrochen. Ich war wirklich ein nichts, mein Leben war im Vergleich zu ihres nichts wert und dennoch lebte ich noch. War dies richtig?

Ich wand mich von meinem eigenen Spiegelbild ab und duschte mich ausgiebig.

Schließlich legte ich mich auf mein Bett und versuchte einzuschlafen. Irgendwann glitt ich einen unruhigen, leichten Schlaf.

 

Zwei

Sie sah mich verführerisch an. Voller Vorfreude auf das was passieren würde.
Kaum hatten wir mein Apartment erreicht fing sie schon an sich ihrer Kleidung zu entledigen. Sanft glitt ihr schwarzer Lederrock über die helle Haut ihrer Beine und fiel zu Boden.
Ihr Herz schlug schneller, mehr Blut wurde durch ihren Körper gepumpt. Sie verströmte nun schon einen ganz anderen Geruch als noch gerade eben.
Mit einer schnellen Bewegung hatte ich sie gegen die Wand gedrückt. Küsste sie, spürte ihr verlangen. Ein kleiner Schrei entwischte dir, als ich mit dir innerhalb von Sekunden mein komplettes Apartment durchquerte und dich auf mein Bett schmiss. Doch als ich mein schwarzes Hemd aufknöpfte fing sie an zu kichern.
Schnell hatten wir uns unserer Kleidung entledigt. Die kühle Seidenbettwäsche fühlte sich gut unter meiner Haut an. Ich küsste sie erst sanft, doch dann immer fordernder. Behutsam hauchte ich viele Küsse auf ihren Hals. Dann leckte ich über ihre Halsschlagader. Ihr Geschmack war jetzt schon betörend. Ich fuhr meine Zähne aus, durchdrängte  ihre Haut. Blut erfüllte meinen Mund, rann durch meine Kehle, löschte mein inneres Feuer, wärmte meinen kalten Körper von innen.  Ihr schlanker Körper wand sich unter mir, doch nicht vor Schmerzen.
Wir vereinten uns aber nicht nur dadurch, wir genossen einander in vollen Zügen und kamen gemeinsam zum Höhepunkt.
Doch langsam wurden Ihre Bewegungen weniger, Ihr Puls war niedriger geworden. Ich wusste dass ich aufhören musste, doch schon zu lange hatte ich mich mehr genährt.  Das Angebot war zu verlockend, auch den letzten Tropfen Blut aus ihrem zierlichen Körper auszusagen. Doch Ich war stark, ließ von ihr ab. Ihr Körper sackte unter mir zusammen und sie sah mich mit geweiteten Augen an. Sie war verwirrt, zu viele reize hatten ihre Körper geflutet. Ihr Kopf war leer.
Ich sah ihr in die Augen, meine Pupillen weiteten sich, meine Stimmer wurde tiefer und ich sagte: „Du wirst alles vergessen was gerade eben passiert ist, mich vergessen. Du wirst dich jetzt wieder anziehen und mein Apartment verlassen.“ Sie nickte und tat genau das was ich gesagt hatte. Auch wenn sie noch etwas wacklig auf den Beinen war, war sie innerhalb weniger Minuten verschwunden.
Satt und befriedigt schenkte ich mir einen Glas Bourbon ein, leerte es mit einem Schluck und ging mit energiegeladenem Schritt zu meinem Kleiderschrank. Ich zog eine dunkle Jeans und ein schwarzes Hemd raus. Dunkle Farben ließen meine ohnehin schon helle Haut noch heller erscheinen.
Mein dunkelblondes Haar war schon seit längerer Zeit nicht mehr geschnitten worden, weshalb es mir immer wieder ins Gesicht fiel. Doch es störte mich nicht im Geringsten.
Mein Mund verzog sich zu einem verschmitzten Lächeln als ich mein Apartment verließ und in meinen Shelby stieg.
Der Mond hing schon lange Zeit am Himmel und sein Licht tauchte meine Umgebung in ein schlichtes Grau. Für Menschen war es schwierig jetzt noch etwas erkennen zu können. Was für meines gleichen kein Problem war.
In all den Jahren hatte ich mich daran gewöhnt, hatte mich an all das gewöhnt. Mir blieb nichts anderes übrig.

„Rose? Rose, komm schon das ist nicht witzig. Du bist kein Kind mehr das sich versteckt. Rose?“
Hecktisch lief ich durch die langen Fluren unseres großen Anwesens, doch ich konnte sie schlichtweg nicht finden. Die Dienstmädchen huschten von einem Zimmer ins andere und halfen mir bei der Suche nach ihr. „Mary, du und die Mädchen ihr sucht hier weiter. Ich nehme eins der Pferde und suche sie auf dem Hof.“ Sie nickte und senkte danach Augenblicklich wieder den Kopf.
Energisch ging ich die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle, zu den Ställen. Der Knappe hatte mein Pferd schon gestriegelt. Es war ausritt bereit. Ich schwang mich auf mein Pferd und galoppierte los. Über den Kiesweg der Einfahrt, durch die großen Tore unseres Anwesens. Immer wieder rief ich ihren Namen. Langsam näherte ich mich unserem Lieblingsplatz, dem Ort wo wir uns vor all den Jahren kennen gelernt hatten. Wo wir uns zum ersten Mal geküssten hatten. Unsere erste gemeinsame Nacht verbracht hatten. Innerlich hoffte ich das sie hier sein würde. Sie mich vielleicht mit einem romantischem Dinner überraschen wollte. Ich hoffte sie in ein schönes Kleid gehüllt vor der untergehenden Sonne stehen und auf mich warten zu sehen.
Doch ich würde enttäuscht. Sie war nicht hier. Ein kleiner Teil meiner Hoffnung starb. Aber die suche war noch lange nicht beendet.
Voller Hoffnung ritt ich nach Hause. Im Haus hörte ich viele Stimmen, die wild durcheinander sprachen. Unwillkürlich stieg mein Puls ins unermessliche.

„Hey Liam. Das übliche?“
Ich nickte nur und lief vorbei an unzähligen alten Holztischen mit schweren Bänken. Bis ich an meinen üblichen Tisch kam, wo der übliche Drink stand. Kaum hatte ich mich hingesetzt fielen schon einige Blicke auf mich. Einige voller Begierde, was Mann Frau natürlich nicht übel nahm. Andere waren von Fragen und Ungewissheit durchsäht. Doch da waren auch ein paar die voller Hass waren.
Sie alle haben jemanden verloren. Ihren Partner, jemanden ihres Clans oder gar ihren Meister.
Aber das ist nicht meine Schuld, ich gehe lediglich meiner Berufung nach.
Es hat mich viel Kraft gekostet, in einer Welt wie dieser zu überleben. Mir einen Namen zu machen, der gelichzeitig gefürchtet und bewundert wird.
Ich kippte meinen Bourbon mit einem Schluck hinunter und richtete meinen Blick auf eine bestimmte Person. Mein Mund verzog sich unwillkürlich zu einem kleinen Lächeln.
Seit geraumer Zeit war ich auf der Suche nach ihm. Aber ihn hier zu treffen war schon fast lächerlich.
Laut stelle ich mein Glas auf den Tisch und erhob mich.
Einige Blicke folgten meinen Schritten. Andere, die ahnten zu wissen was geschehen wird senkten ihren Kopf und starrten in ihre Gläser.
Mein Schritt wurde schneller, doch ich bewegte mich noch immer lautlos.
Nur wenige Meter trennten mich von ihm.
„Wie schön dich hier zu treffen Jason.“ Er sah mich an, sein Blick füllte sich augenblicklich mit Furcht.
„Ich weiß nicht wo sie ist.“
„Stell dich nicht dümmer als du ohnehin schon bist Jason. Du weißt ganz genau wo sie ist.“
„Ich weiß es wirklich nicht.“
Langsam legte sich meine Hand um seinen Hals und ich drückte ihn gegen die Wand. Mein Griff wurde fester, bis ich auch meine andere Hand zur Hilfe nahm. Mit voller Wucht steckte ich sie ihm in die Brust. Umfasste sein Herz. Seine Haut bekam eine raue Struktur, seine Pupillen weiteten sich.
„So und jetzt noch ein letztes Mal. Wo ist sie?“
„Das letzte Mal habe ich sie in LA gesehen. Ich weiß nicht wo sie jetzt ist.“
„Was hat sie dort gemacht?“
„Ich weiß es nicht. Wir haben uns nur auf einen Drink getroffen. Wir haben nicht übers Geschäft gesprochen.“
„Du weißt es also nicht.“
„Nein ich weiß es wirklich nicht.“
„Das war die falsche Antwort.“ Sagte ich mit wütender Stimme und riss ihm das Herz aus der Brust.
Sein Körper sackte in sich zusammen und fiel zu Boden.
Ich blickte auf ihn hinab, verspürte kein bisschen Reue sein untotes Leben auf dem Gewissen zu haben.
Will sah mich emotionslos an, als ich das Herz auf die Theke legte.
Es war nicht das erste Mal, dass jemand in Wills Bar meinet wegen sein Leben lassen musste. 

Drei

"Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnnen wird, zu leben." - Marcus Aurelius

 

Angst nistet sich in meine Knochen ein, lies mich unfähig werden. Gebannt starrte ich auf meine Zimmertür und wünschte mir so sehr, dass alles nur ein blöder Alptraum wäre – der mich heimsuchte. Doch nur Menschen mit Erinnerungen konnten Träumen.

Zitternd setzte ich mich auf und konnte immer noch nicht meine Augen von diesem schwarzen Etwas abwenden. Heute würde ein schwarzer Tag werden und automatisch fragte ich mich, ob es wohl als Bestrafung für mich gedacht war. Doch was hatte ich falsch gemacht?

 Die Erinnerung an das erste Mal überrollten mich. Nahmen mir die Luft zum atmen weg. Alles spielte sich vor meinen Augen ab. Ich fühlte wieder diesen unsagbaren Schmerz. Fühlte wie ich immer schwächer unter seinen Armen werden. Fühlte als er endlich gesättigt war, wie ich von Händen gepackt werde und nach draußen – in den kalten Flur – geschmissen werde. Ich spüre die Kälte im Gesicht – als ich auf dem Steinboden wieder erwache. Zugleich kommt auch wieder das Gefühl der Erniedrigung auf. Meine Sicht verschwimmt immer mehr und irgendwann höre ich ein Schluchzen. Langsam begreife ich, dass dieser Laut von mir selber verursacht wird. Doch dann plötzlich wird eine Tür hinter mir geöffnet und man befiehlt mir zu verschwinden.

 Ich schloss die Augen, biss in meine Hand hinein um nicht loszuschreien. Erst durch den Schmerz merkte ich, dass dies alles nicht real war. Alles waren nur meine Erinnerungen gewesen. Ich war in Sicherheit.
Ich zog meine Beine an meine Oberkörper, umschlang sie mit meinen Händen und wiegte mich selber hin und her. Ich versuchte mich selber zu trösten und auch ruhiger zu werden. Ich hatte Angst.

Langsam ebbten die Gefühle ab und ich wurde wieder her meiner Sinne. Ich erhob mich vom Bett, ging rechts an das Fenster und blickte hinaus. Es goss wie aus Kübeln. Die Sonne würde ich heute nicht zu Gesicht bekommen. Wieder war ein düsterer Tag angebrochen. Ich hasste die Tage ohne die Sonne. Auch wenn ich nicht wusste, wie sich die Sonne auf meiner Haut anfühlte, liebte ich sie. Sie hatte mich immer an das Mädchen erinnert, die um ihre Freiheit gekämpft hatte. Auch wenn sie verlor, sie hatte den Glauben nie aufgegeben. Tränen schossen mir in die Augen, als ich weiter an diese ungewöhnliche Sklavin dachte.

Doch ich wollte nicht länger an sie denken, wollte nicht länger mir das Leben noch schwerer machen. Ich wollte mir auch nicht weiter Vorwürfe machen, denn ich hätte sie nicht retten können. Das hätte nur die Rothaarige Frau vermacht, doch die hasste alle Sklaven und sorgte eher dafür, dass uns immer bewusst blieb, wo unser Platz war.

Ich wand mich vom Fenster ab und ging zu diesem schwarzen Kleid hinüber. Es war an der Zeit, den Meister nicht mehr länger warten zu lassen. Ich wollte nicht seinen Unmut gegenüber mir erwecken. Das Recht auf ein Frühstück – also das Recht mich zu stärken hatte ich nicht. Aus Sicht des Meisters hatte ich eine viel wertvollere Aufgabe erhalten. Ich hatte die Ehre, ihm mein Blut zu schenken – ihn zu sättigen.

Ich nahm das Kleid vom Kleiderbügel und streifte es mir über. Es unterschied sich nicht sonderlich von meiner Alltagskleidung. Es war genauso schwarz und dennoch erkannte man sofort, was heute meine Aufgabe war – da es viel eleganter als meine Alltagskleidung geschnitten war und wir für gewöhnlich keine Kleider in unserem Kleiderschrank vorfanden.

Nur wenn wir zum Meister mussten –wurden uns solche feinen Kleider gereicht – die dennoch nicht mit den Gewändern der feinen Damen mithalten konnten.

Ich ging mit durchgestreckten Rücken ins Badezimmer und begutachtete mich eingehend. Die Panik und den Wiederwillen waren mir überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Also versuchte ich nichts mehr zu fühlen, an nichts zu denken. Sogleich wurden meine Gesichtszüge lockerer und niemand würde meinen das alles in mir Schrie mich lieber selber umzubringen, als mich in die Hände des Meisters zu begeben.

 Als ich gerade nach draußen in den Flur gehen wollte, stockte ich in der Bewegung. Die Klinke hatte ich schon in der Hand – nicht viel fehlte und die Türe würde sich öffnen. Doch ich konnte nicht. Denn ich fragte mich selber, ob ich jemals hier zurückkehren würde. Ob ich es überhaupt überleben würde. Ob dies meine letzten wenigen Atemzügen waren, die ich ganz ohne Schmerzen machen konnte?

Denn eines war mir klar, viel zu oft war es schon passiert, dass er seinen Durst nicht kontrollieren konnte. Viel zu oft hatte er schon manche Sklavinnen vergewaltigt – um sie nur zu erniedrigen und ihre Schreie zu hören. Es war bekannt, dass er es liebte uns Schmerzen zu zufügen.

Für ihn gab es nichts schöneres, als uns leiden zu sehen. So musste er wohl auch – nach den vereinzelten nächtlichen Schreien zu urteilen – die Vergewaltigung bewerkstelligen.

Meistens war die Rothaarige Frau auch dabei, meistens schaute sie lächelnd zu, wie er sich an uns verging. Ich glaubte immer noch, dass sie stark genug wäre, ihm Einhalt zu geben. Doch für sie war dies genauso ein Spiel wie für ihn. Sie liebte es uns, wimmernd am Boden liegen zu sehen. Sie liebte es, wenn wir am Ende der Kräfte waren. Für sie existierten wir nur, um ihr Vergnügen zu bereiten.

Wenn jemand wüsste, dass ich ihr diese ganzen Sachen unterstellte, würde ich tot sein, aber ich glaubte daran, dass dies der Wahrheit entsprach.

 Wenn ich aber daran dachte, wie die anderen Sklaven um ihre Gunst buhlten, glaubte ich nicht mehr so ganz daran, dass jeder meine Ansichten teilen würde.

Aus diesem Grund, versuchte ich mich immer von ihr fernzuhalten – jetzt aber so nahe beim Meister zu sein – bedeutete auch, ihr so unendlich nahe zu sein. Ich kannte ihre Gabe, ich hatte ihr schon einmal aus der Bibliothek zugesehen. Sie konnte die Erinnerungen löschen. Aus diesem Grund war sie auch für den Meister so wertvoll. Denn uns war es untersagt Erinnerungen an früher zu haben. Sowie, dass wir auch keinen Namen hatten. Ich hatte auf die Zahl 333 zu hören.

 Ich drückte die Klinke hinunter und betete, dass ich wieder in dieses Zimmer kommen würde. Eilig lief ich den Flur entlang. Die dunkle, große Holztür – hatte ich viel zu schnell erreicht. Ich blieb vor ihr stehen – zögerte kurz um noch einmal tief einzuatmen, dann klopfte ich an. Sofort neigte sich mein Haupt. Die Türe wurde ruckartig geöffnet, ich trat ein und stellte mich in die Mitte des Raumes hin. Dann war ich wieder alleine. Anscheinend hatte der Meister noch keine Zeit mich zu empfangen.

Als es ruhiger wurde, hörte ich aus einer Ecke ein leises Wimmern. Ruckartig erhob ich meinen Kopf und blickte in die Ecke. Fassungslos starrte ich sie an und konnte nicht glauben, was ich sah. Ich stand weiterhin schweigend da und konnte die Bilder – die sich mir boten – nicht recht verarbeiten. Ich musste schlucken, meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ein 15 jähriges Mädchen lag in dieser Ecke. Sie zitterte am ganzen Körper und wurde von ihren Schluchzern durchgeschüttelt. Sie trug nichts außer ihrer Unterwäsche. Sie war übersäht mit blauen Ergüssen und auch rote Striemen – die mich an eine Peitsche erinnerten – verzierten ihren schmalen Körper. Ich hatte keine Ahnung wer sie so hingerichtet hatte, auch wusste ich nicht, warum sie diese Bestrafung erhalten hatte. Ich ging auf sie zu, durch die Schritte von mir, hörte sie mich. Sie zuckte sofort zusammen und machte sich ganz klein, um sich vor den nächsten Schlägen zu schützen. Doch die würden ausbleiben. Durch ihre Bewegung, lag ihr Hals wunderbar frei, und ich erkannte, dass der Meister nicht von ihr Getrunken hatte. Sofort schallte ich mich, denn dann hätte sie noch ein elegantes Kleid angehabt. Überhaupt von einem Fetzen Stoff – damit sie sich bedecken konnte – fehlte jede Spur. Es zerriss mir das Herz als ich weiter dachte. Denn sie würde den Tag nicht überleben. Diese feine Herren oder Damen waren noch lange nicht fertig mit ihr. Sie gönnten ihrem Körper nur die Pause um danach weiterzumachen. Damit sie nachher nicht sofort bewusstlos wurde. Kälte umschloss bei diesen Gedanken mein Herz. Ich würde ihr so gerne helfen, mich schützend vor sie stellen, doch ich würde sie somit nur in Schwierigkeiten bringen. Helfen konnte ich ihr nicht. Ich konnte gar nichts tun.

So drehte ich mich also wieder um und begab mich zu meinem Angestammten Platz. Ich stellte mir wieder diese wunderschöne Wiese vor, ich versuchte ihr Wimmern auszublenden und lockerte meine Fäuste wieder, sodass meine Hände an meinem Körper herabhingen. Es war schwer, nicht wieder an sie zu denken.

Da wurde die Tür aufgerissen und ich wurde hineingestoßen. Ich taumelte über meine eigenen Füße und hätte fast selber mit dem Boden wieder Bekanntschaft gemacht.

Ich spürte sofort seinen Blick auf mir. Es widerte mich an und ich hätte mich am liebsten aus seinem Blick gewunden, doch ich blieb ruhig stehen. Ich wagte es nicht, meinen Kopf zu senken und dem Meister in die Augen zu sehen, auch wenn ich tief in mir drinnen so unendlich wütend auf dieses Verkehrte Welt war. Er durfte schon gar nicht wissen, dass ich nicht einfach vor mich hinvegetierte, sondern vieles hinterfragte. Denn eigentlich tat ich genau das, ich hatte angefangen mein Leben als Sklavin zu hinterfragen.

Er trat langsam – wie ein Jäger auf sein Opfer – auf mich zu, ich legte ehrfürchtig meinen Hals frei und wartete ab. Mein ganzer Körper wehrte sich dagegen. Alles in mir schrie meine Füße zu packen und einfach um mein Leben zu laufen. Denn es konnte nur besser werden, als hier noch länger alles einfach hinzunehmen. Ich war in Alarmbereitschaft. Jeder Muskel war angespannt – bereit sich zu verteidigen, doch genau das musste ich unterdrücken – denn somit hätte ich mein Todesurteil unterschrieben. Ich durfte keinen Widerstand leisten.

 Er umgriff mit seinen dreckigen Pfoten meinen Hals, zog mich mit einem Ruck näher zu sich ran und rammte in einer fließenden Bewegung seine Zähne gewaltsam hinein. Schmerz durchzuckte meine Körper, ließ mich kurz nach Luft schnappen – dann hatte ich mich unter Kontrolle.

Mit jedem Zug den er trank, wurde dieser brennende Schmerz stärker. Es fühlte sich wie Gift an. Warum musste ich alles miterleben? Alle anderen Blutsklaven, gerieten in eine Starre und erwachten erst beim schließen der Wunde wieder zu leben. Doch ich war Herr meiner Sinne, konnte mich bewegen und musste gegen das Gefühl ankämpfen – ihn versuchen von mir fortzureißen. Denn er war mächtig und stark. Er war ein Monster.

Ich hörte dich an meinem Ohr, seine Schlücke und es widerte mich so unendlich an. Es ekelte mich, dieses Animalische und überhaupt nicht menschliche Geräusch zu hören. Ich hasste dieses Monster, dass sich scheinbar aus freien Stücken von mir nährte. Ich verspürte einen tiefen Groll gegen all solche Monster und diese Welt.

Vor meinem Sichtfeld tauchten die ersten schwarzen Punkte auf. Mir war klar, dass wenn er jetzt nicht von mir abließ, dann glitt ich in den Tod. Ich harrte in meiner Position aus und verabschiedete mich von meinem Leben.

 

Würde ich eigentlich in den Himmel kommen? Oder war ich in Gottes Augen nicht gut genug für solch einen heiligen Ort?

 

Eine Antwort auf meine Frage, würd ich so schnell nicht bekommen, denn ganz leicht bemerkte ich, dass die Qualen weniger wurden. Fast schon sanft, verschloss er mit seiner Zunge meine Wunde. Trotzdem widerte es mich an, seine Zunge auf meiner Haut zu spüren. Und dennoch lies ich ihn gewähren, wieder einmal unterdrückte ich meine Gefühle.

Unsanft wurde ich gepackt und in den Flur hinausgeworfen. Meine Hände konnten mich gerade noch aufzufangen, doch ich blieb erstmals schwer keuchend auf dem Boden liegen. Mein ganzer Körper schmerzte und die schwarzen Flecken vergrößerten sich immer mehr – wollten mich in die Dunkelheit hinabziehen. In eine Dunkelheit in der Frieden herrschte. So gern ich mich dieser Finsternis hingegeben hätte, so sehr kämpfte ich mit letzter Kraft dagegen an. Zuerst musste ich in mein Zimmer gelangen.

Ich schleifte meine Füße in die Richtung meines Zimmers. Immer wieder musste ich in einer Ecke stehen bleiben, um wieder zu Kräften zu kommen. Der sonst eigentlich so kurze Weg fühlte sich elend lang an. Es zerrte an meinen letzten Kräften. Dann endlich sah ich die Tür vor mir. Langsam und mit ganzer Konzentration setzte ich einen Fuß vor den anderen. Das Kleid lag nicht mehr geschmeidig an meinem Körper – umschmeichelte nicht mehr meiner Figur – nein, durch die Kraftanstrengung war es ganz durchgeschwitzt.

Ich landete noch auf meinem Bett und schloss schon im fallen die Augen.

Ich öffnete vorsichtig die Augen. Der Tumult – der hinter meiner Tür stattfand, ließ mich ängstlich werden. Doch die erwartenden qualvollen Schreie blieben aus. Plötzlich schimmerte Licht in mein Zimmer. Ich stand auf und blickte wie gebannt aus dem Fenster nach draußen und traute meinen Augen nicht. Ich sah den Kutschen nach – blickte ihnen sehnsuchtsvoll nach, als sich das Tor öffnete und ich ein Stück Freiheit erhaschen konnte. Der Trubel im Haus legte sich gleichzeitig und mir drang langsam in mein Bewusstsein, dass mein Meister anscheinend verreist war.

Wie gerne würde ich, auch wie die feine Herrschaft, aus diesem Tor schreiten und … was würde ich da draußen tun? Was war hinter diesen Mauern? Bitterkeit kroch in meinen Adern entlang und ich wand den Blick ab. Ich hatte keine Ahnung vom Leben. Ich wusste nicht einmal, was sich hinter diesen Mauern verbarg.

Die Wuttränen blinzelte ich weg. Schließlich lief ich unruhig durch mein Zimmer. Versuchte mich mit dieser Ungerechtigkeit abzufinden. Wieder mein inneres Gleichgewicht zu finden. Doch das Mädchen von heute Morgen verfolgte mich in meine Gedanken. Es war als ob es mir verdeutlichen wollte, dass es an der Zeit war, mein Leben zu riskieren. Der Moment war passend, dies war auch mir bewusst. Vorerst würde mich niemand vermissen. Doch schon in diese Richtung zu denke, war waghalsig und weckte in mir Gefühle, die ich noch nie verspürt hatte. Ich fühlte mich nicht mehr machtlos, sondern stark genug, es wenigstens zu versuchen und mit erhobenem Haupt durch dieses Tor zu schreiten.

Ich ging zur Tür öffnete sie leise, schaute mich um. Die Luft war rein. Somit war auch meine Zeit gekommen, endlich für unsere Freiheit zu kämpfen.
Es war an der Zeit, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

 

Vier

Mein Handy kliingelte, kurz nachdem ich Wills Bar verlassen hatte. Die Nummer war unterdrückt, doch das wunderte mich nicht.
"Hallo?"
"Schön deine Stimme zu hören. Ich dachte schon du würdest nicht mehr unter uns weilen."
"Scarlet?"
"Wer sonst würde sich um dich sorge Liam."

Wie gewohnt stichelnd, dachte ich mir und musste leisen lachens in mein Auto steigen.

"Womit habe ich denn dein engelsgleichen Klang deiner Stimme verdient Scarlet?"
"Naja, ich habe vielleicht ein paar Informationen, die dir helfen könnten. Außerdem ist dein Whisky leer."
"Moment mal woher weißt du das mein Whisky leer ist?"
"Kleiner, du hast wohl vergessen wer ich bin."
"Stimmt Süße. Ich mach mich auf den Weg und keine Sorge ich vergess' den Whisky nicht."

Ohne Zeit an unnötigen Abschiedsfloskeln zu vergeuden, legte sie auf.
Scarlet hatte sich auf meine große Ledercouch gelegt und blickte nachdenklich in ein Glas Bourbon.
"Hey Scarlet." Begrüßte ich sie und winkte mit einer vollen Flasche.
"An den Anblick könnte ich mich gewöhnen." Kaum hatten diese Worte meinen Mund verlassen stand sie schon vor mir. Ihr Duft war so betörend wie immer. Ihr Kopf kam dem meinem näher. Unsere Lippen berührten sich. Scarlet gab mir einen kurzen, aber innigen Kuss.
"Und ich könnte mich daran gewöhnen, dass du mir Alkohol und nen süßen zum Naschen besorgst. Doch man kann nicht alles haben. Genug gequatscht, mach den Whisky auf und lass uns Spaß haben."

Ich stellte die Stereoanlage an. Die laute Musik von Alter Bridge erfüllte denRaum. In der Zwischenzeit hatte Scarlett schon zwei Gläser zu einem Teil mit Eis und zum anderen mit Whisky gefüllt.

"Also womit habe ich deinen Besuch verdient?"
"Naja, du kennst doch sicher meine Freundin Mary..."
"Die Hexe?"
"Ja genau diese. Sie und einige anderen Hexen in Chicago haben in der letzten Zeit viele Entführungen zu verzeichnen. Es handelt sich immer um junge Mädchen zwischen 14 und 21 Jahren. Natürlich geht die Polizei davon aus, es handle sich um einen Triebtäter. Doch seien wir mal nicht albern. Wir wissen, wer dahinter steckt."
"Von wie vielen Entführungen, in was für einem Zeitraum, sprechen wir da?"
"Bis jetzt 34 Stück, innerhalb 2 Wochen."
"Das ist nicht üblich für sie."
"Ich weiß. Da steckt mehr dahinter. Desshalb haben sich Mary und ihre Leute auch darauf eingeschlossen soviel wie möglich, über die Familien der Mädchen heraus zu finden. Was haben alle gemein?"

Aber natürlich! Doch für was brauchte sie sie?

"Sie sind alle potentielle Gabenträgerinnen."
"Ja. Sie alle haben eine oder sogar merherer Hexen und Hexer in ihrem Stammbaum. Wo sonst findet man so viele Hexen auf einem Fleck als in Chicago?"
"Sie will Vampire aus ihnen machen."
"Ja, doch wir wissen nicht wesshalb. Ich mach mir sorgen um meinen Clan. Was ist, wenn sie mir meine Vorherrschaft über Chicago nehmen will? Du weißt, wie sehr mir diese Stadt am Herzen liegt. Es steckt so viel Magie und Geschichte in dieser Stadt. Sie würde alles nurzu ihren Gunsten verwenden."
"Und was genau willst du jetzt von mir?"
"Das du mir hilfst. Stück für Stück schrumpft mein Clan. Einer nachdem anderen wird niedergemetzelt. Ich brauche deine Hilfe. Du bist der einzige, der es mir ihr aufnehmen würde. Der einzige, der die Kraft besitzt sie zu besiegen."
"Scarlett, du weißt wesshalb ich sie finden will. Und du weißt, dass ich viel zu tun habe."

In ihrem Blick war ein Hauch von Furcht zu sehen. Mit einem Schluck leerte sie ihren Whisky.

"Ich werde sie finden. Doch ich mache es nicht deiner wegen, Scarlett. Ich helfe dir, deine Stadt zu verteidigen. Und ich werde sie umbringen. Schon zu lange spielt sie mit mir."
"Danke Liam. Vielen Dank."
Sie lächelte und dennoch war die Angst in ihren Augen noch nicht verschwunden.

 

Scarlett stand auf und nahm ihre Jacke von der Garderobe.
"Nach dieser ganzen Aufregung habe ich richtig Hunger bekommen. Lass uns was zum Naschen aufreißen."

So kannte ich sie. Immer hungrig und gut gelaunt.
Auch ich nahm meine Jacke von der Garderobe. Wir stiegen in den Aufzung um ins Erdgeschoss zu fahren.
Langsam fing es schon an zu dämmern. Dies war die einfachste Zeit des Tages um sich zu nähren. Denn viele machten sich jetzt erst auf den Heimweg, von einer langen Parynacht.

"Komm ich spendiere dir in der Bar hier nen Drink.", sagte ich zu ihr
"Das erinnert mich an die guten alten Zeiten."

Ich schenkte ihr ein Lächeln und hielt ihr - ganz Gentelman like - die Türe auf. Früher waren wir oft hier gewesen.

"Ja die guten alten Zwanziger."

Wir schwelgten in alten Erinnerungen, bis ein junges Mädchen hereinkam. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Lippenstift verschmiert und sie wirkte verwirrt. Natürlich fiel Scarlett's Blick sofort auf sie. Ihre Pupillen weiteten sich. Kaum eine Sekunde vergingen da Gruben sich schon ihre Zähne in den Hals des Mädchens. Langsam liefen Bluttropfen über Scarlett's Kinn und fielen auf ihr schwarzes Kleid. Ein leichtes Grollen entwich ihr. Sie saugte immer weiter, während das Mädchen in ihren Armen immer schwächer wurde.
Ich griff nicht ein. Denn Scarlett wusste, wann sie aufhören musste, um jemanden nicht umzubringen. Doch man konnte genau sehen, wie schwer es ihr dieses Mal fiel. Nur langsam und mit einem leisen Schrei ließ sie von dem Mädchen ab.
Die Augen der Kleinen waren bereits ganz fahl und sie war etwas blass um die Nase. Doch wer konnte es ihr verübeln. Um die Wunde zu verschließen, die sie ihr zugefügt hatte, ritzte sich Scarlett ihren Daumen auf. Ein winziger Tropfen Blut war zu sehen, den sie behutsam auf den geschunden Hals verteilte. Man konnte dabei zusehen, wie die Wunde heilte und nichts zurück blieb. Kein Blut zum Beispiel, auch keine Narbe.
Dann sah sie ihr tief in die Augen.

"Du wirst dir jetzt einen Drink bestellen. Und wenn du ihn leer hast, hast du alles vergessen was hier geschehen ist. Du wirst nach Hause gehen und du wirst dich morgen wie neu geboren fühlen. Doch du musst dich vor ihr in Acht nehmen, der Mädchensammlerin."

Ihre Augen wurden wieder normal und sie kam zurück an den Tisch. Wir redeten noch eine ganze Weile über alte Zeiten und einige interessante Dinge, die wir schon gemeinsam erlebt hatten.


„Nein.“ Schrie ich laut. Ich sackte in mich selber zusammen. Mit meinen Fäusten schlug ich auf den kalten Stein Boden ein, bis meine Knöchel aufplatzten und anfingen zu bluten.

„Das kann nicht sein. Nein, Ihr lügt.“
Doch sein Blick war starr und voller Trauer. Es war sein voller ernst. Sie war weg und würde nicht wieder kommen.
„Ich werde sie suchen. Ich lasse sie nicht gehen.“
„Seien sie nicht albern, Sir. Sie haben sie bestimmt schon über alle Berge gebracht. Es gibt wohl keine Hoffnung mehr für sie.“
Ich wollte, nein, ich konnte ihm nicht glauben. Mit dem Wissen das sie irgendwo da draußen unter Umständen leben muss die ihrer nicht würdig sind, kann ich nicht leben.
Meine Geliebte, entführt von Menschenhändlern. Versklavt, missbraucht und zur Hure gemacht.
Das ist doch nichts für eine junge Frau aus gutem Haus, für die Verlobte eines Adeligen.
Ich machte es mir zu meiner Lebensaufgabe, meine Geliebte wieder zu finden, was auch immer es mich kosten möge.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.10.2013

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