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1. Auf in ein neues Leben?!



Bumm. Bumm. Bumm. Mein Herz schlug langsam, passend zu meiner Stimmung.
Es schien sich genauso zu langweilen, wie ich mich langweilte.
Meine Mutter hatte mal wieder entschieden umzuziehen. Seitdem mein Vater uns verlassen hatte, tat sie das ständig. Die Angst davor erneut verletzt zu werden schien sie wahnsinnnig zu machen - Was ich ihr insgeheim nicht übel nehmen konnte. Sie trieb mich zwar manchmal zur Weißglut, doch ich liebte sie und ich konnte nachvollziehen wie es ihr gehen musste.
Es war gerade mal drei Monate her.. Vor genau drei Monaten hatte ich meinen Freund bei einem schweren Autounfall verloren. Sechs Jahre lang waren wir ein Paar gewesen und nun verlangte das Schicksal von mir, dass ich ihn aus meinem Leben radieren sollte.
Es tat weh an ihn zu denken.
Es tat weh zu atmen.
Es tat weh zu schlafen.
Eigentlich tat mir jede Sekunde in meinem Leben weh.
Das Ticken der Uhr riss mich jedes Mal wieder in die Realität zurück.
Jedes Mal wenn ich hörte wie erbarmungslos sie weiter schlug wurde ich wütend.
Wie konnte sie schlagen, wenn andere das Gefühl hatten sie würden auseinander brechen?

»Halt bloß die Klappe.« grummelte ich sie an.
Soweit war es schon mit mir, ich sprach mit meiner Uhr.
Mehrmals in den vergangenen Wochen hatte ich mir gewünscht, dass die Uhr und mein blödes Herz aufhören würden zu schlagen. Aufhören würden mich weiterhin zu bedrängen, doch anscheinend meinte es wirklich niemand gut mit mir..

»Jane, Liebes!« zwitscherte die Stimme meiner Mutter Carolaine.
Ich verzog das Gesicht. Sie klang angespannt, aufgeregt, gestresst. Wie immer..
Mich wunderte es, dass es für sie noch nicht zur Gewohnheit geworden war umzuziehen.
Für mich war es das.
Ich hatte mich längst an das ständige Koffer packen gewöhnt.
An das Schule wechseln.
An die ständig neuen Leute.
Mich würde wahrscheinlich in keiner Stadt mehr etwas überraschen. Auf einer Seite war ich froh, dass wir diesen Ort verlassen würden. Nichts konnte es mir leichter machen endlich von Jared Abschied zu nehmen als ein Umzug. Auch wenn ich mir nicht sicher war ob mir dieser Umzug dabei helfen konnte, hatte ich auf jeden Fall größere Chancen in einer großen Stadt glücklich zu werden als hier in dieser kleinen Stadt.
»JANEE!«
»Ich komme, Mum.« antwortete ich genervt. »Bleib locker, ok?«
Schnell warf ich die letzten Kleidungsstücke in meinen Koffer, schloss ihn und warf mir meine Reisetasche über die Schulter. Dann hiefte ich mein Gepäck nach draußen. Ich sah mich nicht noch einmal um. Es war irgendwie erleichternd wegzugehen. All die Erinnerungen an Jared hingen in diesen vier Wänden. Was ich in diesem Moment dachte, wusste ich selbst nicht.
Das der Schmerz verschwand?
Das die Wunden heilen würden, nur weil ich ein paar hundert Kilometer zwischen mich und die Erinnerungen legte?
Konnte ich die Erinnerungen überhaupt durch Entfernung hinter mir lassen?
Während der gesamten Fahrt dachte ich darüber nach und die logischte Antwort erschien mir, dass ich niemals drüber hinweg kommen würde. Ich hatte es die letzten Monate nicht geschafft. Ich hatte es nicht einmal geschafft mich abzulenken und wenigsten für ein paar Minuten den Schmerz zu vergessen. Jared war fort und ich würde ihn nie wieder sehen. was also sollte mich daran hindern weiterhin in Selbstmitleid zu versinken?

»Jane?« sagte meine Mutter vorsichtig.
Langsam drehte ich mich zu ihr um. Ihr Gesicht verzog sich leicht als unsere Blicke sich trafen. Sie kannte mich viel zu gut. Sie wusste was mir in diesem Moment schon wieder duch den Kopf ging. Obwohl, eigentlich wusste jeder was mir durch den Kopf ging. Weil es immer Jared war. Es gab kaum eine Zeit wo ich nicht darüber nachdachte wie es sein würde, wenn er immer noch hier wäre. Wenn er immer noch jeden Morgen neben mir aufwachen würde. Er hatte jedes Mal gelächelt, wenn sich unsere Blicke getroffen hatten. Dann hatte er sich verspielt über mich gerollt, mir einen Kuss auf die Stirn gegeben und war dann aufgestanden. Meistens bereitete er dann in unserer kleinen Küche ein Frühstück vor. Manchmal, wenn wir beide das Gefühl hatten, als würden wir jeden Moment wieder einschlafen, brachte er es uns sogar ins Bett. Ich hatte die morgende mit ihm immer genossen. Wir hatten uns dann stundenlang unterhalten und zusammen gelacht.

»Erde an Jane! Erde an Jane!« Mit einer Hand fuchtelte meine Mutter vor meinem Gesicht rum, mit der anderen rüttelte sie mich sanft.

Ich nickte immer noch in Gedanken.
»Was ist los, Schatz?« fragte sie.
»Nichts. Gar nichts. Alles ok.«
Carolaine schien von meiner Antwort nicht überzeugt zu sein, ich selbst war es auch nicht, doch sie gab sich damit zufrieden.
»Freust du dich gar nicht?«
»Doch, Mum. Ich freu mich sogar sehr. Es sieht alles sehr schön hier aus.«
Und das stimmte. Draußen schien die Sonne, doch die Luft die durchs Fenster kam war keineswegs zu heiß. Sie war kühl und angenehm. Die kleine Straße war umgeben von grünen Wiesen. Überall standen alte, große Bäume die Teile der Felder in Schatten tauchten. Das erste Mal seit ich ins Auto gestiegen war, lächelte ich.
»Ich dachte wir ziehen in die Stadt.« sagte ich mit einem Lachen in der Stimme.
»Oh, ja.« Meine Mutter lachte auf. »Nicht ganz, vielleicht. Die nächste Stadt ist ungefähr 15 Kilometer entfernt.«
Wieder lachte sie. Es schien sie zu amüsieren wie schlecht sie gelogen hatte. Womit hatte sie denn gerechnet? Das ich schon so in meiner eigenen Welt lebte, dass ich nicht bemerken würde, dass es sich bei unserem neuen Wohnort keineswegs um eine Großstadt handelte?
Mir war klar, dass ich es ihr die letzten Monate nicht leicht gemacht hatte. Die Trennung von meinem Vater. Der Unfall von Jared. Und meine Trauerzeit, die sich ins Unendliche erstreckte. Doch war ich wirklich so abwesend gewesen, dass sie mir so etwas zugetraut hatte?
Ich wusste es nicht, doch ich würde mir Mühe geben sie wenigstens ein kleines bisschen glücklicher zu machen als sie es jetzt war.


2. Endlich zuhause?



Es dauerte ziemlich lange bis meine Mutter endlich unser Haus gefunden hatte. Ein netter Mann, ungefähr mitte dreißig überreichte uns den Schlüssel und ließ uns dann alleine.
Aus irgendeinem Grund war ich misstrauisch. Wieder überkamen mich die gleichen Fragen, die ich mir schon seit Wochen stellte.

Würde ich hier jemals glücklich sein?
Würde ich überhaupt jemals wieder wirklich und von ganzem Herzen glücklich sein?

Mit unsicheren Schritten folgte ich meiner Mutter in den großen Salon. Das Haus war alt aber sehr groß. Augenblicklich fühlte ich mich einsam in der großen Halle. So still und leise war es um mich herum schon lange nicht mehr gewesen.
»Kommst du?« meldete sich meine Mutter zu Wort und zog mich ohne eine Antwort abzuwarten hinter sich her in einen etwas kleineren Raum. Leise sprach sie zu sich selbst. Sie schien sich in Gedanken schon einzurichten.
»Jane, weißt du was?«
»Mh?« Abwesend sah ich aus dem Fenster. Man konnte den Strand schon von den unteren Fenstern sehen.
»Der Umzugswagen müsste bald kommen. Die Umzugshelfer gehen mir schon zur Hand. Wie wäre es wenn du zum Strand gehst oder so?«
Sie hatte mich mal wieder im Auge.
Oft hatte es mich genervt, wenn sie ständig geguckt hatte ob ich nicht vielleicht heulend zusammenbreche, doch jetzt musste ich lächeln.
»Danke, Mum. Ich helf aber wirklich gerne!«
»Nichts da. Los.« Sie machte mit ihren Händen eine scheuchende Bewegung.
Ich wusste, dass wenn sie so drauf war ich gar nicht versuchen brauchte mit ihr zu diskutieren. Sie würde es nicht verstehen wenn ich ihr sagen würde, dass ich viel lieber bei ihr bleiben würde.
Mit einem gespielten Lächeln machte ich mich auf den Weg zum Strand. Wohl darauf bedacht, dass sie es nicht sehen würde, zog ich mein Tagebuch aus meiner Tasche hervor und klemmte es mir unter einen Arm.
»Bis später!« rief ich meiner Mutter noch über die Schulter zu ehe ich verschwand.

Der Strand war nicht weit von unserem Haus entfernt. Es war warm. Sehr warm. Meiner Meinung nach schon fast zu warm. Ich mochte die Sonne nicht. Ich konnte nicht verstehen wie sie so hell scheinen konnte, während es in mir so kalt aussah. In den letzten Monaten war ich egoistisch geworden. Kaum jemand hatte sich gerne in meiner Nähe aufgehalten. Meine Mutter war fast die einzige die überhaupt Zeit mit mir verbracht hatte. Eigentlich wusste ich noch nicht einmal ob sie dies gemacht hatte, weil sie meine Mutter war oder einfach nur weil sie gerne mit mir zusammen war. Ich seufzte. Mein Leben war verdammt armselig - Genauso wie meine Gedanken. Ich dachte ständig an die abwegigsten Dinge und wenn ich dann doch einmal etwas logisches zu Stande brachte, hatte dies oft nichts glückliches. Oft musste ich mir selbst eingestehen, dass mein Leben wenig wert war, wenn ich immer so unglücklich war.
»Kann ich dir helfen?«
Ich zuckte zusammen. »Oh gott.«
»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.« Der Junge vor mir lächelte. Seine Haare schimmerten in einem dunklen Blond. Mir fiel auf, dass an ihm alles zusammen passte. Seine hellgrünen Augen passten zu seiner Haarfarbe und seine Gesichtszüge hatten etwas, was einem Engel glich.
»Schon in Ordnung.« sagte ich und sah verschämt zu Boden. Seine Anwesenheit beunruhigte mich. Nicht etwa, weil er furchteinflößend aussah, sondern eher weil ich das erste Mal seit Jareds Tot einen anderen Mann gutaussehend fand.
Der Junge nickte wieder. Sein Lächeln verschwand nicht. »Also. Brauchst du Hilfe?«
»Nein. Wieso?« Hatte ich verwirrt ausgesehen?

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Tag der Veröffentlichung: 01.08.2011

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