Cover

Der Besuch

Der Besuch

 

„Welche Ausrede du dir auch immer ausdenkst, es wird nicht klappen, und du brauchst auch nicht auf deinen Kumpel Klaus zu hoffen, ich habe mit seiner Frau gesprochen, der wird es nicht wagen, hier anzurufen! Akzeptiere es also, du bleibst heute zu Haus.“ Meine Frau dreht sich im Türrahmen um und verschwindet Richtung Küche. Mir schwant Schreckliches.

„Kommt etwa sie zu Besuch?“ rufe ich ihr hinterher. „Ja, allerdings, sie kommt zu Besuch, und hör auf zu meckern, sie war schließlich schon lang nicht mehr da.“

 

Sie, das ist die Schwester meiner Frau und gleichzeitig die Inkarnation all dessen, was ich an Menschen nicht mag. Erst vergeblich in der Anti AKW- und Friedensbewegung, dann kommt ihr der real existierende Sozialismus abhanden, und später betrügen sie ihre Grünen auch noch mit so einem wie Gerd Schröder. Kein Wunder , dass sie völlig spaßbefreit durchs Leben geht. Im Moment versucht sie, die drohende Apokalypse durch den Klimawandel zu verhindern, was den Umgang mit ihr auch nicht einfacher macht.

 

„Wie hat sie sich eigentlich gemeldet?“ frage ich Richtung Küche. „Telefonieren ist doch bestimmt politisch nicht mehr korrekt, und Brieftauben schicken Tierquälerei. Also, hat sie getrommelt, oder einen Buschläufer geschickt?“

„Geht das schon wieder los?“ faucht es aus der Küche. „Ich möchte dich herzlich bitten, für ein paar Stunden dein Lästermaul im Zaum zu halten.“ Das kann ja ein toller Abend werden, denke ich bei mir, während ich mich in einen Sessel fallen lassen.

 

„Hat sie eigentlich noch ihren Freund, du weist doch, dieser verkappte Althippie mit Stirnglatze und den restlichen Haaren bis zur Schulter?“

„Nein, hat sie nicht,“ höre ich zwischen dem Geschirrklappern. „Der meinte, er müsse sich neu orientieren und lebt jetzt auf La Gomera.“ Wahrscheinlich wollte er noch etwas Spaß im Leben haben und ist geflüchtet, aber das behalte ich lieber für mich.

 

 

„Ach ja, sie hat einen Neuen, bitte sei ein wenig sensibler als beim letzten Mal.“

„Hör mal Schatz, da schleppt deine Schwester so einen Typen an, der scheinbar alles besser weiß. Elf Semester Soziologie im Gepäck, aber will mir als Ingenieur erklären, wie die Energieversorgung der Zukunft auszusehen hat. Was hätte ich da sagen sollen?“

„Auf jeden Fall nicht behaupten, wir seien wegen des Klimaschutzes komplett auf Atomstrom umgestiegen!“ Natürlich hätte ich das nicht sagen müssen, zumal es auch nicht stimmt, aber immerhin sind sie gleich danach verschwunden.

 

„Was gibt es eigentlich zu essen?“ frage ich Richtung Küche. „Rheinischen Sauertofu mit Ökokartoffeln und handgepflücktem Gemüse, oder dürfen wir nur essen, was allein von Bäumen und Sträuchern gefallen ist?“

„Sehr witzig!“ kommt es zurück. „Hauptsache, du hältst dich nachher zurück. Hoffentlich kommen sie bald, eine genaue Uhrzeit hat sie mir nicht gesagt.“

„Natürlich nicht, genaue Uhrzeiten sind nur etwas für kapitalistische Spießer, aber keine Angst, das Quietschen ihrer rostigen Fahrräder werden wir schon hören, wenn sie noch zwei Straßen entfernt sind.“ Keine Antwort aus der Küche.

 

Während ich in der Abstellkammer unsere Weinvorräte begutachte, um zu überlegen, womit ich mich heute betrinke, bemerke ich, dass ein Auto in unsere Einfahrt rollt. Aus dem Wohnzimmerfenster heraus fällt mein Blick auf eine Mercedes S-Klasse. Eine nagelneue schwarze S-Klasse!

Ein Typ im grauen Blazer steigt aus, dann öffnet sich die Beifahrertür und mich beschleicht das Gefühl, mit meiner Wahrnehmung sei etwas nicht in Ordnung. Diese gestylte Frau, die da jetzt aussteigt, ist ganz eindeutig meine Schwägerin!

Sie muss beim Frisör gewesen sein, einem richtigen Frisör, so einer , der Chemikalien benutzt, und wenn das Kleid aus dem Dritte Welt Laden stammt, kann sich unsere Modeindustrie eingraben lassen. Dazu auch noch Highheels! Highheels, nach all den Jahren in Birkenstock und Wanderschuhen.

 

„Wusstest du das?“ murmle ich meiner Frau zu, während wir in der Haustür stehen und zusehen, wie unser Besuch durch den Garten auf uns zukommt.

„Ach Bärchen, du musst nicht immer alles wissen, manches bringt dich nur durcheinander.“

Stimmt!!

Was ist nur mit der Welt los? Meine Lieblingsfeindin aus dem Reich der selbsternannten Planetenretter mutiert zur Designerbraut mit reichem Freund. Man kann sich aber auch auf nichts mehr verlassen!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.12.2019

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /