Cover

Es war eine dieser frostigen Winternächte, in denen keine Menschenseele es je wagen würde, sich einem solch heftigen Schneetreiben auszusetzen. Nein, nicht bei Minuswerten von 25 bis 30 Grad - zumindest nicht freiwillig. Ich blickte auf die Wanduhr. Sie zeigte zehn Minuten nach Mitternacht. Ich zog meine Beine noch enger an meinen Körper und die Decke noch ein wenig höher, sodass nur noch mein Gesicht hervorschaute. Aus nächster Nähe sah ich dem Spiel des Feuers am Kamin zu. Der Wind peitschte unaufhörlich gegen die Fensterläden und wehte den Schnee an die beschlagenen Scheiben. An Schlaf war nicht zu denken. Ich war hellwach und wusste nicht recht wieso. War es wegen dem tobenden Schneesturm? Eher nicht. Den Versuch mich in ein Buch zu vertiefen, gab ich nach zwei gelesenen Zeilen wieder auf. Gedankenverloren starrte ich ins Feuer, als ich aus den Augenwinkeln einen sich bewegenden Schatten wahrzunehmen glaubte. Ich erschrak für einen winzigen Moment; doch schrieb ich es dem Kaminfeuer zu, das ständig Schatten an die Wände warf, die letztendlich von den Möbeln im Raum entstanden und durch das Flackern des Feuers ein Eigenleben an den Wänden und Decken des Zimmers entwickelten. Ich sah erneut auf die alte aber noch intakte Wanduhr aus Buche, die ich von meinem Großvater geerbt hatte. Sie hing im Halbdunkel über dem Kamin, sodass ich genauer hinschauen musste. Das einzige, wirklich wertvolle Erbstück meines Großvaters. Er funktionierte noch einwandfrei. Just in diesem Augenblick sah ich es erneut, diesmal deutlicher. Der Schatten einer Hand zu meiner Linken. Ich schoss in die Höhe und rannte zum Lichtschalter, der sich glücklicherweise neben dem Kamin befand. Das Licht erhellte den Raum. Verstört – und kurzzeitig vom hellen Licht geblendet – hielt ich den Atem an und blickte mich im Zimmer um. Ich sah jedoch nichts Außergewöhnliches. Ich beschloss sodann, einen kurzen Spaziergang zu machen, um frische Luft zu schnappen - in der Hoffnung, dadurch müder zu werden. Der Wind war mittlerweile abgeschwächt, doch es schneite immer noch stark. Ich nahm meinen dicken Mantel und ging hinaus in das Unwetter.


Ich muss erwähnen, dass ich außerhalb eines winzigen Dorfes wohne. Mein Haus liegt etwas abseits, in einem Waldstück. Ich liebe nun mal die Ruhe hier draußen. Da ich also fernab von der Zivilisation lebe, gibt es hier draußen keine Laternen oder anderweitig Licht in der Nähe, sodass man nachts – vor allem bei Neumond - kaum die Hand vor Augen sieht. So auch in jener Nacht des19.Dezember.


Fröstelnd spazierte ich um das Haus herum und sah lediglich meinen Atem vor Augen. Nach geschlagenen 10 Minuten entschloss ich, wieder ins Haus zu gehen, da mir meine Nase und meine Ohren abzufallen drohten. Gerade als ich den Hausschlüssel ins Schloss stecken wollte, glaubte ich ein leises Stöhnen hinter meinem Rücken zu hören. Meine Nackenhaare richteten sich auf, und ich blieb für Sekunden wie angewurzelt stehen und hielt meinen Atem an. Kurze Zeit später fand ich mich im Wohnzimmer wieder – nass vom Schnee und vor Angstschweiß. Mein erster Gedanke nach diesem Zwischenfall war, dass es ein Einbrecher sein könnte. Meine Kleider waren im Nu ausgezogen und ich lag unter der Bettdecke; wacher als je zuvor. Das Licht brannte. Lediglich meine Augen lugten aus der Decke hervor, und ich atmete sehr flach, damit ich jeden noch so leisen Ton hören konnte. Minuten vergingen, und ich redete mir ein, dass es nur der Wind gewesen sei, den ich vor der Haustür gehört hatte und die Schattenhand nichts weiter war als eine optische Täuschung. Doch es sollte weitaus schlimmer kommen.


Etwas verschwommen und unklar bemerkte ich loderndes Feuer und schreckte auf, der Angstschweiß lief mir den Rücken herunter. Ich sprang auf und bemerkte erst dann, dass ich auf dem Sofa vor dem Kamin eingeschlafen war. Die ganze Zeit hatte ich auf dem Sofa gelegen. Hatte ich den ganzen Vorfall nur geträumt? Noch etwas müde, aber erleichtert sah ich aus dem Fenster. Es hatte aufgehört zu schneien und der Himmel hatte sich gelichtet. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Es war also nur ein Alptraum gewesen. Ein merkwürdig realistischer Traum. Wie dem auch sei, ich verdrängte ihn ziemlich schnell. Auf dem Weg ins Badezimmer sah ich dann etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ! Die Schlafzimmertür war offen und ich bemerkte, dass jemand in meinem Bett lag! Nur der Kopf schaute aus der Decke hervor. Das Gesicht konnte ich nicht sehen, da es von mir abgewandt war. Mit bebendem Herzen ging ich auf mein Bett zu und zog die Decke beiseite. Ich wurde kreidebleich, denn im Bett lag ein toter Körper, mein lebloser Körper! Die Zunge hing raus und am Hals waren deutliche Würgespuren zu erkennen. War es also doch kein Traum gewesen? Ich stand noch eine ganze Weile reglos da, bis ich irgendwann registrierte, dass ich gestorben war.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /