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Stunde um Stunde stehe ich vor dem Fenster und warte auf deine Rückkehr. An der Scheibe rinnen die Regentropfen hinunter und auch meine Wangen sind von einem feuchten Glanz bedeckt. Wie lange ich hier schon stehe kann ich nicht sagen. Jedoch ist der Tee den mir Marie brachte schon kalt, also muss es schon eine Weile sein. Ich kann mich nicht rühren, kann nur schwer atmen.
Durch den schwarzen Schleier nehme ich die Welt draußen nur schemenhaft war, mein Blick auf das große Eisentor gerichtet. Mit jedem Herzschlag hoffe ich mehr, dass es sich öffnet und der Stetson um die Ecke lugt, der deinen schönen Kopf bedeckt. Doch bald schon muss ich gehen, mit Schwere in Herz und Fuß. Diesen schrecklichen Weg, den ich hoffte nie gehen zu müssen.
„Lady McBeth?“. Marie steht neben mir. Nur schwer kann ich den Blick von dem Tor nehmen um sie anzusehen. „Lady McBeth? Ihre Mutter schickt mich. Es ist Zeit.“. Ich schauderte und atmete zweimal tief ein bevor ich den Mantel und die Handschuhe nahm die sie dabei hatte und langsam durch den großen Saal richtung Eingangshalle durchquerte.
Wie leer dieses riesige Haus auf einmal wirkt, trotz all der Antiquitäten die die Wände bedeckten. Der große Kronleuchter der von der Decke hängt wirkt auf einmal erdrückend und der Kamin scheint alles verschlucken zu wollen was zu dicht herankommt. Marie blickt mich sehr besorgt an, doch ich reagiere nicht auf ihre Fragen. Ich mag sie sehr, spielten wir doch schon als Kinder gemeinsam verstecken in den vielen Räumen dieses Hauses und ärgerten den Stallburschen. Doch je älter wir wurden, desto mehr entzweiten wir uns. Ich hatte meine Pflichten zu erfüllen als Tochter des Herzogs und Marie als Bedienstete in der dritten Generation hatte andere Aufgaben.
Ich beneidete sie lange darum dass sie heiraten durfte wen sie wirklich begehrte, ahnte ich doch nicht, dass ich mich in den von meinem Vater auserwählten Mann verlieben würde.
Eine weitere Träne findet ihren Weg meine Wange hinunter und ich schließe kurz die Augen.
Ein klopfen lässt mich leicht zusammenzucken. Einen kurzen Moment dachte ich mein Herz hätte dies verursacht beim Versuch mir aus der Brust zu springen, bevor ich die Augen wieder öffnete und Marie sah die die letzten Meter zur Haustüre geeilt war um diese zu öffnen. Ich gehe zu ihr und sehe meinen Vater vor der Tür stehen, den Mantel nass vom Regen obwohl Alfred ihm einen Schirm über den Kopf hält.
„Bist du soweit Annabell?“. Annabell. Niemand außer ihm nennt mich so. Freunde und Familie nennen mich nur Ann. „Hab ich denn eine andere Wahl?“ frage ich während ich den Arm annahm den er mir anbot. Marie hielt mir auch einen Schirm über und gemeinsam gehen wir den Weg zum Friedhof.

„Die Bärenjagt war schon immer ein gefährliches Hobby! Eine Schande dass es ausgerechnet ihn erwischt hat.“, höre ich es hinter mir tuscheln während mein Vater vorne eine Rede hält, „Ja, und das so kurz vor der Hochzeit. Die arme Ann. Ganz verstört ist sie. Sie haben sich wirklich geliebt.“. Marie bedachte die beiden mit einem Blick der sie schweigen ließ und nahm meine Hand. Mit sanftem Druck hielt sie diese fest und flüsterte mir zu, dass sie immer für mich da ist. Sie schenkt mir mit Abstand den meisten Trost von allen. Eine wahre Freundin für alle Zeiten. Deshalb wollte ich auch nach der Beerdigung mit ihr alleine sein. Wir setzten uns in die Küche und Marie kochte uns meinen Lieblings Früchtetee. Der Regen draußen hatte immer noch nicht nachgelassen, fast so als ob die Natur ebenfalls um meinen Verlobten trauern würde. Mir graut es schon jetzt davor schon nach dem Wochenende meinen normalen Pflichten wieder nachzukommen. Doch zum stetigen Gehorsam und mit Respekt vor den Eltern erzogen, hatte ich keine Wahl. Schon lange sagte mir das Leben im verstaubten Hochadel nicht mehr zu. Die ganzen Teepartys mit der aufgesetzten Höflichkeit, die Fuchsjagten bei der auch Frauen teilhaben, Kleiderzwang und die verschiedensten Bälle. Ich kann nie irgendwohin alleine gehen oder tun was ich will. Ich beneide Marie so sehr. An ihren freien Tagen darf sie in die Stadt reiten und in den Park gehen. Ich war noch nie im Stadtpark. Mein Vater meint unsere Ländereien würden zum Ausreiten genügen. Mein einziger Trost ist Marie. Mit ihr kann man viel Spaß haben wenn sich die Zeit findet zum Picknicken oder Wettreiten.
„Meinst du mein Vater wird mir einen neuen Mann aussuchen?“
„Ich befürchte ja. Er will einen Erben und du bist sein einziges Kind.“
Wenn wir alleine sind reden wir normal miteinander. Kostbare Momente wo ich die Etikette fallen lassen kann, wo ich offen reden kann.
„Marie?“
„Ja?“
„Warum hattest du noch nie einen Freund? Wir sind jetzt beide 20 und du musst auch an Kinder denken. Oder?“
„Hm. Kannst du ein Geheimnis wahren?“
„Natürlich.“
„Ich hatte eine kurze Affähre mit Samuel, dem Sohn des Stallmeisters. Doch... Ich konnte keine Gefühle für ihn entwickeln. Generell konnte ich noch nie für einen Mann Gefühle entwickeln.“
„Willst du damit sagen du bist…?“
„Ich weiss es nicht. Vielleicht…“

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Texte: Alle Rechte bei mir
Tag der Veröffentlichung: 07.07.2011

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