Die Mondlandung
Die Melusine von der Stollenburg
O Fortuna, velut luna
Universitärer Katzenjammer
Papa Yankee
Gewissen lohnt sich fast nie
Ohne Makel und ohne Makler
Manchmal muss man das Falsche tun
Wenn die Freunde meines Sohnes zu Besuch waren, spielten sie immer hingebungsvoll im Kinderzimmer. Was ich aber manchmal merkwürdig fand, war, dass sie des Öfteren kamen, um meine Schreibtischlampe auszuleihen. Irgendwann wurde ich so neugierig, dass ich fragte, was sie denn spielen würden.
„Mondlandung“, war die Antwort.
„Oh, das klingt interessant. Darf ich mal zuschauen?“
„Na klar, Papa. Aber du darfst dich nicht einmischen. Und nicht unser Englisch verbessern.“
Das versprach ich, machte es mir auf dem Bett meines Sohnes bequem und schaute den Jungen zu, die auf dem Boden in der Mitte des Zimmers eine Art Rakete aufgebaut hatten, in der drei Figuren saßen, offenbar Astronauten darstellend.
Dann ging es los. Ein lauter Knall leitete den Abschuss ein, und dann waren die drei Astronauten mit einer Geschwindigkeit von 11 Kilometern in der Sekunde auf dem Weg in den Weltraum.
„Oh, look, that’s our earth!“, sagte nach einer Weile Neil Armstrong, der offenbar das Kommando hatte.
„Yeah, it’s wonderful!“ pflichtete Buzz Aldrin ihm bei.
„Don’t look back, look forward. In four days, one of us will take the first step on the moon.” sagte schließlich Michael Collins, der dritte.
Nach ein paar Stunden bemerkte Neil:
„I’am getting hungry. Michael, would you please look in the fridge if you can find my BicMac?”
“Yes, of course” antwortete dieser und schwebte zum Kühlschrank, denn sie waren alle drei schon im schwerelosen Zustand.
Er öffnete den Kühlschrank und rief: „Oh shit!“
„What?“ riefen die anderen zwei.
„It’s empty!“ antwortete Michael.
„No!“, schrien die anderen zwei fast gleichzeitig
.
„Yes, it’s true“, sagte Michael mit deutlich erkennbarer Enttäuschung in der Stimme, „there is nothing in it. And I ordered some German Bratwurst which I planned to eat on our journey to the moon.“
“And I wanted fifty German Leberkäs”, fügte Buzz hinzu.
“What is Leberkäs?”, fragte Michael.
„It’s a kind of livercheese“, antwortete Buzz.
“Oh my god!”, brach Michael aus, “I would never eat that. I wouldn’t risk getting diarrhea in this spaceship. Imagine all that shit floating inside here!”
“Oh, stop that!” befahl Neil. “Is there really no BicMac in the fridge?”
“No, it isn’t! No BigMac, no Cheeseburger, nothing!”
“And Coke? There must be about 20 bottles!”
“Chief, you mean Coca-Cola? I tell you, there is nothing in the fridge, no food, no drinks.”
“That can’t be possible!” rief Neil Armstrong aus, gab den Steuerknüppel der Raumfähre seinem Kollegen Buzz in die Hand und erhob sich, um selbst einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. Aber es nützte nichts, auch er musste feststellen, dass der Kühlschrank leer war.
Die NASA hatte an alles gedacht: die Rakete, die Raumfähre, die Raumanzüge, die Sensoren, alles war durchdacht, jedes Detail, nur das Essen und Trinken für die Astronauten hatten sie vergessen. Was ja nicht weiter verwunderlich ist. Sind ja alles Männer bei der NASA. Wäre nur eine Mutter dabei gewesen, so hätte sie aus alter Gewohnheit, so wie sie jeden Morgen den Kindern das Butterbrot in die Schultasche steckt, den Astronauten das Essen und Trinken mitgegeben.
„So, we can’t continue to the moon. It takes four or five days. If we have nothing to eat or drink, we will be dead before landing.”
Neil rief sofort die NASA an. Die gaben sich überrascht. Man suchte in den Papieren, wer für das Debakel verantwortlich war, fand aber niemanden. Es gab einen Luftverantwortlichen, einen Druckverantwortlichen, auch einen Toilettenverantwortlichen, aber niemanden, der für die Lieferung des Essens zuständig war. Es war schlicht und einfach vergessen worden.
In einem solchen Fall muss man sich immer an den obersten Befehlshaber wenden. Und das war in diesem Fall der amerikanische Präsident.
Die NASA stellte eine Telefonverbindung her zwischen Neil Armstrong und Richard Nixon, aber alle anderen konnten auch zuhören.
„Mr. President, we have a problem!“
“What is it? Is it serious?” fragte Nixon.
“Yes, I think so. We can’t get to the moon because we have no food or drinks in the spaceship. It has been forgotten.”
“And you call that a serious problem? Shouldn’t you be glad to be on the most important mission in American history, and now you are complaining and crying because you have nothing to fill your belly with? Shame on you!”
“But, Mr. President, if we have nothing to eat or drink, we will be dead soon!”, hielt Neil ihm entgegen.
“That’s your problem. I expect you to carry out the order that you have got from America. In four days I will see the pictures of the moonlanding on TV. You understand, the whole world is looking at us. We can’t fail!” Die Stimme des Präsidenten wurde lauter und er fügte hinzu:
„We can’t fail! If you don’t manage this, you are fired, dead or alive. No, the whole NASA will be fired!” schrie er ins Telefon und legte auf.
Neil Armstrong sagte nichts mehr.
„So, he wants us to carry out this order even though we soon are dead.” sagte Michael leise und fügte dann nach einer Weile hinzu: “You, Buzz, I know, you are able to act as a ghost too, aren’t you?”
“Of course, I did it often at Halloween!” antwortete Buzz lachend.
“I have an idea”, rief plötzlich Neil aus, “the president didn’t say that we shall go to the moon. He only said that he will see the pictures of the moonlanding on TV, in four days.”
“Yeah,” stimmte Michael zu, “but what is the difference?”
“Listen”, sagte Neil geheimnisvoll, “we go back to earth, but we simulate moonlanding on the earth. There is surely a countryside in America which is moonlike. I’ll talk with the NASA, they must figure it out. And perhaps, they can get some Hollywood-people on this project too, which can help with the scenery.”
Und ohne sich weiter um die Zustimmung von Buzz und Michael zu kümmern – er hörte sowas wie „Yeah, fuck the moon!“ – nahm Neil mit der NASA Kontakt auf. Die Leute von der NASA waren begeistert, konnten sie doch auf diese Weise ihre Blamage vertuschen. Alle würden zufrieden sein, auch der Präsident, der dann vor der ganzen Welt damit prahlen konnte, dass es den Amerikanern als erste gelungen sei, jemanden auf den Mond zu schicken, und dass die USA deshalb die größte Nation auf der Erde seien. Und für Buzz, Michael und Neil hatte es den Vorteil, dass sie weiterleben durften. BicMac, Bratwurst, Leberkäs und Coca-Cola waren wieder in Reichweite gekommen.
Hurtig machte die NASA die Wüste in Nevada als die Landschaft aus, welche die größte Ähnlichkeit mit der Mondoberfläche hatte. Ein Regisseur aus Hollywood wurde engagiert, der die Szenengestaltung übernahm, und die NASA-Mathematiker rechneten aus, welche Bahn die Raumfähre nehmen musste, um exakt in der Wüste von Nevada zu landen.
Hier kam also meine Schreibtischlampe ins Spiel. Sie stellte den Riesenscheinwerfer dar, welchen der Hollywood-Regisseur in der Wüste installieren ließ, gewissermaßen als Sonne in der Nacht. Gelandet werden musste ja im Dunkeln, damit es Ähnlichkeit mit den Lichtverhältnissen auf dem Mond hatte.
Mein Sohn und seine Freunde zogen die Vorhänge im Kinderzimmer zu, so dass es fast dunkel wurde, abgesehen von dem gespenstisch wirkenden Licht, welches meine Halogen-Schreibtischlampe über die von den Jungen mit einem dunklen Stoff künstlich geschaffene Nevada-Wüste warf.
Dann kam die Landung. Und Neil, während er seinen Fuß auf die simulierte Mondoberfläche setzte, sagte:
„That’s one small step for man… one… giant leap for mankind.”
Ich hatte das eigentlich anders im Sinn. Hatte er nicht gesagt „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind”? Oder hatte er tatsächlich das “a” vor “man” vergessen?
Nachdem das Spiel beendet war, fragte ich meinen Sohn danach. Er erklärte das so:
Ja, eigentlich wollte Neil sagen „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind”, was also bedeutet “Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit.“ Aber in seiner Aufregung vertauschte Neil die beiden Prädikate und war, als ein schlechter Schauspieler, der er war, dabei zu sagen: „That’s one small step for mankind, one giant leap for a man.“ Und das wäre die Wahrheit gewesen. Denn auf dem Mond zu landen, ist nur eine kleine, bedeutungslose Sache für die Menschheit – was soll man schließlich mit ein paar Kilo Stein und Staub vom Mond? Aber für einen einzelnen Menschen ist das ein großer Sprung, ein so großer Sprung, dass er von einem einzelnen Menschen nicht geleistet werden kann – und nicht geleistet worden ist, meinte mein kluger Sohn. Deswegen korrigierte sich Neil im letzten Augenblick und sagte das, was er sagte:
„That’s one small step for man… one… giant leap for mankind.” Dabei sah es so aus, als ob er nur das “a” for “man” vergessen hatte. Aber mein Sohn hatte ihn durchschaut. Es war ganz anders.
Auf jeden Fall war es ein leerer Kühlschrank, der die Mondlandung vereitelt hatte.
Ja, ja, Kindermund tut Wahrheit kund.
Oder soll ich lieber sagen: „Children and fools speak the truth“?
© JHD Spreemann 2015
Wunderschön ist sie, die Melusine! Du glaubst es nicht, wenn du sie nicht gesehen hast. Ich habe sie gesehen. Welch ein wohlgeformtes Gesicht! Diese blauen Augen, die dich wie aus einer unendlichen Tiefe anschauen! Diese langen, blonden Haare, die wie ein Goldschmuck ihr schönes Gesicht umrahmen! Das erste, was man denkt, wenn man sie sieht, ist: Welch ein zartes, liebes, weibliches Wesen! Fast ein wenig ängstlich schaut sie drein! Und diese Stimme: verführerisch wohlklingend. Die Worte, einfühlsam, vorsichtig, leise, sie lassen dich erschauern! Es rieselt ein Wohlgefühl durch deinen Körper, wenn du sie hörst, dass du dir wünschst, sie möge nicht aufhören zu reden.
Als ich sie das erste Mal sah, war sie nackt. Von einem Fischschwanz konnte keine Rede sein, sondern es zierten sie zwei schöne, lange Beine. Ich weiß nicht, was die Leute reden, dass die Melusine einen Fischschwanz hätte. Ja, wenn sie will, wenn sie also ins Wasser steigt, dann mag es sein, dass sie einen solchen hat. Aber als sie mir im Durbacher Wald erschien, hatte sie keinen. Nein, sie war vollständig eine Menschenfrau, mit zwei prallen Brüsten, einem schön gestalteten, leicht fülligen Körper, einer weißen, makellosen Haut und, wie gesagt, mit diesen hinreißend schönen Beinen, diesen vollen Oberschenkeln …
Und dann dieser Gang, wie sie daherkam, auf dem Waldweg, mir entgegen, ich war sofort verzaubert, dieses behutsame und doch kraftvolle Setzen des einen Beines vor das andere, fast ein wenig raubkatzenartig …
Als sie sich an mich wandte, ein wenig geniert und schüchtern, war ich sofort verzaubert. Ich vergaß, dass es ja eigentlich sehr ungewöhnlich war, hier mitten im einsamen Wald einer nackten Schönheit zu begegnen, aber die Art, wie sie mich ansprach, während sie mit ihren Händen eine ihrer Goldlocken hervorholte und an ihnen herunterstrich, um dann mit leicht zur Seite geneigtem Kopf mich zu fragen:
„Kannst du mir helfen?“
„Ja, natürlich“, brachte ich ganz verdattert hervor, „womit kann ich dir denn helfen?“
„Ach“, hauchte sie traurig, während sie dort hinüberschaute, wo, wie ich wusste, die Ruinen der Stollenburg unter dem Laub des vergangenen Herbstes lagen, „ich lebe nun schon seit Jahrhunderten hier, gebunden an die Stollenburg, und finde niemanden, der mich erlöst.“
„Nun, wie kann man dich denn erlösen?“
Ich hätte alles getan, ja sogar mein Leben riskiert, um diesem wunderschönen, lieben Wesen zu helfen, dass ich nicht zögerte, diese Frage zu stellen, die ja auch mit einem gewissen Risiko verbunden sein konnte.
„Du musst mich heiraten!“
„Na, wenn es weiter nichts ist. Natürlich, nichts Schöneres könnte ich mir denken. Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Welcher Mann wollte nicht mit dir verheiratet sein! Wir müssen dir nur was anzuziehen besorgen, vielleicht bei kik …“
Man muss wissen, dass ich unverheiratet bin, Hartz-IV-Empfänger und ziemlich mittellos, also ein anderer Kleiderladen als kik war nicht drin.
„Aber da gibt es eine Bedingung“, sagte sie und schaute mich erwartungsvoll an.
„Sprich nur!“ erwiderte ich keck.
Sie zögerte ein paar Sekunden, dann sagte sie:
„Ich muss ganz sicher sein, dass du mich liebst.“
„Aber ich liebe dich doch schon, und zwar von ganzem Herzen! – Wie heißt du denn eigentlich?“
Ich dachte, dass es gut wäre, den Namen der Person zu wissen, der man verfallen ist …
„Ich heiße Melusine.“
„Oh, welch ein wunderschöner Name! Das klingt so weich und fruchtig …“ brach es aus mir heraus, und ich ging vor ihr auf die Knie, „das klingt wie Mandarine, Apfelsine, einfach herrlich!
Da ich nun vor ihr auf Knien lag, befand sich, als ich geradeaus schaute, ihr Schoß direkt vor meinen Augen. Gerade fiel ein Sonnenstrahl auf ihn, so dass er wie ein verzauberter Goldschatz erschien, ein Geheimnis, ein erotischer Tresor, der mir die höchste Seligkeit versprach.
„Ich liebe dich, Melusine“, rief ich aus, „und werde dich immer lieben!“
Ich war dabei, meinen Verstand zu verlieren, da holte sie mich mit sanften Worten in die Wirklichkeit zurück:
„Ich muss wissen, dass du mich liebst, auch wenn ich nicht so schön bin, wie ich dir jetzt erscheine.“
Sie nahm meine Hand und zog mich hoch, so dass ich wieder auf meinen zwei Beinen stand und den Erdboden unter meinen Füssen fühlte. Ein wenig ernüchtert lauschte ich ihrer Erklärung:
„Ich werde dir morgen Abend zur selben Stunde und an den darauf folgenden vier Abenden immer zur selben Stunde wieder erscheinen, aber immer in einer neuen Gestalt. Jedes Mal muss es dir gelingen, mich zu küssen oder geküsst zu werden. Wenn es dir auch nur einmal nicht gelingt, kann ich nicht deine Frau werden, und dann kannst du auch nicht den Schatz bekommen!“
„Scha-Schatz?“ stotterte ich, „welchen Schatz?“
„Komm, ich zeig ihn dir. Folge mir!“
Sie ging voran, und ich folgte ihr willig. Man kann sich vorstellen, worauf mein Blick gerichtet war, während sie mit ihrem raubkatzenartigen Gang vor mir daherschritt. Kurz darauf waren wir an den Ruinen der Stollenburg angelangt.
Sie schnipste einmal mit den Fingern, da purzelten die Steine einer alten Mauer zur Seite und ein Gang, der in die Tiefe führte, wurde sichtbar.
Melusine ging hinein, ich hinterher. Es wurde sehr schnell dunkel in dem Gang, aber statt einer Lampe begann Melusines Körper zu strahlen und zu leuchten, so dass genügend Licht vorhanden war, um in dem Gang nicht zu stolpern oder sich den Kopf an der niedrigen Decke anzuschlagen.
Nach etwa vierzig Metern traten wir aus dem Gang heraus in eine Halle. Dort standen sechs Kisten. Auf jeder dieser Kisten saß ein grimmiger Rottweiler. Alle fletschten die Zähne, als sie mich sahen, begannen zu bellen und hätten mich am liebsten angesprungen. Aber Melusine gebot
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 28.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1658-7
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