Cover

Prolog

Peter sitzt in der Schule und macht Hausaufgaben. Er schaut aus dem Fenster und dachte sich, warum sollte ich jetzt Hausaufgaben machen, wenn ich nicht jemand anderes beauftragen kann. Einer wird sich finden, der für mich meine Hausaufgaben macht.

 

Peters Blick schweift umher und bleibt bei Malte hängen. Malte ist der beste Schüler in der Klasse von Frau Diehl. Mit seinen kurzen blonden Haaren und den blauen Augen, sieht er irgendwie wie ein Strahlemann aus. Malte ist zwar der beste Schüler, dafür rastet er schnell aus und hat keine Manieren. Dennoch überlegt Peter ob er sich nicht, gegen Bezahlung, von Malte helfen lassen soll. Wenn Malte seine Hausaufgaben erledigt, wird Peter, der beste Sportler und Mädchenschwarm, dem eher unauffälligen Malte zu seiner ersten Freundin verhelfen.

 

So klappte Peter sein Geschichtsbuch wieder zu, packte seine Stifte ein, die er achtlos in sein Lederstift Etui warf und packte rasch alles in seinen Schulrucksack ein. Er schob den Stuhl achtlos weg, so mit Schwung, das der Stuhl kippelte, aber nicht umfiel. Dann machte er sich auf dem Weg und schlenderte aus dem Klassenraum, in den Pausenhof, wo er Malte mit seinem Geschichtsbuch sah und er gerade konzentriert darin mit Bleistift, Stichworte filterte, die er dann für seinen knappen einseitigen Aufsatz dann nutzte. "Hey Malte, was geht?" Malte zuckte auf, nahm noch den letzten Stichpunkt auf, und schaute verwirrt hoch zu Peter, der breit grinsend über ihm stand. Erst kam Überraschung, dann ein eher etwas verärgerter Ausdruck. Stirnrunzelnd und etwas forsch antwortete Malte ihm dabei war seine Haltung eine andere. Gerade noch war der Bleistift noch locker in der Hand, nun umklammerte er ihn als wollte er gleich jemanden erdolchen.

 

Malte, ist zwar der beste Schüler der ganzen Klasse, rastet allerdings sehr schnell aus und schlägt um sich. Einmal hatte er den Direktor geschlagen oder sich in die Hosen gemacht. Mit dem Autisten, Malte, war immer etwas los. Peter hatte zum Glück noch seine Freundin Isabella, welche in der Parallelklasse war und sie zusammen waren. Schon sechs Monate. Vielleicht würde sie ihn bald ran lassen. Zumindest erhoffte Peter sich das. Er wollte nicht ewig auf die Jungfräulichkeit seiner Freundin warten müssen. „Was kann ich für dich tun, Peter?“ wollte Malte wissen, ohne auf zu sehen und Peter stemmte seine Hände in seine Hüften. „Ich wollte dich fragen ob du mir eventuell bei meinen Hausaufgaben helfen könntest. Und wenn ich sage helfen, meine ich natürlich, diese machen. Ich würde dich bezahlen wenn du das willst. Oder ich stelle dich meiner Ex Sanaz vor, wenn du das willst. Sie ist ein echt heißer Feder und kann gut entjungfern, falls du verstehst was ich dir sagen möchte.“ schlug Peter vor und enthüllte dabei seine weißen Zähne. Malte legte verdutzt seine Stirn in Falten. „Wieso kommst du darauf das ich auf Mädchen stehe?“ entgegnete Malte und Peter zog überrascht eine Augenbraue nach oben. „Wenn du schwul bist, habe ich damit überhaupt keine Probleme. Dann kann ich dir Viktor empfehlen. Er ist ein echt hübscher Kerl. Ich bin eh Poly sexuell.“ rief Peter laut aus und hob seine Hände. Malte sah ihn fragend an. „Was ist denn das?“ fragte er neugierig. Peter zuckte seine Schultern. „Das bedeutet ich kann schlecht monogam leben. Also ich brauche ständig wechselnde Partner und bin daher immer auf der Suche.“ Peter unterbrach sich und schaute Malte direkt an. „Was ist jetzt, Malte? Hilfst du mir? Bitte.“ bat Peter und schon nickte Malte zustimmend. Peter grinste zufrieden. Er konnte wieder jemanden manipulieren. Vielleicht sollte er doch in die Politik gehen. Peter ging zurück an seinen Tisch, setzte sich und zog seinen Stuhl näher. Nun schrieb er seiner Freundin eine Nachricht und hoffte es würde heute Nacht, endlich zur Sache gehen...

Kapitel 1

 

Für den März war es noch recht frisch, dachte Evelyn Beck als sie zusammen mit ihrem Kollegen und Freund, Sebastian Henning, mit dem Dienstwagen zum neusten Fundort der Leiche fuhr. Sie hatten bisher nichts genaues gehört, nur dass es sich um eine weibliche Leiche handelt und dazu eventuell um die vermisste Schülerin aus der Heinrich Schule. Die Heinrich Schule wurde vor fünf Jahren eröffnet und nach dem damaligen Bürgermeister benannt, welcher nun nicht mehr im Amt war. Im Amt war ein junger Mann von Bündnis 90 Grüne. Dieser wollte die Stadt, Umweltfreundlicher machen und versuchte die vielen Automobile zu verbieten. Was in Wolfsburg der Autostadt nicht möglich war. Dennoch bemühte sich der neue Bürgermeister Fellner, den Evelyn Anfang des Jahres schon einmal persönlich getroffen hatte. Es war im Januar 2024, diesen Jahres, gewesen. Damals hatte es eine Spendenaktion der Polizei gegeben und eine Pokerrunde fand statt, an der auch Evelyn und ihr Kollege teil genommen hatten. Sie konnte gut ihre Gefühle verbergen und andere in die Irre führen. Darin war sie gut. Drei Tage vorher hatte sie auch Geburtstag gehabt, den sie dank Sebastian nicht hatte alleine feiern müssen und war ihm dankbar deswegen. Bei dem Pokerspiel setzte der Bürgermeister seinen gesamten Pott und verlor gegen ein Royal Flash von Evelyn. Diese war den ganzen Abend richtig gut drauf gewesen und erspielte sich eine viertel Million Euro, welche sie an ein Kinderkrankenhaus spendete. Daraufhin wurde der Westflügel nach ihrem verstorbenen Sohn Simon benannt, was Evelyn über glücklich machte. Sie weinte und das vor so vielen Menschen vor Freude. Früher hätte sie dies niemals getan. Der Oberarzt versicherte ihr dass der Westflügel immer zu den Namen ihres Sohnes tragen würde, auch wenn sie nicht mehr Leben würde. Dennoch würde das Krankenhaus ihre Geste nicht vergessen. Dies hatte der Chef des Krankenhauses eingetragen.

 

„Wohin fahren wir genau?“ wollte Evelyn wissen und schüttelte ihre Gedanken ab. Sebastian sagte erst nichts, sondern schaute konzentriert auf die Straße. Es hatte letzte Nacht noch einmal Schneeregen gegeben und somit musste Sebastian auf die Straße und den Verkehr achten, wenn sie nicht auf dem Dach landen wollten. „Nach Vorsfelde hinaus. Dort wurde die Leiche gefunden. Mehr kann ich dir auch nicht dazu sagen.“ antwortete er und blickte erneut auf die Straße. „Dann spannen uns die Kollegen ganz schön auf die Folter.“ warf Evelyn ironisch ein und Sebastian reagierte nicht. „Ist irgendetwas los?“ hakte sie dennoch nach. „Mein Vater hat noch drei Monate zu leben und meine Schwester Sabrina nervt mich ständig damit das ich ihn noch besuchen und ihm vergeben soll. Das nervt mich tierisch ab. Ich weiß du kannst nichts dafür, Eve. Aber ich weiß nicht wohin mit meiner Laune.“ murmelte Sebastian und umklammerte das Lenkrad fester. Dabei waren die Knöcheln an seiner Hand deutlich zu erkennen. Evelyn konnte ihn verstehen. Sie hatte keine Eltern mehr. Zumindest keine mit denen sie noch etwas zu tun haben wollte. Diese verhielten sich als hätte es Simon niemals gegeben. Als wäre er niemals bei ihnen gewesen. Wie konnten sie ihn so schnell vergessen und sich ihren anderen Dingen widmen und zu ihr sagen sie würde ihr Leben mit Trauer verschwenden. Sie litt unter dem Verlust ihres Kindes. Simon sollte in acht Tagen eigentlich Geburtstag haben, den er nicht mehr erlebte, da er vor sechs Jahren aus dem Leben gegangen war. Ein Gendefekt beendete sein kurzes Leben im Alter von Drei Jahren. Ihre Ehe ging zu Bruch und sie zog sich emotional zurück. Damals arbeitete sie nicht mit Sebastian zusammen. Damals noch mit Nils, der bald darauf, sich versetzen ließ. Evelyn schüttelte ihre Gedanken an früher ab. Dank ihrer Therapie bei der Turboschnecke ging es langsam Bergauf. Und es hatte nur fünf Jahre gedauert.

 

Am Fundort der Leiche, wartete bereits Streifenpolizist, Jens Wizmeier und die Kollegen von der Spurensicherung, welche Fotos von der Leiche und der Umgebung machten, um später alle Beweise zu ordnen zu können. Sebastian stoppte den Dienstwagen einen Moment später. Sie würden die zehn Meter laufen. Evelyn und ihr Kollegen stiegen aus. Sie marschierte nun auf die kleine Gruppe von Leuten zu. Dabei durchquerten sie das Absperrband der Polizei und ließen es hinter sich. Wizmeier reichte den beiden Hauptkommissaren von der Mordkommission die Hand zur Begrüßung. „Es freut mich Sie zu sehen, Frau Beck.“ sagte Wizmeier und schaute zu Sebastian. „Sie natürlich auch, Herr Henning.“ sagte Wizmeier etwas verlegen. Sebastian winkte ab. „Was ist denn hier passiert? Im Funk hieß es, es handle sich um die vermisste Schülerin der Heinrich Schule. Ist das korrekt?“ erkundigte Sebastian sich und Wizmeier runzelte seine Stirn. „Das kann ich Ihnen nicht genau sagen, Herr Henning. Ich kann Ihnen nur sagen um wen es sich bei der Leiche handelt. Ich habe die Personalien dem Personalausweis entnommen, den ich in der Handtasche des Opfers gefunden habe.“ berichtete Wizmeier. „Um wen genau handelt es sich, Wiz?“ wollte Evelyn wissen und zog ihre Stirn in Falten. „Das Opfer heißt Isabella Strohmann. Sie ist gerade einmal 17 Jahre alt. Schülerin auf der Heinrich Schule und kurz vor dem Abschluss. Zumindest stand das in dem kleinen Notizblock den das Opfer in ihrer Handtasche hatte. Alles weitere habe ich Murat von der Spurensicherung überreicht.“ verkündete Wizmeier und schon machten sich Evelyn und Sebastian ihre Notizen. Der Fundort war ein kleines Waldstück. Hier kamen Menschen her wenn sie abschalten wollten oder einfach nur gerne joggen gingen.

 

Evelyn schaute sich die Leiche nun genauer an. Sie kniete neben dem jungen Mädchen nieder. Das lange braune Haar war lockig, die Augen weit aufgerissen und der Kopf blutig. Evelyn verzog ihr Gesicht. Die junge Frau trug ein langes weißes Kleid mit Blümchen. Dazu passende Schuhe. Direkt neben ihrem Kopf lag die vermutliche Mordwaffe. Eine Eisenstange. Diese war mit Blut verschmiert. „Bitte ohne Handschuhe nichts anfassen.“ bat eine bekannte Stimme. Evelyn musste sich nicht umdrehen um zu wissen das es sich nur um Murat Sentürk handeln konnte. Der etwas mollige Türke, war für den Außeneinsatz zuständig und würde immer an einem Tatort ermitteln und alle Indizien sammeln, welche von seiner Chefin Luise, untersucht werden sollten. Evelyn musste zugeben das die Kripo Wolfsburg ein schlagfertiges Team war das viele Fälle bereits gelöst und einige sicherlich noch lösen würde. Murat hatte einen schwarzen Vollbart und schwarzes kurzes Haar. Passend zu seiner Erscheinung, trug er einen Ganzkörperanzug und eine Gesichtsmaske dazu. „Hatte ich nicht vor, Murat. Ich hoffe doch du kannst mir schon etwas sagen.“ erkundigte Evelyn sich und erhob sich wieder. „Leider noch nicht. Allerdings sieht es so aus als sei der Fall, Sonnenklar. Das Opfer wurde hier her gelockt, erschlagen und die Mordwaffe im Affekt hier gelassen. Vielleicht wollte der Mörder gar keinen Mord begehen und es sollte nach Totschlag aussehen. Jedenfalls stimmt irgendetwas an diesem Bild nicht.“ mutmaßte Murat und zuckte seine Schultern. „Gut das wir uns keine Meinung bilden und stets den Beweisen vertrauen, lieber Murat.“ erinnerte Evelyn den jungen Spurenermittler und wandte sich ab. Sie marschierte zu ihrem Kollegen, der inzwischen mit dem Assistenten der Gerichtsmedizin gesprochen hatte. „Was neues?“ hakte sie nach. Sebastian schüttelte seinen Kopf. „Die Pathologie wird die Leiche gleich mitnehmen. Ich denke wir sollten die Eltern des Opfers ausfindig machen und ihnen unser Beileid aussprechen.“ schlug Sebastian vor und Evelyn nickte zustimmend.

 

Malte erwachte und schaute sich um. Er befand sich im Allerpark. Einem Uferpark am Badesee und war nackt. Wie kam er hier her? Und was war letzte Nacht passiert? Er schüttelte seinen Kopf und überlegte fieberhaft was passiert war.

Kapitel 2

 

Das Haus der Familie Strohmann befand sich ebenfalls in Vorsfelde. Dort befand sich auch die Heinrich Schule. Evelyn fand es merkwürdig. Normalerweise suchten sich Straftäter einen anderen Ort für ihr Verbrechen, als die eigene Haustür aus. Dieser Fall versprach wohl so einige Geheimnisse, welche sie und ihr Kollegen nun aufdecken wollten. Es war ein schönes Einfamilienhaus. Efeu wuchs an der Fassade entlang. Im Vorgarten lag Spielzeug. Vermutlich waren kleinere Kinder anwesend. Evelyn zog ihr dunkelblaues Hemd zurecht und betätigte die Klingel. In der Einfahrt standen zwei Autos. Ein Mercedes und ein Seat. Evelyn runzelte ihre Stirn. Vermutlich hatte die Familie Geld. Vielleicht war das Mordopfer mit geplanter Absicht ermordet worden um ein Zeichen zu setzen. So etwas war nicht nur einmal vorgekommen, überlegte Evelyn und öffnete nun das kleine Gartentor und betrat zusammen mit Sebastian das Grundstück. Als die Eingangstür sich öffnete, stand ein groß gewachsener Mann mit breiten Schultern und müden Augen in der Tür und reichte ihnen zur Begrüßung die Hand. „Manfred Strohmann, mein Name. Es freut mich Sie kennen zu lernen. Ich hoffe Sie wissen etwas über den Verbleib meiner Tochter Isabella? Wurde sie gefunden? Ist sie im Krankenhaus?“ viele Fragen stellte Herr Strohmann und klang verzweifelt. Evelyn hielt ihn schon einmal nicht für den wahren Täter. Sie konnte inzwischen einen Menschen sehr gut einschätzen und zwischen den Zeilen lesen. „Können wir das eventuell nicht hier draußen besprechen?“ fragte Evelyn nach. Strohmann nickte, trat beiseite und ließ die beiden Beamten eintreten.

 

Im Inneren des Hauses war es wunderschön. Ein dezentes Licht erhellte den dunklen Bereich im Flur. An den Wänden hingen sehr viele Bilder von Personen, welche vermutlich Verwandte und Familie darstellten. Einige Urkunden von den Bundesjugendspielen waren ebenfalls zu sehen. Dort standen Namen wie Isabella, Jörg und Steffen. Isabella war somit die einzige Tochter der Strohmanns. Evelyn hielt inne. Sie wurden ins Wohnzimmer geführt. Hier stand nicht nur ein Piano und eine Gitarre, sondern auch eine Urne. Die Urne eines Menschen. Evelyn deutete darauf. „Das ist meine Mutter Gerda. Ich habe sie bewusst nicht auf dem Friedhof beisetzen lassen. Ich weiß das verstößt gegen das Gesetz. Ich nehme dazu auch eine Strafe in Kauf.“ sagte Herr Strohmann ruhig und Evelyn biss sich auf die Unterlippe. „Eigentlich ist es gegen das Gesetz, Herr Strohmann. Wir sind nicht die USA. Bei uns müssen Urnen, außer die von Tieren, auf dem Friedhof sein und dort ihre letzte Ruhe finden.“ erinnerte sie und Strohmann erstarrte. „Wir sind allerdings nicht die von der Sitte. Wir werden das nicht melden. Wir sind wegen etwas anderem hier.“ warf Sebastian ein. Strohmann atmete erleichtert aus. „Bitte nehmen Sie Platz. Wollen Sie etwas trinken?“ fragte Strohmann freundlich.

 

Beide schüttelten ihre Köpfe und nahmen auf der Couch Platz. Strohmann setzte sich gegenüber in den Sessel, schlug seine Beine übereinander und legte seine Hände in den Schoß. Er schaute abwechselnd von Evelyn zu Sebastian und wieder zurück. „Was wollten Sie mir denn mitteilen?“ hakte er nach und Evelyn warf Sebastian einen vielsagenden Blick zu. Nun kam der Teil ihres Job den sie nicht mochte. Jemandem von dem Tod eines geliebten Familienmitglieds zu berichten, war schwer. Sie wusste wie es sich anfühlte. „Ihre Tochter Isabella...“ begann Evelyn und brach ab. „Sie ist ein Engel. Sehr schlau und begabt. Sie wird bestimmt einmal Ärztin.“ rief Strohmann enthusiastisch und strahlte übers ganze Gesicht. „Wir müssen Ihnen leider sagen, dass ihre Tochter Isabella, heute Morgen tot aufgefunden wurde.“ verkündete Evelyn und sah zu wie jegliche Freude aus dem Gesicht des Mannes verschwand.

 

„Hatte ihre Tochter irgendwelche Feinde? Jemand der oder die sie nicht leiden konnte? Jede Kleinigkeit könnte uns bei unseren Ermittlungen weiter bringen.“ warf Sebastian ein. Er hatte einige Minuten gewartet ehe er Strohmann mit Fragen bombardierte. Dieser war erstarrt. Er konnte es nicht glauben. Am liebsten wäre er zusammen gebrochen. Strohmann schüttelte mehrfach seinen Kopf und schaute aus dem Fenster, zum wolkenlosen Himmel hinauf. Dort stellte er sich vermutlich nun seine Tochter vor. In der realen Welt war seine Tochter fort. Sie würde, nach den Ermittlungen, beigesetzt werden und dann konnte die Familie versuchen ein normales Leben zu führen. Strohmann wischte Tränen aus seinem Gesicht. Manchmal waren die Täter innerhalb der Familie so dass Evelyn und ihr Kollege, nicht hatten ermitteln müssen und die Lage feststand. In Strohmanns Fall schien er wirklich ein liebevoller und besorgter Vater zu sein. Seine Trauer schien jedenfalls echt zu sein, dachte Evelyn und reichte dem Mann ein Taschentuch. „Ich kann das alles gar nicht fassen. Meine Isabella soll tot sein? Ich habe noch vor zwei Tagen mit ihr gesprochen. Wir haben uns gestritten.“ entfuhr es den trauernden Mann und Evelyn wurde hellhörig. „Worum ging es in dem Streit?“ hakte sie nach und griff zu ihrem Notizblock. „Ach um diesen Jungen. Ich weiß schon gar nicht mehr seinen Namen. Ich weiß nur das wir diesen unnötigen Streit hatten und es nun das letzte Mal gewesen ist, dass sie und ich miteinander geredet haben. Kurz darauf ist sie weg gelaufen und dann sind Sie nun gekommen.“ schniefte er und trocknete sich die Tränen ab. Evelyn presste ihre Lippen aufeinander. „Meine Tochter hat sich vielleicht nicht immer mit allen gut verstanden, aber Feinde, hatte sie nicht.“ antwortete Strohmann dennoch auf die Frage und schüttelte heftig seinen Kopf. „Ich bin verflucht. Zuerst meine Mutter, dann verlässt mich meine Frau und jetzt verliere ich meine einzige Tochter. Das kann nicht sein. Bitte sagen Sie mir das sie schon Indizien haben, welche zu dem Schwein führt, was meine Tochter auf dem Gewissen hat?“ wollte Strohmann wissen und Evelyn schüttelte ihren Kopf. „Wir haben vor drei Stunden erst von dem neusten Fall erfahren und sind sofort zum Fundort der Leiche gefahren. Sie sind unsere erste Anlaufstelle. Deshalb müssen wir Ihnen so viele Fragen stellen, Herr Strohmann. Ich hoffe Sie tragen uns nichts nach.“ sagte Evelyn mit sanfter Stimme und legte Strohmann eine Hand auf dessen Hände. „Ich kann Sie durchaus verstehen. Ich weiß Sie machen nur ihre Arbeit. Nur kann ich Ihnen nicht viel helfen. Ich habe zuletzt recht wenig am Leben meiner Tochter teilgenommen. Und ich kann es nun nicht mehr ändern. Ich hoffe sie wusste wie sehr ich sie geliebt habe.“ „Bestimmt. Kinder wissen immer das wir Eltern sie über alles lieben und immer lieben werden.“ flüsterte Evelyn und warf Sebastian einen Blick zu. „Darf ich mal auf die Toilette?“ fragte Sebastian. Strohmann nickte stumm und schon wandte sich Sebastian ab. Sebastian wollte sich noch etwas im Haus umsehen um andere Eindrücke zu erhalten. Evelyn saß bei dem trauernden Vater. Sie wusste wie er sich fühlte. Beide hatten ein Kind verloren. Ihr Sohn wurde nicht ermordet. Dennoch aus dem Leben gerissen. Evelyn überlegte. Noch vor drei Tagen war Isabella noch am Leben und ein ganz gewöhnlicher Teenager mit Sorgen und Problemen. Mit Träumen, Ängsten und Vorstellungen. Vorstellungen wie ihr Leben verlaufen würde. Und dann. Plötzlich wurde Isabella von einem irren Killer aus dem Leben gerissen. Nun würde ihr Körper in der Pathologie eintreffen und dort von Doktor Schröder untersucht werden. Vielleicht sollten beide Ermittler doch heute noch einen Abstecher zur Pathologie machen, dachte Evelyn und schüttelte ihre Gedanken ab. „Ihr Kollege ist sehr lange auf dem Klo.“ bemerkte Strohmann und Evelyn zuckte ihre Schultern. „Es war eine lange Fahrt und er hatte etwas drei Tassen Kaffee.“ log sie und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

 

Da Malte nackt am Uferpark am Badesee aufgewacht war und sich nicht erklären konnte, wo er seine Kleidung hatte, stand er nur langsam auf. Er versuchte sein bestes Stück sorgfältig zu bedecken. Jedoch hatte er nichts dabei um dies zu schaffen. Malte fröstelte es. Er marschierte los und taumelte in Richtung Gebüsch. Dort fand er einen Beutel in dem sich wirklich seine Kleidung befand. Er zog die feuchte und verschmierte Kleidung an. Dabei fragte er sich wo die ganzen roten Flecken herkamen. Malte achtete auf Sauberkeit. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch seine kurzen blonden Haare. Er blieb im Gebüsch sitzen als er zwei Polizisten in Uniform erkannte. Diese suchten nach jemandem. Zur Polizei würde Malte auch gerne gehen. Und finstere Schurken dingfest machen. Seine Lieblings Sendung im Fernsehen war „Ein Fall für Zwei“. Dies schaute er sehr gerne als Wiederholung und rätselte jedes Mal mit. Dazu zeichnete er gerne. Seine Welt war vielleicht nicht so bunt, allerdings war sie bunter als die von normalen Menschen. Malte war sich seines Autismus durchaus bewusst. Er wollte soeben das Gebüsch verlassen als er eine Hand auf seiner Schulter spürte und sich los riss. „Ruhig bleiben. Mein Name ist Baumeister, Manfred Baumeister. Ich bin Kommissar bei der örtlichen Dienststelle. Wir haben gehört das hier ein nackter Junge die Gäste und ihre Kinder erschreckt und wollten mal nachsehen, ob dies eventuell mit einem neuen Mordfall zusammen hängt. Ich möchte Sie bitten mit uns zu kommen, junger Mann.“ bat ein älterer Mann mit weißem Haar, Schnurrbart und stechenden Augen. Malte schüttelte die Hand ab, holte aus und gab dem Kommissar eine Ohrfeige die sich gewaschen hatte.

 

Baumeister erstarrte. Damit schien er nicht gerechnet zu haben. Er presste seine Lippen aufeinander, wandte sich zur Seite und packte Malte erneut. Dieses Mal riss er den jungen Mann zu Boden und dieser landete mit seinem Gesicht im Dreck. Malte schrie so laut er konnte und versuchte sich zu wehren. Jedoch hatte er keine Chance. Malte wurde abgeführt und in einen Streifenwagen gesperrt. Baumeister hielt sich dennoch seine Wange. „Was sollte das denn? So etwas habe ich in all meinen Dienstjahren noch nie erlebt.“ brummte Baumeister, stieg nun in sein Dienstfahrzeug und fuhr zurück aufs das Revier.

Kapitel 3

 

„So wie ich die Sache sehen, habt ihr schon euren Täter und könnt den Fall zu den Akten bringen. Das habt ihr gut gemacht, auch wenn ihr eigentlich nicht viel geleistet habt. Dennoch sollte es eine Auszeichnung vom Polizei Präsidenten geben und eine Belobigung vom Bürgermeister. Den du ja schon gut kennst, Eve.“ rief Joachim Beck vergnügt und strahlte bis über beide Ohren. Vor einer Stunde wurde verkündet das ein Verdächtiger in blutiger Kleidung gefunden und verhaftet wurde. Dieser junge Mann befand sich nun im Verhörraum und wartete dort das er sein Geständnis machen konnte. Evelyn und Sebastian sahen einander fragend an. „Ist das wirklich sicher?“ hakte Evelyn nach und Joachim nickte zustimmend. „Der Kollege Baumeister hat den jungen Mann im Allerpark verhaftet und ihn hergebracht. Sie beide werden den Hauptverdächtigen oder den Täter zu m reden bringen und somit den Fall abschließen. Wir haben eine sehr gute Erfolgsquote und ich finde das sollte anerkannt werden. Ich will auf diese Weise versuchen mehr Geld für unsere Behörde zu bekommen.“ rief Joachim und strahlte noch immer. „Und was wenn wir den falschen Täter haben? Was wenn der echte Täter dem Verdächtigen eine Falle gestellt hat?“ fragte Evelyn und Joachim runzelte seine Stirn. „Was soll das denn bedeuten, Eve? Glaubst du wirklich das jemand sich diese Mühe macht?“ kam die Gegenfrage. „Du musst doch zu geben das ein Autist schon gar kein richtiger Täter sein kann. Diese Menschen sind meist harmlos. Es ist eine Entwicklungsstörung. Es kann die Kommunikation, das Lernen und das soziale Verhalten anderen Menschen gegenüber beeinflussen. Diese Menschen nehmen die Umwelt ganz anders wahr. Wir kannst du dir so sicher sein das ausgerechnet ein Autist der Mörder sein kann?“ wollte Evelyn wissen und sah ihren Ex Mann fragend an. Dieser zuckte seine Schultern. „Es ist zwar noch nicht vorgekommen. Trotzdem halte ich es nicht für unmöglich, Eve. Schließlich solltest du doch am besten wissen das hinter jedem Menschen ein mutmaßlicher Straftäter stecken kann. Wir sollten uns kein Urteil erlauben. Wir müssen den Fakten vertrauen und diesen nachgehen. Und in diesem Fall sprechen alle Fakten gegen den jungen Mann. Dabei spielt seine Behinderung oder Entwicklungsstörung eigentlich keine Rolle.“ erinnerte Joachim und schon fiel Evelyn die Kinnlade hinunter. „Und jetzt möchte ich euch bitten in den Verhörraum zu gehen und das Geständnis zu holen.“ bat Joachim die beiden Kommissare und schon erhoben sich Evelyn und Sebastian wieder.

 

„Denkst du was ich denke?“ fragte Evelyn ihren Kollegen. Dieser zuckte seine Schultern und blickte durch den Trick Spiegel ins Innere des Verhörraums. Dort saß der Hauptverdächtige auf einem Stuhl und starrte ins Leere. „Komm drauf an was du denkst, Eve.“ entgegnete Sebastian und stemmte seine Hände in die Hüften. „Ich denke nicht dass ein autistischer junger Schüler dafür verantwortlich ist. Ich halte dies für zu schnell. Wäre das ein Buch würde niemand dieses Ende haben wollen.“ argumentierte sie und Sebastian zuckte seine Schultern. „Ende gut alles gut.“ scherzte er und fing sich einen vielsagenden Blick ein. „Ich weiß was du meinst, Evie.“ sagte er und nickte zustimmend. Evelyn musterte den jungen Schüler. „Du redest am besten Mal mit unserem Verdächtigen. Vielleicht mag er lieber mit einem Mann sprechen. Und ich besuche das Labor und informiere mich über die gefundenen Beweise. Vielleicht haben wir Glück und irgendetwas passt nicht ganz zusammen.“ schlug Evelyn vor, Sebastian nickte und schon wandte sich die Ermittlerin mit schnellen Schritten ab.

Kapitel 4

 

Die Fahrt zum Labor dauerte vom Polizei Revier aus eine halbe Stunde. Wenn der Berufsverkehr einsetzte, konnte es durchaus länger dauern. Evelyn hatte sich in ihren Dienstwagen gesetzt und fuhr zum Labor. Dort angekommen, parkte sie das Fahrzeug auf dem breiten Parkplatz und marschierte, nach dem aussteigen, auf den Haupteingang zu. Im Gebäude befand sich auch die Pathologie. Dorthin wollte sie allerdings erst später gehen. Doktor Schröder würde vermutlich noch immer sich die Leiche genauer ansehen. Evelyn wollte lieber mal nicht stören. Vielleicht war es besser erst morgen wieder zu kommen. Auf Ergebnisse zu warten empfand Evelyn als Folter. Sie wollte immer so schnell es eben ging mit ihrem Fall weiter machen. Da ihr aktueller Mordfall, eventuell bald abgeschlossen sein könnte, hatte sie nicht bedacht. Dies war für sie zu unwahrscheinlich. Solch einen Fall hatte sie bisher niemals gehabt. Sie hatte ein ungutes Gefühl. Vielleicht waren alle zu schnell mit ihrem Urteil. Vielleicht war der offensichtliche Täter selbst nur ein Opfer. Dem musste sie nun nach gehen. Sie schüttelte ihre Gedanken ab, als sie vor dem Büroraum von Luise Lichtenstein stehen blieb, Luft holte und anklopfte. „Komm rein!“ rief Luise von Innen. Evelyn kam der Aufforderung nach. Sie öffnete die Tür, huschte hinein und verschloss den Raum wieder. Nun stand Evelyn im Raum und schaute Luise, ihre Arbeitskollegin und Freundin, fragend an. „Warum bist du hier und nicht im Labor?“ erkundigte sich Evelyn. „Ich arbeite nicht mehr so viel im Labor. Seit dem ich von Mike die Aufgaben übernommen habe, muss ich nicht mehr viel im Labor machen. Wenn du etwas wissen willst, kommst du zu mir ins Büro oder gehst zu Murat. Er untersucht in Zukunft vor Ort die Indizien. Das ist nun mal der Wandel der Dinge.“ meinte Luise und Evelyn grinste. Sie trat näher und setzte sich Luise gegenüber. „Scheint dir ja wirklich zu gefallen oder?“ fragte Evelyn neugierig. Luise wollte wirklich zustimmend nicken, konnte jedoch keinerlei Begeisterung finden und winkte daher ab. „Schön wär´s.“ schnaufte sie und Evelyn runzelte ihre Stirn. „Klingt sehr begeistert, Lu.“ kommentierte Evelyn und sah Luise direkt in die Augen. „Das bin ich auch. Es klang voll toll. Mike wird befördert und verlässt die Stadt und der Chef des Labors, werde ich. Nun ja. Ich dachte mehr Geld, weniger arbeiten und mehr Zeit für meine Kinder. Dem ist nicht so. Im Gegenteil. Ich erhalte zwar viel mehr Geld, habe Freiheiten und muss dennoch mehr arbeiten. Das ist richtiger Schmarn! Ich weiß gar nicht mehr wann ich zum letzten Mal pünktlich zu Hause war.“ keuchte Luise und rollte ihre blauen Augen. „Ich denke du solltest mit dem Polizei Präsidenten sprechen. Vielleicht kann er dir eine Hilfe organisieren. Fragen kostet nix.“ warf Evelyn ein und räusperte sich. „Ich kann dir nicht viel sagen, Evie. Wir haben alle Indizien überprüft und alles weißt auf euren mutmaßlichen Täter hin.“ begann Luise ihren Bericht und Evelyn biss sich frustriert auf die Unterlippe. „Ach das kann doch nicht wahr sein!“ entfuhr es sie wütend. Luise hob ihren rechten Zeigefinger. „Allerdings!“ begann sie erneut und Evelyn setzte sich wieder aufrecht hin. „Allerdings, haben wir weitere Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden. Einen Daumen und Zeigefingerabdruck. Sieht aus als habe jemand die Waffe gehalten mit zwei Fingern. Vielleicht wurde sie dort platziert. Das könnte möglich sein. Ich habe die Datenbank durchsucht, konnte allerdings keine Übereinstimmung finden. Wer auch immer die Tatwaffe noch angefasst hat, handelte erstens mit Vorsatz und zweitens ist noch irgendwo dort draußen und lässt einen anderen Menschen, den Kopf für diesen Mord hinhalten.“ erwiderte Luise und Evelyns Gesicht hellte sich auf. „Kann ich das auch schriftlich haben, Lu?“ fragte Evelyn und erhielt den Bericht der Expertin. „Ich denke ihr seid auf der richtigen Spur, allerdings tut sich der wahre Täter gut verstecken. Viel Glück bei der Untersuchung.“ sagte Luise und Evelyn nickte zustimmend. „Danke.“

 

Der Hauptverdächtige im Mordfall Isabella Strohmann, Malte Voss, wirkte nicht wie der typische Täter. Er wirkte mehr wie ein junger Mann, ein Teenager, vielleicht noch eher ein kleiner Junge, der zur falschen Zeit am falschen Ort war und nun verhört werden sollte. Inzwischen war Malte nicht mehr nackt. Er trug Klamotten aus der Altkleidersammlung der Polizei. Seine Haare standen ihm zu Berge und er nippte soeben an einer Wasser Flasche, welche Sina ihm hingestellt hatte. Anschließend verließ die Kollegin Sina Storck, den Verhörraum und trat zu Sebastian in einen kleineren Raum, welcher noch zu dem Verhörraum gehörte. Von innen wirkte es wie ein großer Spiegel. Von dem kleineren Raum aus, konnten die Beamten durch den „Spiegel“ ins Innere des Verhörraums blicken und somit die Verdächtigen oder Zeugen beobachten. Hier standen beide Kommissare und schauten durch die Scheibe ins Innere, wo der Hauptverdächtige mit Fingernägel kauen begonnen hatte. „Willst du oder soll ich rein gehen?“ wollte Sina wissen und sah Sebastian fragend an. „Ich denke ich kümmere mich darum. Evelyn möchte das ich mit dem Verdächtigen rede. Vielleicht erzählt er einem Mann etwas mehr.“ meinte Sebastian und nippte an seinem Kaffee. Sina stemmte ihre Hände auf ihre Hüften. „Und wenn es nichts bringt, dann darf ich es versuchen, okay?“ rief Sina und Sebastian nickte zustimmend. „Aber wenn es etwas bringt, kommen wir vielleicht etwas weiter. Evelyn glaubt nicht an die Schuld des autistischen Jungen. Sie denkt er sei eventuell unschuldig. Das werden wir nun klären müssen.“ „Du bist nicht so davon überzeugt oder, Basti?“ hakte Sina nach und Sebastian zuckte seine Schultern. „Ich glaube in diesem Fall ist die Sache klar. Da sitzt unser Hauptverdächtiger und vermutlich Mörder. Wir wissen nur noch nicht was das Motiv gewesen ist. Das finde ich gleich raus.“ sagte Sebastian, grinste süffisant und verließ den kleinen Raum.

 

„Herr Voss, darf ich Malte sagen?“ fragte Sebastian, etwa fünf Minuten später und der Hauptverdächtige nickte knapp. Er blieb jedoch stumm. „Können Sie mir erzählen was letzte Nacht vorgefallen ist, Malte? Wann haben Sie die Tote, Frau Strohmann, zu letzt gesehen und wieso wurden sie so weit entfernt, nackt aufgegriffen?“ fragte Sebastian und ignorierte in diesem Moment sein Handy. Auf dem Display stand Evelyn. Dies konnte er in diesem Moment allerdings nicht gebrauchen. Sebastian kümmerte sich nicht weiter um das Handy auf dem Tisch. Er wollte sich vollkommen um das Verhör kümmern. „Ich weiß nicht was Sie meinen. Ich bin nach Hause gegangen und ins Bett. Aufgewacht bin ich nackig im Busch.“ sagte Malte und schüttelte seinen Kopf. „Und was war mit Isabella? Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?“ hakte Sebastian nach. „Das war in der Schule. Sie geht in die Parallelklasse von Herrn Jürgen und dort ist sie das beliebteste Mädchen überhaupt. Sie ist wundervoll und hilft mir manchmal.“ schwärmte Malte und Sebastian runzelte seine Stirn. „Wer ist denn Herr Jürgen?“ hakte Sebastian weiter nach. „Der Vertrauenslehrer. Er macht Vertretung für Frau Meier.“ sagte Malte mit ruhiger Stimme und dennoch bestimmend. „Malte, wir haben ihre Fingerabdrücke auf der Mordwaffe gefunden. Was können Sie mir dazu sagen?“ „Ich war es nicht. Ich hatte Isi gerne. Ich würde ihr niemals etwas tun. Und jetzt möchte ich gerne nach Hause.“ entgegnete Malte und sah Sebastian tief in die Augen. Sebastian hatte schon viele Straftäter vor sich sitzen gehabt, allerdings lief es hier, ihm eiskalt den Rücken hinunter als Malte ihn ansah. „Wir sind aber noch nicht fertig, Malte. Ich muss Ihnen noch mehr Fragen stellen.“ sagte Sebastian mit ruhiger Stimme. Malte warf ihm einen finsteren Blick zu. Er schüttelte seinen Kopf. Mit einem Mal packte Malte den Tisch, warf ihn um und erhob sich blitzschnell. Sebastian stand ebenfalls auf, packte den rechten Arm des Hauptverdächtigen, drehte diesen herum und warf Malte somit auf den harten Boden. „Ich will nach Hause!“ schrie Malte aus voller Kehle. Sebastian musste sich auf ihn setzen, um zu verhindern das er sich los riss und war glücklich als zwei uniformierte Kollegen den Raum betraten. Malte schrie noch immer als ihn die Kollegen aus dem Raum entfernten.

 

„Warum gehst du denn nicht an dein beschissenes Handy?“ donnerte Evelyns Stimme. Sie war eben von ihrer Tour zurück gekehrt, befand sich nun in ihrem Arbeitszimmer und sah ihren Kollegen finster an. „Ich habe mit dem Verdächtigen zu tun gehabt. Es hat eben nicht gepasst in diesem Moment.“ verteidigte Sebastian sein handeln und hob beschwichtigend seine Hände. Evelyn winkte ab und schüttelte ihren Kopf. „Wenn du abgenommen hättest, hättest du dir das auch sparen können und so hast du den Verdächtigen aufgeregt, den ich bis hier hin schreien höre.“ erinnerte sie ihren Kollegen und versuchte die Schreie zu ignorieren, welche sie aus dem Keller hörte, wo sich die Arrestzellen befanden. „Ein Doktor kommt gleich und er bekommt seine Medizin.“ sagte Sebastian und zuckte seine Schultern. „Willst du denn gar nicht wissen was ich heraus gefunden habe, Sebi? Oder ist die Sachlage für dich klar?“ hakte Evelyn nach und Sebastian zuckte erneut seine Schultern. „Wenn es der Verdächtige war. Nach seinem Ausraster muss ich das denken und mehr brauchen wir nicht für die Staatsanwaltschaft.“ meinte Sebastian und nippte an seinem Kaffee. Evelyn schüttelte ihren Kopf. „Dann sag mir doch einfach was du heeraus gefunden hast, Eve. Dann können wir den Fall abgeben und der Verdächtige wandert vor den Haftrichter. Und alle sind zufrieden.“ „So einfach ist es nicht, Sebi. Lu hat weitere Fingerabdrücke gefunden. Das bedeutet es hatte noch jemand die Tatwaffe in den Händen und hat vielleicht alles so aussehen lassen, als wäre der junge Mann unser Täter. Ich denke der echte Täter läuft noch frei herum und wir sollten wirklich unserer Arbeit nach gehen und alles tun um den Täter zu finden.“ ereiferte sich Evelyn und Sebastian rümpfte seine Nase. „Und wenn die Tatwaffe vorher jemand anders gehört hatte? Dann wäre es logisch das andere Fingerabdrücke auf der Waffe sind.“ meinte Sebastian und Evelyn winkte ab. „Und wenn´s der Nikolaus war!“ entfuhr es Evelyn sarkastisch. „Ich denke wir haben die falsche Person verhaftet. Der Fall kann so klar nicht sein. Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, Sebi. Ich ermittle weiter.“ sagte Evelyn entschlossen und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. „Und was wird Doktor Zobel davon halten? Ist dir das eigentlich auch bewusst, Evie? Die Staatsanwaltschaft ist ebenfalls zufrieden über den bald gelösten und eindeutigen Mordfall.“ erinnerte Sebastian, seine Kollegin. Evelyn biss sich auf die Unterlippe. „Wir reden mit Zobel und dann sehen wir weiter, Sebi.“ zischte Evelyn, funkelte ihn finster an und wandte sich ab.

Kapitel 5

 

Das Büro von Doktor Sakura Zobel befand sich in der Innenstadt. Evelyn und Sebastian hatten eine dreiviertel Stunde Fahrt, da es sich bereits um den abendlichen Berufsverkehr handelte. Normalerweise war Doktor Zobel vor Gericht zu finden. Nur gegen Abend befand sie sich meist in ihrem Büro, welches sich in einer schönen Gegend in Wolfsburg befand mit Blick aufs Wasser. Sakura Zobel war Mitte Dreißig und hatte früh ihren Doktortitel gemacht. Sie galt in ihrer Familie zu den ersten die einen Doktortitel hatten und wurde damals entsprechend gefeiert. Sie hatte langes schwarzes Haar und dunkle Augen. Eine sportliche Figur. Sie ging nebenbei und meist in den frühen Morgenstunden zum joggen. Dort traf sie meist auch Evelyn, welche es morgens liebte joggen zu gehen und mit Sport in den Tag zu starten. Doktor Zobel trug nicht mehr ihre Staatsanwaltskleidung sondern eine Jeans und ein normales T-Shirt. Sie war wohl schon im Feierabend gewesen, als Evelyn und Sebastian bei ihr eintrafen. „Sie wissen schon das ich Feierabend habe oder?“ rief Doktor Zobel den beiden Ermittlern entgegen als diese ihren Büroraum betreten hatten und die Staatsanwältin musterten. „Das wissen wir. Ich wollte auch gar nicht zu Ihnen kommen, Frau Zobel. Für mich ist die Sachlage klar. Nur meine Kollegin möchte es wohl genauer wissen.“ ergriff Sebastian das Wort und schon rollte Evelyn ihre Augen. „Kann ich Sie kurz alleine sprechen?“ bat Evelyn und warf der Staatsanwältin einen vielsagenden Blick zu. Doktor Zobel nickte knapp. Sie legte ihre Handtasche weg, öffnete die Tür zu ihrem Arbeitszimmer und ließ Evelyn zuerst hinein gehen. Sebastian stemmte seine Hände auf seine Hüften. Er würde warten.

 

„Das klingt zwar alles irgendwie vielversprechend, Evelyn, allerdings hast du keinerlei Spuren. Nur den Untersuchungsbericht über zwei weitere Fingerabdrücke auf der Tatwaffe. Das kann auch auf einen weiteren Täter hindeuten oder die Eisenstange hatte vorher einen anderen Besitzer. Warst du schon bei Doktor Schröder in der Pathologie?“ wollte Sakura Zobel wissen und sah Evelyn fragend an. Beide waren sich näher gekommen während dem gemeinsamen Joggen. Hin und wieder gingen sie zusammen ins Theater oder mal ins Kino. Davon wusste nur kaum jemand etwas. „Das wäre meine nächste Station gewesen, Sakura. Kannst du mir nicht ein bisschen mehr Zeit einräumen? Vielleicht zwei oder drei Tage. Ich bin sicher ich finde den echten Täter.“ bat Evelyn und schaute Doktor Zobel direkt an. „Du denkst du findest etwas belastendes und den echten Täter?“ hakte Zobel nach und Evelyn nickte zustimmend. „Es sind doch neue Beweise aufgetaucht, Sakura. Ich bin mir sicher das es sich um einen anderen Täter handelt. Der junge Mann ist ein Autist und ich halte ihn nicht für den Täter. Mein Gefühl sagt mir, dass da mehr dahinter steckt, als es den Anschein macht.“ sagte Evelyn und Doktor Zobel nickte knapp. „Ich möchte natürlich diese Hinweise sehen. Und dann kann ich eventuell einen Aufschub erhalten. Ich treffe mich mit Richter Bull und spreche mit ihm darüber. Aber mehr als drei oder vier Tage ist nicht drin, Evelyn.“ schlug Zobel vor und Evelyn nickte zustimmend. „Ich lasse dir die Hinweise zu kommen. Ich habe den Bericht in meinem Dienstwagen. Ich faxe sie dir morgen früh gleich rüber. Und dann besuche ich die Pathologie.“ sagte Evelyn entschlossen, grinste und wandte sich mit schnellen Schritten ab.

 

Evelyn hatte keine ruhige Nacht. Viel Schlaf hatte sie nicht. Viele Gedanken in ihrem Kopf und viele offene Fragen. Dies führte dazu das sie schon um halb Vier aus dem Bett kam, sich an den Computer setzte und noch einmal alles überprüfte was die Kollegen bisher zusammen getragen hatten. Mit einer Tasse frischen Kaffee´s saß sie am Laptop und schaute sich die Fotos von der Leiche an. Ihre Position und wie das Gras aufgewühlt wurde. Malte hatte keine offensichtlichen Verletzungen an sich. Er wurde nur vollkommen nackt gefunden. Baumeister hatte ihn gefunden. Als es sechs Uhr wurde, verschwand sie kurz im Badezimmer, duschte sich, zog sich frisch an, legte dezentes Make Up auf und verließ ihr Haus. Wieder vorbei an dem alten Fahrrad ihres verstorbenen Sohnes. Sie marschierte in Richtung ihres privaten Fahrzeugs, stieg ein und startete den Motor. Die Fahrt zur Pathologie würde noch einige Zeit dauern. Evelyn nutzte die Zeit und hörte Musik. Nach ihrer Fahrt, parkte sie erneut auf dem Parkplatz vor dem Gebäude, stieg aus und lief mit schnellen Schritten zum Haupteingang des Gebäudes. Dort angekommen, nahm sie die Treppe hinunter. Die Pathologie befand sich im Keller des Gebäudes, damit die Leichen auch im Hochsommer kühl gelagert wurden und nicht die Klimaanlage so viel leisten musste. Die schwere Glastür öffnete sich und dahinter stand bereits Doktor Laura Schröder. Diese trug ihren gewohnt weißen Kittel und griff soeben zu Latex Handschuhen.

 

„Na du.“ begrüßte Laura die Kommissarin und Evelyn winkte ihr zu. „Heute so alleine unterwegs?“ hakte Laura nach und warf einen Blick an Evelyn vorbei in der Hoffnung doch noch Sebastian zu sehen. „Er und ich verstehen uns zurzeit nicht wirklich. Wir haben andere Vorstellungen von dem Fall.“ „Denkt er nur wieder an seinen gelösten Fall?“ fragte Laura und Evelyn nickte zustimmend. „So etwas in der Art, ja. Und das macht mich irre. Wir sollten objektiv sein oder wenigstens auf unser Gefühl achten. Und meins sagt mir das da mehr hinter dieser Sache steckt, als wir wissen. Deswegen bin ich zu dir gekommen, Laura. Vielleicht kannst du den Fall in eine neue Richtung lenken. Doktor Zobel gibt mir drei oder vier Tage und in dieser Zeit muss ich all mein Können aufbringen, wenn ich einem jungen Mann helfen möchte.“ erklärte Evelyn und Laura nickte knapp.

 

Laura deutete auf den Leichnam der jungen Schülerin, welche noch immer auf ihrem Tisch lag und untersucht wurde. „Das Opfer wurde erschlagen. Schädelbasisbruch. Das ist auch die Todesursache. Das Opfer musste nicht leiden. Vermutlich war die Schülerin mit dem ersten Schlag benommen und hat den zweiten oder dritten Schlag überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Euer Täter muss Rechtshänder sein und wurde vermutlich gekratzt. Ich habe Hautfetzen unter den Fingernägeln des Opfers finden können. Diese konnte ich in der Datenbank allerdings niemandem zu ordnen.“ berichtete Laura und reichte Evelyn einen Autopsiebericht weiter. „Wurde das Opfer vergewaltigt?“ hakte Evelyn nach. Laura schüttelte ihren Kopf. „Ich konnte zwar sexuelle Aktivität feststellen, allerdings muss es einvernehmlich gewesen sein. Keine Verletzungen in der Vagina vorhanden.“ sagte Laura Schröder und Evelyn nickte. „Allerdings habe ich eine weiße Substanz auf der Leiche gefunden. Ich konnte diese erst nicht zu ordnen.“ meinte Laura und unterbrach sich selbst. „Was denn?“ hakte Evelyn nach. „Es handelt sich um Sperma. Anscheinend hat jemand auf die Leiche ejakuliert. Vermutlich als das Opfer schon tot war.“ berichtete Laura weiter und Evelyn verzog ihr Gesicht. „Das ist in der Tat ungewöhnlich.“ entfuhr es Evelyn. Sie runzelte ihre Stirn. „Kannst du bestimmen wem der Samen gehört?“ fragte sie und Laura schüttelte ihren Kopf. „Ich habe es allerdings ans Labor geschickt. Frag dort mal nach. Mein Bericht ist nun abgeschlossen. Ich nähe das Mädchen zu und informiere dann den Bestatter.“ meinte Laura und Evelyn machte sich Notizen. Vielleicht fand sie auch ohne das Labor heraus wem das Sperma gehörte. Sie legte ihre Stirn in Falten als sie die Pathologie verließ.

 

Gegen Morgen, um neun Uhr, bekam Malte etwas zum frühstücken gebracht. Ein bisschen Toast, Konfitüre und Milch, einen Müsli und Kakao. Ein üppiges Frühstück dachte Evelyn als die Zellentür aufging, sie eintrat und sich auf das Bett zu dem Hauptverdächtigen setzte und ihn anblickte. Malte schaute nicht auf Er aß und trank. „Malte Voss, mein Name ist Evelyn Beck. Ich ermittle in ihrem Fall und halte Sie für unschuldig.“ stellte sie sich vor und nun blickte Malte auf und schaute ihr tief in die Augen. „Darf ich dann gehen? Ich will nur nach Hause.“ bat er flehend und Evelyn schüttelte ihren Kopf. „Sie müssen noch ein bisschen bei uns bleiben, Malte. Allerdings wird man sich sehr gut um Sie kümmern.“ versprach Evelyn und Malte nickte knapp. Er wirkte ein wenig verloren. „Wie gut kannten Sie, Isabella?“ fragte Evelyn. Malte biss genüsslich von seinem Essen ab und kaute einen Moment lang. „Sehr gut. Wir waren Freunde. Sie hat mir hin und wieder gegen die anderen Schüler geholfen, mich in Schutz genommen und ich half ihr bei den Hausaufgaben.“ erklärte Malte und senkte seinen Blick. „Da ist noch mehr oder?“ hakte Evelyn nach. Malte nickte zustimmend. „Isi und ich wollten eigentlich...zusammen...aber Peter hätte niemals...oder Herr Jürgen.“ stammelte Malte und trank einen großen Schluck Milch. „In welchem Verhältnis stand Peter zu Isabella?“ „Ihr Freund. Seit einiger Zeit. Allerdings ist auch Herr Jürgen. Jedenfalls waren Isi und ich auch gute Freunde.“ sagte Malte und winkte ab. „Wie heißt Herr Jürgen mit Nachnamen? Und was bedeutet gute Freunde?“ wollte Evelyn wissen und Malte überlegte einen Moment. „Isi und ich...ich hatte...mein erstes Mal und es war...sch...schön mit ihr.“ antwortete Malte und lächelte. Evelyn grinste. „Herr Jürgen Paulson. Der Vertrauenslehrer. Maxine sagte immer dass der mit Isi was tat. Aber das kann nicht sein. Nicht mit meiner Isi.“ fauchte Malte und seine Miene verfinsterte sich als er an den Mann dachte. Evelyn legte Malte sanft eine Hand auf die Schulter. „Danke.“ sagte sie im Flüsterton, stand auf und verließ die Zelle wieder.

 

„Sebi, ich glaube dir das du abgelenkt bist wegen deinem Vater, dass gibt dir trotzdem nicht das Recht mich mit den Untersuchungen im Fall Isabella Strohmann alleine zu lassen und morgen bei der Verdächtigen, Vernehmung, einfach nicht zu erscheinen. Kannst du mir bitte einmal erklären wo zum Teufel du gewesen bist?“ donnerte Evelyns Stimme. Es war bereits Mittagszeit. Im Büro war ihr Kollege erst vor zehn Minuten erschienen und wirkte als habe er die ganze Nacht durch gemacht. „Ich habe zurzeit einige persönliche Probleme. Das hat mit unserem Fall nichts zu tun.“ verteidigte er sich und Evelyn winkte ab. „Leider doch, Sebi. Wenn du zu spät kommst und dann den Verdächtigen verurteilst ohne vorher auf mein Gefühl zu hören, dann haben wir Beide ein Problem.“ erinnerte sie ihn und Sebastian zuckte seine Schultern. „Ich denke jedenfalls der Verdächtige ist unser Täter. Du willst das nicht wahrhaben, Evelyn. Ich glaube das Malte dich an deinen Sohn erinnert. Du bist nicht objektiv.“ warf Sebastian ihr vor und Evelyn spürte wie ihre Kinnlade hinunter fiel. Sie marschierte auf ihren Kollegen zu, holte aus und gab ihm eine Ohrfeige. „Wie kannst du es wagen?!“ entfuhr es Evelyn. Sie konnte nicht glauben was sie da gehört hatte. „Ich werde Jo bitten, dich aus dem Fall zu nehmen und ihn auch bitten mir einen anderen Kollegen zu zuteilen. Dann brauchen wir uns nicht mehr miteinander auszutauschen.“ brummte sie, wandte sich ab und ließ Sebastian wortlos stehen.

Kapitel 6

 

Joachim Beck fand es sehr merkwürdig seine Ex Frau erneut zu treffen. Dennoch musste dieses Treffen sein. Beide befanden sich in seinem Büro. Der Polizei Präsident hatte sich neulich mit ihm getroffen und um Diskretion gebeten. Davon sollte erst einmal niemand etwas erfahren und schon gar nicht seine Ex Frau. Da sich Evelyn und ihr Kollege Sebastian jedoch wegen einem Mordfall und dessen Ausgang stritten, wollte Joachim nun endlich mit der Sprache raus rücken und somit bat er seine Ex Frau zu sich. Sie saß ihm nun gegenüber und schaute ihn fragend an. „Ich habe mitbekommen das du und dein Kollege Streit habt. Ist das richtig?“ erkundigte Joachim sich und Evelyn nickte zustimmend. „Wir haben eine Meinungsverschiedenheit.“ sagte sie lediglich und schaute gedankenverloren aus dem Fenster hinaus. „So kann man es auch ausdrücken, Eve. Ich denke ihr solltet euch mal richtig unterhalten. Das könnte zwar nicht den Fall voran treiben aber bei euch für klare Verhältnisse sorgen.“ „Was interessiert dich das, Jo? Bist du immer noch nicht über mich hinweg?“ zischte sie und schaute ihn finster an. „Das hat nichts mit uns zu tun. Eher damit das eure gemeinsame Arbeit mit dem steht und fällt was zwischen euch ist. Ich bin der Kriminaldirektor und muss meine Truppe zusammen halten. Ihr solltet wirklich mit einander reden.“ sagte Joachim mit ruhiger Stimme und Evelyn runzelte ihre Stirn. Sie fand es merkwürdig das er sich so sorgte. Sie stand auf und verließ mit schnellen Schritten sein Büro.

 

Im zweiten Untergeschoss, dort befand sich der Schießstand und dort fand sie ihren Kollegen. Er stand an einer der Schussbahnen, hatte Kopfhörer auf und feuerte so eben mehrere Kugeln ab, welche ein Ziel in etwa fünf Metern, Entfernung trafen. Sie trat neben ihren Kollegen, legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter und wartete bis er seine Pistole wieder gesichert und sich zu ihr umgedreht hatte. Sebastian lächelte. „Tut mir leid wegen heute Morgen und gestern, Evelyn. Ich bin einfach mit meinen Gedanken woanders. Ich kann nicht immer den Sunnyboy spielen.“ sagte er mit fester Stimme. Evelyn schüttelte ihren Kopf. „Das musst du auch gar nicht, Sebi. Das verlangt niemand von dir. Nur möchte ich endlich wissen was genau dich eigentlich beschäftigt. Früher haben wir über alles reden können. Also ich bitte dich.“ bat Evelyn und schaute tief in seine Augen. Sebastian holte tief Luft. „Mir wurde ein Jobangebot gemacht. Besser gesagt ich hatte keine andere Wahl. Ich wurde zu einer Taskforce abkommandiert, welche nicht in Wolfsburg ist, sondern in New York City. Dort werde ich im neuen Jahr meinen Dienst verrichten. Ich hätte auch nein sagen können, nur meine der Polizei Präsident, dass ich dann keine Chancen auf eine Beförderung hier in der Stadt haben würde und ohnehin mich versetzen lassen müsste. Dann könnte ich auch gleich an der Taskforce teilnehmen. Wir beide haben hier so gut zusammen gearbeitet, dass ich nun alleine arbeiten kann und Teil einer internationalen Polizeitruppe werden kann. Zumindest sagte dass der Chef von unserem Chef.“ erzählte Sebastian und sah zu wie Evelyn erstarrte. „Ich wusste nicht wie ich es dir sagen sollte. Oder was ich sagen sollte. Allerdings werde ich dir noch einige Zeit erhalten bleiben, sodass wir vielleicht doch noch versuchen können das letzte Glied im Fall des Dark Man Killers zu schnappen oder auch diesen Fall aufklären können. Es tut mir leid. Ich wollte echt nicht so blöd sein.“ sagte er und senkte seinen Kopf. Evelyn sagte zunächst nichts. Sie wusste nicht was sie sagen sollte. Ihr Kollege und Freund würde sie vielleicht bald verlassen. Diese Nachricht musste sie erst einmal verdauen. „Ich verzeihe dir und freue mich natürlich sehr für dich, auch wenn es blöd ist und wir uns dann nicht mehr sehen werden. Watzsapp ist nicht das selbe. Trotzdem freue ich mich für dich. Aber wir sollten trotzdem noch so viele Fälle wie möglich lösen.“ schlug Evelyn vor, umarmte ihren Kollegen einen Moment und schon wandten sich beide ab.

 

„Das ist unerhört. Sie werden von unserem Anwalt hören, Frau Beck!“ donnerte die Stimme von Dieter Voss, dem Vater von Malte. Sie befanden sich in dessen Haus und Evelyn und Sebastian wollten ihn informieren was nun zu tun war. Jedoch wollte der Klavierlehrer nicht mit sich reden lassen. Er war groß, hatte breite Schultern und sanfte Hände. Diese konnte er zum Klavier spielen gut brauchen. Laut Sina ging Maltes Vater nicht arbeiten. Er gab Klavierunterricht und kümmerte sich um den Haushalt. Seine Frau brachte das meiste Geld nach Hause. Diese arbeitete als Maklerin. Evelyn hob beschwichtigend ihre rechte Hand. „Ich bitte Sie, Herr Voss. Sie müssen sich beruhigen. Wir sind hier um Fürsprache für ihren Sohn zu leisten und seine Unschuld zu beweisen.“ sagte Evelyn sanft. „Hä? Warum denn nicht schon früher? Manche ihrer Kollegen haben ihn verhaftet und das als er nackt herum gelaufen ist am Badesee. Zumindest stand das so heute Morgen in der Zeitung. Und nun wollen Sie das ich ihnen glaube das Sie ihm helfen wollen. Schön wäre es.“ donnerte erneut die Stimme des Vaters. Sebastian trat nun einen Schritt vor. „Ich kann mir gut vorstellen was Sie empfinden, Herr Voss. Ich wollte ihren Sohn hinter Gittern sehen, weil der Fall eindeutig schien und nur meine Kollegin an ihn geglaubt hat. Ich bitte Sie nun mit uns zusammen zu arbeiten. Damit wir alle bald die Wahrheit heraus finden können.“ bat Sebastian und versuchte dem Familienvater ins Gewissen zu reden. Dieser blickte zu Evelyn. „Sie glauben wirklich an die Unschuld meines Sohnes, Frau Beck?“ fragte Dieter Voss nach und Evelyn nickte zustimmend. „Ja das tue ich.“ sagte sie und dies schien den Vater zu beruhigen. Er atmete erleichtert aus. Dieter Voss verschwand kurz in der Großküche, kehrte mit Kaffee und Kuchen zurück und verteilte alles. Evelyn nahm dankend eine Tasse Kaffee und ein Stück Zitronenkuchen entgegen. „Wir haben noch einige Fragen an Sie, Herr Voss. Danach heißt unsere nächste Station die Heinrich Schule.“ ergriff Evelyn das Wort und nippte an ihrem Kaffee.

 

Dieter Voss nickte zustimmend. „Wussten Sie von einer romantischen Beziehung zwischen ihrem Sohn Malte und Isabella Strohmann?“ fragte Evelyn und biss herzhaft in das Stück Kuchen hinein. Voss schien einen Moment zu überlegen. „Ich habe etwa geahnt. Mir hat er schon lange nichts mehr erzählt. Aber ich ahnte das was zwischen ihr und ihm lief. Isabella war ein tolles Mädchen, vielleicht schon etwas erfahren, allerdings auch sehr treu und sehr höflich. Sie hat meinen Malte besucht, wenn er zum Beispiel krank war und nicht in die Schule gehen konnte. Einsam meinte ich, ich habe beide gehört, aber das kann auch der Nachbarsjunge gewesen sein.“ sagte Voss und wirkte fast schon naiv. „Könnten Sie sich vorstellen das irgendjemand es den beiden nicht gewöhnt hätte? Hatten die Beiden irgendwelche Feinde?“ wollte Sebastian wissen. Voss runzelte seine Stirn. „Es gab nur den Vertrauenslehrer, der immer auf beide eingeredet hat und diesen Peter Romanovski. Aber mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen. Das ist schon alles was mein Sohn mich hat wissen lassen. Malte ist ein sehr besonderes Kind. Er wird immer irgendwie ein Außenseiter sein. Nur mit Isabella oder deren bester Freundin Maxine hatte er irgendwie ein bisschen mehr Spaß in seinem Leben. Ich kann Ihnen nur das sagen, tut mir leid.“ meinte Voss und senkte seinen Kopf. „Das war schon wirklich viel, Herr Voss. Ich danke Ihnen von Herzen.“ bestätigte Evelyn und erhob sich wieder. „Tun Sie mir einen Gefallen?“ hakte Voss nach. Evelyn nickte zustimmend. „Sagen Sie mir Bescheid wenn ich meinen Sohn aus der Untersuchungshaft holen kann? Das fände ich wirklich traumhaft.“ bat Voss und beide Kommissare nickten zustimmend.

 

„Guten Morgen, Frau Beck. Wie geht es Ihnen an diesem wunderschönen Mittwoch?“ wollte Doktor Pia Köhler alias Turboschnecke wissen und sah Evelyn fragend an. Beide befanden sich in deren Praxis und hatten ihre wöchentliche Sitzung. Doktor Köhler kannte Evelyn nun schon eine Weile und wusste wie sie zu handhaben war. Evelyn konnte temperamentvoll und launisch sein, aufbrausend und kühl und dennoch herzlich, fürsorglich und treu. Unter anderen Umständen die perfekte Hausfrau, Mutter und Ermittlerin in einem. „Es geht mir gut, denke ich. Sebastian und ich hatten einen kleinen Streit und ich erfuhr das er eventuell in die USA geht. Dies belastet mich schon etwas. Dennoch glaube ich das er sich dort sehr gut entwickeln wird und bestimmt viele Straftäter dingfest machen kann.“ erzählte Evelyn und Doktor Köhler machte sich erneut Notizen auf ihrem Block. „Hat er mit ihnen schon geredet über das was Sie vermuten?“ hakte Doktor Köhler nach und Evelyn winkte ab. „Nein. Ich denke nicht das er es noch tun wird. Vielleicht habe ich mir dies wirklich nur eingebildet. Oder es war Wunschdenken. Ich denke nicht das da etwas dran ist.“ meinte sie enttäuscht. Evelyn hatte sich da wirklich mehr von versprochen. Nun winkte sie ab. „Es ist nicht allzu schlimm, Doktor Köhler. Ich hatte nur ein bisschen geträumt. Meine Intuition ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei.“ murmelte Evelyn und starrte nun wieder an die Zimmerdecke. Sie lag auf einem sehr bequemen Sofa. „Na gut. Dann reden wir über Sie. Wie haben Sie den Geburtstag ihres Sohnes verkraftet, Frau Beck?“ fragte Köhler sanft und Evelyn wischte sich eine Träne aus den Augen. „Ich kam zurecht. Ich musste nicht alleine durch. Sebi und Sina waren auch da. Es ist schön Freunde zu haben.“ meinte Evelyn und grinste.

In einer halben Stunde würde sie schon wieder im Auto sitzen und mit ihrem Kollegen am Fall arbeiten.

Kapitel 7


Die Heinrich Schule machte von Außen nicht viel her. Von Innen jedoch war sie hoch modernisiert. Evelyn und Sebastian wünschten sich in diesem Moment auf einer solchen Schule gewesen zu sein. Vielleicht wären sie dann jedoch niemals zur Polizei gegangen. Es dauerte einige Zeit und sie mussten mehrere Schüler fragen um das Büro des Vertrauenslehrers zu finden. Evelyn klopfte an die Tür und schon öffnete sich das Schloss. Es wurde zu geschlossen. Sie fand dies merkwürdig. Wieso sollte ein Lehrer und seine Schülerin, eine gut aussehende junge Afroamerikanerin, sich beide einschießen. War dies an dieser Schule normal. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Herr Jürgen Paulson? Ich hoffe Sie haben ein paar Minuten für uns Zeit. Wir sind die Beamten Beck und Henning und möchten Ihnen gerne einige Fragen stellen.“ fragte Evelyn mit fester Stimme und ließ dem Vertrauenslehrer somit keine Widerrede. Malte hatte ebenfalls von dem Vertrauenslehrer gesprochen, jedoch nicht die besten Worte und dies hallte durch Evelyn ihren Kopf. Der Mann hatte eine fliehende Stirn, einen dicken Bauch und trug eher unpassende Kleidung. Nicht gerade ein Frauenschwarm dachte Evelyn und betrat als erste den kleinen Raum. Während sie sich gegenüber hinsetzte, blieb Sebastian im Raum stehen und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. „Was kann ich denn für die Polizei noch tun? Sie haben Malte doch schon in Gewahrsam. Ich dachte damit ist der Fall abgeschlossen.“ warf Jürgen Paulson ein und Evelyn warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu. „Das wissen wir. Nur sind neue Beweise aufgetaucht, die Malte eventuell entlasten können und denen müssen wir nachgehen.“ sagte Evelyn entschlossen und schon schien dem Vertrauenslehrer die Luft weg zu bleiben. Er wurde Kreide bleich. „Herr Paulson, wo waren sie am Sonntag zwischen acht und zehn Uhr abends?“ fragte Sebastian und griff zu seinem Notizblock. „Ich...ich war zu Hause. Es lief ein alter Tatort und den wollte ich gerne sehen. Ich mag Krimis.“ antwortete Paulson schnell. „Kann das jemand bezeugen?“ wollte Evelyn wissen. „Nein. Ich lebe alleine.“ rief der Vertrauenslehrer förmlich. „Was hat dieser Malte denn erzählt?“ hakte Paulson nach und schaute von Evelyn zu Sebastian. „Dieser Malte! Erstens klingt das sehr abfällig und zweitens hat er nur erzählt das sie etwas sexuelles mit seiner Freundin Isabella, dem Mordopfer, hatten und wir auch dieser Sache nachgehen werden.“ meinte Evelyn und versuchte es mit einem Bluff. Sie wollte ihre Poker Fähigkeiten nun auch bei dem Vertrauenslehrer anwenden. „Ich weiß selbstverständlich nicht was sie meinen, Frau Beck.“ sagte Paulson mit fester Stimme. Evelyn ließ sich nichts anmerken. Sie wusste dennoch das sie den Vertrauenslehrer im Sack hatte. Sie musste den Sack nur noch schließen. „Sex mit Minderjährigen ist eine Straftat, falls Ihnen das vorher nicht bewusst gewesen ist. Besonders schlimm wird es bei Sex mit Schutzbefohlenen. Darauf steht einige Jahre Gefängnis.“ sagte Evelyn nun mit fester Stimme und funkelte den Mann finster an. Dieser hob beide Hände. „Das sind immer nur Gerüchte, Frau Beck. Ich hatte niemals Sex mit einer Schülerin. Es wird sicherlich viel geredet und dennoch tue ich so etwas nicht.“ verteidigte sich Paulson. Sebastian trat einige Schritte näher und presste seine Lippen aufeinander. „Wenn ich höre das Sie uns anlügen, klatscht es gleich, aber keinen Beifall!“ fauchte Sebastian. „Wenn Sie auspacken wird die Strafe vielleicht milder ausfallen.“ köderte Evelyn. „Na gut. Ich hatte etwas mit fünf Schülerinnen. Aber das eigentliche Opfer bin ich. Mich haben diese jungen Frauen verführt und ich konnte mich nicht wehren.“ versuchte Paulson sich zu verteidigen. Evelyn erhob sich. „Ich gebe Ihnen den Rat nicht die Stadt zu verlassen. Die Kollegen sind schon unterwegs.“ zischte Sebastian. Paulson fiel die Kinnlade hinunter. „Wo finden wir die beste Freundin von Isabella Strohmann?“ fragte Evelyn und Paulson zuckte seine Schultern. „Ich habe sie beurlauben lassen. Sie wollte mich nicht mehr glücklich machen.“ „Glücklich machen?!“ erwiderte Evelyn erschrocken und wusste nicht was sie sagen sollte.

 

„Ich nehme an Sie haben mit Herrn Jürgen gesprochen?“ erkundigte Maxine Wagner sich und sah zu Evelyn und anschließend zu Sebastian. Alle Drei befanden sich bei Maxine zu Hause im Wintergarten und saßen bei einer Tasse Tee zusammen. Maxine trug einen Morgenmantel. Sie hatte sich erkältet. Sie war blass und hatte ungewaschenes langes rotes Haar. „Das haben wir und er wird in diesem Moment von unseren Kollegen abgeholt und kommt direkt vor den Haftrichter. Er wird keine Schülerin mehr erpressen können. Wir dachten Sie könnten vielleicht gegen ihn aussagen. Dann kommt Paulson eine ganz lange Zeit hinter Gittern und kann niemandem mehr schaden.“ erklärte Evelyn und nippte an ihrem Tee. Maxine nickte zustimmend. Ihre beiden Hände legte sie auf ihren etwa molligen Bauch. „Schwanger?“ fragte Evelyn im Flüsterton und Maxine nickte zustimmend. „Im dritten Monat. Es ist von Paulson. Ich bin aber Mitschuld weil ich ihn angemacht habe. Da hat er mich verführt und dann...“ Maxine unterbrach sich und begann zu weinen. Evelyn legte der jungen Schülerin eine Hand auf die Schulter. „Ich lasse Ihnen die Nummer von unserer Polizei Psychologin da. Dort können Sie reden. Ich gehe ebenfalls zu Doktor Köhler. Sie ist sehr gut und hat mir schon viel geholfen.“ schlug Evelyn vor und Maxine nickte knapp. „Sie waren die beste Freundin von Isabella Strohmann. Haben Sie einen Verdacht wer als Täter in Frage kommt? Wir haben Malte Voss in Gewahrsam.“ meinte Sebastian und Maxine winkte ab. „Malte war es auf keinen Fall. Er und Isi das war wie die Schöne und das Biest, wenn Sie verstehen was ich meine. Oder das hässliche Entlein findet ein Zuhause. Da bin ich mir sicher. Malte hätte seiner Isi niemals etwas getan. Er ist so nett und hilfsbereit.“ schwärmte Maxine und Evelyn runzelte ihre Stirn. „Kann es eventuell sein das Sie auch etwas mit dem Verdächtigen hatten?“ fragte sie und Maxine blickte erst über ihre Schultern und dann zurück zu der Kommissarin. „Isi und ich waren uns einig. Malte sollte uns beiden sein. Wir wollten nach dem Abitur in ein anderes Land fliegen und dort heiraten. Bigamie ist in Deutschland ja verboten.“ entgegnete Maxine und grinste. „Dann ist das Kind wohl nicht von Paulson?“ hakte Sebastian nach. „Ich weiß es nicht genau. Ich werde einen Test machen, wenn mein Baby da ist und dann sehen wir weiter. Für Malte spielt es jedoch keine Rolle. Er sagte immer er kümmert sich und gibt sein bestes für seine kleine Familie. Das wollte er auch mit Isi haben.“ erklärte Maxine.

 

Evelyn und Sebastian sahen einander schweigend an. Eine Minute herrschte Stille. „Wer könnte Isabella Strohmann etwas angetan haben?“ hakte Evelyn nach und Maxine zuckte ihre Schultern. „Isi war das beliebteste Mädchen in der ganzen Parallelklasse. Und meine beste Freundin. Ich kann mir nur ihren eifersüchtigen und bescheuerten Freund Peter vorstellen.“ knurrte Maxine und biss sich wütend auf die Unterlippe. „Wie würden Sie ihr Verhältnis zu Herrn Romanovski beschreiben, Frau Wagner?“ erkundigte Sebastian sich. Maxine zuckte ihre Schultern. „Wir haben nur miteinander zu tun gehabt, wenn Schule war und sonst niemals. Peter hatte neben Isi noch ne andere Freundin gehabt und war ziemlich eifersüchtig. Isi durfte keinen anderen Typen und schon gar nicht den Malte haben. Er ist ein Autist und verdient seiner Meinung nach keine Freundin und schon gar nicht zwei. Wir haben dies geheim halten müssen. Malte ist für viele nur ein behinderter Junge der, der beste Schüler in der Klasse ist und mehr auch nicht. Für uns ist er allerdings etwas besonderes.“ rief Maxine und spürte wie Tränen ihre Wangen hinunter liefen. Das musste echte Liebe sein, dachte Evelyn und schmunzelte. „Wir gehen der Sache nach, Frau Wagner. Haben Sie vielen Dank für ihre Mithilfe.“ sagte Evelyn, stand auf, stellte die Tasse auf den kleinen Beistelltisch und wandte sich mit ihrem Kollegen ab.

 

Peter machte sich Gedanken. Nicht um seine ermordete Freundin, sondern weil die Polizei ermittelte. Dies brachte ihn völlig aus der Ruhe. Er hatte nichts damit zu tun und war sich sicher das sie ihn befragen würden. Einmal im Verhörraum sitzen hatte er sich immer gewünscht. Für seinen Aufsatz „Ein Leben als Polizist“ wollte er ein bisschen recherchieren und sich bei der örtlichen Polizei erkundigen wie diese vorging oder einen Täter verhaftete. Dies kannte er nur aus dem Fernsehen und dann war es immer die USA. Peter hielt nicht viel von dem Autisten Malte. Er machte sich immer und überall lustig über diesen und brachte ihn in Verlegenheit. Nur wenn dieser doch etwas mit dem Mord an seiner Freundin zu tun hatte, musste der Behinderte für immer hinter Gittern, dachte Peter und nippte an seinem Energydrink. „Der Malte knallte. Das ist mir vielleicht einer.“ höhnte Peter und schüttelte seinen Kopf. Er würde vermutlich bald befragt werden und dann konnte er endlich seine Version der Geschichte erzählen.

Kapitel 8

Doktor Laura Schröder fand es ein wenig merkwürdig das sie gegen Abend, kurz vor Feierabend, von Evelyn und Sebastian angerufen wurde und nun noch einmal ihren Bericht zur Todesursache abgeben musste. Dennoch wollte Laura helfen und die Ermittlungen weiter antreiben. „Schön das ihr euch wieder versteht, Leute.“ sprach Laura ins Handy und schenkte ihnen beiden ein freundliches Lächeln. Es handelte sich um einen Bildanruf. So telefonierten die Ermittler meist mit einander. „Das finden wir auch. Kannst du uns noch etwas zum Todeszeitpunkt sagen, Laura?“ erkundigte Evelyn sich und hielt ihr Handy fest als Sebastian um die Ecke bog. „Ich halte es für ein Verbrechen aus Leidenschaft. Vermutlich aus Eifersucht. Mit Vorsatz. Da bin ich mir vollkommen sicher, wenn ich die Kopfverletzungen des Opfers sehen.“ berichtete Laura und Evelyn warf ihrem Kollegen einen warnenden Blick zu. „Kann ich sonst noch etwas für euch beide tun?“ fragte Laura. „Nein. Aber danke für deine Hilfe, Laura. Damit können wir beide schon wirklich viel anfangen.“ sagte Evelyn, lächelte nun ebenfalls und beendete das Gespräch.

 

Es war Abend geworden als Evelyn zu Hause abgesetzt wurde. Sebastian hatte sie nach Hause gefahren und wollte sie am nächsten Morgen wieder einsammeln. Sie würde heute viel Erholung brauchen, dachte Evelyn und betrat ihr Haus durch die Eingangstür. Im Flur zog sie ihre Stiefel aus, legte den Schlüssel in eine kleine Schale und trennte sich noch nicht von ihrer Dienstwaffe. Diese legte sie meist in eine Schublade in ihrem Nachttisch. Nach diesem Angriff auf ihr Leben in dem Hotel in OHZ, war sie etwas vorsichtiger geworden und überließ nichts mehr dem Zufall. Bei dem Kampf gegen einen Verdächtigen im letzten Jahr, hatte sie sich eine kleine Narbe an ihrer linken Augenbraue zu gezogen, welche sie mit einem kleinen Piercing verdeckte. Dies war eigentlich nicht erlaubt bei der Polizei. Und dennoch nutzte sie einmal ihre Beziehung zu ihrem Ex Mann für sich aus. Evelyn und Sebastian hatten sich bei einem Drive Inn schon etwas zu essen geholt. Cheeseburger und Pommes dazu eine Cola Zero. Nicht ganz das Abendessen, welches sie geplant hatte und dennoch ausreichend. Sie beschloss sich noch vor den Kamin im Wohnzimmer zu setzen. Sie legte Holz in den Kamin und zündete es an. Nach einiger Zeit wurde es richtig warm und gemütlich. Ein langer Tag neigte sich dem Ende entgegen. Sie ging zum Wandschrank. Dort hatte sie noch Kekse. Diese wollte sie nun essen. Sie griff nach einem Schokoladen Keks, führte diesen zu ihrem Mund und biss genüsslich ab. Sie kaute herzhaft. „Was ein Tag.“ murmelte sie und schnaufte. Sebastian würde sie vielleicht bald in Richtung USA verlassen. Sie würde vermutlich einen neuen Kollegen bekommen. Vielleicht würde auch Sina als ihre Kollegin eingesetzt werden. Dies stand jedoch noch in den Sternen. Nun galt es erst einmal diesen Fall zu lösen. Ihr Gefühl sagte ihr das sie schon sehr nahe am Ende waren. Sina wurde gebeten zu Malte Voss zu gehen und diesen um eine DNS Probe zu bitten. Evelyn wollte ausschließen dass es sich um den Samen um den von Malte handelte. Und vielleicht hatte Sebastian Recht. Vielleicht tat sie dies nur weil sie an ihren eigenen Sohn Simon erinnert wurde. Evelyn zuckte ihre Schultern. Sie schüttelte ihre Gedanken ab. Sie blickte nachdenklich ins Kaminfeuer. Langsam schlossen sich ihre Augen. Sie entspannte sich und begann zu schlafen. Wenn sie träumte, dann hoffentlich von ihrem Sohn, die zusammen im Schwimmbad oder auf dem Spielplatz waren und alles um sich herum vergaßen.

Kapitel 9

 

(Rückblick)

 

 

Peter wusste nicht was er sagen sollte. Isabella stand ihm gegenüber, hatte ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt und erzählte ihm, dass sie eine heimliche Beziehung mit dem Autisten Malte führte. Peter hatte gespürt wie ihm die Kinnlade hinunter fiel. Er wusste nicht mehr was er denken sollte. Damit hatte er nicht gerechnet. „Wie bitte?“ erwiderte Peter geschockt und starrte seine Freundin ausdruckslos an. Isabella zuckte lediglich ihre Schultern. „Es ist so wie ich es sagte, Peter. Malte und ich sind zusammen. Das schon einige Zeit lang. Wir wollen nach dem Abitur mit Maxine zusammen ins Ausland fliegen, dort heiraten und eventuell dort leben. Vielleicht eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Darin haben Leute wie du nichts zu suchen.“ entgegnete Isabella mit scharfer Zunge. Peter fiel die Kinnlade erneut hinunter. „Das kann unmöglich dein Ernst sein, Isi. Du und der Knallte? Ach komm. Wenn du was mit dem Vollidioten und behinderten Affen angefangen hast, dann bin ich der Weihnachtsmann vom Nil, aus Affenhausen an der Zichte.“ entfuhr es Peter trocken. Er schüttelte seinen Kopf. „Ich wusste immer das du der Weihnachtsmann bist, nur bringst du leider keine Geschenke, sondern nur Sorgen mit. Höchstens die Ruthe.“ scherzte sie sarkastisch und rollte ihre Augen. „Der Trottel taugt doch nicht mal was im Bett.“ rief Peter verzweifelt. „Woher willst du das wissen. Ich urteile nicht über Qualität. Malte ist ein sehr netter Kerl und sehr zärtlich.“ hauchte sie und gab sich einem Tagtraum hin. Peter schnaufte. Dies konnte nicht wahr sein. Malte hatte ihm die Freundin ausgespannt. Damit hatte er nicht rechnen können. „Du solltest dir das lieber noch einmal überlegen, Isi. Nicht das dir sonst ein kleiner Unfall passiert.“ flüsterte Peter und starrte sie direkt an. Isabella erschauderte. So etwas kannte sie noch nicht von Peter. Beide befanden sich in der Heinrich Schule. Diese war auch nach der Schule, bis zum Abend hin, geöffnet. Peter hatte außerdem einen Schlüssel für das gesamte Gelände. Einmal hatte er ein Praktikum beim Hausmeister gehabt und sich alle Schlüssel nach machen lassen. Er fand dies sehr clever und praktisch. Ursprünglich hatte Isabella einmal auf Peter gestanden. Er war wild und sah gut aus. Als sie ihn näher kennen lernte, ahnte sie das er sie nur in Schwierigkeiten bringen würde und das ihr Vater ihn niemals akzeptieren würde. Der clevere, zurückhaltende, schüchterne Malte, würde mit jedem zurecht kommen und wäre sicherlich ein guter Vater. Dessen war sich Isabella sicher als sie eine heimliche Beziehung mit Malte einging und sich nicht störte das sich auch ihre beste Freundin in ihn verliebt hatte. „Willst du mir etwa drohen, Peter? Ich gehe zum Direktor wenn es so ist.“ donnerte Isabellas Stimme. Peter schüttelte seinen Kopf. „Ich habe nur gesagt was mir im Kopf herum ging, Schatz.“ „Also das mit dem Schatz hat sich erledigt. Malte möchte das nicht mehr das wir zusammen rum hängen. Und ich möchte meinen Malte nicht verletzen. Ich hoffe du verstehst das.“ sagte Isabella, lächelte und drehte Peter den Rücken zu.

 

Gegenwart,

 

Peter saß zu Hause, in seinem Zimmer und starrte aus dem Fenster in den Garten, wo die Bäume schon ihre Blätter gelassen hatten. Dabei erinnerte er sich immer wieder an das letzte Gespräch mit Isi und seine blöden Reaktionen. Vielleicht wäre sie noch bei ihm hätte er um seine Isi gekämpft. Peter schüttelte seine Gedanken ab. Die Polizei hatte diese Gedanken in ihm aufgewühlt. Besonders diese Kommissarin, welche den Herrn Jürgen, besucht hatte. Peter musste vorsichtig sein.

 

Die Kollegen der Nachtschicht hatten bereits im Polizei Revier übernommen als Sina mit schnellen Schritten auf die Zelle zu ging, in welcher der Hauptverdächtige sich noch immer befand. Sie hatte eine Tafel Schokolade und eine kleine Flasche Eistee dabei. Dies wollte sie dem Hauptverdächtigen geben, um die Situation etwas aufzulockern. Sina hatte den Auftrag bekommen eine DNS Probe von Malte Voss zu sichern und diese ins Labor zu bringen, noch ehe sie Feierabend machte und heim zu ihrem Freund fuhr. Sina nickte einem Wachtmeister zu und schon wurde die Zelle geöffnet. Malte lag auf der Pritsche und schaute an die Decke. Er trug noch immer die Kleidung, welche er von der Polizei erhalten hatte. Maltes Vater durfte nicht kommen um ihm etwas neues zum anziehen zu bringen. Polizeiobermeisterin Sina überlegte ob sie nach ihrer Schicht dies noch kurz erledigen sollte. Es lag förmlich auf ihrem Weg nach Hause. Sina trat ein und winkte dem Hauptverdächtigen, den auch sie für unschuldig hielt, zu. Malte setzte sich im Bett auf und sah Sina fragend an. „Sie wünschen?“ fragte er höflich. Sina schnaufte und zwinkerte ihm zu. Sie reichte ihm das, was sie, mit gebracht hatte und Malte nahm es dankend an. Die Tafel Schokolade wurde dankend entgegen genommen, geöffnet und gierig in den Mund gesteckt. Der Eistee hingegen mit Genuss getrunken. Sina zog sich den Stuhl heran, welcher gegenüber vom Bett an einem Tisch stand, da neben die kleine Toilette. Es roch ein wenig nach Urin. In einer solch kleinen Zelle mit nur einem vergitterten Fenster, was niemand öffnen konnte, war es vermutlich ganz normal, überlegte Sina und schlug ihre Beine übereinander. „Was kann ich für Sie tun, Frau Polizei?“ erkundigte Malte sich und Sina lächelte. „Mein Name ist Sina Storck. Ich arbeite als eine Art von Sachbearbeiterin für die Polizei.“ stellte sich Sina vor und Maltes Gesicht hellte sich auf. „Danke das ich weiß wer Sie sind, Frau Storck. Ich bin Malte. Es freut mich sehr.“ sagte Malte sanft und Sina konnte sich schon denken wieso er so beliebt war beim weiblichen Geschlecht. Dennoch musste Sina ihrer Arbeit nachgehen. Sie räusperte sich. In ihrer Hosentasche hatte sie den DNS Test, welchen sie soeben an Malte überreichte und er sie fragend anblickte. „Was das?“ fragte er neugierig. „Ein Test um eine Speichelprobe zu entnehmen. Auf diese Weise können wir Sie als Täter ausschließen und wir speichern ihre DNS in der Datenbank, damit niemand mehr, niemals wieder, so etwas mit Ihnen machen kann. Wenn Sie dazu bereit sind jedenfalls.“

 

Etwas zögerlich hatte Malte den DNS Test gemacht. Sina hatte ihm auf die Schultern geklopft, war aufgestanden und hatte die Zelle mit schnellen Schritten verlassen. Sie verließ das Revier. Mit dem Auto dauerte es, beim abendlichen Verkehr, etwa eine viertel Stunde zum Labor. Dort angekommen, traf Sina gerade noch Luise Lichtenstein, die neue Leiterin des Labors, in ihrem Büroraum. „Überstunden?“ fragte Sina und klopfte an die weit geöffnete Tür. „So etwas in der Art. Ich wurde mit einem Mann namens Kevin verkuppelt und hätte in zehn Minuten ein Date in einem schicken Restaurant. Nur leider bin ich kein Freund von diesem Mann. Er hat selbst zwei Kinder. Stellen Sie sich mal das vor. Er und ich verstehen uns und dann sind wir eine Großfamilie. Das wäre als würde ich mich nackt mit Pudding einreiben und durch die Straßen laufen. Nee nee. Manche Dinge passen nicht zusammen.“ meinte Luise und rollte ihre Augen. Sie runzelte ihre Stirn. „Was kann ich denn so spät noch für Sie tun, Frau Storck?“ Sina sagte nichts, sondern reichte Luise die DNS Probe. „Kann ich die bei Ihnen lassen und Sie geben die Probe ins Labor oder soll ich versuchen den Hausmeister zu finden?“ hakte Sina nach und Luise winkte ab. „Schmarn!“ keuchte Luise. „Ich kümmere mich persönlich darum und dann haben Sie morgen im laufe des Tages ihre Ergebnisse.“ erklärte Luise und Sina nickte dankend. Sie wandte sich ab.

Kapitel 10

 

Am nächsten Morgen fragte sich Evelyn wie wohl der neuste Hauptverdächtige, Jürgen Paulson, seine erste Nacht in der Zelle hinter sich gebracht hatte. Sie hatte nur gehört das er ein gutes Frühstück erhalten hatte und nun im Verhörraum saß, die Hände gefaltet hatte und vor sich hin schaute. Der Mann trug immer noch die Kleidung vom Vortag. Evelyn warf einen Blick durch den Trick Spiegel ins Innere des Raumes. „Was denkst du?“ wollte Sebastian wissen und trat neben seine Kollegin. „Es würde mich sehr interessieren was einen Mann wie ihn dazu gebracht hat, sich seine Zukunft zu verbauen und nun ins Gefängnis zu gehen, bloß weil er sein bestes Stück nicht in seiner Hose lassen konnte. Das Motiv interessiert mich, Sebi.“ murmelte Evelyn leise. Sie schritt an ihrem Kollegen vorbei, öffnete die Tür zum Verhörraum und trat ein. Evelyn als auch ihr Kollegen zogen sich einen Stuhl an den Tisch heran, setzten sich und schon schlug sie ihre Beine übereinander. Dies schien bereits eine Reaktion bei dem Hauptverdächtigen zu verursachen. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Ist irgendetwas los?“ hakte sie nach und Paulson nickte knapp. „Können Sie das noch einmal machen? Bitte.“ bat er und deutete auf ihre Beine hin. Sie setzte sich wieder aufrecht hin und spreizte ihre Beine. Dies fand Paulson nicht gerade erotisch. Erst als sie ihre Beine wieder überschlug, war er wieder Feuer und Flamme. Evelyn warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu. Sebastian griff zu seinem Handy und nutzte Doktor Google. „Kann es eventuell möglich sein das Sie einen Fetisch für überschlagene Beine haben und sich deshalb nicht ganz zusammen reißen können, wenn Sie dies sehen, Herr Paulson?“ fragte Sebastian nach und zeigte dem Verdächtigen einige Bilder von langen Beinen. Paulson staunte nicht schlecht. Obwohl er erregt war, versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. „Na und. Ist das etwa verboten?“ zischte Paulson und Sebastian winkte ab. „Nein ist es nicht. Nur ich denke Sie sollten sich mit unserer Polizei Psychologin einmal unterhalten. Vielleicht kann Doktor Köhler ihnen ein bisschen helfen oder Sie an einen Kollegen verweisen.“ schlug Sebastian vor. „Was soll das bringen? Ich werde eh ins Gefängnis kommen.“ sagte Paulson und zuckte seine Schultern. „Auch im Gefängnis können Sie zum Therapeuten gehen. Eine Therapie kann wahre Wunder wirken, Herr Paulson. In ihrem Fall sind sie krank und sie brauchen Hilfe. Die Behörden können Ihnen jede Hilfe zu kommen lassen, die Sie brauchen. Denken Sie drüber nach.“ bat Sebastian und Paulson nickte knapp.

 

„Ich möchte gerne von Ihnen wissen, wie Sie überhaupt dazu gekommen sind, Sex mit Schutzbefohlenen zu haben, Herr Paulson? Das sind noch junge Mädchen und noch lange keine Volljährigen Frauen. Und selbst dann wäre es noch verwerflich.“ ergriff Evelyn mit fester Stimme das Wort und schaute Paulson tief in die Augen. Paulson zuckte seine Schultern. „Was solls. Ich bin eh im Knast. Warum sollte ich mich noch tiefer rein reiten?!“ erwiderte Paulson. Evelyn lehnte sich ein Stück weiter nach vorne. „Vielleicht weil Sie ihr Gewissen erleichtern wollen oder Reue empfinden. Vielleicht auch weil eine Strafminderung bei raus springt. Aber müssen Sie wissen.“ schlug Evelyn vor und setzte wieder ihr Poker Gesicht auf. „Isabella und ich waren wirklich zusammen. Sie hat vor einem Jahr angefangen mir erotische Emails zu schreiben. Das können Sie gerne überprüfen. Ich sage die Wahrheit.“ „Das werden wir.“ sagte Evelyn und stand langsam auf. „Und was ist mit der Strafminderung? Bekomme ich diese?“ fragte Paulson und seine Augen strahlten vor Freude. „Als ob!“ meinte Evelyn, sah zu wie der Glanz aus seinen Augen verschwand und wandte sich zusammen mit ihrem Kollegen ab.

 

„Ich habe den Nachrichtenverlauf auf dem Handy von Jürgen Paulson überprüft. Es stimmt was er gesagt hat. Er hat Emails von einer gewissen Isabella Strohmann erhalten. Diesen Schriftverkehr konnte ich auch auf dem Laptop des Opfers feststellen. Es besteht kein Zweifel, die beiden Personen hatten einen heftigen Austausch ihrer, nicht ganz so, jugendfreien Gedanken.“ berichtete Timo Kraft, von der technischen Abteilung, etwa eine Stunde später und setzte somit Evelyn und Sebastian ins Bild. „Wenn das so ist, können wir nicht weiter ermitteln. Wir finden den wahren Mörder vielleicht niemals.“ murmelte Evelyn frustriert vor sich hin. Sebastian legte ihr eine Hand auf die Schultern. „Hast du noch etwas gefunden, Timo? Wir sind offen für alles.“ fragte Sebastian. Timo fuhr sich mit der Hand durch sein langes schwarzes Haar. „Ich habe den Absender der Emails genauer überprüft und konnte die Emails einem anderen Standort zu ordnen. Es wirkt als habe sich der Laptop nicht immer bei dem Opfer zu Hause befunden. Vielleicht war er außerhalb. Hier ist jedenfalls die Adresse, wo sich der Computer mehrfach im letzten Jahr, befunden hat.“sagte Timo und reichte den beiden Kommissaren ein Blatt Papier mit einer Adresse. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Kannst du das bitte auch überprüfen, Timo.“ fragte sie und Timo lächelte. „Ich dachte schon du fragst nie.“ rief er enthusiastisch und schon flogen seine Finger über die Tastatur. Mit Hilfe der polizeilichen Datenbank fand Timo schnell was er gesucht hatte. Timo drehte den Bildschirm einmal herum, damit die beiden Kommissare etwas erkennen konnten. „Ich habe die Adresse überprüft. Sie befindet sich in der Datenbank, weil dort einmal die Kollegen waren, wegen Ruhestörung. Dort wohnt ein gewisser Peter Romanovski mit seiner Eltern. Ich schreibe euch die Adresse noch einmal auf. Das Haus ist ein bisschen versteckt und laut einer Aufnahme von Oben von Efeu verdeckt.“ berichtete Timo. „Irgendwie scheinen viele Häuser und Anwesen in Vorsfelde von Efeu bedeckt zu sein.“ bemerkte Sebastian. „Ich denke wir sollten uns mit Peter Romanovski unterhalten.“ schlug Evelyn vor, wandte sich ab und lief mit schnellen Schritten zum Fahrstuhl.

 

Evelyn und Sebastian wollten gerade das Revier verlassen als Doktor Zobel ihren Weg kreuzte. Die Staatsanwältin trug ihre schwarze Robe und schien gestresst zu sein. „Schön das ich euch noch erwische. Hast du eine Minute Zeit, Evelyn?“ fragte Sakura Zobel und sah ihre Freundin fragend an. Evelyn und Zobel zogen sich auf die Frauen Toilette zurück, vergewisserten sich das niemand da war und schon stemmte Zobel ihre Hände in ihre Hüften. „Du weißt das dir die Zeit davon läuft, Evelyn?“ fragte Zobel und Evelyn nickte zustimmend. „Das weiß ich, Sakura. Ich bin dicht an etwas dran. Wir fahren jetzt zu dem neusten Verdächtigen und bringen ihn dann ins Revier. Mit etwas Glück ist dies unser eigentlicher Täter. Es deutet jedenfalls auf den Partner des Opfers hin. Zumindest mit den neusten Erkenntnissen.“ verkündete Evelyn und Zobel nickte knapp. „Das ist gut. Denn deine Zeit läuft bald ab. Du hast noch 24 Stunden. Danach kommt Herr Voss vor den Haftrichter und du kennst Bull. Dort wird Nägel mit Köpfen gemacht. Und dann kann ich auch nichts mehr tun.“ sagte sie und Evelyn nickte knapp. „Mein Kollege und ich arbeiten dran, Sakura. Du wirst bald Ergebnisse erhalten. Versprochen.“ sagte Evelyn entschlossen, grinste und wandte sich ab.

Kapitel 11

 

Das Haus von der Familie Romanovski lag wirklich etwas versteckt unter Efeu und anderen Pflanzen, welche an der Fassade nach oben wuchsen. Evelyn und Sebastian warn mit ihrem Dienstwagen vorgefahren, ausgestiegen und näherten sich mit gezogenen Pistolen dem Hauseingang. Die Tür stand weit offen. Kein gutes Zeichen dachte Evelyn. Sie trat behutsam näher. Mit ihrer Pistole im Anschlag ging sie weiterhin auf das Haus zu. Sie nahm die fünf Stufen mit bravour, ohne auf ihre Füße zu sehen und stellte sich an die rechte Seite des Hauseingangs. Sie warf einen flüchtigen Blick ins Innere. Niemand zu sehen oder zu hören. Dies fanden beide Kommissare sehr merkwürdig. „Niemand da.“ flüsterte Evelyn und wollte voran schreiten als Sebastian sich anbot. „Ich gehe voraus und du sicherst mich.“ bot er an im Flüsterton. Sebastian ging voraus und betrat den Flur des Hauses. Er wollte sich gerade um sehen, da wurde er von irgendetwas am Kopf getroffen und sank zu Boden. Noch bevor Evelyn reagieren konnte, schwang ein Baseball Schläger auch nach ihr und schlug ihr mit einem Mal die Pistole aus den Händen. Diese landete etwa drei Meter von ihrem Standort entfernt auf dem Laminat. Ein weiterer Hieb folgte. Evelyn duckte sich und entging somit dem verletzenden Schlag. Sie tauchte ab, wirbelte herum, streckte ihr rechtes Bein aus und trat dem Angreifer gegen den Brustkorb. Dieser torkelte zurück, verlor seinen Halt und knallte mit voller Wucht auf den Boden. „Autsch.“ stöhnte eine männliche Person. Erst jetzt konnte Evelyn einen Blick auf die Person werfen. Es handelte sich um Peter Romanovski, ihren Verdächtigen. Evelyn holte aus und trat dem jungen Mann mit voller Wucht gegen das Kinn. Auf diese Weise wurde er überwältigt und blieb benommen liegen. Evelyn griff zu ihrem Handy. Zunächst kontrollierte sie den Puls ihres Kollegen. Sebastian atmete tief und fest. Er war am Leben. Nur bewusstlos. Dennoch wählte sie die Nummer vom Notarzt, die 112, und schilderte der Person am anderen Ende der Leitung was passiert war. Es wurde ein Krankenwagen und Verstärkung innerhalb der nächsten fünf Minuten versprochen. Evelyn legte auf, griff zu ihren Handschellen und begann diese der Person anzulegen. „Widerstand gegen die Staatsgewalt und Angriff auf Polizisten. Das kann nicht nur teuer werden, sondern Sie kommen sicherlich einige Zeit in den Knast, Herr Romanovski. Aufstehen!“ donnerte ihre Stimme. Sie half dem jungen Schüler beim aufstehen, presste ihn gegen die Wand im Flur und warf erneut einen besorgten Blick auf ihren Kollegen.

 

„Schlampe!“ zischte Peter und funkelte sie finster an. „Sie sollten ihre Worte lieber mit Bedacht wählen, Herr Romanovski.“ warnte Evelyn den jungen Schüler. Dieser zuckte mit seinen Schultern. „Mein Vater ist Anwalt und meine Mutter arbeitet bei VW. Ich bin schneller wieder draußen als ihr gucken könnt. Und dann bin ich derjenige der Euch anzeigt, wegen Verleumdung und illegale Festnahme.“ brummte Peter und Evelyn winkte ab. „Illegale Festnahme? Sie meinen sicherlich Freiheitsberaubung. Das liegt nicht vor. Sie haben uns angegriffen und dafür bekommen Sie ihre gerechte Strafe. Sie werden schon sehen.“ warnte Evelyn erneut, nickte den uniformierten Kollegen zu, die soeben eingetroffen waren und schon wurde Peter abgeführt. Evelyn stellte jetzt erst fest das ihr, ihre rechte Hand weh tat. Vielleicht hatte der Schlag mit dem Schläger sie verletzt. Sie würde dies checken lassen. Zunächst sah sie zu wie ihr Kollege von den Sanitätern versorgt wurde.

 

„Geht es euch gut?“ fragte Sina und klang hysterisch. Sie war vollkommen aus dem Häuschen. Sebastian wurde ins Krankenhaus mitgenommen und Evelyn wurde dies ebenfalls vorgeschlagen. Dort wollte man ihre Hand röntgen. Sie musste jedoch zunächst mit auf das Revier fahren. Wenn der Vater des Schülers wirklich ein guter Anwalt war, musste sie auf alles gefasst sein und wollte keinen Fehler machen. „Uns geht es gut, Sina. Danke der Nachfrage. Sebi musste mit ins Krankenhaus und da will ich dann auch hin. Ich wollte dich fragen ob du mit ins Verhörzimmer kommen kannst und die DNS Probe von dem Schüler und neuem Hauptverdächtigen nehmen kannst? Dann kann die Probe ins Labor und Murat braucht vielleicht nur einige Stunde für die Auswertung. Ich würde wirklich gerne wissen von wem das Sperma auf der Leiche ist. Ich hoffe da sitzt der Kandidat.“ sagte Evelyn trocken und zeigte durch die Scheibe auf Peter Romanovski. Dieser saß in dem kleinen Verhörraum, am Metall Tisch und hatte seinen Kopf auf seine Hände gestützt. Er wirkte selbst sicher und so als ob er nicht hier her gehörte. Dies erinnerte Evelyn an einen anderen Täter, dessen Verhalten, sie fast wahnsinnig gemacht hatte. „Das mache ich gerne, Evelyn. Ich freue mich immer wenn ich helfen kann.“ antwortete Sina, nahm sich einen DNS Test und betrat zusammen mit Evelyn den kleinen Raum.

 

Peter saß noch immer ganz ruhig an seinem Platz und schaute eher gelangweilt auf als die beiden Frauen den Raum betraten. „Ich hoffe Sie haben meinen Vater angerufen. Ich will nicht länger hier bleiben müssen als ich muss.“ knurrte Peter trocken und warf Evelyn und Sina einen abfälligen Blick zu. Sina schaute einen Moment in Peters Augen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. „Ich möchte Sie bitten uns eine DNS Probe zu geben.“ bat Sina und hielt ihm ein Wattestäbchen hin. Peter nahm es entgegen, führte es zu seinem Mund, öffnete diesen und führte das Stäbchen zu seiner linken Backe. Dort ließ er es einige Male kreisten und anschließend reichte er es an Sina weiter. Sina nahm das Wattestäbchen dankend an. Sie nickte Peter zu, stand auf und wandte sich ab. Peter blickte Sina hinter her und warf einen interessierten Blick auf deren Fahrgestell. Peter lachte leise und zeigte dabei seine weißen Zähne. „Die hat wirklich einen geilen Arsch. Ist ihre Kollegin schon vergeben?“ erkundigte Peter sich und lächelte. „Ich denke schon. Sie ist außerdem viel zu alt für Sie, Herr Romanovski.“ antwortete Evelyn schlicht und Peter zuckte seine Schultern. „Auf alten Pferden lernt man das Reiten, heißt es.“ höhnte Peter und brach in lautes Gelächter aus. Evelyn versuchte sich zu beherrschen. Am liebsten hätte sie dem Verdächtigen eine verpasst.

 

„Keine Haare im Gesicht aber de Aff machen wollen!“ fauchte Evelyn plötzlich. Sie stand blitzschnell auf, packte Peter an dessen Haaren und schlug seine Stirn mit voller Wucht auf die Tischplatte. Peter spürte nicht einmal Schmerzen. Er war sprachlos. Mit dieser Aktion hatte er wohl nicht gerechnet. Er schaute Evelyn fragend an. „Das erzähle ich meinem Vater nicht, Chika. Wenn du eine Probe von einem richtigen Mann haben willst, bekommst du eine.“ rief Peter, stand auf und wollte gerade seine Hose öffnen, als Evelyn ihm eine Ohrfeige verpasste. „Und wenn du nicht gleich tust was ich sage, wird es schlecht für dich ausgehen, Freundchen!“ donnerte ihre Stimme. Peter schien dies zu beruhigen. Er setzte sich auf seinen Hintern, schaute zu ihr auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist widerspenstig. So etwas mag ich.“ hauchte Peter. Evelyn lehnte sich ein Stück weiter vor und grinste süffisant. „Dann wirst du mich, lieben!“ murmelte sie und wollte noch etwas sagen, als es an der Trick Scheibe klopfte. Evelyn nickte in Richtung der Scheibe, wandte sich ab und verließ mit schnellen Schritten den Raum.

 

Draußen vor dem Verhörraum standen Doktor Zobel, Sina und ein Mann den Evelyn nicht kannte. Bei dem Mann musste es sich um Peter´s Vater handeln. Dieser trug einen dunklen Hosenanzug, Lackschuhe und die passende rote Krawatte. Sein stechender Blick ließ nichts Gutes verheißen. „Hauptkommissarin Evelyn Beck. Das ist Herman Romanovski von Romanovski, Müller und Schneider. Der Vater des Hauptverdächtigen. Er ist außerdem der Anwalt von Peter und möchte nicht das wir noch einmal mit seinem Sohn sprechen, ohne das er, also sein Anwalt anwesend ist. Peter ist noch Minderjährig und auch wenn er in einem Monat achtzehn Jahre alt wird, ist er immer noch als Minderjähriger zu führen.“ berichtete Doktor Zobel und setzte Evelyn und Sina ins Bild. „Was ist mit der DNS Probe?“ erkundigte sich Sina. „Ich denke das geht in Ordnung. Mein Mandant ist ohnehin unschuldig und die Polizei kann ihm nichts unterstellen.“ meinte Peter´s Vater und lächelte süffisant. Evelyn ballte ihre Hände zu Fäusten, wobei ihre rechte Hand wirklich weh tat und sie lieber ihre Hände lockerte. „Gut dann gehe ich ins Labor.“ sagte Sina und schon verschwand sie. „Wollen Sie gar nichts dazu sagen, Frau Beck? Vielleicht eine Entschuldigung.“ schlug Peter´s Vater vor und Evelyn grinste. „Eher net so denke ich. Wir haben Beweise das ihr Sohn, ihr Mandant, etwas mit dem Mord an Isabella Strohmann zu tun hat und wir werden bald eine Entschuldigung von Ihnen akzeptieren.“ zischte Evelyn. Sie funkelte den Mann finster an. Dann beruhigte sie sich wieder. „Ich denke Sie sollten jetzt mit ihrem Mandanten sprechen.“ schlug Evelyn vor und sah zu wie Peter´s Vater zu seinem Sohn in den Verhörraum ging.

 

Doktor Zobel deutete mit ihrem rechten Zeigefinger auf ihre Armbanduhr, welche sich an ihrem linken Handgelenk befand. „Du hast keine Zeit mehr, Evelyn.“ drängte Zobel und Evelyn nickte zustimmend. Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte den Flur hinunter. Sie musste so schnell wie möglich ins Labor und die Beweise zusammen tragen. Sonst kam die Person ins Gefängnis welche sich im Visier der Ermittlungen befand.

Kapitel 12

 

„Nun mach schon Murat! Wie lange dauert es denn bitte schön bis eine DNS Probe untersucht wurde und die passende DNS in der Datenbank hinterlegt wird? Jahrzehnte? Kannst du nix machen damit es etwas schneller geht?“ drängte Sina und schaute den Forensik Experten, Murat Sentürk, fragend an. Auch Evelyn hatte sich in dessen Laborraum eingefunden und schaute den Experten fragend an. „Ich habe die Probe gleich in die Maschine gesteckt. Ich habe die Maschine auf die höchste Stufe gestellt und kann euch sagen, es dauert noch ein paar Minuten. Ich kann mich schließlich nicht drauf setzen damit es schneller geht. Ich bin nicht der große, Murat McCloud, aus dem Auenland unter den Tannen am Milchberg. Bei mir im Labor dauert es nun mal einen Moment.“ erwiderte Murat und stemmte seine Hände auf seine Hüften. Es dauerte eine Viertelstunde bis die Probe fertig war und der Computer von selbst ein Blatt Papier mit dem Analysebericht darauf ausdruckte. Murat warf einen kurzen Blick darauf und reichte Evelyn das Schriftstück weiter. Sie las das Ergebnis im stillen. Ihr Gesicht hellte sich plötzlich auf und sie lächelte. „Danke dir, Murat.“ sagte sie, wandte sich ab und griff zu ihrem Handy.

 

Die Fahrt zurück zum Revier dauerte nur zwanzig Minuten. Das lag an dem wenigen Verkehr, aber auch an der Tatsache das Evelyn fuhr wie eine Verrückte und zusammen mit Sina das Gebäude betrat als Peter und dessen Vater es gerade verließen. Doktor Zobel stand etwas abseits von den beiden Männern und musterte den Hauptverdächtigen. „Sakura, ich habe das Ergebnis.“ rief Evelyn und trat neben die Staatsanwältin. Doktor Zobel warf nun ebenfalls einen Blick auf die Analyse. Ihre Stirn legte sich in Falten. „Demnach stimmt die DNS von Peter Romanovski mit dem Sperma Fleck auf dem Mordopfer überein.“ zählte Zobel die Fakten zusammen und schaute Evelyn in die Augen. Evelyn nickte zustimmend. „Das bedeutet, wenn wir die fehlenden Fingerdrücke von Peter bekommen, passen diese mit Sicherheit zu der Tatwaffe und dann fehlt uns nur noch das Geständnis. Die Beweise sind jedoch eindeutig.“ Evelyn unterbrach sich. „Malte Voss ist nicht der Mörder von Isabella Strohmann.“ rief sie förmlich und grinste übers ganze Gesicht. Doktor Sakura Zobel nickte knapp und deutete auf zwei uniformierte Kollegen. „Verhaften Sie bitte diesen jungen Mann!“ wies sie die Polizisten an und diese taten wie geheißen.

 

Peter wurde verhaftet und zurück ins Gebäude geführt. Sein Vater der Anwalt protestierte wild mit den Armen, konnte es jedoch nicht verhindern und würde nun mit bekommen was für einen kranken Scheiß sein Sohn sich überlegt hatte, dachte Evelyn und folgte den Personen ins Gebäude.

 

„Wir wissen das Sie ihre Freundin Isabella umgebracht haben, Peter. Wir wissen nur nicht wieso? Uns würde ihr Motiv brennend interessieren.“ meinte Evelyn und knallte die Fallakte förmlich auf den Tisch. Peter saß neben seinem Vater und schwieg. Evelyn hatte seinem Vater alle Beweise vorgelegt und der Anwalt wusste nicht mehr was er sagen sollte. Es sah nicht gut für seinen Sohn aus. „Sie hat mich mit diesem Malte knallte betrogen, mich nicht ran gelassen, aber mit jedem anderen gevögelt, besonders mit diesem fetten Vertrauenslehrer. Aber mich wollte sie nicht. Das war zu viel des Guten und ich habe gehandelt und es ihrem tollen Autistischem Boyfriend in die Schuhe geschoben. Und wenn Sie nicht gewesen wären, wäre ich damit durchgekommen.“ zischte Peter und funkelte Evelyn finster an. Evelyn setzte sich auf die Tischplatte und schaute Peter tief in die Augen. „Nicht so lange es Menschen wie mich gibt!“ knurrte ihre Stimme. „Abführen!“ wies sie einen Beamten an und sah zu wie Peter in Handschellen abgeführt wurde.

 

Gegen Abend kam Herr Strohmann auf das Revier um die persönlichen Sachen seiner verstorbenen Tochter abzuholen. Evelyn erzählte ihm die gesamte Geschichte bei einem Kaffee und Strohmann umarmte die Hauptkommissarin plötzlich. „Danke, Frau Beck. Ohne Sie wäre der wahre Mörder meiner Tochter damit davon gekommen und der Mann den sie wirklich geliebt hatte, wäre im Knast gelandet. Ist schon schlimm genug das meine Kleine etwas mit dem Vertrauenslehrer hatte.“ sagte er und Evelyn winkte ab. „So weit wir wissen hat Herr Paulson, die Mädchen niemals angefasst. Er hat sie dafür bezahlt ihre Beine zu zeigen, weil er darauf stand. Mit Isabella hatte er jedenfalls keine körperliche Beziehung. Dies muss sie lediglich erzählt haben um Peter weh zu tun.“ erklärte Evelyn und erinnerte sich an das schriftliche Geständnis von Paulson. „Ich frage mich ob es jemals leichter werden wird. Ich meine, meine Tochter hatte im Leben so viel vor sich und nun ist alles um.“ sagte er und senkte seinen Kopf. Evelyn grinste. „Mein Sohn ist auch nicht mehr unter uns, aber ich fühle jeden Tag seine Anwesenheit und bin mir sicher das wir uns eines Tages wieder sehen werden.“ flüsterte sie. Strohmann nickte knapp. Er atmete tief durch und wandte sich ab.

Epilog

 

Evelyn war erleichtert. Sebastian war aufgewacht und befand sich putz munter im Krankenhaus. Er hatte am späten Abend angerufen und Evelyn gebeten ihm morgen etwas Süßes vorbei zu bringen. Stella, seine Freundin, würde ihm frische Kleidung und einen Rasierer vorbei bringen. Aufgrund einer Gehirnerschütterung musste Sebastian einige Zeit im Krankenhaus bleiben. Evelyn war inzwischen beim Hausarzt gewesen. Sie hatte sich das rechte Handgelenk verstaucht und er hatte einen Verband angelegt. Schon befand sie sich wieder im Stadtteil Westhagen, in ihrem Haus und wollte sich bei einem Schaumbad entspannen. Sie hatte wieder einen kniffligen Fall hinter sich gebracht und brauchte einen Moment für sich zum abschalten. Sie hatte sich bereits ausgezogen und Wasser in die Wanne gelassen, als es an der Tür klingelte. Evelyn rollte ihre Augen. „Oh Mann.“ stöhnte sie. Sie zog ihren Bademantel an, ging zur Tür und öffnete diese. Davor hatte eine junge Frau, vielleicht Anfang bis Mitte Zwanzig, schlank mit langen dunkel blonden Haaren und blauen Augen gestanden. Diese hatte einen Strauß Blumen in den Händen und schenkte Evelyn ein freundliches Lächeln. „Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte Evelyn nach. Die junge Frau lächelte. „Sind Sie Evelyn Beck?“ fragte die junge Frau. Evelyn runzelte ihre Stirn und nickte knapp. „Ja? Und wer sind Sie?“ hakte Evelyn nach und die junge Frau zwinkerte ihr zu. „Mein Name ist Anita Kramer. Ich bin ihre Tochter!“ sagte die junge Frau und Evelyn erstarrte. Ihr fiel die Kinnlade hinunter. „Was?“ entfuhr es sie lediglich und sie wusste nun nicht mehr wie sie noch reagieren sollte. Ihre Vergangenheit schien sie eingeholt zu haben. Evelyn musterte die junge Frau gründlich. Sie trat beiseite und ließ die junge Frau, vermutlich ihre verlorene Tochter, eintreten. Evelyn hoffte es sei kein Fehler oder gar ein Betrugsversuch.

 

Ende

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.10.2023

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Aki, Malte und andere Freunde. Cover: K. Gelbrecht

Nächste Seite
Seite 1 /