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Prolog

§251 StGB Raub mit Todesfolge, wenn der Täter durch den Raub leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht.

 

 

Martin, atmete tief durch. Dabei atmete er die kühle Winterluft ein. Es war inzwischen der 10. Dezember. In zwei Wochen sollte wieder der heilige Abend sein, an dem die Familie zusammen kam und die Geschenke geöffnet wurden. An diesem Abend sollte es keinen Kummer, keinen Streit oder Sorgen geben. Alle sollten zusammen sitzen, feiern und essen. Sie sollten es sich gut gehen lassen, bis zur Bescherung. Zumindest war dies der Plan der meisten Familien. Zumindest der Familien der reichen Länder. In den Ländern der dritten Welt sah es an Weihnachten bestimmt nicht so rosig aus. Dort herrschte viel Hunger und Leiden. Dies war Martin bewusst. Aus diesem Grund hatte er eine Patenschaft in Afrika laufen und spendete einen Euro pro Tag an ein kleines Dorf. Damit wollte er wenigstens versuchen eine kleine Sache zu verändern. Er selbst hatte keine eigenen Kinder. Somit hatte Martin ein Patenkind, welches er schon einige Male getroffen hatte und dieses eventuell mit samt der Familie, nach Deutschland, holen wollte. Die Familie sollte hier die besseren Chancen haben und würde von seiner Schwester empfangen werden, da Martin selbst keine Zeit hatte. Zur Weihnachtszeit waren die Läden in den Kaufhäusern voll mit Menschen. Menschen die alle ihre Einkäufe machten und schnell noch Geschenke für ihre liebsten kaufen wollten.

 

Im Einkaufszentrum Henschel und Mühlers arbeitete Martin als Weihnachtsmann. Er und seine neunzehn Kollegen, sammelten Spenden für Waisenhäuser oder Kinderstationen im Krankenhaus oder ließen kleine Kinder auf ihrem Schoß sitzen und hörten sich deren Geschenkeliste an. Dabei hatte Martin immer den meisten Spaß. Martin hatte eine Menge Spaß wenn er ein kleines Kind lachen hörte oder zum lachen bringen konnte. Alle sahen in ihm den echten Weihnachtsmann. Schade das viele Eltern nicht mehr an das Wunder von Weihnachten glaubten. Martin würde immer daran glauben und tief in seinem Herzen ein kleiner Junge bleiben, der auf den Weihnachtsmann wartete und Milch und Kekse hinstellte. Dies hatte er einmal als Kind im Fernsehen, in einem Film gesehen und den Brauch übernommen. Jedes Mal an Weihnachten stellte er Milch und Kekse hin und jedes Mal waren sie gegessen worden und das Glas Milch leer getrunken. Erst mit sieben Jahren, als er zu groß für Weihnachten wurde, erfuhr Martin dass es sein Großvater gewesen war, der ihm ein unvergessliches Fest bereiten wollte. Noch immer, Jahrzehnte nach dessen Tod, erinnerte sich Martin mit Freude und Dankbarkeit an seinen Großvater und gedachte ihm, wenn er seinen roten Mantel anzog. Manche Menschen, Neider, würde Martin als Naiv oder einen Gutmensch bezeichnen, der es immer allen Recht machen wollte und für sich selbst nichts ausgeben wollte. Martin bezeichnete sich nicht so. Er wollte ein guter Mensch sein. Er wollte mit seinem Geld, welches er durch seine Zahnarzt Praxis verdient hatte, den Menschen zurück geben und besonders zu Weihnachten ihnen etwas Gutes tun. Martin war nicht mehr der Jüngste. Und niemand konnte wissen wie viel Zeit man noch auf Erden hatte. Martin schüttelte diese negativen Gedanken ab. Er wollte in der Weihnachtszeit mit so etwas nichts zu tun haben. Er wollte Freude und Heiterkeit verbreiten. Niemand sollte ihm seine schlechte Laune nehmen. Ihm würde nicht einmal die Laune verdorben werden, über den Strafzettel, den er soeben an der Windschutzscheibe seines Autos hatte kleben sehen. Er rümpfte seine Nase, zerknüllte den Zettel und warf ihn in den Müll. Heute nicht dachte er. Heute gab es nur die Kinder und Weihnachten.

Kapitel 1

 

Dies ist ein fiktives Werk. Es enthält Trigger Warnungen

 

 

„Harry, nun mach schon. Wir sind jetzt schon zu spät dran. Wenn wir noch länger warten, brauchen wir heute nicht mehr zum angeln zu fahren.“ rief Gerd und blickte an dem Backsteinhaus hinauf, in dem sein bester Freund Harald mit seiner Ehefrau Susanne lebte und das schon seit vierzig Jahren. Damals waren sie aus dem Osten gekommen, hatten sich ein Grundstück in Wendschott, einem Ortsteil von Wolfsburg mit knapp viertausend Einwohnern, gekauft und dort ein altes Backsteinhaus errichten lassen. Es sollte alt aussehen von außen. Von Innen war alles modernisiert. Gerd stammte ursprünglich aus dem Süden. Darmstadt seine Heimat, welche er nur noch wegen seiner erwachsenen Tochter Hannah und seinem kleinen Enkelsohn Timo besuchte. Ansonsten war er glücklich und zufrieden hier in Wendschott. Es gab nicht viele Bewohner im Stadtteil und jeder kannte jeden. Das machte es so schön hier zu sein. Man konnte Sonntags zum angeln an den Mittellandkanal fahren um dort sich einen Platz zu suchen, Schiffe zu beobachten und sich sein Abendessen zu fangen. Harry und Gerd taten dies seit einigen Jahren. Anfangs war es etwas schwierig. Den gefangenen Fisch zu töten und auszunehmen. Mit den Jahren hatte sich dies gebessert. Wenn Gerd hätte mit Sprengstoff hätte angeln können. Er hätte dies ohne Umschweife getan. Ähnlich wie in diesem einen Film mit dem Mann aus Australien welcher in Manhattan lebte und dort im Hudson River angelte. Lange Zeit hatte Gerd keinen guten Film mehr gesehen. Meist war es ein Tatort abends im Fernsehen, der seine volle Aufmerksamkeit weckte und ihn vor dem Fernseher einschlafen ließ. Gerd lebte von seiner Frau Carmen getrennt. Diese wollte die Scheidung vor drei Jahren als sie sich in ihren Yoga Lehrer verliebt hatte und nicht mehr mit Gerd zusammen sein wollte. Die gemeinsame Tochter war schon erwachsen und lebte ihr eigenes Leben. Somit gab es keinen Grund noch länger an seiner Seite zu sein. Gerd hatte die Trennung nur schwer und mit der Hilfe eines Therapeuten überwinden können. Dreißig Jahren verheiratet und dann das. Wieso war ihm dies passiert. Seine Eltern, welche beide nicht mehr lebten, waren bis zum Ende ein Herz und eine Seele. Gerd hatte geglaubt er würde ebenfalls mit seiner Carmen alt werden und in Frieden gehen und dort, wohin alle einmal gehen mussten, warten bis sie nachkam. Nun würde er wohl alleine die Überfahrt wagen müssen. Oder vielleicht lernte er doch noch jemanden kennen. Die Welt hatte sich mit Social Media vollkommen gewandelt. Früher hätte es eine Brieffreundschaft gegeben. Heutzutage waren es Email Bekanntschaften oder gar Chaträume, welche Männer in den Siebzigern, wie er, betreten konnten um sich wenigstens ein wenig mit dem anderen Geschlecht austauschen zu können. Da war viel Betrug dabei. Auch Gerd würde nicht nur einmal hinters Licht geführt. Doch war er niemals so verzweifelt oder naiv wie die Männer im Fernsehen. So etwas gab es nicht. Gerd schüttelte seine Gedanken ab. Er ließ seinen Blick wandern und schaute auf einen kräftigen Mann, der soeben das Haus verlassen und mit einer Angelausrüstung auf ihn zu kam. Harald schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Ich bin doch schon da. Was machst du denn immer so einen Stress, Gerd?“ wollte Harald wissen und Gerd zuckte seine Schultern. „Es ist nun mal kein Sommer mehr. Und ich möchte morgen nicht krank werden.“ sagte Gerd und Harald nickte knapp.

 

Die beiden Männer fuhren mit Gerds Auto zum Mittellandkanal. Dort stellten sie das Auto ab und wollten noch etwas zu Fuß gehen. Das Wasser war etwa hundert Meter entfernt. Harald hatte seinen Hund mitgenommen. Eigentlich keine gute Idee. Beide Freunde wollten sehen ob es sich überhaupt lohnte, heute zu angeln, falls nicht wollten sie den Rewe aufsuchen um sich mit Fischstäbchen einzudecken. Es hatte letzte Nacht etwas geschneit und der Schnee lag noch immer auf der Wiese. Auch auf dem Schotterweg lag noch etwas Schnee und es war ein bisschen glatt. Gerd rutschte einmal fast aus. Er fing sich im letzten Moment ab. „Alles in Ordnung?“ wollte Harald wissen und sah seinen besten Freund fragend an. „Ja es geht mir gut, Harry. Danke der Nachfrage. Ich wollte mich heute eigentlich nicht hinlegen.“ „Erdkunde soll was Gutes sein.“ scherzte Harald und beide Männer lachten. Sie traten an den Steg heran, machten ihre Angeln klar und Gerd wollte seine Angel soeben auswerfen, als er etwas im Wasser wahr nahm. Etwas sehr großes. Erst glaubte er es handle sich um eine Couch. Nur diese trug keine Zipfelmütze oder hatte einen weißen Bart im Gesicht. Gerd und Harald fiel die Kinnlade hinunter. Sie wussten im ersten Moment nicht wie sie reagieren sollten. „Das ist doch....“ rief Harald. „Ein Toter!“ beendete Gerd den Satz seines besten Freundes. Im Wasser trieb eine Leiche. Gerd hatte sein Handy bei sich. Er griff zu seinem Sony Handy, wählte den Notruf und versuchte nicht allzu aufgeregt zu klingen als er den Leichenfund meldete.

Kapitel 2

 

Es war noch recht früh am Morgen als Evelyn Beck durch das Klingeln ihres Motorola Handys aus dem Bett und somit dem verdienten Schlaf gerissen wurde. Sie stöhnte leise. Noch im Halbschlaf suchte sie nach ihrem Handy. Sie tastete ihren Beistelltisch ab, fast ihr Handy und hob es an. Sie legte das Handy an ihr linkes Ohr und brachte nur ein undeutliches „Beck?“ hervor. Am anderen Ende war eine, ihr unbekannte Stimme, welche ihr von einem neuen Leichenfund berichtete und sie so schnell wie möglich am Fundort der Leiche erscheinen sollte. „Ich bin unterwegs.“ murmelte sie, legte auf und legte das Handy neben sich auf die leere Bettseite. Sie wollte noch gar nicht aufstehen. Letzte Nacht hatte sie noch ihren Papierkram erledigt und war zu spät vom Revier nach Hause gefahren. Vier Stunden Schlaf waren nicht das Gelbe vom Ei. Dieser Job verlangte einiges von ihr ab. Weitaus mehr als manche Menschen sich vorstellen konnten. Evelyn rollte sich förmlich aus dem Bett. Es war kalt im Schlafzimmer. Sie hatte schon seit einiger Zeit Probleme mit ihrer Öl Heizung. Sie wollte eigentlich auf Erdgas umsteigen. Dann jedoch der Krieg in der Ukraine und das Erdgas wurde immer teurer. Alles wurde immer teurer. Bald würden manche Lebensmittel nur noch Luxusartikel sein, überlegte sie, während sie ins Bad huschte und sich unter die heiße Dusche stellte. Evelyn zog sich nach dem Duschen frisch an. Heute trug sie ein dunkelblaues Hemd und eine passende Jeans dazu. Eine Pistole kam wieder an ihre rechte Hüfte. Ihre blonden Haare steckte sie hoch. Sie trug dezentes Make Up auf und ein bisschen Lippenstift. Ihren Wintermantel warf sie sich über. Sie griff zum Autoschlüssel, einem VW, und verließ mit schnellen Schritten ihre Wohnung im ersten Stock. Das Haus in dem sie lebte gehörte ihr und Joachim, ihrem Ex Mann. Beide hatten sich dies in Westhagen gekauft als sie schwanger war und wollten eigentlich in der kleinen Gemeinde zusammen leben. Knapp 10 Tausend Einwohner. Viele Gärten mit weißem Gartenzaun. Eine Idylle. Das Leben konnte grausam sein. Simon starb im alter von drei Jahren und mit ihr ihre Idylle. Evelyn hatte versucht dies mit einer Therapie aufzuarbeiten. Nur manches ließ sie nicht an sich heran. Manches Trauma konnte sie nicht bewältigen. Manches würde sie vermutlich für immer begleiten. Evelyn versuchte mit ihrer Vergangenheit und Simons Verlust klar zu kommen. Jedoch umso mehr sie versuchte abzuschließend, desto weniger schien es zu funktionieren und somit überlegte sie Wolfsburg für immer zu verlassen. Vielleicht ein Neuanfang irgendwo anders in Deutschland. Nur was würde als Simons Grab werden? Würde Joachim dafür bezahlen und seinem Sohn Blumen aufs Grab legen? Sie bezweifelte es. Somit hatte sie keine Wahl. Evelyn musste weiterhin in der Stadt und in Niedersachsen bleiben, für die Kripo arbeiten und sich versuchen ein neues Leben aufzubauen. Ihr Sohn wäre im Januar, acht Jahre alt, geworden. Während ihr Sohn Ende des Monats Geburtstag hatte, war sie mit dem vierten Januar als erstes dran. Und schon bald näherte sich ihr Geburtstag, den sie dank ihres Kollegen Sebastian Henning immer feiern musste. Er sagte immer das ein Geburtstag, ein Ehrentag, wichtig sei und es den Tag so niemals wieder geben würde. In dem Haus lebten im ersten und zweiten Stock noch Studenten. Studenten, welche von der Hochschule kamen, sehr gut zahlten und meist nicht sehr lange blieben. Evelyn hatte sich daran gewöhnt das viele Menschen in ihrem Haus lebten. Am liebsten hätte ihr jedoch ihr eigenes Familienhaus gefallen. Evelyn seufzte. Sie warf einen Blick auf das alte Fahrrad ihres kleinen Sohnes. Es stand noch immer im Schuppen und rostete vor sich hin. Evelyn hatte es niemals übers Herz gebracht, dass alte Fahrrad zu entsorgen, weil sie dann einen kleinen Teil ihres Kindes für immer verlieren würde und somit würde das Rad noch stehen bis sie alt und grau wurde. Evelyn verdrängte ihre Gedanken, stieg ins Auto und fuhr los.

 

„Was liegt an?“ fragte Evelyn und ging neben der Leiche eines älteren Mann in die Hocke. Die Fahrt zum Mittellandkanal hatte nicht allzu lange gedauert. Aus der Ferne konnte sie die Sirenen und Blaulichter erkennen. Diese wiesen ihr den Weg. Sie stellte ihr Auto ab, zog sich ihre Lederhandschuhe an und marschierte vorsichtig in Richtung der Kollegen. Die Spurensicherung war ebenfalls vor Ort. Dabei handelte es sich jedoch nicht um ihre Kollegin Luise, sondern um deren Kollegen, welche mit silbernen Arbeitskoffern, Ganzkörperoveralls und Gesichtsmasken ihrer Arbeit nachgingen und umher wuselten und dabei Fotos vom Fundort und der Leiche machten. Ein Streifenpolizist drehte sich zu ihr um und musterte Evelyn einen Moment. „Wer sind denn, Sie?“ wollte der Mann wissen. Er hatte einen rasierten Kopf und einen Kinnbart. Der Mann war sportlich und hatte dennoch breite Schultern. Evelyn blickte nicht auf. „Evelyn Beck! Ich bin Hauptkommissarin bei der Kripo Wolfsburg. Und Sie, junger Mann?“ forderte sie nun genervt zu wissen und blickte nun auf. Dabei warf sie dem jungen Polizisten einen scharfen Blick zu. „Wizmeier, mein Name. Ich bin hier der Verantwortliche bis jemand von der Mordkommission eintrifft. Ich sollte auf eine Kommissarin Beck warten. Gut das Sie eingetroffen sind. Dann kann ich mich ja um meine anderen Aufgaben kümmern.“ meinte der junge Mann und Evelyn erhob sich. Dabei winkte sie ab. Evelyn reichte dem jungen Polizisten ihre Hand zur Begrüßung. Beide schüttelten die Hände und schon warf Evelyn einen Blick auf die Leiche.

 

Dabei handelte es sich offensichtlich um einen Mann der ein Weihnachtsmann Kostüm trug. Die Leiche hatte eine Tüte um den Hals. „Was können Sie mir über den Toten verraten?“ erkundigte sie sich und sah Wizmeier fragend an. Dieser griff zu seinem Handy. Er schien sich Notizen gemacht zu haben. Jetzt wirkte er nervös. „Ich...ich habe...mmm...ich.“ begann Wizmeier zu stammeln und Evelyn legte ihm ihre Hand auf die Schulter. „Ganz ruhig, Wiz. Ich beiße nicht. Ich möchte nur wissen welche Informationen Sie zusammen getragen haben. Ich meine Sie sind ja nicht umsonst hier am Fundort der Leiche oder? Sie müssen sich ja irgendwie beschäftigt haben. Oder haben Sie mit einem Handheld ein Videospiel gespielt?“ hakte sie nach und Wizmeier winkte ab. Wizmeier holte einmal tief Luft. „Das Opfer heißt Martin Corvo. Er war schon etwas Älter, um die Sechzig. Zumindest laut seinem Personalausweis, der allerdings schon im letzten Winter abgelaufen ist. Vermutlich hat er ihn nicht erneuern können, weil er am Nordpol lebte.“ unterbrach Wizmeier sich und Evelyn schmunzelte. Hatte der junge Mann eben wirklich einen makaberen Scherz gemacht? Sie grinste und Wizmeier tat es ihr gleich. „Wenn er am Nordpol lebte, müsste er allerdings einen Reisepass dabei haben.“ griff Evelyn den Scherz auf und beide kicherten. Evelyn bemerkte das sie schon jetzt sich gut mit dem jungen Mann zu verstehen schien. Vielleicht würde eine große Freundschaft daraus entstehen, überlegte sie und räusperte sich. „Bargeld und Kreditkarten fehlen.“ fügte Wizmeier hinzu und Evelyn legte ihre Stirn in Falten. „Sieht das für Sie wie ein Raubmord aus?“ fragte sie den jungen Mann und Wizmeier zuckte lediglich seine Schultern. „Ich muss gestehen das ich noch keinen Raubmord gesehen habe, Frau Beck. Ich wurde bisher an drei Tatorte gerufen und musste die Kollegen dort auf den neusten Stand bringen oder habe die Arbeiten überwacht. Ich bin auch erst seit einem Jahr dabei. Vorher war ich noch an der Polizeischule in Hamburg. Und davor habe ich Hörbücher eingesprochen.“ erzählte Wizmeier und Evelyn schenkte ihm ein warmes Lächeln. Das mit den Hörbüchern konnte sie sich lebhaft vorstellen. Er hatte eine sehr sanfte und beruhigende Stimme für einen Mann in seinem Alter. „Sie werden schon noch ihre Chancen bei der Polizei erhalten. Es gibt nicht nur diesen Fall, sondern immer noch einen und noch einen.“ sagte sie, griff zu ihrem Handy und wählte die Nummer von ihrem Kollegen Sebastian, der nun ebenfalls informiert werden sollte. „Danke für ihre Hilfe, Wiz.“ flüsterte sie und Wizmeier lächelte.

 

„Können Sie mir eine Todesursache nennen oder nicht, Herr Jukic?“ forderte Evelyn, nach einer halben Stunde, zu wissen und sah den Assistenten der Gerichtsmedizin fragend an. Dieser junge Mann, trug einen blauen Overall, eine Mütze und hatte sich von seinem Gesichtsschutz getrennt damit er Anweisungen an seinen Assistenten verteilen konnte. Goran Jukic arbeitete seit drei Jahren für die Gerichtsmedizin und transportierte an einem Tatort oder Fundort, die Leichen ab und brachte diese in die Pathologie damit Doktor Schröder oder ihre Kollegen einen Blick auf den genauen Todesumstand werfen konnten. Jukic lebte seit seiner Geburt in Deutschland. Er sprach die Sprache fließend. Manchmal tat er jedoch so als konnte er kein einziges Wort verstehen oder Evelyn würde klingonisch sprechen. „Ich nix verstehen, Frau Beck. Warten müssen bis Doktor in Pathologie.“ murmelte Jukic, zwinkerte ihr zu und wandte sich mit schnellen Schritten ab. Evelyn rollte ihre Augen und ballte ihre Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte sie jemanden geschlagen oder etwas kaputt gemacht.

 

Evelyn hatte erneut ihr Handy in der Hand und versuchte erneut ihren Kollegen zu erreichen. Sie machte sich Gedanken um ihn. Sie wählte erneut seine Nummer. Es klingelte und eine weibliche Stimme meldete sich dieses Mal zu Wort. „Hallo?“ fragte die weibliche Stimme. „Ich möchte Sebastian gerne sprechen. Hier ist Evelyn seine Kollegin von der Polizei, falls er das noch weiß und nicht vergessen hat. Ich erwarte ihn nachher im Büro. Und wehe er bringt nix zu Essen mit.“ sprach Evelyn mit ruhiger Stimme und legte auf. Wer immer die Frau am anderen Ende war. Es handelte sich nicht um Sebastian Freundin. Diese klang anders. Ihr Kollege schien ebenfalls seine Geheimnisse zu haben. Evelyn überlegte was sie nun tun sollte. Sie hatte nicht erfahren was die Todesursache war und die Spurensicherung würde es bestimmt begrüßen wenn sie nicht hier herum hängen würden. Und somit marschierte sie zurück zu ihrem privaten Fahrzeug, stieg ein und startete den Motor. Sie wollte im Büro auf ihren Kollegen warten.

Kapitel 3

 

„Wer hat angerufen?“ wollte Sebastian Henning wissen als er aus dem Badezimmer kam und seine Schwester Sabrina fragend anblickte. Diese legte seine Diensthandy beiseite und stemmte ihre Hände in ihre Hüften. „Eine Frau namens Beck. Du sollst zurück rufen. Es sei wichtig.“ antwortete Sabrina und Sebastian fiel die Kinnlade hinunter. „Was? Wieso hast du denn nicht gleich Bescheid gesagt, Brinchen? Ich komme zur spät zur Arbeit.“ rief er und begann blitzschnell seine Habseligkeiten zusammen zu suchen. Sabrina legte ihm sanft eine Hand auf die linke Schulter. „Wir müssen noch über das mit Papa sprechen, Sebi. Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Wir sind noch nicht fertig.“ bat seine Schwester und Sebastian zuckte seine Schultern. „Ich für meinen Teil haben schon genug dazu gesagt. Wenn der Alte krank ist, dann ist das nun mal so und ich kann auch nichts dagegen machen. Jeder wie er es bekommt. Karma regelt.“ zischte Sebastian und Sabrina starrte ihren älteren Bruder erschrocken an. Sie hatte schon immer von der Rivalität zwischen Vater und Bruder gewusst, auch das Sebastian viele Schläge und emotionalen Missbrauch seitens seines Vaters erlebt hatte, jedoch hatte sie geglaubt, dass diese Wut eines Tages nachlassen würde. Sie hatte sich getäuscht. „Was hat das denn mit Karma zu tun, Sebi? Du weißt doch ich glaube an Tarot und Horoskope. Und du sollst nicht so etwas sagen jedes Mal.“ bat sie ihren Bruder und Sebastian winkte ab. „Ich glaube daran nicht. Für den Widder steht eh immer irgendwas komisches drin. Ich soll vergeben und es ziehen lassen. Als ob! Das wird nicht passieren. Der Alte hätte mich mal lieber besser behandeln sollen. Wer bin ich das ich ihn pflegen muss, nur weil er sich die Leder weg gesoffen hat!“ donnerte Sebastians Stimme. Er hatte eine Wut auf seinen Vater die nicht mehr normal war. Zum Glück hatte er einen Mentor, der ihm eine Vaterfigur wurde und ihm zur Polizei half. „Kannst du nicht endlich mal von deinem hohen Ross herunter kommen und das vergeben, Sebastian? Es ist ja wirklich schlimm mit dir. Nicht einmal Mama war so schlimm.“ versuchte Sabrina erneut auf ihren Bruder einzuwirken. Sie war Erzieherin und konnte sehr gut mit kleineren Kindern. Ob dies auch für ihren Bruder galt, wagte sie, zu bezweifeln. „Hör auf Mama da mit rein zu ziehen, Brinchen. Ich kann verstehen wieso sie uns verlassen hatte. Sie konnte wohl dieses saufen, brüllen und Leute erniedrigen nicht mehr mit ansehen. Nur blöd das sie uns nicht mitgenommen hat. Wer weiß was dann aus uns geworden wäre.“ murmelte er und senkte seinen Kopf. Sabrina trat neben ihren großen Bruder und streichelte ihm sanft über die rechte Wange. „Das Leben kann man sich nicht immer aussuchen, Bruderherz. Wir müssen es nehmen wie es denn kommt und das Beste daraus machen.“ flüsterte sie und Sebastian nickte zustimmend. „Und genau deswegen helfe ich ihm nicht. Der Alte kann meinetwegen tot umfallen. Er soll allerdings keine Sauerei hinterlassen.“ fauchte er und schüttelte seinen Kopf. „Warum verteidigst du ihn ständig, Sabrina? Du hast doch ebenfalls unter ihm gelitten. Weißt du nicht mehr das er dich missbrauchen wollte?“ hakte Sebastian nach und seine Schwester zuckte ihre Schultern. „Das ist doch auch Schnee von gestern, Sebi. Damals war er betrunken und hat mich mit Mama verwechselt. Ich glaube ihm. Und habe ihm vergeben. Das solltest du auch tun.“ Sabrina unterbrach sich und warf ihr dunkelbraunes Haar in den Nacken. „Er wird keine sechs Monate mehr leben. Denk einfach mal drüber nach, Bruderherz.“ erinnerte sie ihn und Sebastian nickte knapp. „Und bitte sag es niemandem. Muss ja nicht jeder wissen das unsere Familie derart kaputt ist.“ bat sie und Sebastian zuckte seine Schultern. „Na irgendetwas muss ich meiner Kollegin schon erzählen, sonst denkt sie noch ich betrüge meine Freundin Stella und tue einen auf unschuldig. Evelyn würde mich umbringen und meine Leiche verschwinden lassen.“ meinte er, lächelte und wandte sich ab.

 

Es dauerte einige Zeit bis ihr Kollege endlich im Revier und somit auch im gemeinsamen Büroraum erschienen war. Evelyn saß hinter ihrem Schreibtisch, hatte den PC angeschaltet und spielte eine Runde Solitäre, als die Tür aufflog und Sebastian rein gerauscht kam. „Entschuldigung!“ rief er im vorbei laufen, schloss die Tür hinter sich und steuerte seinen Schreibtisch an, welcher vor dem Fenster stand, welches Evelyn gekippt hatte, da es sehr schlechte Luft im Raum war. Die Mischung aus Heizung und kühle Winterluft war interessant dachte sie und runzelte ihre Stirn. „Wer ist denn da aus dem Bett gefallen?! Lange Nacht gehabt? Hatten Wir Spaß?“ wollte sie mit einer gewissen Verachtung in ihrer Stimme wissen und sah ihren Kollegen fragend an. Sebastian kratzte sich am Hinterkopf. „Es ist nicht so wie es aussieht, Evie.“ begann er und sie hob eine Hand und winkte ab. „Ach schon okay, Sebi. Mir musst du nichts erklären. Aber vielleicht deiner Stella oder ihren reichen Eltern, wenn die Verlobungsfeier nun platzt. Ich bilde mir keine Meinung.“ zischte sie und wandte ihren Blick ab. Sebastian seufzte. „Ich bin Stella nicht fremd gegangen, Evelyn. Das am Telefon war meine kleine Schwester Sabrina. Ich glaube du müsstest dich noch an sie von der letzten Weihnachtsfeier erinnern. Am Sommerfest hat sie unter anderem den Nudelsalat gemacht.“ sagte er und schon machte es klick bei Evelyn. „Wieso hast du das nicht schon beim rein kommen gesagt, Sebi? Du weißt doch wie ich über das Fremdgehen denke.“ erinnerte sie ihn und Sebastian nickte zustimmend. „Tut mir leid. Ich habe daran nicht mehr gedacht. Zur meiner Verteidigung. Es ist in meiner Familie gerade eine Menge los und ich weiß manchmal nicht wo mir der Kopf für alles steht. Aber du kennst so etwas ja.“ meinte Sebastian, nahm nun ebenfalls an seinem Schreibtisch Platz und startete seinen Computer. „Ich habe Kaffee gekocht.“ warf Evelyn ein. „Ich hatte schon einen Energy.“ sagte Sebastian leise und Evelyn begann große Augen. „Das ist nicht gesund, Sebi. Dazu hatte ich einmal etwas gelesen.“ „Kaffee macht süchtig. Wo soll also der Unterschied sein?“ entgegnete er und sah sie fragend an. Evelyn zuckte ihre Schultern.

 

„Wir haben also einen neuen Fall. Kannst du mir schon etwas darüber sagen?“ erkundigte Sebastian sich und schaute seine Kollegin fragend an. „Nicht viel. Bei dem Opfer handelt es sich um einen gewissen Martin Corvo. Es wird gerade geprüft ob er Familie hatte. Alles wirkt so als wäre es ein Raubmord gewesen. Bargeld und Kreditkarten fehlen. Das Opfer scheint erstickt worden zu sein. Ich denke wir unterhalten uns demnächst mit deiner Laura über die genauen Todesumstände.“ berichtete sie und zwinkerte ihm zu. Sebastian grinste. „Was soll denn heißen mit meiner Laura?“ fragte er und Evelyn zuckte ihre Schultern. „Du weißt schon genau was ich meine, Sebi. Die Art wie ihr euch anseht. Da liegt auf jeden Fall was in der Luft. Vielleicht ist es keine Liebe, aber es scheint Leidenschaft und wilder Sex zu sein. Du bist doch nicht prüde oder?“ forderte Evelyn ihn heraus und schaute ihn direkt an. Sebastian grunzte. „Ich bin nicht prüde. Lässig ist mein zweiter Vorname.“ scherzte er und beide kicherten. „Nee mal im ernst, Sebi. Ich finde du solltest mit Laura etwas anfangen und nicht immer nur das tun, was immer, ihr beiden tut. Das wird euch vielleicht befreien.“ „Da kommt das eine Semester in Psychologie wieder bei dir raus.“ warf Sebastian ein und Evelyn nickte knapp. „Ich meine es nur gut.“ sagte sie und griff zu ihrem Handy als dieses klingelte. Ein Wecker. Eine Erinnerung. An ein wichtiges Treffen. „Ich muss los.“ sagte sie und erhob sich. „Termin?“ fragte Sebastian neugierig. „Turboschnecke!“ antwortete Evelyn schlicht und schon wusste Sebastian um was es sich handelte. „Während ich weg bin, frag du bitte mal bei Sina nach, wie lange sie noch braucht.“ bat Evelyn ihren Kollegen, drehte sich zur Tür und wandte sich ab.

 

Doktor Pia Köhler auch Turboschnecke genannt, weil sie ihre Patienten sehr schnell abfertigte und sehr gut aussah, saß in ihrem kleinen Büroraum im Polizei Revier und machte sich Notizen während Evelyn auf der gemütlichen Couch lag und sich versuchte zu entspannen. „Sie wissen das Sie mich eigentlich nicht mehr besuchen müssen oder? Ihre Zeit bei mir ist zu Ende, Frau Beck. Sie sind zwar nicht geheilt, können allerdings ihren Beruf wieder ganz normal ausüben und ich denke Sie kommen in solchen Gefahrensituationen wieder besser klar.“ sagte Doktor Köhler und Evelyn nickte zustimmend. „Ich habe Ihnen die Nummer von einem Kollegen gegeben. Haben Sie ihn mal angerufen?“ hakte Köhler nach und Evelyn schüttelte ihren Kopf. „Ich wollte anrufen und einen Termin machen, aber dann...“ Evelyn unterbrach sich und blickte weiterhin zur Zimmerdecke hinauf. „Aber dann hatten sie Bedenken, Frau Beck?“ wollte Köhler wissen und Evelyn nickte erneut. „Ich hatte schon meine Probleme mich Ihnen anzuvertrauen. Ich denke ich kann das nicht bei jeder Person. Egal wie gut sie oder er ist.“ flüsterte sie leise und Doktor Köhler nickte knapp. Sie machte sich ihre Notizen und blickte zur Uhr. Noch eine viertel Stunde. „Na gut. Ich biete Ihnen an mich in meiner Praxis zu besuchen, Frau Beck. Da kann ich mir mehr Zeit für Sie nehmen. Ist das in Ordnung für, Sie?“ fragte Köhler und Evelyn nickte zustimmend. Sie setzte sich langsam auf. „Haben Sie vielen Dank, Doktor Köhler. Ich schätze unsere Gespräche sehr und möchte schon gerne jede Woche zu Ihnen kommen. Ich kann zwar meine Vergangenheit nicht ändern, allerdings vielleicht lernen mit ihr zu leben und versuchen den Tod meines Sohnes nicht mehr zu verdrängen. Versuchen den Schmerz zu zulassen.“ sagte Evelyn und Doktor Köhler nickte knapp. „Ich denke wir sind auf einem guten Weg, Frau Beck. Nur sollten wir uns alle zwei Wochen sehen. Ich möchte sehen ob Sie auch alleine zurecht kommen. Wenn das in Ordnung ist?“ fragte Köhler und klang besorgt. Evelyn nickte zustimmend.

Kapitel 4

 

Gegen Mittag saßen Evelyn und Sebastian wieder im Büro zusammen und aßen ihr Essen. Sebastian hatte etwas beim Chinesen geholt und nun kämpfte er mit den Essstäbchen, während Evelyn damit keine Probleme hatte. „Mist! Verflucht noch mal.“ fauchte Sebastian als er dabei war ein Stück Fleisch mit den Essstäbchen zu schnappen und zum Mund zu führen. „Was hast du denn für Probleme?“ erkundigte sich Evelyn ohne aufzusehen. „Ich komme mit diesen blöden Stäbchen nicht zurecht. Ich glaube ich brauche eine Gabel.“ murmelte er vor sich hin. „Wenn du immer eine Gabel nimmst, wirst du es niemals lernen und dann kannst du nicht mit den coolen Kids rum hängen.“ scherzte sie und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Als ob die coolen Kids alle mit Stäbchen essen könnten. Das glaube ich nicht, Evie.“ meinte Sebastian und schon wieder fiel ihm etwas zu Essen hinunter. Dieses Mal landete ein Stück Karotte auf seinem roten Hemd. Und dieses Mal stöhnte Sebastian laut auf. „Das kann nicht wahr sein.“ murrte er vor sich hin. „Hast du nicht noch etwas zum wechseln dabei?“ fragte Evelyn kauend. „Ja das schon. Nur sollte es nicht nötig sein. Ich benötige eine Fortbildung zum Thema Stäbchen und Essen.“ keuchte er vor sich hin. Evelyn kicherte. Es war doch recht lustig. „Vielleicht esse ich einfach mit den Fingern.“ murmelte Sebastian und schaute sich sein Essen genauer an. „Schmarn!“ fauchte Evelyn. Sie öffnete die Schublade an ihrem Schreibtisch, holte eine Gabel heraus und reichte sie ihrem Kollegen. „Seit wir damals in Bayern waren, redest du nur noch bayrisch, beim Essen jedenfalls. Stimmt da irgendetwas nicht?“ „Was soll nicht stimmen?“ wollte Evelyn nun wissen und blickte von ihrem Essen auf. „Ich hatte eine schöne, wenn auf schmerzhafte, Zeit in Bayern. Und schließlich haben wir diesen Fall gelöst. Was man von dem letzten nicht sagen konnte, den wir bearbeitet haben. Vielleicht wird es bei diesem Fall wieder anders.“ erinnerte Evelyn und stöhnte leise. „Wir können nicht alle Fälle lösen. Manchmal gibt es wohl keinen Täter.“ sagte Sebastian nachdenklich. Evelyn nickte. „Ein Selbstmord. Wer rechnet denn mit so etwas.“ murrte sie vor sich hin. Sebastian leerte sein Essen und rieb sich seinen Bauch. „Das war recht lecker und kein Kampf mehr.“ meinte er und legte die Gabel beiseite. Er wollte sie später in der Teeküche spülen. Frühlingsrollen und Krabbenchips waren noch da. Also griff er danach und kaute entsprechend laut. „Wie im Kino oder?“ hakte Evelyn nach. Sebastian runzelte seine Stirn.

 

„Wie meinst du das?“ „Weil es so laut ist. Kannst du nicht leiser kauen? Muss ja nicht gleich das ganze Revier mitbekommen das wir Mittag gemacht haben. Ich stelle mir dich im Kino vor, wo du Popcorn isst und das ebenfalls den gesamten Saal wissen lässt.“ scherzte sie und Sebastian kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Im Kino sitze ich meist ganz hinten, damit ich die Jugendlichen mit Popcorn abwerfen kann und dann so tue als ob ich es nicht war.“ bemerkte er und lächelte. „Das kann ich mir leider auch bei dir vorstellen, Herr Henning.“ kommentierte Evelyn die Situation und schüttelte ihren Kopf. Beide lachten.

 

Es klopfte an der Tür und ohne eine Reaktion abzuwarten, wurde die Tür geöffnet und eine junge Frau betrat den kleine Arbeitszimmer. Bei der Frau handelte es sich um Polizeiobermeisterin Sina Storck, welche vor einigen Wochen, bei der Dienststelle in Wolfsburg angefangen hatte und nun als eine Art von Sachbearbeiterin unterwegs war um Informationen über die Opfer und deren Familienverhältnisse zusammen zu tragen. Auch im Falle der neuen Leiche hatte Sina dies getan. Sina hatte einige Stunden gebraucht um den Toten zu durchleuchten und wollte nun ihre Ergebnisse präsentieren. Evelyn blickte auf, während Sebastian, der jungen Kollegin, eine Frühlingsrolle reichte, welche Sina dankend entgegen nahm. „Danke dir. Ich habe noch nichts gegessen und richtigen Hunger.“ murmelte Sina, steckte sich die Frühlingsrolle in den Mund und kaute herzhaft. Evelyn setzte sich grade hin. „Was kannst du uns sagen?“ erkundigte Evelyn sich und musterte die junge Kollegin. Diese war recht klein, hatte Schulterlanges braunes Haar, braune Augen, Sommersprossen auf der Nase und eine sportliche Figur. Mitte Zwanzig würde Evelyn schätzen. Sicher war sie allerdings nicht. „Ich habe mich über das Opfer, Martin Corvo, informiert und kann euch sagen.“ Sina unterbrach sich und holte einmal tief Luft. „Das Opfer hatte kaum Familie, nicht viele Freunde oder Verwandte. Zumindest konnte ich keine finden. Er hat sich sozial engagiert in dem er ein kleines Dorf in Afrika finanzielle unterstützt hat und auch eine Patenschaft aufgenommen hatte. Er arbeitete als Weihnachtsmann im Einkaufszentrum Henschel und Mühlers. Ich konnte noch nicht mit seinem Chef sprechen, da dieser erkrankt ist und morgen erst wieder zur Arbeit kommt.“ berichtete Sina und Evelyn als auch Sebastian machten sich Notizen auf ihren Handys. Sie schauten auf und schenkten Sina ein freundliches Lächeln. „Das war sehr gute Arbeit, Sina. Jetzt hast du dir auch etwas zu essen verdient.“ sagte Sebastian und reichte ihr eine asiatische Packung mit Essen. Sina bekam große Augen. Sie nahm das Essen dankend entgegen und wandte sich ab.

 

„Henschel und Mühlers. Davon habe ich noch nie gehört. Aber gut wann gehe ich schon mal in der Innenstadt shoppen.“ murmelte Evelyn und legte ihre Stirn in Falten. „Das Kaufhaus wurde doch gekauft. Der Vorbesitzer musst Insolvenz anmelden und leider alle Mitarbeiter entlassen, bis auf die Weihnachtsmänner oder zumindest dreißig Prozent von ihnen. Da war unser Opfer bestimmt dabei. Wenn das Opfer schon Jahrelang den Weihnachtsmann gegeben hat und das gut gemacht hat, wurde er mit Sicherheit ins neue Unternehmen übernommen und bekam vielleicht mehr Geld. Das könnte schon ein Motiv sein. Vielleicht waren seine alten Arbeitskollegen neidisch.“ überlegte Sebastian und biss genüsslich in einen Krabbenchip hinein. „Das können Wir noch nicht mit Gewissheit sagen, Sebi. Dazu müssen wir uns erst einmal ein Bild von dem Arbeitsplatz des Opfers machen. Wir sollten uns morgen einmal mit dem Chef unterhalten. Sina soll inzwischen noch mehr über die Schwester des Opfers heraus finden. Wir brauchen eine Handy Nummer wenn wir sie informieren wollen.“ wies Evelyn ihren Kollegen an und dieser nickte knapp. „Und wann besuchen wir Laura?“ fragte Sebastian nach und grinste. „Ich denke morgen früh. Dann kann ich auch kurz zu Lu und mich erkundigen was die Spurensicherung gefunden hat.“ meinte Evelyn und begann schon einmal damit ihren vorläufigen Bericht zu schreiben.

Kapitel 5

 

Evelyn und Sebastian verzogen ihre Gesichter. Sie befanden sich in der Pathologie am nächsten Morgen und warf einen Blick auf die Leiche des Mannes, welcher im Mittellandkanal, umher trieb. Die Leiche war aufgequollen. Das Gesicht konnte kaum noch richtig als Gesicht wahr genommen werden. Der weiße Vollbart war noch gut zu erkennen, jedoch war alles andere, so als wäre Luft hinein gespritzt worden und das Gesicht wäre aufgebläht. Auch der Körper und die Hände waren so. Doktor Laura Schröder trug wie gewohnt ihren weißen Kittel, hatte Handschuhe an und schenkte den beiden Ermittlern ein freundliches Lächeln. „Wie lange hat das Opfer bloß im Wasser gelegen wenn es so aussieht?“ erkundigte Evelyn sich. „Vermutlich mehrere Tage. Vielleicht eine Woche. Es kommt ganz auf die Wetterverhältnisse an und die waren ja eiskalt bis regnerisch. Somit konnte die Leiche gut aufquellen.“ antwortete Laura und deutete auf den Leichnam. Sebastian griff zu seinem Handy und begann sich Notizen für seinen späteren Bericht zu machen. Dies lenkte ihn ein wenig von Laura und seinen aufflammenden Gefühlen für sie ab. Dies war noch immer zwischen ihnen. Unausgesprochen. Verborgen. Zwischen zwei Zeilen. Sebastian wollte es eigentlich schon lange angesprochen haben. Nur waren Arbeit und Privatleben dazwischen gekommen und somit hatte er es einfach verdrängt. Nun war es wieder da. Ebenso wie seine Gefühle für die Gerichtsmedizinerin. Diese trug ihr Haar offen und eine Haarsträhne hing in ihr Gesicht. Dies sah sexy aus. Sebastian senkte seinen Blick und räusperte sich. Er hielt inne als sich alle Augenpaare auf ihn richteten. Sebastian winkte ab. „Können wir eventuell etwas für dich tun, Sebastian?“ wollte Laura wissen und sah ihn fragend an. Sebastian schüttelte seinen Kopf. „Nein. Ich war nur in Gedanken unterwegs und hoffe das mein Frühstück drin bleibt.“ murmelte er und presste seine Lippen aufeinander. „Warum esst ihr überhaupt etwas ehe ihr zu mir in die Pathologie kommt? Das könnt ihr auch danach noch erledigen.“ fragte Laura und sah beide fragend an. „Vielleicht haben wir danach aber keinen Hunger mehr und verhungern weil wir uns nicht mehr trauen irgendetwas zu essen.“ erwiderte Sebastian ironisch. Laura sagte nichts. Sie ging tonlos zu ihrer Tasche hinüber, öffnete diese und holte sich eine Brotdose heraus. Sie nahm sich ein Stück Brot heraus und biss davon ab. Evelyn und Sebastian erstarrten förmlich.

 

„Das hat sie jetzt nicht getan oder?“ forderte Sebastian zu wissen und sah seine Kollegin mit großen Augen an. „Ich glaube schon, Sebi. Ich glaube ich kann heute nichts mehr zu mir nehmen. Schlimmer als in jedem Horrorfilm.“ kommentierte Evelyn. Laura hingegen zuckte ihre Schultern. „Ich weiß gar nicht was ihr Beiden habt. Mit den ganzen Chemikalien und Desinfektionsmitteln ist das der sauberste Raum in der ganzen Stadt!“ sagte sie und biss erneut von ihrem Brot ab. „Trotzdem danke.“ murmelten Sebastian und Evelyn im Chor. „Todesursache?“ hakte Evelyn nun nach und wechselte somit das Thema. Laura legte ihr Brot beiseite und deutete auf die Leiche. „Erstickt. Ich habe Abwehr und Kampfverletzungen entdeckt und DNS unter seinen Fingernägeln gefunden, welche ich ins Labor schicken werde. Das muss ein langer Kampf ums Überleben gewesen sein. Vielleicht etwas persönliches oder ein Verbrechen aus Leidenschaft. Sieht für mich daran aus als habe der Täter sein Opfer gemocht.“ berichtete Laura und Evelyn runzelte ihre Stirn. „Wenn man jemanden mag, wieso ihn dann umbringen und nicht einfach ne Flasche Wein schenken?“ warf sie ein. Laura hingegen zuckte ihre Schultern. „Vielleicht aus dem Affekt heraus passiert. Muss keine geplante Tat gewesen sein.“ überlegte Laura und Evelyn als auch Sebastian nickten zustimmend.

 

Während Sebastian noch einen Moment bei der Gerichtsmedizinerin bleiben wollte um etwas mit ihr zu besprechen, marschierte Evelyn den Flur entlang, bis zu den Fahrstühlen und stieg in die Kabine ein. Sie drückte auf das Erdgeschoss. Sie hatte nicht sonderlich große Lust zu laufen. Die Türen schlossen sich und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Oben angekommen, verließ sie die kleine Kabine und steuerte den Ausgang an. Am Empfang und dem Pförtner vorbei. Evelyn blieb erst stehen als sie eine alte Bekannte traf. Dabei handelte es sich um Luise Lichtenstein, welche bei der Forensik arbeitete und auch in ihrem neusten Fall die Indizien untersuchen würde. Diese Indizien würden helfen den Fall zu lösen und den wahren Täter am Ende zu überführen und ins Gefängnis zu bringen. Bei ihrem letzten Fall hatte es sich um einen Suizid gehandelt. Da konnten die besten Beweise nichts dran ändern. Die arme Frau hatte sich selbst das Leben mit Hilfe eines Medikaments genommen, welches ihrem Bruder gehört hatte und ging somit an einem Freitag aus dem Leben. Ihre Leiche wurde drei Tage später gefunden. Evelyn vermutete erst den Bruder als ihren Mörder. Beide hatten zusammen gelebt, weil der Bruder alleine nicht lebensfähig war und schon immer bei seiner Schwester gelebt hatte. Damals erbrachte Luise die entscheidenden Hinweise und rettete somit das Ansehen des Bruders. Mit einem Verdacht auf Mord würde er sonst niemals wieder einen Job bekommen und würde immer von Bürgergeld angewiesen sein. Die arme Frau hatte Stimmen in ihrem Kopf gehört und diese hatten ihr vermutlich dazu geraten sich selbst das Leben zu nehmen. Ein trauriger Fall lag hinter den beiden Ermittlern. Wobei es immer traurig war, wenn es um Mord ging, dachte Evelyn und schüttelte ihre Gedanken ab. „Hallöchen.“ begrüßte Evelyn die Spurenermittlerin und Luise begann zu grinsen. „Hallo, Evelyn. Es freut mich dich hier zu treffen. Leider kann ich dir noch nichts zu den Beweise verraten. Wir haben nicht wirklich viel gefunden an der Leiche. Einen verschwommenen Teilabdruck und ein Haar mit Wurzel. Ich kümmere mich später um die Beweise, da ich noch eine Weiterbildung habe und das leider dazwischen kam.“ meinte Luise und Evelyn winkte ab. „Ich bin nicht gekommen um irgendwie Stress oder Hektik zu machen, Lu. Ich wollte eigentlich nur mal hallo sagen und bisschen plaudern. Hast du Zeit für einen Kaffee?“ fragte Evelyn nach und Luise nickte zustimmend. Luise zeigte zum Fenster hinaus. „Auf der anderen Seite ist ein kleines Cafe. Dort treffen wir uns in zehn Minuten.“ schlug Luise vor und Evelyn nickte. „Ich muss auch noch etwas klären.“ sagte Evelyn, griff zu ihrem Handy und wählte die Nummer von dem Chef des Opfers. Sie wollte diesen Fragen wann sie ihn heute aufsuchen konnten.

 

Es dauerte nicht lange bis beide Frauen in dem kleinen Cafe zusammen saßen und sich einen Cappuccino bestellt hatten. Das kleine Cafe war recht gemütlich und wirkte wie aus einem Film. An den Wänden hingen Bilderrahmen mit verschiedenen Motiven darauf. Das Personal war jung und freundlich. Evelyn hatte nicht gewusst das gegenüber von dem Gebäude in welchem das Labor und die Pathologie waren, ein Cafe geöffnet hatte. Obwohl Evelyn seit Jahren schon in der Stadt lebte, hatte sie recht wenig von ihr mitbekommen. „Was machen die Ermittlungen?“ erkundigte sich Luise und nippte an ihrem Getränk. „Bisher haben wir noch nicht viel heraus gefunden. Wir waren bei Doktor Schröder wegen der genauen Todesursache. Sie konnte uns ein bisschen weiterhelfen. Ich denke wir kommen eher weiter wenn der Chef des Toten befragt wird.“ erzählte Evelyn und nippte nun ebenfalls an ihrem Getränk. „Ich setze mich nach unserer kleinen Pause direkt dran und werde sehen was ich heraus finden kann.“ versprach Luise und Evelyn nickte knapp. „Tue dir keinen Zwang an.“ sagte sie, lächelte und nippte erneut an ihrem Getränk.

 

„Kann ich noch etwas für dich tun, Basti?“ wollte Laura wissen und sah den Polizisten fragend an. Dieser schluckte soeben einen dicken Kloß hinunter. „Eher nicht so. Ich denke ich wollte nur noch einmal ein Foto von der Leiche machen. Wir brauchen ja immer Fotos.“ stammelte er und wirkte nervös. Laura trat einige Schritte näher und sah ihn fragend an. „Du weißt schon das wir immer Fotos machen von einer Leiche oder?“ hakte Laura nach und Sebastian nickte zustimmend. „Ich...ich...wollte..nur...“ stammelte er weiter vor sich hin und schon beugte sich Laura zu ihm rüber und küsste ihn auf die Lippen. Der Kuss dauerte einen Moment. Für Sebastian ein sehr schöner und erotischer Moment, den er vollkommen auskosten wollte und seine Augen schloss. Ihre Zungen tanzten wild umher und spielten mit einander. „Wir müssen aufhören uns so zu treffen, Laura. Ich denke wir sollten nichts mehr privates unternehmen. Kann halt nicht sein. Als wir noch zusammen waren, hat es nicht so geknistert zwischen uns und jetzt tut es das auf einmal. Ich verstehe nichts mehr.“ entfuhr es Sebastian, der sich von der Pathologin löste und sie mit schnellen Schritten abwandte. Laura Schröder blieb alleine in der Pathologe zurück. Sie schaute ihm nach. „Das ist weil ich dich immer noch liebe, du Idiot.“ rief sie ihm nach und als die schwerer Metalltür ins Schloss fiel, ahnte sie bereits das er sie nicht gehört hatte und somit atmete Laura tief durch.

Kapitel 6

 

Das Kaufhaus „Henschel & Mühlers“ lag mitten in der Innenstadt und war fünf Stockwerke hoch. Von Außen machte es nicht viel her. Von Innen jedoch, war es unglaublich groß und belebt. Überall konnten Evelyn und Sebastian Menschen erkennen. Meist standen sie Schlange an irgendeinem Stand. Es gab verschiedene Verkaufsstände, Läden, Boutiquen, Frisöre, Nagelstudios, ein Kino, eine frisch Gemüse Halle, einen Streichelzoo und sogar einen Geschenke Raum in dem ein Mann in einem Weihnachtsmann Kostüm saß und den Kindern entlockte was diese sich zu Weihnachten wünschten. So viele und vielleicht noch mehr hatte das Kaufhaus zu bieten. Evelyn war schon jetzt sehr beeindruckt. Sie würde sich mit einer Freundin mal hierher begeben und shoppen gehen. Da war alleine im Gebäude sechs Cafes und drei Bäckereien gab, machte die Auswahl, etwas passendes und gemütliches zu finden, nicht leicht. Dennoch wollte Evelyn sich überraschen lassen. Evelyn und Sebastian steuerten den Info Stand an, an dem eine junge Blondine arbeitete, welche eine Zipfelmütze auf dem Kopf trug und ihnen eine Zuckerstange reichte. Evelyn griff zu ihrem Dienstausweis. „Beck und Henning von der Kripo Wolfsburg. Wir möchten gerne den Geschäftsführer sprechen.“ brüllte Evelyn mit fester Stimme über den Lärm hinweg und die Blondine riss ihre Augen weit auf. Erst glaubte Evelyn die junge Frau habe sich verhört. Nach einigen Sekunden fing sich die junge Blondine. Diese griff zum Telefonhörer und wählte eine Nummer. „Sie können hoch gehen. In den vierten Stock. Sie finden Herrn Guttmann bei den Weihnachtsmännern.“ verkündete die junge Blondine und schon machten sich die beiden Polizisten auf den Weg.

 

„Es gibt keinen Grund weshalb wir die Herrschaften Henschel und Mühlers damit hinein ziehen sollten. Ich denke beide haben genug mit dem Ansehen des Kaufhauses zu tun und sind viel auf Präsentationen im ganzen Bundesland unterwegs. Vielleicht eröffnet ein zweites Kaufhaus unter diesem Namen in Sachsen und Brandenburg. Wir müssen auf unser Image auf passen.“ meinte Herbert Guttmann, ein großer Mann mit breiten Schultern und hohen Wangenknochen. Er trug einen Schnurrbart, der bereits begonnen hatte grau zu werden. Evelyn und Sebastian hatten sich vorgestellt und schon hatte der Geschäftsführer drauf los geredet. Sie wollte zwar etwas sagen, kam bisher nicht dazu. Evelyn hob, wie früher in der Schule, eine Hand um sich zu melden. „Frau Beck, Sie können einfach reden. Entschuldigung. Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich wollte Ihnen beiden lediglich erklären dass die Herrschaften nicht zu sprechen sind.“ „Wir möchten mit Ihnen über Martin Corvo sprechen. Was genau hat er bei Ihnen gemacht? Wir wissen nur das er als Weihnachtsmann tätig war.“ fragte Evelyn und Sebastian verschränkte seine Arme vor seiner Brust. „Wie lange hat Herr Corvo für das Kaufhaus gearbeitet?“ fragte nun auch Sebastian. „Etwa fünf oder sechs Jahre. Vorher noch unter diesem anderen Namen. Allerdings kennen er und ich uns schon etwas länger. Wir waren mal bei der gleichen Frisörin. Die Welt ist klein.“ erwiderte Guttmann. „Hatte Herr Corvo irgendwelche Feinde? Konnte ihn jemand überhaupt nicht leiden?“ hakte Evelyn nach. „Das kann ich mir nicht vorstellen, Frau Beck. Martin kam wirklich mit jeder Menschenseele gut aus. Er war ein richtiger Engel und hatte einen tollen Sinn für Humor. Ich kann mir niemanden denken der etwas gegen ihn gehabt haben könnte.“ erklärte Guttmann und Evelyn warf Sebastian einen vielsagenden Blick zu. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“ fragte Guttmann freundlich. Seine Freundlichkeit kam beiden Ermittlern sehr gespielt vor. Dennoch wollten sie nicht weiter bohren. „Wir möchten gerne noch die Herrschaften sprechen.“ sagte Evelyn mit fester Stimme und ließ keinen Widerspruch zu.

 

Den Gang runter zum Fahrstuhl. Ein Expressfahrstuhl mit dem Ziel fünfter Stock. Den konnten Evelyn und Sebastian nur mit einer eingescannten Karte nehmen. Der Geschäftsführer hatte beide zu dem Fahrstuhl begleitet, seine Karte benutzt und damit den Fahrstuhl gerufen. Danach verabschiedete er sich und marschierte etwas geknickt zurück zu seinem Büroraum. Die Fahrt nach oben dauerte nur einen Moment. Als sich die Türen öffneten fiel der Blick auf den Bodenteppich. Er war rot und samtig weich. Die Herrschaften ließen es sich gut gehen, dachte Evelyn und rollte ihre Augen. Wo andere Menschen sich kaputt schuften, hatten die Herrschaften wohl goldene Toiletten und einen Butler, dachte sie und wurde nicht enttäuscht als wirklich eine männliche Person im Smoking und Fliege vor ihnen auftauchte. „Ich bin James. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ erkundigte sich der Mann mit britischem Akzent. „Die Hauptkommissare Beck und Henning. Wir sind von der Kripo Wolfsburg und möchte gerne die Herrschaften sprechen. Es ist eine dringende Angelegenheit und kann nicht warten.“ bat Evelyn und zeigte dabei ihren Dienstausweis. Der Butler schaute und musterte die beiden Polizisten. Er verschwand kurz und kam nach zwei Minuten wieder. „Sie dürfen eintreten.“ sagte James, lächelte und verschwand erneut. „Butler, James, Butler oder wie?“ kommentierte Sebastian die Situation flüsternd und Evelyn zuckte ihre Schultern. „Mal sehen was uns jetzt erwartet.“ flüsterte sie und hielt inne als sie einen großen Saal betraten.

 

An dessen Ende eine riesige Tafel stand. Zwei Menschen saßen daran und saßen. Ein älterer Mann und eine Frau mittleren Alters saßen beisammen und taten so als haben sie Evelyn und Sebastian nicht bemerkt. Erst als James neben die Herrschaften trat, schienen diese die Polizei bemerkt zu haben. „Guten Tag.“ begrüßte der Mann. „Mein Name ist Philipp Henschel. Und das ist meine Partnerin und altbekannte Freundin Dagmar Mühlers. Wir wundern uns zwar ein wenig die Polizei im Hause zu haben. Trotzdem wollen wir Ihnen helfen. Sagen Sie mir was wir für Sie tun können.“ rief der Mann und Evelyn trat einige Schritte vor. „Wir ermitteln im Mordfall Corvo. Er hat bei Ihnen als Weihnachtsmann gearbeitet. Wir möchten gerne wissen ob es irgendjemanden gab der ihn nicht leiden konnte. Wir haben schon gehört das er ein richtiger Engel gewesen sein soll. Nur gibt es zu jedem Engel auch immer ein kleines Teufelchen. Und das würden wir gerne finden.“ erklärte Evelyn und schon legte Herr Henschel seine Stirn in Falten. Er warf seiner Partnerin und Freundin einen vielsagenden Blick zu. Dagmar Mühlers versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Ob ihn jemand nicht leiden konnte, dazu können wir beide nicht viel sagen, da wir mit unseren Angestellten nicht so viel zu tun haben. Bewerbungsgespräche und des gleichen, darum kümmert sich der Geschäftsführer und alle andere macht er meist auch. Wir haben Herr Corvo meist nur auf der Weihnachtsfeier getroffen und da hatte er einmal einen kleinen Streit mit zwei von unseren Mitarbeitern. Ich kann Ihnen allerdings nicht mehr genau sagen um wen es sich dabei handelt. Das war letztes Jahr am 12. Dezember. Morgen findet keine Feier statt. Dafür zwei Tage vor Heiligabend. Sie können kommen wenn Sie es möchten. Es ist immer sehr schön und gibt eine Menge zu essen.“ meinte Henschel und Evelyn als auch Sebastian machten sich in ihren Handys ihre Notizen. „Was ist denn eigentlich mit Herrn Corvo passiert?“ wollte Dagmar Mühlers wissen und sah Evelyn direkt an. „Herr Corvo wurde vermutlich Opfer eines Raubmordes. Er wurde erstickt und ausgeraubt. Anschließend wurde die Leiche in Wasser geworfen, wo sie eine Woche umher trieb, bis zwei Angler die Leiche fanden.“ antwortete Evelyn leicht genervt und beide Herrschaften erstarrten. „Oh Gott.“ entfuhr es beide im Chor und Evelyn nickte knapp. „Danke für Ihre Zeit.“ sagte Evelyn noch und schon wandten sich beide Polizisten ab.

 

Nach dem sie das Kaufhaus verlassen hatten, stiegen Evelyn und Sebastian in ihren Dienstwagen ein und schon ging die Fahrt los. Allerdings nicht zurück ins Revier. Sebastian hatte einen Plan. Dazu musste er jedoch etwas besorgen. Die Fahrt endete an einem Kostümverleiher. Dort sprang Sebastian schnell hinein, kaufte sich etwas und kehrte zum Auto zurück. Evelyn war inzwischen ebenfalls ausgestiegen und schaute ihren Kollegen fragend an, als dieser etwas in den Kofferraum legte. „Was hast du gekauft? Darf ich es sehen?“ fragte sie neugierig und Sebastian zuckte seine Schultern. „Hast du dir eine Gummipuppe gekauft? Sebi, du hast doch eine Freundin. Ich glaube das Stella nicht begeistert wäre.“ scherzte sie und entlockte Sebastian ein kleines Grinsen. Sebastian reichte ihr die Tageszeitung. „Guck mal da rein ehe du in den Kofferraum schaust, Evie.“ bat er und schon schlug Evelyn die Zeitung auf. Die Tageszeitung berichtete vom Spiel der Wölfe, über Börsenkram und den löblichen Einsatz der Feuerwehr. Nichts deutete auf den Mord hin. Dies wurde von der Pressestelle der Polizei noch zurück gehalten. „Wonach soll ich suchen? Willst du die aktuellen Zahlen an der Börse wissen?“ hakte sie nach und Sebastian schüttelte seinen Kopf. „Guck mal bei den Stellenausschreibungen nach.“ bat er und schon warf Evelyn einen Blick darauf. Sie las viele freie Stellen. Eine als Wachmann in Teilzeit, eine Stelle als Verkäufer in Voll und Teilzeit und eine Stelle als, ihr stockte der Atem. „Kaufhaus Weihnachtsmann in Voll und Teilzeit. Keine Vorkenntnisse erforderlich. Deutsche Sprache von Vorteil.“ las Evelyn laut vor und ballte ihre Hände zu Fäusten. Es verärgerte sie. Der Geschäftsführer hatte dies mit keiner Silbe erwähnt. „Dieses dumme blöde...“ fauchte sie und schüttelte ihren Kopf. Evelyn zog ihre Stirn in Falten als sie Sebastian fragend anblickte. „Woher wusstest du davon?“ fragte sie. „Als ich warten musste, hatte ich die Gelegenheit und warf einen Blick in die Zeitung, die auf dem Tresen lag und da sind mir die Stellenanzeigen aufgefallen. Eigentlich wollte ich ein Kostüm für die Weihnachtsfeier der Polizei kaufen. Jetzt habe ich mich umentschieden.“ sagte er und erinnerte Evelyn an die Feier im Revier. „An dem Tag muss ich wieder krank feiern.“ murmelte sie sarkastisch. „Und was hast du jetzt da drin gekauft?“ hakte sie neugierig nach und Sebastian grinste. „Ich werde mich auf die Stelle bewerben und dann im Kaufhaus einen auf Weihnachtsmann machen. Dabei kann ich mich umsehen. Hier und da einige Fragen stellen und heraus finden, was uns niemand sagen wollte. Wie findest du meine Idee, Evie?“ hakte nun er nach und Evelyn nickte zustimmend. „Das klingt nach einem Plan. Nur fürchte ich mein Ex Mann wird davon nicht so begeistert sein.“ sagte sie und Sebastian runzelte seine Stirn. „Warum? Mit dieser Aktion können wir vielleicht den oder die wahren Täter heraus locken und dann festnehmen. Da sollte es doch keine Probleme geben.“ meinte er. Evelyn nickte. „Wann willst du dich bewerben? Hast du dich eigentlich schon einmal beworben?“ erkundigte sich Evelyn und Sebastian schaute fragend drein. „Oh. Ups. Nein habe ich nicht. Ich werde Sina fragen oder Timo. Einer von beiden wird mir sicherlich helfen können. Und das Vorstellungsgespräch meistere ich wie ein Profi.“ gab er selbstsicher zurück. Evelyn atmete tief durch. „Ich denke wir üben das erst einmal ehe du zum Gespräch gehst.“ schlug Evelyn vor. „Hä? Was denkst du denn wie ich zu diesem Job gekommen bin? Damals musste ich mich auch bewegen.“ argumentierte Sebastian. „Weißt du noch was du damals geschrieben oder gesagt hast um den Job zu bekommen?“ hakte Evelyn nach und Sebastian schüttelte seinen Kopf. „Deswegen wird es geübt und dann umgesetzt, Sebi.“ wies sie ihren Kollegen an, grinste und schon fuhren beide zurück zum Revier.

Kapitel 7

 

Joachim Beck war sauer. Er wurde vor einer halben Stunden von seiner Ex Frau Evelyn darüber informiert das ihr Kollege Henning undercover gehen wollte und einen Weihnachtsmann im Kaufhaus von Henschel & Mühlers spielen wollte, um heraus zu finden wer der wahre Täter war. Evelyn und ihr Kollege vermuteten den wahren Täter im Kaufhaus selbst. Vielleicht schon unter den Weihnachtsmännern. Beide Ermittler hatten schon so manches Spielchen durchschaut und waren sicher, auch dieses Mal, Erfolg zu haben, wenn sie nun clever waren. Die Forensik hatte noch nicht viel gefunden. Für ihren Chef jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. Joachim war von seinem Schreibtisch aufgesprungen und schaute seine Ex Frau fragend und finster zu gleich an. „Wie bitte?“ entfuhr es ihn. „Bitte sag mir, Eve, dass ich mich verhört habe und du nicht Steuergelder für eine ungenehmigte Aktion aufgeben willst?“ forderte Joachim zu wissen und sah seine Ex Frau noch immer fragend an. „Was ist daran denn schlimm? Wir, Sebastian und ich, denken das sich der wahre Täter nun einmal im Kaufhaus befindet. Wir glauben das Opfer hat seinen Täter oder die Täter gekannt. Wir denken es gibt keine andere Möglichkeit um an Informationen zu gelangen. Alle sind sehr verschwiegen im Kaufhaus. Und ich möchte mich ungerne noch ein weiteres Mal mit dem Geschäftsführer auseinander setzen müssen.“ erklärte Evelyn ruhig und sachlich. Joachim schnaufte. „Du hättest mich vorher in Kenntnis setzen müssen, Eve.“ erinnerte er und Evelyn zuckte ihre Schultern. „Dafür bleibt uns vielleicht keine Zeit. Außerdem ist die Aktion noch nicht gestartet. Wir können sie noch aufhalten. Allerdings halte ich dies für einen Fehler. Ich denke es wäre klüger wenn wir uns um den Einsatz kümmern und darum den Täter zu finden.“ gab Evelyn ihre Empfehlung ab und Joachim schnaufte erneut. „Was hat denn die Spurensicherung bisher heraus gefunden?“ erkundigte er sich schließlich. „Nicht viel. Luise vermutet das vielleicht etwas im Kaufhaus zu finden sein könnte, nur dazu brauchen wir einen Durchsuchungsbefehl. Nur haben wir einen verschmierten Teilabdruck und DNS unter den Fingernägeln des Opfers. Ich weiß nicht ob das reicht.“ berichtete Evelyn. Sie sah ihrem Ex Mann tief in die Augen. „Ich kümmere mich darum. Ich spreche mit dem Richter und dieser soll sich dann bei dir melden.“ meinte Joachim und Evelyn nickte dankend. „Das wird dem Polizei Präsidenten vielleicht nicht gefallen. Er versucht eigentlich zu sparen.“ meinte Joachim und fing sich einen vielsagenden Blick ein. „Wie kann dein Golf Partner da immer dagegen sein? Wir machen jeden Tag unsere Arbeit und ich finde wir machen sie gut, Jo. Sag deinem Kumpel er soll sich um wichtigeres als ständig um meine Fälle kümmern. Ansonsten melde ich ihn bei seinem Chef. Und ich gehe an die Presse. Anonym natürlich und berichte denen was wirklich intern bei der Polizei abläuft.“ donnerte ihre Stimme. Evelyn funkelte ihren Ex Mann finster an. Joachim biss sich auf die Unterlippe. „Ich spreche mit meinem Golf Partner, wie du ihn nennst und erkläre ihm das alles. Ich bin auf deiner Seite, Eve. Auch wenn es nicht immer so wirkt.“ sagte Joachim mit ruhiger Stimme, trat auf seine Ex Frau zu und legte seine Hände auf ihre Schultern. Es fühlte sich einen Moment an wie früher, dachte sie und löste sich wenig später von ihm. „Du bist mir also immer noch sauer. Komm schon, Evie. Das sind jetzt fast fünf Jahre. Kannst du nicht mal runter kommen und mir verzeihen?“ drängte Joachim. Evelyn winkte ab. „Eigentlich sind es fast acht Jahre, Jo. Du hast mich schon während der Schwangerschaft betrogen. Falls du es vergessen hast. Ich werde es niemals vergessen.“ fauchte Evelyn, gab ihm eine Ohrfeige und wandte sich ab.

 

„Was soll bedeuten bewerben?“ hakte Timo Kraft nach und warf seinem Kumpel und Kollegen Sebastian Henning einen fragenden Blick zu. Beide befanden sich zusammen mit Sina in der technischen Abteilung, im Kellergewölbe, des Reviers und Sebastian hatte den beiden erzählt was er vor hatte und was der Polizei Präsident vor einer Stunde offiziell genehmigt hatte. Nun brauchte Sebastian einen offiziellen Hintergrund und ein Bewerbungsschreiben für seine Undercover Aktion. Dazu wollte er als verdeckter Ermittler auftreten und in dem Kaufhaus als Weihnachtsmann arbeiten. Er würde spenden sammeln, sich anpöbeln lassen und Fotos machen. Um seine Identität zu verschleiern hatte er sich einen falschen Vollbart organisiert. Etwas Haargel und andere Schuhe sollten seinen Look vom einfachen Studenten unterstützen. Nun brauchte er nur noch den Hintergrund vom Computerexperten Timo und die Bewerbung von Sina. Beide sahen sich jedoch fragend an. Sina schaute Sebastian an und zog ihre Stirn in Falten. „Ich glaube nicht das ich dir etwas glaubhaftes schreiben kann, Basti. Du bist schon ein bisschen zu alt um noch als Student durch zu gehen. Du bekommst an deinen Koteletten schon graue Haare.“ bemerkte Sina und schon sprang Sebastian auf, rannte zum Spiegel im kleinen Badezimmer und suchte nach den grauen Haaren. Sina und Timo begannen zu lachen. „Das war ein Scherz, Basti. Nur leider nicht als ich sagte das du zu alt bist. Man wird dir den Studenten nicht mehr abkaufen.“ erinnerte Sina. „Das weiß ich auch, Sina. Ich versuche es einfach als Langzeitstudent oder wenn das nicht geht, sage ich einfach ich beziehe Sozialhilfe und möchte wieder arbeiten. Das sollte vielleicht helfen.“ meinte Sebastian und stemmte seine Hände auf seine Hüften. Er wirkte zuversichtlich. Sina und Timo sahen einander an. „Ich denke du solltest dich im Bewerbungsgespräch lieber als Polizist outen und sagen das du Undercover arbeiten musst um einen gefährlichen Straftäter dingfest zu machen. Die Wahrheit wird dich einstellen, glaub es mir.“ sagte Sina und versuchte Sebastian zu überzeugen. Er runzelte nun seine Stirn. „Meinst du das auch, Timo?“ fragte er und Timo nickte zustimmend. „Ich kümmere mich natürlich um deinen Hintergrund, Basti. Allerdings denke ich das du dich im Gespräch wirklich als Polizist ausweisen solltest. Dann kann sich die Polizei auch absichern.“ warf Timo ein. „Na gut dann machen wir das so, Leute. Ich vertraue euch.“ sagte Sebastian, griff zu dem falschen Vollbart und verschwand im Badezimmer.

 

Der Geschäftsführer des Kaufhauses, wurde informiert als Hauptkommissar Henning sich im Vorstellungsgespräch als Polizist auswies und erklärte was er vor hatte. Guttmann sah dies mit gemischten Gefühlen. Dennoch wollte er mit helfen den Fall aufzuklären und dafür sorgen dass der gute Ruf des Kaufhauses nicht Schaden erlitt. Sebastian Henning sah verändert aus. Er trug nun keinen Hosenanzug mehr, sondern einen dicken Pullover, Jeans, dicke Stiefel, einen Vollbart und hatte blondes gefärbtes Haar. „Und Sie denken, Sie kommen damit klar, Herr Henning? Sie müssen schließlich immer freundlich sein und die Besucher gut unterhalten. Nicht jeder Mensch ist dazu in der Lage.“ warnte der Geschäftsführer und Sebastian nickte zustimmend. Er schaute Hilfesuchend zu seiner Kollegin. Evelyn nickte ebenfalls. „Mein Kollege kann das. Er hat einen guten Sinn für Humor und ist ein sehr fröhlicher Mensch. Sie werden keine Klagen hören.“ versicherte Evelyn und Sebastian grinste verschmitzt. „Wie lange soll ihre Aktion dauern?“ fragte Guttmann nach und beide Ermittler zuckten ihre Schultern. „Das können wir noch nicht genau sagen. Es kommt drauf an ob sich der Mörder unter den Weihnachtsmännern befindet oder eher nicht. Das werden wir nun ermitteln.“ antwortete Evelyn sachlich. Sie hoffte alles würde glatt gehen.

Kapitel 8

 

Seit drei Tagen hatte Evelyn nichts mehr von ihrem Kollegen Sebastian gehört oder gesehen. Er war im Einsatz und dazu musste er den Kontakt zu ihr und der Polizei abbrechen. Niemand von seinen neuen Weihnachtsmann Kollegen sollte etwas ahnen. Inzwischen hatte sich Evelyn um einen Durchsuchungsbefehl gekümmert. Obwohl sie weiterhin nur Indizienbeweise hatten, schien dies für Richter Heinrich, ausreichend zu sein. Richter Dennis Heinrich, den alle nur Bull nannten, weil er eine massive Statur hatte und sich gerne aufregte wie ein Bulle. Vor diesem Mann hatten selbst die Polizisten großen Respekt. Er hatte eine Glatze und einen langen dunklen Kinnbart. Dazu kam eine Brille auf der Nase und stechende Augen. Er konnte bedrohlich wirken, dachte Evelyn und schluckte einen dicken Kloß hinunter. „Haben Sie vielen Dank, Richter Heinrich. Ich denke mit dem Durchsuchungsbefehl komme ich weiter bei meinen Ermittlungen.“ „Das will ich hoffen, Frau Beck. Ich verlasse mich nicht so gerne auf Indizien Beweise. Ich brauche etwas stichhaltiges. Etwas konkretes. Aber sie genießen einen sehr guten Ruf innerhalb der Polizei und deshalb lasse ich mich darauf ein.“ meinte Bull etwas ruppig und Evelyn nickte stumm. Sie wusste ohnehin nicht genau was sie sagen sollte. „D...anke. Ich werde mich augenblicklich darum kümmern.“ sagte sie kleinlaut, grinste und wandte sich ab.

 

Gerd und Harald waren nicht begeistert dass das Kaufhaus, nach der Sache mit Corvo, erneut eine freie Stelle für einen Kaufhaus-Weihnachtsmann ausgeschrieben hatte und sich dieser junge Kerl darauf beworben und tatsächlich die Stelle erhalten hatte. Ein gewisser Bastian Henning. Ein junger und schlanker Kerl, mit schütterem blonden Haar, Vollbart und sportlicher Figur. Selbst in seiner Bestzeit hatte Gerd niemals so aussehen können. Das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war das Henning nach nicht mal einem Tage, schon gleich im Kaufhaus arbeiten dürfte und das auch noch in der Nähe von Kleinkindern. Henning wurde außerdem ein Rentier gestellt, welches die Kinder anfassen und streicheln durften. Dies machte Gerd wild und ließ auch Harald nicht kalt. Die beiden Freunde hatten keine Worte dafür. Erst war es Corvo der ihnen etwas streitig machen wollte, was sich beide so mühsam aufgebaut hatten und nun dieser Jungspund. Gerd wollte nun versuchen den jungen Mann irgendwie einzuschüchtern. Es war noch recht früh. Gegen sechs Uhr morgens. Das Kaufhaus sollte in einer Stunde öffnen. Bis dahin gab es noch einiges zu erledigen. Unter anderem sich umziehen und richtig stylen, um erneut wie der perfekte Weihnachtsmann auszusehen. Gerd trat an den Spinnt von Henning und lehnte sich dagegen. Dabei verschränkte er die Arme vor seiner Brust und musterte den jungen Kollegen mit einem abfälligen Blick. „Na du. Was geht.“ wollte Gerd mit abfälligem Tonfall wissen. Henning schien sich nicht beeindrucken zu lassen. Er zuckte lediglich seine Schultern und begann sich von seiner Alltags Kleidung zu trennen. „Ich rede mit dir, Freundchen. Hast du keine Ohren?“ knurrte Gerd und trat einen Schritt näher.

 

Im nächsten Moment wurde Gerd am Kragen seines Hemdes gepackt und Henning zog ihn etwas näher an sich heran. „Ich habe dich schon verstanden, Kumpel. Nur habe ich beschlossen das du mir scheiß egal bist. Also lass mich in Ruhe und kümmere dich um deinen eigenen Scheiß. Verstehen wir uns, Freundchen!“ donnerte Sebastians Stimme. Er drückte Gerd von sich weg und mit voller Wucht gegen die Wand. Sebastian hatte Gerd und Harald im Verdacht dem alten Corvo etwas angetan zu haben. Und auch sonst war Gerd sehr vulgär und ein richtiges Ekelpaket. Sebastian ließ von dem Mann erst ab als er eine sanfte Hand auf seiner Schulter spürte und sich langsam umdrehte. Ihm wäre fast die Spucke weg geblieben als er sah um wen es sich handelte.

 

„Gibt es hier eventuell ein Problem von dem ich wissen sollte?“ forderte Evelyn mit fester Stimme zu wissen. Dabei tat sie so als hätte sie Sebastian niemals zuvor in ihrem Leben kennen gelernt. Er wirkte in diesem Moment auch nicht wie der nette Kollege, sondern eher wie ein brutaler Schläger oder jemand der nicht gerne unter Menschen ging. „Wo ist der Geschäftsführer? Mein Name ist Evelyn Beck. Ich bin von der Kripo Wolfsburg und haben einen Durchsuchungsbefehl für ihre Umkleidekabine. Ich möchte das Sie alle raus gehen und die Spurensicherung ihre Arbeit machen lassen.“ rief Evelyn noch immer mit fester Stimme und sehr laut, sodass alle sie hören konnten. „Das will ich aber nicht!“ rief Sebastian dagegen, trat vor und stemmte seine Hände in die Hüften. Auf seinem Namensschild stand B.Henning. Evelyn warf einen Blick über ihre rechte Schulter. Neben ihr stand nicht Luise, sondern deren Kollege Murat, welcher ebenfalls einen Ganzkörperoverall und eine Gesichtsmaske trug mit Kopfbedeckung. „Ihr könnt los legen.“ wies sie den Spurenermittler an und schon machte sich der junge Türke an die Arbeit. „Haben Sie mich nicht gehört, Frau Beck? Ich habe nicht vor meinen Spind frei zu geben. Dort sind persönliche Dinge drin und diese gehen niemanden etwas an. Sie verstoßen in diesem Moment gegen das Datenschutzgesetz.“ rief Sebastian, ganz in seiner Rolle und funkelte sie finster an. Sebastian trat demonstrativ einigen Schritte näher und bäumte sich vor ihr auf. Evelyn wollte lächeln. Sie durfte jedoch nicht aus ihrer Rolle fallen. Das Sebastian so gut Schauspielen konnte, hätte sie niemals für möglich gehalten und auch niemand anders. „Wie bitte?“ fragte Evelyn und runzelte ihre Stirn. „Wie ich sagte, Frau Beck. Sie, die Polizei, verstößt gerade gegen das Gesetz.“ rief Sebastian und wirbelte herum. Auch seine Kollegen echauffierten sich. Dies hatte Evelyn nicht kommen sehen.

 

Sebastian übernahm so eben die Rolle des Anführers, der sich gegen die mächtige Polizei, angelegt und vermutlich hoffte zu gewinnen. Evelyn empfand dies als sehr clever. „Wir, die Polizei, darf dann ermitteln wenn Gefahr im Verzug ist oder ein Verbrechen geschehen ist. Ihren neuen Job haben sie vermutlich nur bekommen, weil jemand anders zuvor gestorben ist und das ist ein Verbrechen. Und falls Sie mir jetzt nicht freiwillig helfen und beiseite treten, nehme ich Sie wegen Behinderung der Justiz fest und sperre Sie in eine kleine Zelle ein!“ donnerte Evelyns so sanfte Stimme und sie funkelte Sebastian, in seiner Rolle, finster an. „Das dürfen Sie trotzdem nicht einfach tun. Datenschutzgesetz?“ erinnerte er und Evelyn zuckte ihre Schultern. „In einem Spinnt ist das so eine Sache mit dem Datenschutz, Herr Henning!“ murmelte sie und grinste süffisant. Sebastian trat näher und stieß Evelyn so eben von sich weg.

 

Evelyn schaltete blitzschnell. Sie packte sein rechtes Handgelenk, drehte ihm den Arm herum und warf ihn über ihre Schulter. Unter stöhnen vor Schmerzen legte sie ihm Handschellen an, half ihm auf die Beine und ließ ihn von dem Kollegen Wizmeier abführen. Anschließend atmete sie tief durch und zog rotes Hemd zurecht. Wenn es früher jemand gab der sich nicht an die Regeln hielt, würde es nun niemand mehr versuchen, dessen war sich Evelyn sicher. Ihr fielen die beiden älteren Männer hinten an den Spinden auf. Diese hatten alles beobachtet und tuschelten nun mit einander. Leider konnte sie kein einziges Wort verstehen. „Frau Beck, wir haben vielleicht etwas interessantes gefunden. Bitte kommen Sie gucken.“ vernahm sie die Stimme von Murat. Dieser holte sie aus ihren Gedanken. Evelyn folgte seiner Stimme und blieb direkt vor dem Spind des Mordopfers stehen. „Ich denke das wird Sie sehr interessieren.“ meinte Murat und enthüllte was er soeben gefunden hatte. Evelyn staunte. Ihr fiel nun doch die Kinnlade hinunter.

 

Sebastian wurde abgeführt und fand sich nun vor dem Gebäude wieder, in dem das Kaufhaus sich befand und zwar in einer kleinen Seitengasse, welche zum Waren liefern genutzt wurde. Ein junger Wachtmeister stand neben ihm und hatte seine Hände in die Hüften gesteckt. Der junge Mann trug die typische dunkelblaue Polizei Uniform. „Sie können mich jetzt bitte los machen, Wizmeier. Ich laufe schon nicht weg.“ bat Sebastian und Wizmeier schüttelte seinen Kopf. „Ich habe Anweisung auf Frau Beck zu warten.“ sprach Wizmeier mit sanfter Stimme. Sebastian, der seine Hände noch immer in den Handschellen hatte, schüttelte seinen Kopf. Ihm war kalt. Er trug lediglich sein dünnes T- Shirt und eine Jeans. Auch der Vollbart begann zu kratzen und zu jucken. „Bitte. Auf was warten Sie noch? Warten Sie jetzt ernsthaft auf meine Kollegin? Wozu?“ verlangte Sebastian zu wissen. Wizmeier zuckte seine Schultern. Er musste einmal herzhaft Gähnen. „Ich warte auf Frau Beck weil ich sie nicht kenne. Sie könnten jemand verdächtiges sein, der nur einen auf Polizisten tut um sich einer Strafe zu entziehen. Angriff auf einen Polizisten ist teuer und kann mit Bewährung bestraft werden.“ erwiderte Wizmeier und wollte gerade in sein Mikrophone sprechen als die Tür sich öffnete und Evelyn auf der Bildfläche erschien. Sie legte Wizmeier sanft eine Hand auf dessen Schulter. „Danke schön, Wiz. Gute Arbeit. Ich übernehme ab hier.“ sagte sie mit ruhiger Stimme und Wizmeier löste die Fesseln von Sebastian. „Sind Sie sicher, Frau Beck? Der Kerl hat Sie angegriffen. Ich wäre für eine Strafanzeige.“ „Das ist der Kollege Henning. Ich glaube Sie beide kennen sich noch nicht.“ meinte sie und zeigte auf Sebastian, der nur winkte und Wizmeier dies peinlich zu sein schien. „Danke für ihre Hilfe, Wiz.“ sagte Evelyn noch und schon wandte sich der Streifenpolizist ab.

 

„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht mich vor all diesen Leute anzugreifen, Sebi? Bist du noch zu retten?“ donnerte ihre Stimme und ihre gute Laune verwandelte sich in Wut. Sie funkelte ihren Kollegen finster an. „Ich wollte das mit Absicht tun, Eve. Ich wollte ein bisschen de Aff machen, weil mich die Kollegen als ihren Chef anerkennen sollen und mir alles erzählen wollen, daraufhin. Vielleicht erfahre ich noch etwas nützliches. Jetzt wo die Spurensicherung die Spinde durchsucht, wird bestimmt noch etwas nützliches gefunden werden und dann beschweren sich meine neuen Kollegen bestimmt über die Polizeiaktion bei mir und wollen eine Lösung. Ich denke das wir diese Situation durchaus gebraucht haben.“ erklärte Sebastian und Evelyn nickte zustimmend. Dies erschien logisch. „Wäre das nicht anders gegangen, Sebi? Musstest du mich wirklich angreifen? Jetzt muss ich einen Bericht schreiben und erklären dass dieser Zusammenprall, Teil einer Ermittlung war. Das wiederum wird mich erneut mit meinem Ex Mann zusammen bringen. Und das wird kein schöner Moment werden.“ meinte sie und Sebastian winkte ab. „Das schaffst du schon. Denk an unseren Fall. Martin Corvo wurde von einem dieser Männer vermutlich erstickt. Ich für meinen Teil will den Täter finden.“ meldete sich Sebastian enthusiastisch zu Wort. Evelyn schwieg. „Für heute kannst du nicht mehr rein gehen, Sebi. Dann kannst du eigentlich auch aufs Revier mit kommen. Dort ist es wenigstens schön warm.“ „Ich denke ich lasse mich von Wizmeier heim fahren. Das halte ich für klüger als im Büro herum zu hängen.“ brummte Sebastian und Evelyn nickte erneut. „Na gut.“ sagte sie, winkte Wizmeier zu sich, erklärte ihm alles und trat durch die Sicherheitstür wieder ins Innere des Kaufhauses.

Kapitel 9

 

„Was unternehmen wir beide nun wegen diesem Kerl?“ wollte Gerd wissen und sah Harald fragend an. Beide saßen in Wendschott in einer kleinen Kneipe, tranken schon ihr drittes Bier und versuchten sich Gedanken um ihre Zukunft zu machen. Dabei ging es weniger um ihre Freiheit. Sie wusste dass die Polizei nichts finden würde. Es ging viel mehr um das Berufliche. Die berufliche Zukunft und ihre Zeit als Weihnachtsmänner im Kaufhaus. Der Geschäftsführer bevorzugte den neuen Kollegen. Und dies gefiel Gerd überhaupt nicht. Er war kein Fan von solchen Dingen. Es kam ihm immer wie Verrat vor. Gerd und sein bester Freund Harald arbeiteten schon ewig in dem Kaufhaus. Noch vor seiner Übernahme und viel länger als Corvo. Corvo der Engel, welcher sich um die Kinder aus Afrika kümmerte und bestimmt im Himmel auf seiner eigenen kleinen Wolke saß. Dorthin hatte Gerd ihn jedenfalls geschickt. Eines Nachts hatte er den Engelsmann ins Kaufhaus gelockt und ihm den Gar aus gemacht. Es ging nicht anders. Gerd war scharf auf den Job des alten Corvos. Nur hätte er niemals damit gerechnet das Guttmann gleich jemand neues holen würde. Dies konnte Gerd nicht fassen. Und dann war es so ein Möchtegern. Ein junger Mann der einen auf Chef machte unter den Kollegen, bloß weil er sich mit den Bullen angelegt hatte. Gerd leerte sein Bierglas mit einem Zug und stellte es auf den Bartresen ab. „Ach lass ihn doch, Gerd. Vielleicht geht er einfach und kommt nicht mehr wieder. Ich denke wir sollten uns um uns kümmern.“ warf Harald ein und nippte an seinem Bier. Gerd schüttelte seinen Kopf. „Wenn du mir nicht helfen willst, Harry, dann finde ich jemanden der es tut. Ich kümmere mich um den Kerl. Der denkt wirklich er wäre der Held vom Erdbeerfeld. Das geht zu weit.“ knurrte Gerd, erhob sich von seinem Hocker und torkelte in Richtung Ausgang.

 

Etwa einen Tag nach dem die Spurensicherung mit Hilfe des Durchsuchungsbefehls, die Spinde durchsucht hatte, betrat Evelyn das Gebäude in dem sich Labor und Pathologie befanden. Sie marschierte zielsicher die Stufen hinauf, bis sie im zweiten Stockwerk stoppte, den Flur hinunter lief und vor einem Büroraum halt machte. Auf dem Namensschild stand „L.Lichtenstein“. Evelyn beugte sich ein Stück weit vor und klopfte gegen die Metalltür. Erst passierte nichts. Dann vernahm sie ein lautes: „Herein!“ von drinnen und öffnete die Tür. Evelyn trat ins Innere des geräumigen Büroraumes und schloss die Tür hinter sich wieder. An ihrem Schreibtisch saß Luise Lichtenstein und schrieb soeben noch einen Bericht. „Du kannst dich ruhig schon setzen, Evelyn.“ sagte Luise ohne aufzublicken. Evelyn setzte sich und zog den gemütlichen Sessel ein Stück näher an den Schreibtisch heran. „Ungewöhnlich!“ keuchte Evelyn. „Was denn?“ hakte Luise nach. „Das wir uns in deinem Büro treffen und nicht wie sonst im Labor.“ sagte Evelyn und Luise zuckte ihre Schultern. „Ich dachte es wäre eine sehr entspannte Atmosphäre und du würdest dich wohler fühlen.“ „Das tue ich auch. Nur ist es halt etwas ungewohnt. Ähnlich wie mein Besuch beim Zahnarzt letzte Woche.“ meinte Evelyn scherzhaft und entlockte Luise ein kleines süffisantes Lächeln. „Kannst du mir schon sagen was du und deine Leute heraus gefunden haben?“ erkundigte sich Evelyn und Luise nickte zustimmend. „Ich habe zuerst eine Frage. Und zwar möchte ich wissen ob du schon bei der Schriftanalyse gewesen bist?“ „Bisher nicht. Ich wusste gar nicht das ich dorthin hätte gehen sollen. Weißt du mehr als ich, Lu?“ hakte Evelyn nach. Luise nickte zustimmend. „Wir haben in den Spinden nichts auffälliges gefunden. Allerdings hatte das Opfer in seinem Spind eine Menge Drohbriefe, welche nun untersucht werden. Vielleicht solltest du doch mal im Labor vorbei gehen.“ „Und die Fingerabdrücke?“ fragte Evelyn. „Nichts.“ antwortete Luise und senkte ihren Kopf.

 

Für die schriftliche Analyse war eine junge Frau zuständig. Jasmin Hoffmann. Diese war Mitte Zwanzig, hatte blondes Haar, blaue Augen, war schlank und trug gerne Kleider. Auch im Winter. Sie hatte eine kleine Tochter von vier Jahren und hoffte jedes Jahr zu Weihnachten dass der Vater des Kindes, kommen und mit ihnen feiern würde. Da dies niemals passieren würde, wollte Evelyn der jungen Frau nicht sagen. Sie beschloss sich da heraus zu halten. Dennoch war Jasmin eine brilliante Wissenschaftlerin mit dem Herz am richtigen Fleck. Evelyn und Luise betraten den Laborraum von Jasmin und schon schenkte diese den beiden Frauen ein freundliches Lächeln. „Wunderschöner Tag.“ begrüßte Jasmin. „Das werden wir noch sehen.“ kommentierte Evelyn trocken. „Sie werden schon sehen, Frau Beck. Der Tag wird einige Überraschungen für Sie bereit halten. Das sagt zumindest das Tages Horoskop. Und das hat ja meistens Recht.“ rief Jasmin vergnügt und reichte Evelyn einen Analysebericht. Den Bericht nahm die Hauptkommissarin dankend entgegen. „Was sehe ich mir da an?“ hakte Evelyn nach. „Das ist eine Schriftanalyse von den Morddrohungen, welche wir gefunden haben, Evelyn. Darin steht das sich das Opfer einen neuen Job suchen soll oder er erlebt sein blaues Wunder. Es sind zehn solcher Briefe und alle werden von Drohung bis zum geplanten Totschlag.“ berichtete Luise. „Wenn Sie den wahren Täter finden und ihm eine Schriftprobe entlocken, dann können Sie ihn überführen. Die Schrift eines Menschen ist wie ein Fingerabdruck. Man kann sie nicht täuschen.“ warf Jasmin ein. Evelyn runzelte ihre Stirn. „Aber es gibt Leute die eine Unterschrift fälschen können. Was ist wenn der Täter so etwas tut?“ fragte sie nach und sah Jasmin und Luise fragend an. „Beim fälschen einer Unterschrift würde das Gehirn dennoch die gleichen Muster und Schriftarten vollführen, wie wenn normal unterschrieben wird. Eigentlich kann sich das Gehirn nicht selbst überlisten.“ erklärte Jasmin ruhig. Evelyns Gesicht hellte sich auf. „Vielleicht hat ihr Horoskop ja doch Recht, Jasmin.“ sagte sie und wandte sich ab.

 

Sebastian hatte heute morgen früh Schicht und er war schon spät dran. Also verzichtete er auf seinen morgendlichen Kaffee. Er griff blitzschnell zu seinem Kostüm, klebte sich schnell den Vollbart an und verließ seine Wohnung. Er schloss zu. Somit konnte er nicht sehen was hinter ihm passierte. Als er sich umdrehte wurde er von einer Schaufel an der Stirn getroffen und sank bewusstlos zu Boden.

 

„Mein Name ist Sebastian Henning. Ich bin Beamter bei der Kripo Wolfsburg. Sie und ihr Komplize sind wegen Mordes, Körperverletzung und Entführung eines Polizeibeamten, dran. Sie sollten mich lieber hier raus lassen und mich los binden.“ rief Sebastian einem Mann zu den er als Gerd von der Arbeit kannte und versuchte sich irgendwie zu befreien. Er saß gefesselt auf einem Stuhl und spürte wie seine Kraft ihn verließ. Er konnte nicht anderes tun als hier zu sitzen und zu warten bis Evelyn ihn eines Tages fand. „Halt die Klappe, Basti. Ich glaube dir das nicht. Ich sehe zwar dass dein Bart angeklebt ist, aber das du ein Bulle bist, dass glaube ich dir nicht. Hättest du wohl gerne oder.“ murmelte Gerd mit tiefer Stimme. Er ging zu Sebastian und verpasste diesem einen schwungvollen Kinnhaken. „Ich lasse dich frei, wenn du den Job aufgibst und niemals wieder ins Kaufhaus zurück kommst. Ich will dich nicht umbringen. Der alte Corvo hatte die gleiche Chance wie du.“ brummte Gerd. Sebastian wurde hellhörig. „Also hast du den alten Corvo um die Ecke gebracht?“ wollte Sebastian wissen und Gerd nickte zustimmend. „So ist es leider. Er wollte mir meine Beförderung ruinieren und das konnte ich nicht zu lassen. Aber psst. Nicht das dir das Gleiche passiert, Basti.“ warnte Gerd, griff zu einem Messer und hielt dies an die Kehle von Sebastian. Dieser hielt inne. Das scharfe Messer fühlte sich kalt an. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgesprengt und Männer des SEK rannten in den Kellerraum. „Hände hoch!“ riefen die Männer im Chor und Gerd wehrte sich nicht. Er wurde festgenommen und Evelyn befreite ihren Kollegen.

Kapitel 10

 

„Ich werde Ihnen gegenüber kein Wort sagen ohne meinen Anwalt. Ich hoffe das Sie mich verstanden haben.“ donnerte Gerds Stimme und er funkelte Evelyn und Sebastian finster an. Nach dem Gerd abgeführt wurde, wurde Sebastian vom Sanitäter versorgt und bekam eine Kopfschmerz Tablette. Eigentlich sollte er sich etwas ausruhen. Dennoch wollte er an der Befragung teilnehmen. „Das ist natürlich Ihnen überlassen, Herr Habicht. Sie können warten bis Ihr Anwalt eingetroffen ist oder Sie erzählen uns einfach alles. Vielleicht können wir dann etwas wegen ihrer Strafe machen. Denken Sie einfach mal drüber nach.“ sinnierte Evelyn und schon legte Gerd seine Stirn in Falten. „Na gut. Ich erzählen Ihnen was Sie wissen wollen, Frau Beck.“ ergriff Gerd das Wort und Evelyn grinste süffisant. Sie setzte sich auf die Tischplatte, nahm Fotos aus der Fallakte und breitete sie vor dem Hauptverdächtigen auf dem Tisch aus. Gerd warf einen Blick darauf und wandte seinen Blick ab. „Ist das etwa zu viel für, Sie?“ wollte Sebastian wissen und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Gerd schüttelte seinen Kopf. „Ich werde nichts verraten. Ich bin unschuldig. Der alte Corvo ist in den Fluss gefallen und ertrunken.“ verteidigte Gerd seine Handlung. „Das glaube ich kaum, Herr Habicht. Wir wissen das Martin Corvo mit einer Plastiktüte erstickt wurde und dann wurde seine Leiche im Fluss entsorgt. Wir haben einen Teilabdruck gefunden, der mit ihren Fingerabdrücke übereinstimmt.“ zischte Evelyn und Gerd winkte gelangweilt ab.

 

Bei der Aufnahme seiner Daten, wurden Gerd, die Fingerabdrücke genommen und er musste seine Taschen leeren. Ganz normale Prozedur bei der Polizei. Gerd verschränkte, in einer Abwehrhaltung, seine Arme vor seiner Brust und lehnte sich ein Stück weit zurück. Sebastian legte vor Gerd ein Blatt Papier und einen Stift. „Wir brauchen von dir eine Unterschrift.“ drängte Sebastian. Gerd sah ihn fragend an. „Wozu? Das Blatt ist leer, du Eumel.“ fauchte Gerd und fing sich einen finsteren Blick ein. „Das weiß ich auch, Freundchen. Mach hier net de Aff! Hier ist niemand den du beeindrucken könntest.“ donnerte Sebastians Stimme. Evelyn beobachtete ihren sonst so ruhigen Kollegen. „Na gut, Basti Spasti.“ witzelte Gerd. Er griff zu dem Stift. Sebastian griff zu dem Kragen des Mannes, packte ihn, zog ihn nach oben und trat mit voller Wucht gegen Gerds Brust. Dieser stieß die Luft aus seinen Lungen. Er fiel rückwärts zu Boden und stöhnte vor Schmerzen. Evelyn erstarrte. Ein solches Verhalten kannte sie von sich und nicht von ihrem Kollegen. Sebastian kniete neben Gerd nieder, griff zu seiner Dienstwaffe, entsicherte diese und hielt sie dem Verdächtigen an den Kopf. „Du wirst jetzt alles tun was auch immer wir von dir wollen oder du wirst gleich Kopfweh bekommen!“ brüllte Sebastian. Evelyn fiel die Kinnlade hinunter. Sie wusste nicht was sie denken sollte. So wütend hatte sie ihren Kollegen niemals zuvor erlebt. „Lass gut sein, Sebi!“ zischte Evelyn und schon schien sich Sebastian wieder zu entspannen.

 

„Meinst du, ich bekomme Schwierigkeiten, mit dem Chef?“ fragte Sebastian nach. Gerd hatte sein Geständnis geschrieben und unterzeichnet und wurde dem Haftrichter vorgeführt. Evelyn lehnte sich gegen den Kaffeeautomaten. „Ich rede mit Jo falls der Kerl singen sollte. Aber ich glaube es nicht. Nur möchte ich so etwas nicht noch einmal erleben. In Ordnung?“ „Versprochen!“ sagte er und zog sich einen Kaffee am Automaten.

Epilog

 

„Schade das Martin und ich uns so lange nicht mehr gesehen haben und im Streit auseinander gegangen waren. Das tut mir jetzt am meisten weh. Ich konnte mich nicht einmal verabschieden oder mich entschuldigen. Ich meinte einmal er sei ein Gutmensch, der immer allen helfen will und mir, seiner eigenen Schwester, nicht mit seinem Geld helfen mag. Damals war ich verschuldet, auf Drogen und hatte Geldnot. Erst in der Therapie verstand ich wieso Martin mir nicht mehr helfen wollte. Ich habe mein Leben komplett verändert und lebe nun weit weg von Drogen. Ich helfe jetzt anderen Clean zu werden. Ich denke das wäre auch im Sinne meines Bruders gewesen.“ erzählte Gudrun Corvo und nippte an ihrem Kaffee. Evelyn hatte die Schwester des Mordopfers in Braunschweig aufgesucht und ihr vom Mord an ihrem Bruder berichtet und das sie im Testament erwähnt wurde. Dazu musste sie jedoch sich weiterhin um das Patenkind und dessen Familie kümmern. Evelyn war sicher dass Gudrun dieser Aufgabe gewachsen war. Evelyn nippte auch an ihrer Kaffee Tasse. „Ich bin mir sicher der Tod ist nicht das Ende und wo immer die Seelen sind, sie können und sehen und hören und wissen um unsere Gefühle.“ sagte Evelyn mit sanfter Stimme. „War es wirklich ein Raubmord wie in der Zeitung stand?“ hakte Gudrun nach. „Es sollte so aussehen. Dafür hatte der Täter gesorgt. Am Ende war es Mord mit Vorsatz. Auch nicht besser.“ erwiderte Evelyn und erhob sich. „Ich muss los. Die Fahrt zurück dauert einige Zeit und ich will Sie nicht länger aufhalten.“ sagte Evelyn und reichte Gudrun die Hand. „Hat mich gefreut Sie kennen zu lernen, Frau Corvo. Passen Sie gut auf sich auf.“ sagte Evelyn, lächelte und wandte sich ab.

 

Ende

 

 

 

Vom: 18 bis 20. September 2023

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.09.2023

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für all meine Freunde und meine Testleserin M. Acker

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