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Prolog

Dagmar, hatte sich den Moment ein bisschen anders vorgestellt. Sie wollte eigentlich den morgigen Tag mit ihrer Enkelin Jutta verbringen und sich einen schönen Tag machen. Beide hatten geplant in ein Cafe zu gehen. Dort wollten sie beide zusammen frühstücken und anschließend noch einkaufen gehen. Dies war der eigentliche Plan. Nun machte sich etwas bemerkbar was Dagmar so gar nicht leiden konnte. In ihrem Alter konnte man gut und gerne darauf verzichten. Sie spürte mit ihrer Zunge etwas das sie lange nicht gefühlt hatte. Sie ärgerte sich. Nur weil sie heute Abend unbedingt ein Körner Brötchen essen musste war dies passiert. Sie war sicher das es auch hätte anders ausgehen können. Sie hatte eine solche Lust verspürt und kein Toastbrot mehr im Haus gehabt. Nun musste sie mit den Konsequenzen leben. Ihr linker Schneidezahn war abgebrochen. Sie hatte keine Schmerzen und dennoch war etwas am Zahn, einer Krone, abgebrochen. Als Jugendliche legte sie sich eines Tages mit dem Fahrrad auf die Nase und bekam eine Krone. Diese war damals recht teuer gewesen. Dennoch erfüllte die Krone ihren Zweck. Nun nicht mehr. Dagmar rollte ihre braunen Augen und schüttelte ihren Kopf. Sie musste morgen früh, erst einmal ihren Zahnarzt besuchen und sich ihren Zahn machen lassen. Dies würde wieder viel Zeit und Geld verbraten. Dennoch musste es gemacht werden, da sie nicht Zahnlos durch die Gegend laufen wollte. Dagmar ging ungerne zum Zahnarzt. Zahn um Zahn hatte ihr verstorbener Mann Jan immer gescherzt und sie geneckt wenn sie wieder einen Termin zur Behandlung oder zur Kontrolle hatte. Dagmar konnte sich etwas besseres als die nächste Behandlung beim Zahnarzt vorstellen. Erneut rollte sie ihre Augen, schüttelte ihre Gedanken ab, legte sich ins Bett und schloss ihre Augen. Ihrer Enkelin hatte sie schon Bescheid gesagt. Diese würde kommen und ihre Oma zum Zahnarzt fahren und dann schon einmal schnell einkaufen gehen. Dagmar liebte das Kind und war früh das Jutta eine solch eigenständige Frau war. Diese hatte bestimmt noch vieles im Leben vor. Dagmar hatte ihre besten Zeiten schon hinter sich. Es ging nur noch um das in Würde altern. Und um zu sehen wie viele ihrer Freunde sie noch verlassen würden. Sie war die letzte ihrer Familie. Und da Menschen nicht ewig leben konnten, würde auch sie noch wenig Zeit haben. Dagmar störte es nicht. Sie hatte ein tolles Leben mit Höhen und Tiefen gelebt. Sie seufzte und schlief einen Moment später ein....

Kapitel 1

 

Blitzlichtgewitter. Es war schon aus der Ferne zu entdecken. Evelyn Beck und ihr Kollege Sebastian Henning, hatten ihren Dienstwagen geparkt, stiegen aus und marschierten auf die andere Straßenseite. Woher schauten sie, wie sie es damals als Kinder gelernt hatten, brav nach links und rechts. Erst dann gingen sie über die Straße, welche zu dieser frühen Zeit nicht genutzt wurde. Es würde vermutlich ein warmer Tag werden, da die ersten Sonnenstrahlen, bereits die Sonne und somit auch die Wärme ankündigten. Evelyn trug dennoch ihren Hosenanzug und eine weiße Bluse dazu. Sie spürte jedoch bereits die Hitze und das es in der letzten Nacht, nicht ausgekühlt hatte. Ihr Kollege Sebastian trug ebenfalls einen dunklen Hosenanzug und das passende rote Hemd dazu. Beide mussten wirken wie Geschäftsleute und nicht wie Kommissare von der Kripo Wolfsburg. Evelyn ließ ihren Blick in die Ferne schweifen und verengte ihre Augen um etwas erkennen zu können. Seit einigen Wochen hatte ihre Sehschärfe nachgelassen. Nur wollte sie nicht zum Augenarzt. Sie und eine Brille. Das war wie ein Date und anschließend Sex. Das konnte nicht zusammen passen. Dafür war sie zu Eitel. Als die beiden Kommissare die Polizeiabsperrung hinter sich gelassen hatten und sich einem uniformierten Kollegen näherten, welcher mit einem Notizblock bereits einige Meter neben dem Fundort der Leiche, stand, fühlte sich Evelyn wieder in ihrem Element. Es wurde der Mordkommission nicht nur ein Opfer gemeldet. Es wurde bereits eine weitere Leiche gefunden. Immer in einem Müllcontainer und immer in einem anderen Stadtteil. Dieses Mal befanden sie sich im Ortsteil Almke Neindorf mit 2084 Einwohnern. Recht schön und viele alte Häuser dachte Evelyn und stemmte ihre Hände auf ihre Hüften. Sie waren nun an ihrem Ziel angekommen und konnten sich selbst ein Bild von der Leiche und der Umgebung machen.

 

Der Inhalt des Müllcontainers war aufgewühlt worden. Vermutlich musste alles schnell gehen. Niemand durfte etwas mitbekommen. Sie befanden sich in einem Teil des Ortsteils in dem es mehr Industrie gab. Mehrere Fabriken und weniger Anwohner. Hier würde es schwer werden jemanden zu finden, der etwas gesehen oder gehört hatte. Und Evelyn war sich sicher das sich niemand freiwillig melden würde. Die meisten Menschen wollten lieber ihre Ruhe haben und nicht in einen laufenden Mordfall hinein gezogen werden. Viele Menschen wollten nicht verwickelt werden. Lieber die Augen zu machen und so tun als wäre nichts gewesen. Evelyn konnte das nicht. Sie würde immer ein Verbrechen melden und sich einsetzen. Sie würde niemals einfach so wegsehen können. Nicht nur weil sie eine Ermittlerin der Polizei war. Sondern weil sie Prinzipien hatte. Diese hielten sie regelrecht davon ab, etwas anderes zu tun. Sie hatte sich selbst Regeln auferlegt. Diese hatte sie seit ihrer Kindheit, welche nicht rosig war und sie eine gewisse Stabilität in ihrem Leben gebraucht hatte. Damals wie heute unverzichtbar. Damals musste sie noch überleben. In ihrem eigenen Elternhaus. Und später wurde es einfach ein Teil von ihr. Evelyn liebte den Song : „Ich wollte nie erwachsen sein.“ Er passte sehr gut zu ihr. Sie wurde älter und verschlossener. Erst als ihr Sohn Simon zur Welt kam ändert sich alles für sie. Sie konnte sich endlich öffnen und Liebe für ihren kleinen Sohn aus ihrem Herzen lassen und Liebe empfangen. Sein Tod, drei Jahre später, riss eine Wunde in ihr Herzen, welche bis heute, sechs Jahre später, nicht verheilt war. Eine Wunde die sie wohl immer in ihrem Herzen tragen würde. Eine Wunde die niemals heilen konnte. Die immer ein Teil von ihrem Leben sein sollte. Evelyn atmete tief durch, schüttelte ihren Kopf und wandte ihren Blick von der Leiche ab, als der Streifenpolizist nähert trat.

 

 

 

 

„Was liegt an?“ wollte Evelyn wissen und wandte sich nun direkt an Jens Wizmeier, den Streifenpolizisten, welcher zuerst am Fundort der Leiche war, sich umgesehen und sich Notizen gemacht hatte. Anschließend hatte er über Funk die Spurensicherung und die Gerichtsmedizin informiert. Es dauerte nicht lange bis alle Kollegen eingetroffen waren. Nun wurde der Fundort abgesperrt, die Spurensicherung zog ihre weißen Overalls an und machte sich an die Arbeit. Mit Taschenlampen gegen die, noch herrschende, Dunkelheit und mit Fotokameras bewaffnet ging es an die Arbeit. Die Ermittler der Spurensicherung angeführt von Murat Sentürk machten sich an die Arbeit um wertvolle Indizien zu sammeln, welche zur wahren Identität des Täters führen sollten. Murat war ein sehr kompetenter Kollege, erzählte Wizmeier immer, da beide Männer hin und wieder etwas Zeit mit einander verbrachten. Evelyn zog eine Augenbraue nach oben und starrte Wizmeier fragend an. Dieser räusperte sich. „Entschuldigung. Ich war in Gedanken.“ sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Das passiert uns allen einmal, Wiz. Machen Sie sich keine Gedanken. Nur haben mein Kollege und ich nicht alle Zeit der Welt. Ich würde Sie also bitten uns ins Bild zu setzen.“ drängte Evelyn zu wissen und Wizmeier nickte zustimmend. „Das Opfer heißt Dagmar Meier. Sie war wohnhaft in Wolfsburg und wurde Neunzig Jahre alt. Diese Daten stammen von ihrem Personalausweis, den ich in ihrer Handtasche, neben dem Opfer im Müllcontainer finden konnte.“ berichtete Wizmeier und schon machten sich Evelyn und Sebastian ihre Notizen. „Gibt es sonst noch etwas über das Mordopfer zu wissen, Wizmeier?“ hakte Sebastian nach und Wizmeier zuckte seine Schultern. „Ich kann bisher nichts weiter sagen, Herr Henning. Ich wollte einen Blick in die Datenbank werfen, allerdings glaube ich kaum das eine alte Dame dort aufgelistet ist.“ „

 

Vermuten ist nicht wissen, Jens. Sie wollten immer alles überprüfen und alles im Blick haben. Das macht einen guten Polizisten aus. Sie wollen doch schließlich einmal befördert werden oder nicht?“ wollte Sebastian wissen und Wizmeier nickte zustimmend. „Ich werde es mir merken, Herr Henning. Ich bin noch nicht lange bei der Polizei und manches ist noch neu für mich. Das soll keine Ausrede sein.“ meinte der Streifenpolizist und Sebastian schenkte ihm ein kleines Grinsen. „Ist schon in Ordnung, Jens. Ich kann mir vorstellen das es nicht so einfach ist immer. Ich erinnere mich immer an meine erste Zeit zurück und musste mir auch alles selbst anlernen. Wenn Sie einmal Hilfe brauchen, können Sie sich gerne bei mir melden und wir sehen dann wohin uns der Weg führt.“ bot Sebastian an und Wizmeier nickte zustimmend. „Haben Sie vielen Dank, Herr Henning. Ich werde darüber nach denken und mich melden.“ rief Wizmeier vergnügt und warf Evelyn einen fragenden Blick zu, welche sich neben die Leiche in die Hocke gesetzt hatte. „Kann ich sonst noch etwas tun?“ wollte Wizmeier wissen und Evelyn winkte ab. „Nein danke. Ich denke wir haben alles und werden unsere Untersuchung beginnen. Danke dafür, Wiz.“ sagte sie und stand wieder auf. Evelyn verengte erneut ihre Augen und versuchte nicht in das blaue Blitzlicht zu schauen. „Wir sollten den Namen des Opfers in die Datenbank eingeben und sehen was dabei raus kommt.“ schlug Sebastian vor und Evelyn nickte knapp. „Das denke ich auch. Es kann jedenfalls nicht schaden gründlich zu sein.“ murmelte sie und sah zu wie Jukic, der Assistent der Pathologie, die Leiche für den Transport fertig machte.

Kapitel 2

 

Dieser Gang war der schlimmste Gang dachte Evelyn als sie zusammen mit ihrem Kollegen Sebastian auf dem Weg zum Haus der Familie Meier in Mitte West war. Beide saßen noch im Dienstwagen, einem BMW und fuhren durch die langsam erwachende Innenstadt. Die Fahrzeuge auf der Straße nahmen zu. Evelyn war froh das sie auf dem Beifahrersitz saß und sich nicht in dem morgendlichen Verkehr befand, was ihren Kollegen sicherlich wahnsinnig machen würde. Sie grinste als sie daran dachte. Sebastian fuhr gerne Auto. Nur manchmal mochte er es nicht in der Innenstadt zu fahren oder im Berufsverkehr zu stehen. Darauf hatte er nun keine Lust. Dennoch mussten die Angehörigen informiert werden. Dies hätte auch ein Anruf getan. In den meisten Fällen gab es den wahren Mörder in der Familie des Opfers. Evelyn besaß eine gute Menschenkenntnis und wollte damit die Familienmitglieder ausschließen. Zum anderen gab es meist andere Informationen oder Einblicke in das Leben des Mordopfers oder deren Ableben. Alles konnte zur Lösung eines Falls beitragen. Auch die unangenehmen Sachen. Jemandem die Nachricht vom Tod eines geliebten Menschen mitzuteilen, war immer ein schwerer Gang für Evelyn und ihren Kollegen. Beide wurden dann mit dem Tod konfrontiert oder erinnerten sich an längst verstorbene Menschen, welche beide sehr vermissten. Während Evelyn ihren Sohn Simon vermisste, musste Sebastian nun doch an seinen kürzlich verstorbenen Vater denken und fragte sich ob dieser wohl endlich seinen Frieden gefunden hatte. Beide erhielten noch die Chance sich auszusprechen. Evelyn und Sebastian schüttelten ihre Gedanken ab und blickten durch die Windschutzscheibe auf die Einfahrt eines Einfamilien Hauses, welches sich etwas von der Hauptstraße entfernt befand. Sebastian stoppte das Fahrzeug, stellte den Motor ab und schon verließ Evelyn als Erste das Fahrzeug. Evelyn betrat das Grundstück und marschierte direkt auf die Eingangstür zu, wo sie begonnen hatte zu klingeln um sich somit bemerkbar zu machen. Sie hoffte das jemand um acht Uhr schon wach war.

 

„Entschuldigung. Aber was meinen Sie mit Tot aufgefunden, Frau Beck?“ hakte ein gewisser Patrick Meier nach und schaute Evelyn und Sebastian fragend an. Nach dem sie geklingelt hatte, wurde die schwere Sicherheitstür geöffnet und schon standen beide Ermittler im Treppenhaus. Dort warteten sie bis die Eingangstür zur Erdgeschoss Wohnung von einem Mann mittleren Alters geöffnet wurde und dabei handelte es sich um den ältesten Sohn des Mordopfers. Evelyn und Sebastian stellten sich vor. Sie zeigten ihre Dienstausweise und verkündeten das Frau Dagmar Meier tot aufgefunden wurde. Patrick Meier ließ kreide bleich an. Und auch seine Tochter Jutta taten es ihm gleich. Patrick Meier führte die beiden Ermittler ins Wohnzimmer, welches gemütlich eingerichtet war und deutete ihnen Platz zu nehmen. Sie setzten sich auf ein gemütliches Ledersofa und nahmen eine Tasse Kaffee entgegen. „Ihre Mutter Dagmar wurde heute, in den frühen Morgenstunden, tot aufgefunden und anhand ihres Personalausweises identifiziert. Natürlich dürfen Sie sich gerne selbst ein Bild davon machen, so bald die Pathologie die Leiche freigegeben hat.“ antwortete Evelyn und schon fiel Herrn Meier die Kinnlade hinunter. „Das kann ich einfach nicht fassen. Du etwa, Jutta?“ fragte Herr Meier und sah seine Tochter direkt an. „Und ich war mit Oma heute verabredet. Wir wollten frühstücken gehen. Das musste sie gestern verlegen weil sie nach ihrer Zahnbehandlung noch immer Schmerzen hatte und nichts essen konnte.“ erzählte Jutta und Evelyn runzelte ihre Stirn. „Wissen Sie den Namen des Zahnarztes?“ fragte Evelyn. „Ich weiß nicht. Meine Oma hatte Angst vorm Zahnarzt und hat sich immer jemand anders ausgesucht. Ich kann ihnen leider nichts genaues sagen.“ sagte Jutta und senkte ihren Kopf. Evelyn nickte knapp. „Danke und unser herzliches Beileid.“

Kapitel 3

 

(Rückblick)

 

Evelyn stand noch immer mit offenem Mund im Eingangsbereich ihres Hauses und starrte die junge Frau an. Diese hatte sich als ihre verlorene Tochter Anita vorgestellt und schenkte ihrer Mutter ein warmes und freundliches Lächeln. Damals als Evelyn noch selbst in der Schule und gerade einmal Siebzehn Jahre alt war, trug sie ihre Tochter aus und übergab sie einer Babyklappe an einer Kirche. Sie hoffte damals das es ihrer Tochter gut erging und sie ihren Weg im Leben schon finden würde. Nur hätte sie niemals damit gerechnet einmal ihrer Tochter persönlich gegenüber zu stehen. Nun sechsundzwanzig Jahre später wurde Evelyn angenehm überrascht. Anita war eine schöne junge Frau mit langem dunkelblonden Haar, grünen Augen, schlank und sportlich. Sie trug einfache Kleidung und Sportschuhe. Sie trat nun ins Innere des Hauses, steuerte die Erdgeschoss Wohnung an und betrat vorsichtig die Wohnung. Evelyn ging rückwärts und ließ ihre Tochter dabei nicht aus den Augen. „Bist du nervös?“ fragte Anita und lächelte. Evelyn schluckte einen dicken Kloß hinunter. „Gewiss.“ keuchte sie und Anita nickte knapp. Sie blieb am Sofa stehen, legte ihren Mantel ab und setzte sich. „Wieso?“ hakte Anita nach. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Machst du Witze? Ich habe dich vor Jahren verlassen. Wer sagt mir das du nicht hier bist um mich zu ertränken oder mit dem Föhn zu erschlagen? Ich bin bestimmt nicht paranoid, aber ein bisschen beunruhigt.“ rief Evelyn und schüttelte ihren Kopf. Anita begann zu lachen. „Ich bin nicht her gekommen um dich um zu bringen, Mama. Ich bin hier um meine Mutter kennen zu lernen. Es hat ewig gedauert. Fast fünfzehn Jahre dich zu finden und ich möchte es nicht vermasseln.“ sagte Anita und Evelyn nickte knapp. „Kann ich dir etwas anbieten?“ wollte Evelyn wissen und Anita zuckte ihre Schultern. „Was gibt es abgesehen von der Wahrheit was du mir anbieten könntest, Mama?“ entgegnete ihre Tochter schnell und Evelyn bemerkte das sie kein dummes Kind hatte. Auch Simon war sehr begabt für sein Alter gewesen. Mit drei Jahren, kurz vor seinem Tod, lernte er noch ein Instrument. Evelyn fragte sich ob Anita ebenfalls ein musikalisches Talent hatte. Zunächst musste sie jedoch deren offene Fragen beantworten und davor hatte sich Evelyn immer gefürchtet. „Ich war damals erst siebzehn Jahre alt und wusste selbst nicht wie es mit mir und meinem Leben weiter gehen sollte. Ich wollte dich erst behalten. Dein Vater hat mich allerdings verlassen und wollte dich nicht haben. Ich wusste meine Eltern würden mir nicht helfen. Sie haben es auch bei deinem Bruder nicht getan. Also gab es nur eine Möglichkeit. Ich gab dich in eine Babyklappe bei der katholischen Kirche und wollte dir die Chance auf ein normales und womöglich gutes Leben geben. Ich konnte dir nichts bieten.“ erzählte Evelyn und senkte ihren Blick. Anita presste ihre Lippen aufeinander. „Liebe hättest du mir geben können, Mama. Das ist das einzige was ein kleines Baby braucht.“ erinnerte sie ihre Mutter und Evelyn nickte zustimmend. „Damals war ich überfordert und konnte nichts tun. Ich hoffe du kannst mir eines Tages verzeihen, Anita.“ murmelte Evelyn und senkte ihren Kopf. Anita schaute ihre Mutter schweigend an. „Ich bin nicht her gekommen um dir Schuldgefühle zu machen, Mama. Ich bin gekommen um dich kennen zu lernen. Ich möchte gerne ein Teil deines Lebens sein, wenn du das möchtest und mich lässt. Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit und ich möchte nun endlich ankommen.“ sagte Anita und Evelyn nickte erneut. „Das wäre sehr schön.“ sagte Evelyn und schenkte ihrer Tochter ein freundliches Lächeln.

 

Gegenwart,

 

Evelyn schüttelte ihre Gedanken ab und kehrte in die Realität zurück. In dieser Realität befand sie sich in der Praxis von Doktor Pia Köhler auch Turboschnecke genannt und lag auf einem roten Sofa und schaute an die Decke. Evelyn hatte sich zurück erinnert an den Tag als sie ihre leibliche Tochter Anita zum ersten Mal getroffen hatte. Dies war nun drei Monate her und es kam ihr dennoch wie am ersten Tag vor. Damals lebte Anita noch nicht in Wolfsburg. Dies hatte sich vor drei Wochen geändert, als ihre Tochter in die Stadtmitte gezogen war und ihr Jurastudium in Wolfsburg an der Universität fortsetzen wollte. Anita ließ nur einen gefrusteten Ex Freund und eine WG zurück. Sie wollte mit ihrer leiblichen Mutter nun ein neues Leben beginnen. Ihre Adoptiveltern liebte und achtete sie. Und dennoch wollte Anita endlich einen Platz im Leben finden, an dem sie geborgen war und sich wohlfühlen konnte. „Und was ist dann passiert?“ wollte Doktor Köhler wissen und sah Evelyn fragend an. „Wir haben uns unterhalten. Ich hatte so viele Fragen an meine Tochter und Anita hatte Fragen an mich.“ antwortete Evelyn und setzte sich erneut auf. „Es freut mich das sie und ihre Tochter sich so gut verstanden haben und das der Kontakt nicht abgerissen ist. Ich denke das wird Ihnen gut tun, Evelyn. Vielleicht können sie dann wenigstens damit ihren Frieden finden.“ meinte Doktor Köhler und Evelyn nickte zustimmend. Sie hatte das Gleiche Gefühl und hoffte es würde sich gut zwischen ihnen entwickeln. „Das wünsche ich mir sehr, Doktor Köhler. Ich lebe mit dieser Schuld seit sechsundzwanzig Jahren und kann mich nicht mehr erinnern wann ich zum letzten Mal nicht an meine kleine Tochter gedacht habe. Ich denke es wird Zeit für etwas Neues. Eine neue Zeitrechnung. Ich sollte wirklich lernen mich weiter zu entwickeln. Simon wird auch immer in meinem Herzen eine wichtige Rolle spielen.“ sagte Evelyn in ihrem Monolog und Doktor Köhler machte sich ihre Notizen. Dabei hatte diese schon ihre nächste Doktorarbeit im Hinterkopf. „Sie haben wirklich gute Fortschritte gemacht, Frau Beck. Ich bin wirklich sehr stolz auf Sie. Nur fürchte ich das Sie mich bald nicht mehr brauchen werden. Sie waren vor Monaten schon stabil. Eine weitere Behandlung wird nicht mehr allzu viel Sinn machen.“ meinte Doktor Köhler. Evelyn nickte zustimmend. „Das glaube ich auch, Doktor. Ich denke ich sollte mich meinen Dämonen stellen und nicht immer davon weg laufen. Ich fühle mich nun stärker als noch vor einem Jahr. Ich werde trotzdem noch einige Male vorbei kommen, nur nicht mehr so regelmäßig, falls es keine Umstände macht.“ entgegnete Evelyn und die Turboschnecke nickte zustimmend mit ihrem Kopf.

Kapitel 4

 

Joachim Beck war überrascht. Überrascht von seiner Ex Frau. Er hatte einmal gedacht, diese sehr gut zu kennen. Nun wurde er jedoch eines besseren belehrt. Vielleicht hatte er seine Ex Frau niemals wirklich gekannt. „Das überrascht mich doch sehr, Evie.“ gestand er und schaute seine Ex Frau fragend an. „Was?“ entgegnete sie lediglich. „Das mit deiner neuen Tochter.“ „Aha!“ sagte Evelyn schlicht und atmete tief durch. Sie wurde in das Büro ihres Ex Mannes gerufen, weil dieser wissen wollte, wie weit sie in dem Mordfall waren und ob es neue Erkenntnisse zum letzten Fall gab. Sie nutzte die Gelegenheit um Joachim von ihrer Tochter Anita zu erzählen. Zunächst fiel ihm die Kinnlade hinunter. Danach hatte er sich gefangen und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Vermutlich freute er sich innerlich für sie überlegte Evelyn und runzelte ihre Stirn. „Kann es sein das du nicht einmal jetzt mir vergeben kannst?“ hakte er nach und Evelyn winkte ab. „Das würdest du auch nicht können. Und wenn es hundert Jahre her ist oder wir uns im Jenseits wieder treffen und alles gut ist, werde ich niemals glücklich mit dir mehr sein können, Jo. Dafür ist zu viel passiert. Und ich verstehe nicht wieso du mich immer persönlich zu dir bestellen musst, wenn du gar nicht mit mir über die Ermittlungen sprechen willst. Ich nehme dich nicht zurück und werde mich bald bei deinem Chef über dich beschweren, wenn das nicht endlich aufhört.“ zischte sie und funkelte ihn finster an. Joachim hob beide Hände. „Es tut mir leid. Du hast ja Recht, Evie. Ich wollte nur mit etwas Smalltalk beginnen und mir dann erst anhören was ihr geschafft habt. Entschuldige bitte.“ erwiderte Joachim und senkte seinen Blick. „Das eine weitere Leiche gefunden wurde, weißt du?“ hakte sie nach und er nickte zustimmend. „Gut. Dabei handelt es sich um eine neunzig Jährige Frau. Dagmar Meier. Es wird zurzeit geprüft ob es zwischen den Opfern einen Zusammenhang gibt. Ich muss nachher zu Lu und in die technische Abteilung gehen. Dann erst kann ich dir mehr sagen.“ berichtete Evelyn und Joachim nickte knapp. „Gibt es bisher keine Verbindungen zu den beiden Opfern?“ fragte er nach. „Bisher nur das Alter. Beide waren neunzig Jahre alt und wohnten im gleichen Ortsteil. Mehr wissen wir noch nicht.“ „Und die Todesursache?“ hakte Joachim nach. „Ich weiß nur das auch dieses Mordopfer in einem Müllcontainer entdeckt wurde. Beim ersten Mal von einem Obdachlosen und dieses Mal von einem Mitarbeiter der Müllabfuhr. In der Pathologie waren Sebastian und ich noch nicht. Ich kümmere mich eventuell morgen darum. Die Pathologie hat sich heute noch nicht gemeldet. Ich denke Laura hat erst morgen für uns Zeit.“ verkündete Evelyn und setzte ihren Ex Mann somit ins Bild. „Und was erhoffst du dir von Lichtenstein?“ hakte Joachim nach. Evelyn zuckte ihre Schultern. „Wenn wir ein Krimi wären, würden wir jetzt schon, das Ende spoilern? Ich glaube nicht.“ scherzte sie, lächelte und wandte sich mit schnellen Schritten ab.

Kapitel 5

 

In der Pathologie war es angenehm kühl und vermutlich der kühlste Bereich im gesamten Gebäude dachte Evelyn als sie mit ihrem Kollegen Sebastian, aus dem Fahrstuhl stieg und auf dem Korridor erschien. Es war Juli und dieses Jahr sollte es sehr warm werden. Noch immer waren draußen dreißig Grad im Schatten. Sehr warm für sie und es sollte diese Woche noch wärmer werden. Noch fünf bis sechs Grad mehr. Evelyn mochte zwar Sonne allerdings hatte sie etwas gegen die Hitze. Jeden Morgen ging sie unter die Dusche um sich frisch für die Arbeit zu machen. Das Duschen tat sehr gut. Lauwarm. Mit einem Duschgel mit Vanille Duft und einem wohltuenden Shampoo. Nur bei diesen Temperaturen war es so als ob sie nicht geduscht hätte, denn sie schwitzte und alles fühlte sich klatsch nass an. Ihre Kleidung klebte an ihrer Haut fest. Dies mochte sie nun wirklich nicht am Sommer. Ansonsten saß sie gerne draußen im Biergarten mit ihren Freunden und genoss dabei die Atmosphäre. Es gab nichts schöneres im Sommer. Die drei Sommer Monate Juni, Juli und August waren ihr was dies anging die Liebsten. Nur in dieser Zeit gab es so viel Unbeschwertheit. So viel Leichtigkeit. So viel vom Leben. In den kühleren Monaten gab es wieder viel trauriges. Erst der Geburtstag ihres Sohnes im Januar und dann sein Todestag im Herbst. Evelyn würde vermutlich ihr gesamtes Leben daran zu knabbern haben, dachte sie und schüttelte ihre Gedanken ab, als die schwere Metalltür von der Pathologie, in ihr Blickfeld kam.

 

Doktor Laura Schröder stand in ihrem gewohnten weißen Kittel vor ihrem Untersuchungstisch, trug Latexhandschuhe und eine Gesichtsmaske. Ihre braunen Haare hatte sie bis auf eine Strähne zusammen gebunden. Diese Strähne fiel in ihr Gesicht und rundete den Blick ab. „Hey Leute.“ rief Laura mit gedämpfter Stimme und schenkte den beiden Ermittlern vermutlich ein Grinsen, was beide, wegen der Maske, nicht sehen konnten. „Wir kommen wegen deinem Autopsie Bericht zum neusten Mordopfer. Falls du es schon fertig hast, Laura.“ entgegnete Evelyn und Laura nickte zustimmend. Sie trennte sich von ihrer Gesichtsmaske, griff zu einem kleinen Tisch neben sich und reichte Evelyn den Bericht weiter. Beide Ermittler warfen einen neugierigen Blick darauf. „Euer Mordopfer ist ebenso ermordet worden wie die Frau zuvor. Dies konnte ich feststellen.“ begann Laura ihren Bericht und trennte sich auch von ihren Handschuhen. Sie griff zu einem neuen Paar. Laura zog erst die Handschuhe an und deutete anschließend auf die Leiche der ermordeten Frau. „Und das bedeutet?“ wollte Sebastian nun wissen und sah seine Ex Flamme fragend an. Ihre Blicke trafen sich und Evelyn konnte noch immer dieses Feuer der Leidenschaft zwischen beiden erkennen. „Das bedeutet das euer Mordopfer erst betäubt wurde, ich tippe auf ein Narkosemittel und dann ermordet wurde. Dazu wurde dem Mordopfer, Luft in die Venen gespritzt was zu einer Lungenembolie geführt hatte, was wiederum den sofortigen Tod der Frau zur Folge hatte.“ berichtete Laura und Evelyn als auch Sebastian sahen sich fragend an. „Was für ein Narkosemittel?“ hakte Evelyn nach. Laura zuckte kaum merklich ihre Schultern. „Vermutlich das Gleiche wie bei der armen Frau Landgraf. Distickstoffmonoxid!“ sagte die Gerichtsmedizinerin und beide Ermittler sahen sie erneut fragend an. Laura grinste. „Lachgas!“ antwortete sie und schmunzelte. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Wer würde Lachgas benutzen um jemand anderes zu betäuben? Ist ja nicht so als ob das jeder benutzen würde oder jede Person heran kommt.“ „Na ja der Konsum von Lachgas ist nicht verboten in Deutschland.“ warf Sebastian ein. „Leute, ich habe einen Zahnarzt bei dem es als Narkosemittel eingesetzt wird. Weiß allerdings nicht wie weit es euch hilft, dies zu wissen.“ warf Laura ein und Evelyn runzelte erneut ihre Stirn. „Danke dir.“ bedankte sich Evelyn und verließ tief in Gedanken den Raum.

 

Um etwas schneller in ihren Ermittlungen zu sein, wollten sich Evelyn und Sebastian aufteilen. Sie wollte sich zu Luise Lichtenstein begeben um sich ein Bild von den bisher gefundenen Beweisen zu machen, während er sich auf den Weg zurück ins Revier machte um dort zur technischen Abteilung zu gehen. Auf dem Weg dorthin traf Sebastian die Polizei Obermeisterin Sina Storck, welche auch bei diesem Fall assistieren sollte. Dies war unter anderem ihre Aufgabe. Sie suchte meist Namen und Adressen heraus oder überprüfte Alibis und Zusammenhänge. „Wie weit seid ihr schon?“ wollte Sina wissen und sah Sebastian fragend an. „Noch nicht so weit. Bisher waren wir nur bei Doktor Schröder wegen der Autopsie. Es gibt schon jetzt einen Zusammenhang zwischen dem neusten und dem letzten Mordopfer. Das ist sehr interessant.“ sagte Sebastian und weckte somit das Interesse der Obermeisterin. „Und was?“ hakte Sina nach. „Die beste Verbindung zwischen den beiden Mordopfern ist das Lachgas. Dieses konnte noch im Körper nachgewiesen werden und führte offenbar dazu das sich die Opfer nicht bewegen konnten. Vermutlich eine Überdosis, welche dazu führte dass die Mordopfer einschliefen und dann nichts mitbekommen haben. Ihnen wurde mit einer Spritze, Luft gespritzt und dies führte zum schnellen und lautlosen Tod.“ verkündete Sebastian und Sina bekam große Augen. „Das ist ja gruselig. Wer würde so etwas tun?“ rief Sina förmlich. „Ich kann es dir nicht sagen. Wir vermuten nur etwas und deshalb muss ich zu Timo. Er soll etwas überprüfen.“ sagte Sebastian und wandte sich mit schnellen Schritten ab.

 

„Und du hast Sina dann einfach stehen lassen?“ hakte Timo Kraft nach und sah den Kommissar fragend an. Sebastian zuckte seine Schultern. „Ich hatte sie auf den neusten Stand der Ermittlungen gebracht und was sie dann daraus macht, ist ihre Sache. Ich denke ich gehe noch einmal vorbei und gebe ihr etwas zu tun. Allerdings nur wenn du mich nun etwas weiter bringst in dem Fall, Timo.“ meinte Sebastian und schaute seinen Kollegen fragend an. Der Experte von der technischen Abteilung der Polizei, warf einen fragenden Blick zu Sebastian und zog seine Stirn in Falten. „Was möchtest du gerne wissen?“ „In wie vielen Zahnarzt Praxen, Lachgas zum Einsatz kommt und ob es eine mögliche Verbindung zu einem Zahnarzt gibt.“ erklärte Sebastian und schon machte sich Timo an die Arbeit. Dabei flogen seine Finger über die Tastatur und es dauerte nur einige Minuten bis er endlich alles zusammen gesammelt hatte. Timo drückte auf drucken. Ein Blatt Papier wurde gedruckt, welches Sebastian, wenig später in seinen Händen hielt. Sebastian warf einen Blick darauf und zog eine Augenbraue nach oben. „Das ist interessant.“ kommentierte er die Situation. „Da scheint es wirklich eine Verbindung zu geben.“ murmelte der Kommissar. „Ich habe alle Zahnarzt Praxen mit Hilfe deren Homepage überprüft und kann dir sagen, dass es sich um drei Stück handelt, die nachweislich Lachgas benutzen. Laut den Kommentaren soll es sich dabei um eine sehr gute und angstfreie Behandlung handeln. Ich habe dir die drei Adressen ausgedruckt. Vielleicht bringt es euch ja weiter.“ berichtete Timo und Sebastian nickte zustimmend. Er nahm das Blatt Papier mit und wandte sich mit schnellen Schritten ab.

 

Evelyn brauchte das Gebäude nicht zu verlassen. Im selben Gebäude wie die Pathologie befand sich auch die Spurensicherung und somit konnte Evelyn an Ort und Stelle bleiben. Sie musste lediglich zwei Stockwerke nach oben mit den Fahrstuhl fahren und stieg soeben aus der Kabine aus, marschierte den Flur entlang, bis sie vor dem Büro einer guten Freundin und Kollegin stehen blieb. Luise hatte ihre Tür weit offen und ein Ventilator lief auf Hochtouren. Dennoch hatte Luise Schweißperlen auf der Stirn und wedelte sich mit der Hand Luft zu. Evelyn schmunzelte. „Wie lange stehst du da schon?“ wollte Luise wissen ohne von ihrem Bericht, den sie schrieb, aufzublicken. „Noch nicht lange. Allerdings lange genug um dich zu beobachten, Lu. Der Ventilator müsste doch seinen Zweck erfüllen oder nicht?“ meinte Evelyn und trat in den erhitzten Raum. Ihr kam eine regelrechte Hitzewelle entgegen. Sie war froh, als sie sich setzte, dass auch der Ventilator sie hin und wieder an pustete. Luise blickte auf. „Und was kann ich dieses Mal für dich tun, Evie?“ hakte Luise nach und sah ihre Freundin fragend an. „Ich denke das weißt du bereits, Lu.“ erwiderte Evelyn und Luise nickte zustimmend. „Was Murat und die Kollegen am Tatort gefunden haben, kann ich dir noch nicht sagen, Evie. So schnell sind wir nun auch nicht. Ich kann dir höchstens sagen, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Opfern gibt. Diese Information kam vor einer Stunde ganz frisch rein.“ berichtete Luise und Evelyn runzelte ihre Stirn. „Ich bin ganz Ohr.“ sagte sie und setzte sich aufrecht hin. „Die Verbindung zwischen den beiden Opfern ist, die Tatsache das sie eine frische Amalgam Zahnfüllung hatten. Dies ist auch der Gerichtsmedizinerin aufgefallen, deshalb hat sie eine Probe ins Labor geschickt, welche nun analysiert wurde. Dies ist die beste Verbindung zwischen der Frau Landgraf und der Frau Meier. Ich weiß nicht ob es dich weiter bringt.“ verkündete Luise und reichte Evelyn den Bericht. Diese verzog ihr Gesicht zu einem fröhlichen Lächeln. „Das wird uns definitiv weiter bringen. Danke dir, Lu.“ sagte Evelyn und schon begannen beide Frauen einen Smalltalk.

Kapitel 6

 

Es war bereits der nächste Morgen als Evelyn ganz früh ins Büro kam und dort an ihrem Arbeitsplatz Platz nahm und ihre Handtasche neben sich auf dem Boden positionierte. Sie war nicht alleine in dem gemütlichen kleinen Raum. Ihre Kollegen Sebastian und Sina waren ebenfalls anwesend und warfen ihr ein freundliches Lächeln zu. Mit den beiden Kollegen hatte Evelyn wirklich Glück gehabt, dachte sie und nahm eine frische Tasse heißem Kaffee von Sina entgegen. „Guten Morgen.“ begrüßte Evelyn ihre Kollegen. „Warst du gestern noch bei Lu?“ fragte Sebastian nach und Evelyn nickte zustimmend. „Ich wollte hören ob die Spurensicherung schon etwas weiter gekommen ist. Lu meinte das würde noch dauern. Und sie informiert mich, wenn Murat und seine Kollegen, soweit sind.“ erwiderte sie und nippte an ihrem Kaffee. „Was haben wir bisher?“ wollte Evelyn nach einiger Zeit wissen. Sina stand auf und legte den Fallbericht direkt auf den Schreibtisch von Evelyn. Sebastian erhob sich und trat ebenfalls näher. „Bisher wissen wir von zwei ermordeten alten Damen. Beide um die neunzig Jahre, wohnhaft in Wolfsburg und in einem der Teile der Stadt, die etwas Wohlhabener sind. Zu ihren Familien und Freunden hatten beide Damen ein gutes Verhältnis. Dort werden wir wohl verzweifelt nach einer Verbindung suchen.“ berichtete Sina und setzte Evelyn ins Bild. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Gibt es überhaupt keine Verbindung zwischen den Opfern?“ wollte sie wissen und sah von Sina zu Sebastian. „Ich war doch bei Timo in der Technik. Dort hat er etwas für mich überprüft. Und zwar eine erste heiße Spur.“ begann Sebastian und Evelyns Gesicht hellte sich auf. „Laura hat doch die Zähne der beiden Opfer überprüft und dies als unnütztes Wissen zu den Akten gelegt. Ich habe den letzten Tag der beiden Opfer rekonstruiert und heraus gefunden das sie beide einen Termin bei dem gleichen Zahnarzt hatten. Er hat seine Praxis hier in Wolfsburg. Ein Zahnarzt für Menschen mit Angst.“ „Hast du einen Namen?“ hakte Evelyn nach. „Davon gibt es drei Stück in der Stadt. Die müssen wir wohl alles abklappern.“ sagte Sebastian und zuckte seine Schultern. „Ich denke ihr beiden habt dann einiges vor euch. Ich werde mich um den Hintergrund der drei Zahnärzte kümmern. Vielleicht finde ich ja etwas nützliches heraus.“ meinte Sina, biss von ihrem Croissant ab und wandte sich ab.

 

„Und wie läuft es mit deiner Tochter? Du hast bisher nichts mehr erzählt, Eve. Und es sind schon drei Monate vergangen, seit dem ihr euch kennen gelernt habt. Ich muss zugeben. Ich bin sehr neugierig.“ sagte Sebastian und stemmte seine Hände auf seine Hüften. Evelyn hingegen zuckte ihre Schultern. „Ich weiß nicht mal wo ich beginnen soll, Sebi. Es ist viel passiert. Anita und ich treffen uns jedes Wochenende. Unter der Woche schreiben wir miteinander Nachrichten oder schicken uns Audios. Es ist schön das ich meine Tochter wieder habe, auch wenn ich Gewissensbisse habe, weil ich sie damals weg gab. Sie ist mir nicht böse. Ich soll ihre Eltern kennen lernen und dann möchte sie in das Haus zu mir ziehen.“ erzählte Evelyn. „Bist du ganz sicher das es deine Tochter ist? Heutzutage muss man ja aufpassen wie ein Löwe wegen Betrügern.“ warnte Sebastian und Evelyn nickte zustimmend. „Es wurde ein DNS Test gemacht. Anita ist meine Tochter und es besteht kein Zweifel das sie es ist, Sebi. Mach dir also keine Gedanken.“ sagte sie mit ruhiger Stimme und Sebastian nickte knapp. „Dann bin ich beruhigt.“ murmelte er und blickte hinüber zur Tür als sich diese augenblicklich öffnete und eine alte Bekannte auf der Bildfläche erschien. Dabei handelte es sich um Doktor Sakura Zobel. Evelyn überlegte ob sie eine geplante Verabredung vergessen hatte und lehnte sich nachdenklich in ihrem Stuhl zurück.

 

„Ich wollte mich nur mal eben nach euren Fortschritten erkundigen.“ sagte Doktor Zobel und trat einige Schritte näher. Evelyn lehnte sich ein Stück weit nach vorne. Sebastian hingegen verschränkte seine Arme vor seiner Brust. „Wir haben bereits eine weitere Leiche gefunden und ermitteln in alle Richtungen.“ sagte Sebastian und konnte sich denken das dies die falsche Aussage war. Zobels Blick sprach Bände. „Das ist mir und vor allem meinem Chef dem Oberstaatsanwalt nicht entgangen. Wir beide haben in den Medien von dem zweiten Leichenfund erfahren und er hat mir die Hölle heiß gemacht, weil ich nichts dagegen unternommen habe beziehungsweise ihn nicht vorher informiert hatte. Das kann ich allerdings nicht, wenn niemand mich informiert. Also möchte ich mich nun erkundigen wieso mich niemand von Euch informiert hat.“ donnerte ihre Stimme und beide Ermittler sahen sich fragend an. „Wir dachte eigentlich jemand aus der Abteilung würde dich informieren, Sakura. Normalerweise tut das Sina immer.“ warf Evelyn ein und Zobel zuckte ihre Schultern. „In diesem Fall ist es nicht passiert. Allerdings hast du oder Sebastian auch einen Mund und hättet das kommunizieren können. Oder sehe ich das falsch?“ wollte Zobel wissen und stemmte ihre Hände auf ihre Hüften.

 

Es herrschte Stille im Raum. Niemand sagte etwas für einige Minuten. Nach einer Pause räusperte sich Doktor Zobel. „Ich denke ihr solltet mich nun informieren. Wie weit seid ihr bisher gekommen und wer sind die Verdächtigen?“ hakte Zobel nach. Evelyn und Sebastian sahen sich erneut fragend an. „Bisher wissen wir noch nicht viel. Die Spurensicherung untersucht noch die Indizien vom Fundort der Leiche und einen Verdächtigen gibt, es erst wenn wir morgen, die drei Zahnärzte abklappern können. Doktor Schröder meinte dass die Opfer erst betäubt und dann mit Luft in die Venen getötet wurden. Da kennt sich jemand aus.“ berichtete Evelyn und Doktor Zobel nickte knapp. „Das ist wenigstens ein Anfang, Leute.“ gab sie anerkennend von sich und klatschte in die Hände. „Das berichte ich meinem Chef und dann werde ich mich wieder aus dem Fall heraus halten. Tut mir leid, Leute. Aber wenn ich Ärger bekomme, möchte ich vorher gerne wissen warum, damit ich etwas sagen und mich verteidigen kann.“ sagte Doktor Zobel und grinste süffisant. „Bleibt es bei unserer Verabredung, Eve?“ fragte Zobel und Evelyn nickte knapp. „Gewiss.“ sagte sie schlicht. Doktor Zobel drehte sich um und verließ mit schnellen Schritten den Raum.

Kapitel 7

 

Am nächsten Morgen ging es schon um acht Uhr auf Tour. Evelyn und Sebastian wollten sich die drei Hauptverdächtigen vornehmen und diese während deren Arbeitszeit besuchen. Erst hatten sie überlegt, dies als Patienten zu tun, jedoch hatten sie gesunde Zähne und waren schon bei der Kontrolle gewesen. Dies hätte somit keinen Sinn gemacht. Nun würden sie alle drei besuchen und befragen. Angefangen mit dem ersten Zahnarzt, der allerdings nichts wusste. Der zweite habe an den besagten Tagen mit seiner Assistentin sich vergnügt in einem Hotelzimmer und er betonte dies bloß nicht seiner Ehefrau zu verraten. Beide Ermittler mussten versprechen zu schweigen. Der letzte Zahnarzt auf ihrer Liste, der Angst Patienten behandelte, war ein gewisser Stefan Feustel und dieser hatte seine Praxis im schönen und sehr kleinen Hehlingen. Es war eine Gemeinschaftspraxis welche er mit seiner Tochter zusammen leitete und über der Praxis, die im ersten Stock war, wohnte. Doktor Feustel erhielt viele gute Bewertungen und wurde als einer der besten Zahnärzte der Bundesrepublik bezeichnet und sogar einmal mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, für besondere Leistungen. Beeindruckend dachte Evelyn und schon ihr Handy wieder. Sie legte es zurück in ihre Handtasche. „Der Werdegang des Zahnarztes ist beeindruckend. Ich habe noch niemals zuvor etwas solch Interessantes gelesen. Dieser Doktor Feustel ist ein Unikat.“ murmelte Evelyn und blickte Gedanken verloren, durch die Windschutzscheibe, auf die Straße vor ihnen. „Solche großartigen Bewertungen hat mein Zahnarzt nicht bekommen und macht trotzdem seine Arbeit sehr gut. Ich denke man sollte nicht alles glauben was in einem Artikel steht.“ murrte Sebastian und steuerte das Dienstfahrzeug weiterhin durch die Stadt Mitte. „Was ist dir denn schon wieder über die Leber gelaufen, Sebi?“ wollte sie wissen und Sebastian zuckte lediglich seine Schultern. „Mein Vater hat noch einen Monat zu leben. Und anstatt bei ihm zu sein und versuchen reinen Tisch zu machen, bin ich unterwegs zum verdächtigen Zahnarzt und versuche einen Mord aufzuklären. Na das ist ehrenwert.“ murmelte er ironisch und biss sich auf die Unterlippe. „Du kannst dir jederzeit Urlaub nehmen und bei deinem alten Herrn sein, Sebi Allerdings würde ich mich freuen wenn du es nicht direkt während einer Ermittlung tun würdest. Ich brauche dich nun mal auch.“ bat Evelyn und schon schien Sebastian sich zu entspannen.

 

Über seine Gefühle welche er für Evelyn hatte, hatte er bisher keine Gelegenheit gehabt, zu reden. Dies wollte er tun, ehe er nach New York City, Ende des Jahres, aufbrach. Dort würde er mit dem FBI in einer Taskforce zusammen arbeiten und internationale und gefährliche Verbrecher dingfest machen. Seine Freundin Stella würde ihn begleiten, da sie einen Job in Manhattan bei einem Designer angenommen hatte. Als Model konnte sie überall arbeiten. Sebastian hatte schon ein schlechtes Gewissen. Er wollte Stella nicht weh tun. Und dennoch hatte er Gefühle für Evelyn entwickelt, welche nicht unbedingt nur freundschaftlich waren. Er verbannt mit Evelyn etwas besonderes und einzigartiges. Und er würde immer etwas für sie empfinden und versuchen für sie da zu sein. Nur wollte er dann nicht in der Freundeszone landen. Dies war ein no go für einen Mann. Sich anzuhören wie eine Frau über einen Mann sprach mit dem sie einmal das Bett und ihr Leben geteilt hatte, ohne selbst ein Teil davon zu sein, war hart. Ebenso wie die Tatsache wenn eine Frau einen neuen Freund hatte und immer betonen musste das sie nun endlich wieder einen Freund hatte. Es anderen aufs Brot schmieren konnten manche Frauen sehr gut. „Die nächste Links.“ rief Evelyn plötzlich und riss Sebastian aus seinen Gedanken. Er schüttelte seine Gedanken ab und steuerte den Dienstwagen in die entsprechende Richtung.

 

Die Praxis wirkte mit ihren weißen Wänden, dem Empfang und den paar Fotos an den Wänden, wirklich wie eine Arztpraxis und weniger wie die eines Zahnarztes. Bei dem Arzt den Evelyn hatte, hingen makabere Bilder von Zähnen und Kariesbilder im Flur. Dies sollte zur Abschreckung dienen, was meist auch zu traf und sich die Patienten zweimal überlegten ob sie ihre Zähne putzten oder nicht. Evelyn hatte sich in ihrer wilden Jugend einmal bei einem Fahrradunfall zwei Zähne ausgeschlagen und hatte seitdem künstliche Zähne in ihrem Mund. Damit ließ es sich auch leben dachte sie und kehrte in die Realität zurück. Doktor Stefan Feustel war ein großer Mann, mit breiten Schultern, grauen Haaren, einer Brille und einem recht unauffälligem Gesicht. Er wirkte wie der nette Mann von nebenan. Nur wusste Evelyn das gerade mit den Menschen von nebenan, zu rechnen war. Damit waren nicht unbedingt die Nachbarn gemeint. Es gab Menschen die schien unscheinbar und hatten es trotzdem, hinter den Ohren und konnten nach außen hin den Leuten alles verkaufen. Doktor Feustel führte die beiden Ermittler in dessen Büroraum unter dem Dach im zweiten Stock des Gebäudes. Dort angekommen nahmen die Ermittler auf gemütlichen Stühlen Platz und schon griff Evelyn zu ihrem Notizblock. „Es überrascht mich das ich Besuch von der Polizei bekomme und dann auch noch von der Mordkommission. Ich weiß nicht wie ich mich dabei fühlen soll.“ meinte Doktor Feustel und sprach mit ruhiger Stimme. Er selbst hatte gelbe Zähne, was auf einen Raucher hindeutete, dachte Evelyn und runzelte ihre Stirn. „Wir möchte ihnen nur einige Fragen stellen und werden Sie danach nicht weiter belästigen.“ ergriff Sebastian das Wort und dies schien den Zahnarzt zu beunruhigen. Evelyn konnte sich aber auch täuschen. „Wo waren Sie zur Tatzeit?“ wollte Evelyn wissen und sah den Zahnarzt direkt an. Dieser zuckte kaum merklich seine Schultern. Er wirkte nun ein wenig nervös. Nur deshalb konnten sie ihn nicht aufs Revier mitnehmen, überlegte sie und biss sich auf die Unterlippe. „Ich war mit meiner Frau im Theater. Es lief das Phantom der Oper. Das haben wir uns zusammen angesehen. Es ging bis halb Elf am Abend. Danach sind wir noch etwas zu Essen am Drive Inn holen gegangen und sind danach nach Hause gefahren. Meine Frau wich niemals von meiner Seite.“ erzählte Feustel und Sebastian als auch Evelyn machten sich ihre Notizen. „Wie lange war Frau Meier schon bei Ihnen in Behandlung?“ hakte Evelyn nach. „Noch nicht lange. Ihr vorheriger Zahnarzt ist in Rente gegangen und ich habe übernommen. Ich habe all seine Patienten übernommen und muss mich demnächst bei ihm bedanken. Das war sehr gut für mein Geschäft.“ sagte Doktor Feustel und Evelyn warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu. „Wie war ihr Eindruck von Frau Meier?“ fragte Sebastian. „Ich hatte den Eindruck das sie keine Angst hatte vor einer Zahnbehandlung. Ich glaube eher sie brauchte jemanden der ihr zu hört und sich bisschen um sie kümmerte. Sie erzählte das ihr Ehemann vor Jahren verstorben war und das sie sich einsam und alleine fühlte und nur Trost in den Treffen mit ihrer Enkelin fand. Ich denke die Frau Meier litt unter Depressionen.“ mutmaßte Doktor Feustel und beide Ermittler nickten zustimmend. Dies hatten beide ebenfalls vermutet. Evelyn erhob sich langsam. „Ich denke wir haben alles, Doktor Feustel. Wir werden noch ihr Alibi überprüfen müssen. Es wäre sehr schön wenn sie sich für eine eventuelle weitere Befragung zur Verfügung halten würden. Man kann schließlich niemals wissen.“ bat Evelyn und wandte sich zusammen mit ihrem Kollegen ab.

Kapitel 8

 

In der Nacht wurde Evelyn aus dem Bett geholt. Zunächst dachte sie es handle sich um einen Anruf ihrer Tochter. Dann wurde sie eines besseren Belehrt. Es handelte sich um ihren Kollegen Sebastian. Dieser rief sie um 23:30 an und holte sie aus ihrem Schlaf und einem wundervollen Traum heraus. „Es gibt noch eine weitere Leiche.“ sagte er und schon war Evelyn wach. Sie setzte sich auf und versuchte diese Botschaft zu realisieren. Noch eine Leiche. Vermutlich wieder eine ältere Dame. Erneut war es einer der Männer mit denen sie gestern gesprochen hatten. Evelyn verschwand schnell im Bad und kehrte eine Viertelstunde später zurück. Sie zog sich neue Kleidung an, ihre Schuhe und nahm sich eine dünne Jacke mit. Es war für den Sommer noch warm und dennoch ein bisschen frisch um diese Uhrzeit. Evelyn schloss hinter sich die Haustür ab, nahm die drei Stufen hinunter und lief über den Hof. Sebastian wartete bereits mit seinem Dienstwagen auf seine Kollegin. Sie öffnete die Beifahrerseite, stieg ein und schloss die Tür wieder. Aus dem Inneren des Dienstwagens drang der Luft von frischem Kaffee in ihre Nase. Diesen hatte sie sehr nötig, dachte sie und nippte an einem der beiden Becher. „Wann wurde das gemeldet?“ hakte Evelyn nach und gähnte einmal herzhaft. „Vor etwa einer Stunde. Ich kenne noch keine Details. Das werden wir gleich erfahren.“ meinte Sebastian und startete den Motor. Im Rückwärtsgang ging es vom Grundstück.

 

„Bei dem Opfer handelt es sich um eine gewisse Johanna Steinbrück. Alter Neunzig Jahre. Wohnhaft in Hehlingen, hier in Wolfsburg. Sie stammte eigentlich aus Nürnberg. Das hat die Datenbank Suche ergeben. Einige kleinere Delikte. Allerdings nichts ernstes.“ berichtete Jens Wizmeier und setzte die beiden Ermittler somit ins Bild, welche unweit vom Tatort geparkt und auf den Streifenpolizisten zu gelaufen kamen. Dabei blickte sich Evelyn überall um. Sie hatte das Gefühl in dieser Seitengasse beobachtet zu werden. Hier befanden sich zwei Mehrfamilien Häuser und jeder Bewohner hätte ihnen zu sehen können. Sie meinte aus den Augenwinkeln etwas zu erkennen. Dann als sie hinsah, war die Bewegung im Fenster wieder weg. Es war inzwischen kurz nach Mitternacht. Das blaue Licht der Sirenen erhellte den gesamten Bereich. „Gibt es irgendwelche Zeugen?“ hakte Evelyn nach. „Das kann ich euch nicht genau sagen. Ein anonymer Anruf ging bei der Dienststelle ein und dort hieß es wir sollen jemanden hier her schicken, eine Leiche wurde gefunden. Die technische Abteilung wurde eingeschaltet und soll den Anruf analysieren. Ich denke morgen wissen die Kollegen bestimmt mehr.“ meinte Wizmeier. Sebastian drehte sich zu seiner Kollegin um. „Wieder eine neunzig Jahre alte Dame die ermordet wurde. Ich wette wir finden eine Verbindung zu einem der Zahnärzte heraus. Wenn es nicht dieses Mal dieser dubiose Doktor Feustel ist.“ mutmaßte Sebastian und Evelyn nickte zustimmend. „Das habe ich auch schon überlegt, Sebi. Nur sollten wir nichts überstürzen. Vielleicht ist ein anderer unser Mann. Wir sollten auf die Beweise warten.“ erinnerte sie ihn und Sebastian nickte knapp.

Doktor Laura Schröder war dieses Mal persönlich vor Ort um sich die neue Leiche anzusehen. Sie saß in der Hocke vor dem Leichnam und untersuchte diesen. „Wie bei den anderen alten Damen. Auch diese Frau wurde mit Luft getötet. Der Tod ist allerdings noch nicht lange her. Ich würde fünf oder sechs Stunden tippen, wenn ich raten müsste. Genaueres kann ich erst später sagen.“ verkündete Laura und Evelyn nickte knapp. „Danke dir. Das hilft uns wirklich weiter.“ meinte Evelyn und sah zu wie die Leiche abtransportiert wurde. „Was denkst du?“ fragte Sebastian. „Das unser Täter schlampig wird.“ murmelte sie und blickte dem Leichenwagen nach, der so eben in der Ferne verschwand.

 

Stefan hatte es schon wieder getan. Er wollte es nicht. Er wollte nicht mehr weiter machen. Es ging jedoch nicht anders. Er wollte diese alten und armen Seelen doch nur von ihrem Leid erlösen und dafür gab er sein eigenes Leben und seine Karriere beinahe auf. Was würden seine Familie, Freunde und Kollegen von ihm denken wenn sie erfuhren was er da getan hatte? Sie würden ihn verachten und niemals verstehen das er es hatte tun müssen. Nur langsam wurde die Luft um ihn herum dünner. Er würde sich entweder jetzt raus halten und warten bis Gras über die Sache gewachsen war oder er würde das Land in Richtung Mexiko verlassen, wo er ein Haus hatte. Vermutlich wäre auswandern eine gute Option. Auf diesem Weise würde er der Justiz entgehen. Vielleicht würde er sich dadurch aber auch verdächtig machen. Dies wollte er um jeden Preis verhindern. „Ach Mann. Wieso muss die blöde Polizei nur ermitteln.“ fauchte er und warf seine Kaffee Tasse mit voller Wucht gegen die Wand seines Büroraumes. Die Tasse zerbrach in viele kleine Teile. Stefan schnaufte und schüttelte seinen Kopf. Er wusste nicht mehr was er noch tun sollte. „Wenn die mich erwischen heißt es nur noch Stefan Feustel, du Monster. Das darf niemals passieren.“ murrte er vor sich hin und begann die Glasscherben aufzusammeln.

Kapitel 9

 

Doktor Pia Köhler verstand nicht ganz was sie tun sollte. Evelyn und Sebastian hatten die eigentliche Polizei Psychologin aufgesucht und sie um die Herausgabe eines Täter Profils gebeten. Dies hatte Köhler schon länger nicht mehr getan. Seit einiger Zeit war sie hauptsächlich mit ihrer eigenen Praxis und den Patienten beschäftigt, weshalb sie sich vermutlich bald von der Polizei trennen wollte um mehr Zeit für sich und ihre Patienten zu haben. Köhler war Jahre lang für die Polizei tätig gewesen. Vielleicht war es ein guter Schritt in Richtung etwas neues. Vielleicht auch nicht. Sie wusste es noch nicht. Sie wusste nur das sie den beiden Ermittlern nun helfen musste. „Und ich soll ein Profil erstellen?“ hakte Doktor Köhler vorsichtig nach. „Ja wir brauchen etwas für die Öffentlichkeit um den wahren Täter heraus zu locken. So unter dem Motto das wir schon ganz dicht dran sind und jeden Moment zu greifen werden. Sebi und ich haben einen Verdacht, nur leider können wir diesen nicht erhärten, solange der wahre Täter sich verdeckt hält. Die Pressesprecherin der Polizei würde das Profil an die Medien weiter geben.“ erklärte Evelyn und Doktor Köhler runzelte ihre Stirn. „Das kann, muss aber nicht, die richtige Strategie sein. Es könnte andere Menschen zu sehr in Angst und Schrecken versetzen oder dafür sorgen das es einen Nachahmungstäter geben kann. Davon würde ich Ihnen abraten. Ich kann natürlich ein Profil herausgeben und Sie schauen dann wie es auf ihren Verdächtigen passt.“ erwiderte Köhler und Evelyn nickte zustimmend. „Dazu muss ich allerdings noch wissen wen Sie in Verdacht haben. Das wäre besser. Würde die Arbeit am Profil durchaus erleichtern.“ warf Doktor Köhler ein und Sebastian klappte die Fallakte auf und legte sie auf den Schreibtisch der Psychologin. Köhler warf einen Blick hinein und runzelte ihre Stirn. „Sie gehen von einem Zahnarzt als möglichen Täter aus?“ entfuhr es sie. „Wir ermitteln in alle Richtungen und diese drei Zahnärzte behandeln Menschen mit Lachgas und sind demnach verdächtig.“ antwortete Sebastian. „Okay. Ich kümmere mich um das Profil und gebe es Ihnen dann zurück.“ sagte Doktor Köhler entschlossen und schon wandten sich Evelyn und Sebastian ab.

 

Gegen Mittag saßen Evelyn und Sebastian beim Essen zusammen. Dazu hatten sie sich ein Restaurant ausgesucht. Hier konnten sie sich Schnitzel und Pizza bestellen. Eigentlich war Evelyn nur nach einem griechischen Salat, allerdings sah das Bolognese Schnitzel so lecker aus, dass sie nicht widerstehen konnte. Während sie zusammen saßen und aßen, lief im Fernsehen, die Nachrichten. Der Sprecher veröffentlichte das Profil ihres Täters und unterhielt sich mit Joachim Beck, ihrem Ex Mann, über den laufenden Fall und den aktuellen Stand der Ermittlungen. Sebastian hatte sich für eine Pizza Hawaii entschieden, welche ihn angelacht hatte und so nahm er sich bereits das vierte Stück und biss genüsslich davon ab. „Das wird den wahren Täter hoffentlich daran hindern weitere Frauen zu ermorden.“ murmelte Sebastian während dem Kauen. „Das können wir nur hoffen. Bisher haben wir niemals diese Taktik spielen müssen. Ich hoffe sie wirkt am Ende und geht nicht nach hinten los, wie damals bei dem Dark Man Killer, wo wir das letzte Bindeglied immer noch nicht gefangen haben.“ erinnerte Evelyn und steckte sich eine Pommes in ihren Mund. „Das ist bestimmt auch nur eine Frage der Zeit. Wenn ein Täter clever ist, taucht er oder sie unter und wart niemals wieder gesehen. Falls der Täter nicht clever ist, machen sie meist einen Fehler und wir verhaften sie dann. Alles easy also.“ meinte Sebastian und Evelyn nickte knapp. Sie nippte an ihrer Fanta. „Vielleicht tut uns ja jemand den Gefallen und macht einen riesigen Fehler.“ murmelte sie.

 

Gegen späten Nachmittag trafen Evelyn und Sebastian in der technischen Abteilung des Polizei Reviers ein. Dort trafen sie erneut auf Timo Kraft, welcher an seinem Rechner saß und soeben sich einen Sushi in den Mund steckte. „Am Arbeitsplatz darf doch gar nicht gegessen werden.“ warf Sebastian ein. Timo drehte sich erschrocken in seinem Drehstuhl um. Erst als es klar war das es sich nicht um seinen Chef handelte, entspannte er sich wieder und schenkte den beiden Ermittlern ein freundliches Lächeln. „Ich musste was essen und kam nicht dazu mir etwas in der Kantine zu holen.“ erwiderte Timo und zuckte seine Schultern. „Ihr kommt bestimmt nicht wegen eines Höflichkeitsbesuchs vorbei oder?“ hakte Timo nach und musterte die beiden Kommissare. „Wir möchten das du einen Mann namens Doktor Stefan Feustel überprüfst und dir alles ansiehst was es über diese Person gibt. Kontobewegungen und so weiter. Wir denken es ist unser Verdächtiger Nummer eins.“ meinte Evelyn und Timo nickte knapp. Er drehte sich wieder zu seinem Schreibtisch um und schon flogen seine Finger über die Tastatur Buchstaben. Es dauerte einige Minuten. „Das ist interessant.“ murmelte Timo vor sich hin. „Was denn?“ wollten Evelyn und Sebastian im Chor wissen. „Hier steht das ein Flugticket nach Mexiko Stadt, die Hauptstadt von Mexiko vor einer Stunde gekauft wurde und für morgen Abend gebucht wurde. Anscheinend möchte sich euer Hauptverdächtiger absetzen.“ las Timo laut vor und Evelyn warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu. „Ich rufe die Kollegen von der Streife an.“ rief Sebastian laut aus, griff zu seinem Handy und wählte die besagte Nummer. „Was ist denn los?“ erkundigte Timo sich. „Wir denken das Doktor Feustel für den Mord an drei alten Damen verantwortlich ist und er sich nun aus dem Staub machen will. Gut das wir bei dir waren. Danke Timo.“ sagte Evelyn, klopfte dem Experten anerkennend auf die Schulter und wandte sich zusammen mit Sebastian ab.

 

„Was soll bedeuten du gehst morgen weg, Stefan? Kannst du dich bitte etwas genauer ausdrücken? Ich kann dir nicht ganz folgen.“ wollte Petra Feustel wissen und sah ihren Ehemann fragend an. Dabei stemmte sie ihre Hände auf ihre Hüften. „Ich muss geschäftlich einige Zeit weg.“ log er. „Aber nach Mexiko? Als ob. Wie heißt deine neue Flamme? Sag es mir auf der Stelle.“ donnerte Petras Stimme. Sie war so groß wie er, hatte breite Schultern und langes schwarzes Haar. Ihrem Sternzeichen Skorpion machte sie alle Ehre, wenn sie ihn erst ausfragte und dann mit ihren Scherenhänden stach dachte er und schluckte einen dicken Kloß hinunter. „Es gibt keine andere Frau, Schatz. Es hat immer nur dich gegeben. Niemals jemand anders. Das weißt du auch.“ „Aber was ist es dann? Hat das etwas mit dem zu tun was die Polizei und die Medien heute gezeigt haben? Die suchen einen gefährlichen Mann, der schon drei alte Frauen ermordet haben soll. Kennst du jemanden? Willst du diese Person etwa decken?“ verlangte Petra zu wissen und Stefan zuckte seine Schultern. Ihm stand das Wasser bis zum Hals. In der Ferne meinte er Sirenen zu hören. „Ich habe diese drei Frauen erlöst. Ich weiß nicht was da für eine große Sache draus gemacht wird. Ich wollte ihnen nur helfen. Sie waren arme Seelen, die so alleine waren und ich musste reagieren.“ sagte er leise und fing sich eine Ohrfeige ein. „Das ist nicht dein Ernst, Stefan? Du hast nicht wirklich jemand....“ Petra unterbrach sich und schüttelte heftig ihren Kopf. Sie griff in ihre Hosentasche. „Was tust du da?“ wollte Stefan wissen. „Na was wohl. Ich rufe die Polizei!“ brüllte sie. Stefan biss sich auf die Unterlippe. Er überlegte fieberhaft was er nun tun sollte. Er packte im nächsten Moment den Hinterkopf seiner Ehefrau, schlug ihren Kopf gegen die Schlafzimmer Wand und stieß sie die Treppe hinunter. Petra blieb unten im Eingangsbereich des Hauses, mit offenen Augen liegen und schon im nächsten Moment klingelte es an der Haustür. Stefan glaubte sich verhört zu haben. „Polizei! Aufmachen!“ hörte er von unten. Schnell musste ihm etwas einfallen. Er fixierte die Wand, rannte darauf zu und blies sich selbst das Licht aus. Es würde wie ein Raubüberfall aussehen dachte er und schlief ein.

Kapitel 10

 

„Was soll das denn, Sakura? Wir haben unseren Mann. Er ist der Hauptverdächtige und soll seine eigene Frau im Streit die Treppe hinunter gestoßen haben. Ich denke es spielt da kaum eine Rolle ob er für den Mord an den drei Frauen auch sitzen sollte. Oder irre ich mich da?“ verlangte Evelyn zu wissen und sah die Staatsanwältin fragend an. Beide befanden sich in den kleinen Raum vor dem Verhörraum und warfen einen Blick durch das kleine eingebaute Fenster, welches von Innen wie ein Spiegel aussah. „Ich kann dir nur sagen was mein Chef mir gesagt hat, als ich ihm die gleiche Frage gestellt habe und den Verdächtigen nur wegen dem Mord an dessen Ehefrau verknacken wollte. Mein Chef meinte wir sollen ihm nachweisen das er die drei Frauen ermordet hat. Es wäre Gerechtigkeit und das nicht nur wegen den drei alten Damen sondern vielmehr für die Familien und Angehörigen der Mordopfer. Also ermitteln wir weiterhin in alle Richtungen und versuchen Beweise zu finden, welche den Mann belasten und ihn für lange Zeit hinter Gittern bringen.“ wies Doktor Zobel die Kommissare an. „Bei drei warmen Mahlzeiten am Tag und 27 Quadratmetern Wohnfläche mit eigenem Wäschedienst und Frisör, wer würde dies freiwillig ablehnen?!“ warf Sebastian ein und beide Frauen schwiegen einen Moment. „Das ist wohl wahr. Allerdings kann sich ein Gefangener nur etwa eine Stunde am Tag außerhalb seiner oder ihrer Zelle bewegen. Ob das ein gutes Leben ist.“ sinnierte Doktor Zobel. „Im Gefängnis können die Häftlinge arbeiten oder ihren Schulabschluss machen. So viele Möglichkeiten die der Staat und somit auch der Steuerzahler finanziert. Irgendwie nicht gerecht oder. Direkt in einer dunklen Zelle bei Wasser und Brot sitzen das wäre richtig so und nicht so etwas.“ murmelte Sebastian und zuckte seine Schultern. „So funktioniert es nun mal nicht mehr, Sebastian. Aber ich weiß wie du es meinst.“ sagte Doktor Zobel und legte dem Ermittler sanft eine Hand auf die rechte Schulter. Evelyn hatte bei dem Gespräch nicht mehr viel beizutragen. Sie schwieg und nippte an ihrem Kaffee. Es war schon einige Tage her, seitdem die Spurensicherung, im Mordfall Frau Meier in Aktion getreten war und vielleicht konnten sie und Sebastian, dem Kollegen Murat, einen Besuch abstatten. „Und was denkst du, Evie? Sollen wir weiter ermitteln oder es gut sein lassen?“ hakte Sebastian nach und riss Evelyn aus ihren Gedanken. „Ich denke wir sollten unsere Arbeit machen. Bisher haben wir noch jeden Täter überführen können. Das sollten wir auch in diesem Fall tun. Du kannst dich, mit Sina zusammen, ja schon mal mit unserem Hauptverdächtigen unterhalten und ich gehe ins Labor und sehe nach was es bringt. Zuvor sollten wir jedoch mit Laura telefonieren. Doktor Feustel hat behauptet er und seine Frau wurden überfallen. Wir sollten das erst checken.“ meinte Evelyn und Sebastian als auch Doktor Zobel nickten zustimmend.

 

Es klingelte einmal. Schon im nächsten Moment wurde abgenommen und eine bekannte weibliche Stimme erklang. „Hey Leute.“ begrüßte Doktor Laura Schröder die beiden Ermittler am anderen Ende der Leitung. „Wir brauchen genauere Informationen über den angeblichen Raubmord bei der Familie Feustel und dessen Verletzungen. Hast du da schon Ergebnisse, Laura?“ drängte Evelyn zu wissen. „Ich habe mir die Verletzungen in Doktor Feustels Gesicht genauer angesehen und kann sagen das er sie sich selbst zu gefügt hat. Sollte vermutlich wie ein Raubmord aussehen. Seine Ehefrau erlitt einen Schädelbasisbruch. Vermutlich als ihr Kopf gegen etwas sehr hartes und massives geschlagen wurde. Ich schicke dir meinen Bericht.“ berichtete die Gerichtsmedizinerin und legte auf. Evelyn nickte knapp, legte auf und setzte ein zufriedenes Lächeln auf. „Geht jetzt und bringt diesen Mistkerl hinter Gittern.“ forderte Doktor Zobel die beiden Ermittler auf und diese nickten zustimmend.

 

Doktor Feustel wirkte seelenruhig als Sebastian und Sina den Verhörraum betraten und sich ihm gegenüber an den Metall Tisch setzten. Sebastian legte die aktuelle Fallakte auf die Tischplatte. Dort stand ebenfalls ein Glas Wasser, welches der Zahnarzt allerdings nicht angerührt hatte. Sina warf Sebastian einen alarmierenden Blick zu. Er winkte ab. Das machte noch nichts. Die Kommissare wussten ohnehin noch nicht ob sie eine DNS Probe brauchten oder nicht. „Guten Tag Herr Doktor Feustel. Mein Name ist Sina Storck. Ich bin Polizei Obermeisterin und möchte Ihnen einige Fragen stellen.“ stellte sich Sina vor und deutete auf Sebastian. „Und das ist Hauptkommissar Sebastian Henning. Er hat ebenfalls einige Fragen an sie.“ stellte Sina auch ihren Kollegen vor und blieb ruhig. Sie wollte dem Hauptverdächtigen keine Chance bieten das er etwas gegen sie vor Gericht anführen konnte. Doktor Feustel verzichtete noch auf einen Anwalt. Dies konnte sich jeder Zeit verändern und dann würde es nicht mehr so einfach werden. Ein Geständnis wäre Sina und Sebastian sehr recht. „Ich weiß überhaupt nicht was ich bei Ihnen auf dem Revier überhaupt soll. Ich wurde nieder geschlagen und was mit meiner Frau passiert ist, hat mir noch immer niemand erzählt.“ murmelte Feustel und schüttelte seinen Kopf. Die beiden Ermittler sahen sich fragend an. „Ihre Frau ist nicht mehr am Leben, Doktor. Sie wurde bei ihrem Streit getötet.“ sprach Sebastian aus was Sina so eben dachte. Doktor Feustel wich die Farbe aus dem Gesicht. Ihm fiel die Kinnlade hinunter. „Ich habe ihr nichts getan. Ich könnte niemals meiner Petra etwas antun.“ entfuhr es den Zahnarzt. Dieser senkte seinen Kopf und vergrub ihn unter seinen Händen. Er begann zu schluchzen. Sina und Sebastian schauten erneut zu einander und zuckten ihre Schultern. „Wie konnte das dann passieren, Doktor Feustel? Alle Beweise sprechen dafür das sie im Zorn ihre eigene Ehefrau mit dem Kopf gegen die Wand oder einen harten Untergrund geschlagen haben, wodurch diese sich einen Schädelbasisbruch zu gezogen hatte und schon tot war, ehe sie die Treppe runter geflogen ist. Können Sie uns das bitte erklären.“ bat Sebastian und schaute den Mann direkt an. „Ein Mann war in unserem Haus. Er hat sich hinein geschlichen und angefangen im Wohnzimmer unten Krach zu machen. Ich wollte gerade nach sehen, als der Mann oben aufgetaucht ist und wir gekämpft haben. Das Judo das ich in meiner Kindheit lernte kam gut zur Geltung. Aber ich bin wohl schon eingerostet weil der Mann mir gegen die Stirn getreten hat und ich mein Bewusstsein verloren habe. Was dann passiert ist, kann ich ihnen nicht sagen, Herr Henning.“ meinte Doktor Feustel ohne aufzublicken. Dann hätte er in fragende Gesichter geblickt, welche ihm seine Geschichte nicht geglaubt hatten. „Ich denke wir kommen gleich wieder auf Sie zu.“ sagte Sina trocken, stand auf und verließ mit Sebastian zusammen den kleinen Verhörraum.

 

„Sag mal. Der will uns doch zum Narren halten oder?“ ereiferte Sina und stemmte ihre Hände in ihre Hüften. Sebastian zuckte seine Schultern. „Die Spurensicherung hat doch alles überprüft und konnte keine weitere Person ausmachen oder?“ hakte Sebastian nach und Sina schaute ihn fragend an. „Willst du sagen du glaubst dem Kerl?“ verlangte sie entsetzt zu wissen. Sebastian winkte ab. „Nein. Ich dachte nur dass das Gericht vielleicht diese Frage stellen könnte und dann sollten wir uns absichern. Ich rufe Evelyn an und informiere sie.“ sagte Sebastian und griff augenblicklich zu seinem Handy. Sina hingegen drehte sich zum Fenster um. Doktor Feustel hatte inzwischen begonnen Fingernägel zu kauen. Vermutlich ein Zeichen das ihn verriet. Vielleicht hatte er einmal zu viel gelogen und verstrickte sich selbst in ein Geflecht aus Lügen. Sina war sich sicher das sie vor dem Ende ihres Falls standen.

Kapitel 11

 

Während Sebastian und Sina im Verhörraum zu tun hatten, wollte sich Evelyn direkt selbst im Labor bei der Spurensicherung ein Bild von den Beweisen machen. Sie traf Luise Lichtenstein, ihre gute Freundin, auf dem Weg zu Murat. „Wohin des Weges?“ wollte Luise wissen und versuchte mit Evelyn Schritt zu halten. „Ich muss zu Murat und fragen was er heraus gefunden hat. Wir haben einen Hauptverdächtigen und wollen ihn des Mordes an vier Frauen überführen. Ich brauche Antworten.“ sagte Evelyn tonlos und marschierte voran in Richtung Laborraum Eins, in dem Murat zu tun hatte. Die Tür flog auf und Murat erschrak sich. Er ließ vor lauter Schrecken seinen Döner fast allen. Luise trat vor und stemmte ihre Hände auf ihre Hüften. „Was habe ich zu Essen am Arbeitsplatz gesagt?“ fragte sie genervt und Murat zuckte seine Schultern. „Ich erinnere mich nicht an ein solches Gespräch. Muss wohl auf kommene Demenz sein.“ murmelte Murat und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Luise hingegen rollte ihre Augen. „Können wir uns nun bitte meinem Anliegen widmen.“ drängte Evelyn genervt. Murat und Luise nickten zustimmend. Einen Augenblick später hielt er ein Dokument in seinen Händen, welches er an Evelyn weiter reichte und sie einen Blick darauf warf. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Ähm. Und das ist wirklich alles?“ hakte sie nach. „Leider ja. Wir haben zwar in der Praxis des Zahnarztes eine leere Spritze mit DNS des letzten Opfers auf der Nadel gefunden und verschmierte Fingerabdrücke, können diese jedoch nicht eindeutig zu ordnen. Es könnte durchaus sein dass das Opfer eine Narkose Spritze erhalten hat und dann würde auch DNS an der Nadel hängen bleiben. Deshalb kann ich dir nichts genaueres sagen, Evelyn.“ berichtete Murat und Evelyn senkte ihren Blick. „Was würden wir also brauchen?“ hakte Evelyn nach. „Ein Geständnis wäre gut.“ erinnerte Luise und Evelyn nickte knapp. „Ich glaube kaum das wir eines bekommen werden. Der Mann ist nicht dumm. Er würde vielleicht noch den Mord an seiner eigenen Ehefrau zugeben, allerdings nicht den Mord an den drei alten Damen. Dazu hält er sich für zu clever.“ murmelte Evelyn. „Dann hol dir Fingerabdrücke mit Gerichtsbeschluss, Evie. Das könnte uns schon etwas weiter bringen.“ warf Luise ein und Evelyn nickte knapp. „Es sei denn die Beweislage ist sehr dünn, dann bringen uns Fingerabdrücke auch nicht viel.“ erinnerte Murat und erhielt die volle Aufmerksamkeit der beiden Frauen. „In wie fern?“ riefen beide Frauen im Chor. Murat zuckte seine Schultern. „Na was wissen wir denn und was können wir mit forensischen Indizien auch beweisen?! Wir wissen vier Frauen sind tot, ermordet und der Täter vermutlich der Zahnarzt. Ungewöhnlich. Früher wäre es immer der Gärtner gewesen.“ kommentierte Murat und kicherte als er sich an die alten Krimis aus dem Fernsehen erinnerte. „Bitte komm zur Sache, Murat.“ drängte Luise. Murat lief plötzlich rot im Gesicht an. „Hey, Lu. Ich muss doch bitten.“ scherzte er und fing sich einen finsteren Blick ein. Er räusperte sich. „Jedenfalls haben wir alles gründlich durchsucht und alles überprüft und kaum Beweise gefunden, welche den Zahnarzt mit den drei Verbrechen in Verbindung bringen können und ich muss leider sagen das es mir leid tut, Evelyn. Ohne ein Geständnis können wir leider nichts machen um den Kerl dessen zu überführen.“ sagte Murat und schon fiel Evelyn die Kinnlade hinunter. „Ist das sicher?“ fragte Evelyn und wandte sich somit an Luise, welche schwieg und zustimmend nickte. „Das gefällt mir gar nicht.“ brummte Evelyn. „Ihr habt ihn doch am Sack wegen dem Mord an seiner Ehefrau. Reicht das nicht?“ wollte Murat wissen. „Mir nicht! Wenn der Hauptverdächtige niemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, kann er sich da bestimmt raus winden und auf Unzurechungsfähigkeit plädieren und bekommt vielleicht Bewährung und Sozialstunden. Ist ja leider schon alles passiert.“ erklärte Evelyn und griff zu ihrem Handy als dieses soeben klingelte. „Ich muss los.“ sagte sie noch, hob ab und lauschte der Stimme ihres Kollegen.

 

„Wie lange muss ich denn noch warten bis man mich endlich entlässt?“ wollte Doktor Feustel wissen und schüttelte seinen Kopf. Inzwischen war eine Stunde vergangen. Sina und Sebastian hatten versucht an ein Geständnis zu kommen, hatten jedoch keine Chance gehabt und mussten schließlich aufgeben. Nun standen sie immer noch draußen vor dem Raum und unterhielten sich bei einer Tasse Kaffee. Sina nippte an ihrem Espresso und schaute über ihre linke Schulter als sie näher kommende Schritte vernahm. Sie drehte sich um und warf Evelyn ein freundliches Lächeln zu. „Warst du erfolgreich?“ wollte Sina wissen und Evelyn winkte ab. „Nicht wirklich. Die Spurensicherung kann keinen der Mordfälle eindeutig dem Verdächtigen zuweisen. Ich soll auf ein Geständnis drängen, ansonsten können wir es vergessen.“ erwiderte sie und beide Kollegen schauten sie ausdruckslos an. „Gar keine Verbindung zwischen dem Hauptverdächtigen und den drei alten Damen?“ hakte Sebastian nach. „Nicht direkt.“ erwiderte Evelyn und beide Kollegen holten einmal tief Luft. „Und was jetzt? Wir können den Kerl doch nicht einfach mit einem dreifachen Mord davon kommen lassen.“ erinnerte Sina und Evelyn zuckte ihre Schultern. „Ich gehe hinein und sehe was ich tun kann. Vielleicht erfahre ich etwas.“ sagte sie entschlossen, drückte den Türgriff hinunter und betrat den kleinen Verhörraum.

 

Mit gemischten Gefühlen nahm sie gegenüber von dem Verdächtigen Platz und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. Sie schaltete das Mikrophon und das Aufnahmegerät ein, welches ebenfalls sich im Raum befand. Sie war guter Hoffnung das Doktor Feustel mit ihr reden würde. Der Zahnarzt lehnte sich ein Stück weit nach vorne. „Ich erinnere mich jetzt woher ich den Namen Evelyn Beck kenne. Und zwar aus dem Fernsehen. Sie waren schon öfters drinnen. Sie sind eine bekannte Person der Öffentlichkeit, Frau Beck. Sie haben schon viele Fälle gelöst und wollen mit mir den nächsten Fall zu einem Ende bringen, nehme ich an.“ zählte er die Fakten zusammen und Evelyn nickte stumm. „Und was wenn ich nichts mehr ohne meinen Anwalt sagen will? Was wollen Sie dann tun?“ fragte Feustel nach und Evelyn zuckte gelangweilt ihre Schultern. Sie lehnte sich zurück und gähnte einmal herzhaft. In ihrer Jacke hatte sie ein Exemplar von der Wolfsburger Tageszeitung, welches sie aufklappte und so tat als würde sie konzentriert lesen. Dies schien den Zahnarzt wahnsinnig zu machen. Sein Gesicht verfinsterte sich plötzlich. „Könnten Sie sich bitte wieder mir und somit ihrem Fall widmen, Frau Beck?“ bat Feustel und Evelyn zuckte nur ihre Schultern. „Ich habe das Horoskop noch nicht gelesen. Bitte stören Sie mich also nicht.“ zischte sie und der Zahnarzt verlor die Fassung. Er schlug mit der Faust auf die Tischplatte. „Ich habe diese drei alten Schachteln ermordet. Sie kamen zu mir und erzählten mir von ihrem schlechten Leben und das sie alleine keinen Sinn mehr hatten. Ich konnte es nicht mehr hören und bot an ihnen zu helfen auf die andere Seite zu kommen. Also spritzte ich ihnen Luft in die Venen und warf sie dann auf den Müll. Anders hatten es diese Weiber nicht verdient. Und meine Frau Petra, hätte mal lieber auf meiner Seite sein sollen. Bleed Kuh.“ fauchte der Zahnarzt. Evelyns Gesicht hellte sich auf. Sie ließ die Zeitung sinken und schaute dem Hauptverdächtigen in die Augen. „Danke für ihre Kooperation, Herr Doktor Feustel.“ rief sie vergnügt und erst in diesem Moment begriff der Zahnarzt was ihm soeben raus gerutscht war.

Epilog

 

Zwei Tage später saßen Evelyn und ihre Tochter Anita Kramer in dem kleinen Cafe zusammen, welches Evelyn auch mit Luise oder Sakura manchmal besucht hatte. Es lag gegenüber von dem Gebäude in welchem sich die Spurensicherung und die Pathologie befanden. Es hatte ein schönes Ambiente und war sehr gemütlich. Evelyn hatte sich einen Pfefferminz Tee bestellt, während ihre Tochter sich einen Cappuccino bestellt hatte und einen Muffin dazu. „Ich habe von deinem gelösten Fall gehört, Mama. Du hast das richtig gut gemacht. Ich bin sehr stolz auf dich.“ sagte Anita und nippte am Milchschaum ihres Heißgetränks. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Echt? Und woher weißt du davon? Ich dachte du liest keine Zeitung mehr, weil das so alt ist und junge Leute das nicht mehr mögen.“ erinnerte Evelyn ihre kleine Tochter und diese zuckte ihre Schultern. „Ich bin Sechsundzwanzig, Mama. Da liest man schon noch. Ich glaube ich lese mehr als du. Du schaust dir ja wirklich nur das Horoskop an. Ich für meinen Teil lese gerne Klatsch und Tratsch. Man muss schließlich wissen was die Promis so machen. Und da du auch ein Promis bist, wollte ich auf dem laufenden bleiben.“ erklärte Anita und lächelte. „Ich dachte ihr jungen Leute nutzt dazu eure Handys.“ warf Evelyn ein. Anita zuckte ihre Schultern. „Ich nutze was mir die Natur gegeben hat.“ scherzte sie und schon musste auch Evelyn lächeln. „Ich hoffe dass der Zahnarzt lange sitzen wird.“ warf Anita ein. „Das glaube ich auch. Ich werde meine Aussage bei Gericht machen und dann sehen wir was es bringt. Aber ich bin zuversichtlich dass der Zahnarzt lange ins Gefängnis wandert. Er hat schließlich vier Menschen ermordet.“ meinte Evelyn, nippte an ihrem Tee und winkte eine Person heran, welche soeben das kleine Cafe betreten hatte. Es handelte sich um Sebastian Henning, ihren Kollegen. Sebastian zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu den beiden Frauen an den Tisch. „Hallöchen meine Lieben.“ sagte er und reichte Anita die Hand. „Ani, dass ist Sebastian mein Kollege. Ich wollte das ihr euch kennen lernt. Auch wenn er Ende des Jahres nach New York geht, werden wir trotzdem befreundet bleiben und ihn eventuell eines Tages dort besuchen. Nach New York wollte ich schon immer mal gehen.“ sagte Evelyn, bestellte für ihren Kollegen einen Milchkaffee und schon begann er etwas mehr über seinen Abgang in die USA zu berichten.

 

Evelyn war froh endlich eine Familie zu haben. Die Jahre ohne Familie waren nicht schön. Sie freute sich nun auf die Zukunft. Auch wenn sie diese bald ohne ihren Kollegen erleben musste. Dennoch hatte sie ihre Tochter vor drei Monaten wieder gefunden und ein neues Leben konnte kommen. Wo auch immer ihr Sohn Simon war. Vielleicht hatte er ja etwas mit ihrem Lebensweg zu tun und hatte ihr einen Schutzengel geschickt, überlegte sie, schüttelte ihre Gedanken ab und nippte an ihrem Tee. Dabei lauschte sie den Gesprächen von Anita und Sebastian und atmete erleichtert aus.

 

Ende

 

 

Vom: 6. bis 12. Oktober 2023

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.12.2023

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Freunde. Cover von K. Gelbrecht

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