Cover




Prolog




Black


Er stand am offenen, bodenlangen, blanken Fenster und starrte nach draußen in den strömenden Regen, während er genüsslich an seiner Zigarette zog.
Sein schwarzer Kater Gun strich ihm sanft um die Beine, in der Hoffnung, er könne die Aufmerksamkeit seines Besitzer gewinnen, der mit undurchdringlicher, finsterer Miene wie festgewachsen an Ort und Stelle verharrt war.
Rauschend fiel der Regen nieder, bedeckte den Boden mit Wasser. Der Himmel war verschleiert mit dichten, dunklen Regenwolken, die wenig Tageslicht durchdringen ließen. Die Luft duftete nach Frische und Nässe.
»Miau.«, machte Gun kläglich.
»Lange halte ich es nicht mehr aus, Gunny. Ich mach nicht mehr mit...«, sagte Black eintönig, den Blick starr in den Himmel gerichtet.
Seine freie Hand ballte sich zu einer Faust. Er schnippte den Zigarettenstummel ins Freie, wo er rasch verglühte.
Black legte sich eine Hand an die plötzlich schmerzende Stirn und murmelte einen Fluch.
»Das hier wird bald ein Ende haben...«, flüsterte er.


Kapitel 1



Justin kaute auf seiner Unterlippe, sein Blick schweifte durch die Umgebung, nur nicht zu mir. Er hielt seine rechte Hand mit der linken umklammert, so fest, dass sie weiß und dann rot wurde.
Er setzte zum Sprechen an, ließ es dann aber doch bleiben. Er hatte sichtlich Mühe, die passenden Worte für das zu finden, was er mir sagen wollte.
Es musste ja ganz schön heftig sein, wenn er so mit sich rang.
Er schloss die Augen, formte sich die entscheidenden Worte auf der Zunge, sammelte seinen letzten Mut und kam auf mich zu.
Dann nahm er meine Hände zärtlich in seine und schaute mir tief in die Augen, was mich nervös machte und rot wie eine Tomate anlaufen ließ.
»Nellie...«, setzte er an, überlegte jedoch wieder.
»Ja, Jus?«, fragte ich, um ihm die Aktion zu erleichtern.
Was jetzt wohl kommen würde? Ein Heiratsantrag?
Ich war zwar erst siebzehn, aber... Wer wusste schon, was er vorhatte?
Oder wollte er mir vielleicht etwas schönes schenken? Mich fragen, ob ich Lust hätte, mit ihm in den Urlaub zu fahren?
Meine Wangen glühten vor süßer Spannung.
»Okay, Nellie. Ich sage es dir jetzt einfach.«, murmelte er mehr an sich selbst gerichtet als an mich.
Seine Hände drückten leicht meine. Noch einmal kurz schloss er die blauen Augen, schlug sie wieder auf und sah mich fest an.
Mein Herz klopfte hart und schnell gegen meine Brust. Am liebsten hätte ich ihn schon jetzt gleich umarmt!
»Okay... Nellie, ich... Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein. Es tut mir leid.«
Ich benötigte meine Zeit, um seine Worte zu verarbeiten. WAS hatte er gesagt?! Konnte es sein, dass mein Gehör irgendwie beschädigt war oder versuchte er gerade wirklich, mit mir Schluss zu machen?
Mein Mund klappte auf, schloss sich wieder, immer und immer wieder, wie ein Fisch. Er schaute mich ernst an.
Aufeinmal brach ich in hysterisches Gelächter aus. Mein Gott, ich klang wie ein Huhn! Oder eine Hyäne! Oder doch wie ein Pavian?
Als ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte (Was etwas gedauert hatte), wischte ich mir eine Lachträne aus dem Augenwinkel und grinste Justin an.
»Der war gut, Schatz. Also, was wolltest du mir erzählen?«
Er seufzte.
»Nel, ich meine es ernst. Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein. Ich liebe dich nicht mehr. Es tut mir echt leid...«
Gerade wollte ich das wieder abstreiten, da bemerkte ich seine ernste Miene. Oh, Scheiße. Der meinte es echt ernst.
»Jus... W-Was...«, stotterte ich.
Sofort musste ich meinen Blick zu Boden senken. Ich wollte nicht, dass er sah, wie geschockt ich war.
Ich brauchte einige Minuten, um mich wieder zu sammeln.
Tief einatmen... Langsam ausatmen... Ja, gut so...
Man, war ich schwanger, oder was?!
Ich ließ den Quatsch bleiben. Ich versuchte, meine Tränen runterzuschlucken und merkte, dass ich fast hyperventilierte. Shit, war das peinlich!
»Nell? Es tut mir wirklich leid. Aber ich liebe dich einfach nicht mehr. Ich hoffe, du willst mir nicht an den Kragen. Ich weiß, dass du verletzt bist. Aber das ist immer noch besser, als dass ich dir etwas hätte vortäuschen müssen. Verstehst du...?«
Am liebsten würde ich ihm an die Gurgel springen! Ein Jahr waren wir glücklich gewesen, ein ganzes, verdammtes Jahr! Er hatte mich geliebt und ich ihn! Wir waren das perfekte Paar, und jetzt... Er liebte mich nicht mehr.
Unter Tränen brachte ich hervor:
»Es ist eine andere, habe ich Recht?«
Er schwieg. Kein gutes Zeichen.
Man, was für ein Arsch!
»Wer ist es?«, zischte ich und versuchte, die Wut zu unterdrücken, die in mir aufstieg.
»Nellie, bitte...«, begann er.
»Nein! Komm mir nicht damit! Wer ist es?«
Er schwieg eine Weile, atmete dann geräuschvoll aus und sagte: »Marah.«
Marah? Welche Marah? Ich kannte keine Marah!
»Ihr Männer seit doch alle gleich! Spielt einem den glücklichen Freund vor! Und kaum läuft euch irgendeine dumme, aufgemotzte Nuss über den Weg, spielt ihr verrückt! Jaja, schwanzgesteuerte Wesen!«, keifte ich wütend.
Falls ich dieser Marah irgendwann einmal ganz zufälligerweise über den Weg laufen sollte, könnte sie sich, sobald sie mich sehen würde, gleich einen Grabstein bestellen! Lange würde die es sicherlich nicht mehr machen!
»Nell, bitte...«
»Nein, Justin! Das ist echt... Arrrhh!«
Er zuckte erschrocken vor mir zurück, als wäre ich Godzilla höchstpersönlich.
»Wir können doch Freunde bleiben!«
Oh nein. Nicht diese Masche. Der berühmte Freunde-Spruch! Der würde jetzt auch nichts mehr bringen!
»NEIN, verdammt!«, schrie ich und wirbelte so heftig herum, dass mir die dunkelbraunen, sachten Korkenzieherlocken ins Gesicht fielen und mir die Sicht verdeckten.
Prompt knallte ich gegen die Straßenlaterne, die hinter mir war. Die Drecksfunzel hatte ich ja ganz vergessen! Zitternd vor Wut und Verzweiflung spuckte ich neben das dumme Ding ins Gras.
»Nell, bitte... Jetzt warte mal!«, rief mir mein Exfreund hinterher.
Mein Exfreund...
»Halt die Klappe, Idiot! Geh sterben!«, brüllte ich zurück und stapfte weiter weg von ihm.
Als ich hörte, wie er mir folgte, rannte ich zu meinem Wagen und ließ mich hastig auf den Fahrersitz plumpsen.
So schnell wie heute hatte ich noch nie ausgeparkt. Ich trat auf das Gaspedal und ignorierte den dumm glotzenden Jus. Jaaa, so was hatte er bestimmt noch nicht gesehen! Dass Frauen so schnell ausparken konnten! Männer...
Ich konnte sehen, wie er mir noch immer bedröppelt nachschaute.
Jetzt konnte ich mich nicht mehr halten. Tränen rannen mir über das Gesicht und machten mich beinahe blind.
Vor mir auf der Straße fuhr niemand. Ich trat das Gaspedal herunter und rauschte über den Asphalt. Fliehen war das Beste, was ich jetzt tun konnte. Und richtig gut war das schnelle Fliehen. Wozu hatte ich einen Sportwagen?
Doch meine Tränen ließen nicht locker. Alles um mich herum verschmolz zu Flecken. Kacke, ich sah nichts mehr!
Mit quietschenden Reifen fuhr ich an den Straßenrand und heulte mir die Augen aus dem Kopf.
Dann verließ ich mein Auto, um an die frische Luft zu gehen. Das hatte ich jetzt bitter nötig.
Ich schloss meinen Porsche ab und trottete in Richtung Wald, der sich neben und vor mir erstreckte.
Tief einatmen, Nellie.
Das half mir leider auch nicht viel. Die Luft heute war trocken wie ein Brötchen. Heiß knallte die Sonne auf mich herunter.
So schnell wie möglich verschwand ich im Wald, wo mich die Bäume schützend umgaben. Schatten hüllte mich ein und erleichterte mir das Atmen.
Die Blätter wiegten sich sanft im leichten Wind, die Baumstämme besonders großer Bäume schwankten leicht. Dabei rauschte und raschelte es beruhigend.
Unter meinen Schritten knirschte der steinige Weg.
Irgendwo musste ich mich jetzt hinsetzen. Mir wurde klar, dass ich zu spät zum Fotoshooting kommen würde, für das ich gebucht worden war.
Langsam ließ ich meinen Kopf in die Hände sinken. Dann brach ich meinen Rekord im »Langseufzen«. Und der war vorher schon eins A gewesen!
Der Wind strich mir zart und angenehm kühl über den Nacken. Eine dunkelbraune Strähne meines Haars kitzelte meine Wange. Ich klemmte sie hinter mein Ohr und starrte auf den Boden. Endlich hatte ich Zeit, über alles nachzudenken.
Das Schlimmste, was einem Mädchen wie mir passieren konnte, war, den Freund zu verlieren. Als ich daran denken musste, wie es in Zukunft ohne Justin sein würde, wurde mir speiübel. Ich konnte es einfach nicht fassen!
Niemand würde mit mir kuscheln, niemand würde mir liebe Worte ins Ohr flüstern, niemand würde mich küssen, niemand würde mit mir schl... Okay, blala, daran wollte ich nun echt nicht denken und vor Sehnsucht zergehen!
Es würde grausam ohne Justin werden, das spürte ich mit jeder auch noch so verdammt kleinen Faser meines Körpers.
Unbändige Trauer fraß sich durch meine Seele, zerlöcherte sie wie ein Sieb. Unwillkürlich schlang ich einen Arm um meine Brust, in der es höllisch schmerzte. Neue, frische Tränen liefen über meine Wangen und tropften lautlos zu Boden. Man, Tränen konnten ganz schön nerven!
Ich zuckte heftig zusammen, als sich die Atmosphäre schlagartig veränderte. Es war zwar noch immer warm und es sah auch noch genauso aus hier wie vorher... Aber dennoch konnte ich eine deutliche Veränderung spüren. Irgendetwas hatte sich verändert. War finsterer geworden.
Langsam, neugierig hob ich den Kopf und schaute mich um. Natürlich konnte ich nichts Bedrohliches finden. Warscheinlich hatte ich mir das nur eingebildet, wie ich es so oft tat. Doch das hatte ich nicht.
Mir machte etwas Angst, was auch immer es war. War ich jetzt verrückt?!
Mein Gott, das kam bestimmt nur von Jus´ und meiner Trennung! Wegen was sonst sollte ich hier aufeinmal paranoid werden?!
Mir war seltsamerweise überhaupt nicht mehr warm. Schaudernd rieb ich meine Arme.
Am besten wäre es, wenn ich jetzt gehen würde. Der Wald, der so viel stiller und dunkler erschien als vorher, machte mir Angst. Außerdem wollte ich meinen Job als Model nicht riskieren, indem ich hier vor mich hingammelte.

Kaum humpelte ich keuchend in das Fotostudio, wurde ich auch schon auf die freundlichste Art begrüßt.
»Miss Maguire, Sie sind zu spät! Sie wissen, dass das nicht gerade sehr gut ankommt, oder?«, meckerte mich die Assistentin des Fotografen an, die tatsächlich Ähnlichkeit mit einer Ziege hatte.
Fehlten nur noch der weiße Bart, die gelben Zähne, die Ramsnase...
»Miss Maguire!«, fuhr sie mich an, als ich nicht antwortete.
»Oh. Ähm, ja. Es tut mir leid, aber ich habe meinem Freund bei der Geschlechtsoperation beigestanden.«, log ich in mich hineingrinsend und hoffte, dass sie diese Antwort verstummen ließ. Zumindest fürs erste.
Entsetzt glotzte sie mich an. Aus ihrem Ziegengesicht konnte ich deutlich lesen:
»Ich möchte nicht näher auf dieses Thema eingehen, wenn Sie nun bitte aufhören würden!«
Genau dieser Ausdruck spornte mich noch mehr an.
»Ich habe das Gefühl, dass seine Betäubung nicht ganz gewirkt hat. Er hat fürchterlich geschrien. Und meine Hand tut immer noch weh! Oh Gott, oh Gott! Hoffentlich habe ich nirgendwo Blutspritzer! Es tut mir so leid!«
Ich klimperte mit den Wimpern und lächelte sie gespielt traurig und schüchtern an. Ihre Augen waren so groß wie Tomaten. Mein Gott, die sahen aus, als würden sie gleich aus ihren Augenhöhlen fallen! Kaum merklich schüttelte sie sich.
»Das... Das ist ja abartig ekelhaft!«, murmelte sie kopfschüttelnd, »Wenn sie mir nun bitte folgen würden?«
»Natürlich.«
Sie achtete sorgfältig darauf, genug Abstand zu mir zu halten. Am liebsten hätte ich laut losgelacht!
Die Ziege öffnete mir eine Türe und schob mich alles andere als sacht hindurch. Kaum war ich drinnen, wurde die Türe hinter mir zugeknallt. Die hatte ich schon mal los.
Vor mir stand ein ausladender, großer Schreibtisch, auf dem sich Bücher und Papiere stapelten. Stifte waren kreuz und quer verstreut. Einer befand sich in der Hand des Fotografen. Wohl angemerkt: Des jungen Fotografen. Er beschriftete ein Foto.
Ich räusperte mich verlegen. Wo hatte mich diese Kuh (Oh, doch keine Ziege mehr?) von Assistentin reingebracht?!
Erschrocken fuhr der junge Mann zusammen und hob den Kopf, um mich ansehen zu können. Er legte den Kulli aus der Hand und lächelte mich freundlich an.
Man, der war ja gar nicht mal so übel! Ganz schön schnuckelig!
»Oh. Bitte verzeihen Sie mir. Ich war gerade nur so beschäftigt.«, sagte er.
»Nein, nein! Verzeihen Sie mir! Ich bin zu spät gekommen.«
Er musterte mich eingehend.
»Ach, ehrlich?«
Mist. Hätte ich es ihm nicht gesagt, hätte er es warscheinlich vergessen! Aber nein, Nellie musste ja mal wieder ihre große Klappe aufreißen!
Ich wollte etwas sagen, suchte aber nach der richtigen Antwort. Und kam schnell zu dem Schluss, dass mir nichts einfiel. Seit wann war ich denn mundtot?!
Zum Glück übernahm er das Sprechen.
»Das macht doch nichts, Miss Maguire. Ich habe vor der Türe gehört, dass Ihr guter Freund einer Geschlechtsoperation unterzogen wurde. In diesem Falle kann ich Ihnen verzeihen.«
Oh, na super! Er hatte alles mitgehört?! Wie peinlich war das denn?
Meine Wangen wurden warm und somit rot.
»Ähm, ja, ich... Er... Er hatte sie nötig.«, stammelte ich und machte damit alles nur noch schlimmer.
Man, konnte ich nicht einfach meine Klappe halten wie vor wenigen Sekunden?!
Er schmunzelte.
»Gut. Dann wollen wir mal anfangen, oder?«
Verlegen nickte ich. Er erhob sich und bedeutete mir, ihm ins Nebenzimmer zu folgen.

»So, Miss! Sie sind fertig. Betrachten Sie sich im Spiegel!«, flötete der Kosmetiker, der definitiv schwul war.
Ich tat, was er mir gesagt hatte und erhob mich von meinem Stuhl. Mein Hinterteil schmerzte vom langen Sitzen. Ich ging zum Spiegel und musterte mich. Sah gar nicht mal so übel aus.
Mein dunkelbraunes, glänzendes Haar war geglättet worden. Es fiel mir sanft über die Schultern und reichte mir bis zu den Rippen. Meine dunklere Haut war makellos und sah gepflegt aus. Um meine braunen, recht großen Augen war in allerlei Farben geschminkt worden. Meine Lippen waren magentarot, das jedoch keineswegs billig wirkte. Meine Augenbrauen, die sanft und ein wenig spitz nach oben gingen, waren glatt gestrichen worden. Ich wirkte natürlich, trotz der Schminke. Ich vermutete, dass das Absicht gewesen war.
»Sieht toll aus. Gute Arbeit.«, lobte ich den Kosmetiker, der unter seiner gepuderten Haut rsarot anlief.
»Nicht wahr? Ihre Haut ist so schön, dass wir gar kein Makeup benötigt haben. Sie hat einen sehr hübschen Ton.«, schmeichelte er.
Für einen Moment lang war ich froh, dass mein Vater farbig war und meine Mutter weiß. Das ergab den weder zu dunklen noch hellen Ton meiner Haut, den ich selbst ganz gerne mochte.
Ebenfalls mochte ich meine Augen. Sie waren recht groß und rötlich-braun. Nur um die Pupille herum waren sie honigfarben, was dann mit dem übrigen Braun verschmolz, was, wie meine Mutter immer behauptete, meinen Ausdruck betonte.
Der Fotograf, der übrigens Mister Gregory hieß, kam auf mich zu und sagte:
»Gut, Sie sind fertig. Folgen Sie mir bitte.«
Immer wieder gerne, Süßer!, dachte ich still in mich hinein.
Er führte mich in den Raum, in dem ich jetzt fotografiert werden würde. Rasned schnell erklärte er mir alles und griff dann zu seiner Kamera. Seine Assistentin, die Ziege, stürmte in den Raum und zupfte meine Kleidung zurecht, und das so grob, dass ich ihr am liebsten die Finger abgebissen hätte!
Danach verschwand sie in eine Ecke des Raums.
Genau! Stell dich in deine Ecke und komm erst wieder heraus, wenn du dich wieder beruhigt hast und keine anderen Menschen mehr nervst!, dachte ich giftig und warf ihr herablassende Blicke zu.
»Okay. Fangen wir doch mal an.«, murmelte Mr Gregory.
Sofort schmiss ich mich in Pose. Mal dezenter, mal etwas übertrieben. Das Foto musste gut werden, ich würde auf dem Cover der angesagten Zeitschrift »Cherry Q« landen! Dieses Heft laß ich selbst schon seit einigen Jahren!
Es blitze und knipste, und immer wieder rief Mr Gregory mir zu:
»Ja, gut so! Sehr schön! Weiter so, perfekt!«
Meine Arbeit lief gut und das machte mich stolz. Wer hatte schon die Ehre, auf dem Cover eines populären Magazins zu erscheinen? Meine Großmutter ganz bestimmt nicht!
Als ich fertig war, lobte mich Mr Gregory:
»Das war wunderbar. Sie sind eine natürliche Schönheit, wissen Sie das?«
Ich winkte verlegen ab.
»Ach. Sie sind einfach ein toller Fotograf.«
»Vielleicht habe ich das Glück, Sie bald mal wieder vor die Linse zu bekommen.«, grinste er.
»Bestimmt!«, erwiederte ich und ließ meinen Blick zu seiner Assistentin schweifen.
Mit verschränkten Armen stand sie abseits von uns und presste ihre Lippen so fest aufeinander, dass sie weiß wurden. Haha, dämliche Ziege! Ich würde sagen, die sollte sich vorher überlegen, wen sie anzickte! Bei mir hatte sie ja jetzt anscheinend bemerkt, dass ich ihr überlegen war, und das verbal und äußerlich.
Meine Geschlechtsoperationsgeschichte hatte sie verstummen lassen und sie war geflohen wie ein ängstliches Kind!

Mit erhobenem Haupt stolzierte ich aus dem Zeitschriftenladen, die neue Ausgabe von »Cherry Q« in der Hand haltend. Meine beste Freundin Tarah lief neben mir und grinste ununterbrochen.
»Mein Gott, ich kann es immer noch nicht glauben, Nell! Du bist auf dem Cover der Cherry Q! Wie toll ist das denn?!«, flötete sie.
Ja, da hatte sie Recht. Auf dem Cover unserer Lieblingszeitschrift... Da war keine andere als ich! ICH! Wie konnte ein normales Mädchen so etwas erreichen? So etwas hätte ich nie gedacht.
Im Heft befanden sich zwei Seiten, auf denen etwas über mich berichtet wurde. Vielleicht würde ich in Zukunft viele, neue Aufträge bekommen, die meine Model-Karriere verbessern könnten! Das wäre wirklich mehr als genug.
Ich hätte so etwas auch nie vermutet, Tarah.«, grinste ich stolz.

Am Morgen, nachdem die Cherry Q erschienen war, hatte ich frei.
Ich saß am Küchentisch und schlürfte einen kalten Kakao. Meine Mutter saß mir gegenüber und musterte mich die ganze Zeit.
»Nellie, du weißt, dass ich sehr stolz auf dich bin. Aber ich möchte nicht, dass du eines der Models wirst, die sich selbst kaputt machen. Der Druck ist hoch und ich mache mir Sorgen um dich.«, sagte Mom.
Oh nein, bitte nicht eines dieser Gespräche! Ich kannte sie in- und auswendig. Moms ständige, vergebliche Versuche, mich vom Modeln abzubringen. Das konnte doch nicht wahr sein!
»Mom, bitte. Ich weiß, was ich mache. Außerdem überarbeite ich mich nicht. Ich passe schon auf.«, erwiederte ich.
Auf Moms Lippen bildete sich ein Lächeln.
»Gut. Ich stehe hinter dir, Nellie. Das weißt du.«, sagte sie, dann wechselte sie das Thema.
»Heute hast du frei. Wie wäre es, wenn wir beiden mal wieder etwas Schönes zusammen unternehmen?«
Gerade wollte ich ihr antworten, dass mich das freuen würde, da klingelte das Telefon laut.
»Wer ruft denn um neun Uhr morgens schon an?«, wunderte sich Mom.
Ich erhob mich, wobei der Stuhl unangenehm über den Boden kratzte. Ahnungslos ging ich ans Telefon.
»Hallo, Sie sind bei Maguire.«, sagte ich.
»Ah, Nellie! Gut! Wärst du so nett und würdest bitte sofort in die Agentur kommen?«, brüllte mir mein Agent ins Ohr.
Was? Ich hatte mich wohl verhört! Heute war doch mein freier Tag. Ich liebte zwar das Modeln, aber manchmal musste ich davon eben auch mal eine Auszeit haben.
»Aber Chef, ich habe gedacht, ich habe heute f...«
»Nellie, bitte kommen Sie einfach vorbei. Es ist wichtig. SEHR wichtig.«
Mein Chef legte klackend auf. Eine Weile lauschte ich noch dem nervtötenden Getute, dann knallte ich wütend das Telefon in die Ecke.
Schnaubend trampelte ich wieder zu Mom. Erschrocken blickte sie mich an.
»Scheiße, ich muss in die Agentur.«, zischte ich.
Sofort erschien der Ausdruck auf Moms Gesicht, der wirkte, als hätte ich etwas verbrochen. Ich zog die Achseln hoch.
»Was? Ich kann doch auch nichts dazu! Ich versuche, so früh wie möglich wieder zurückzukommen, Mom. Dann können wir uns doch noch einen schönen Tag machen.«
Ohne auf ihre Antwort zu warten, machte ich mich fertig und stürmte aus dem Haus.

»Nellie, wenn ich vorstellen darf, das ist ihre neue Kollegin Anna Smith.«, sagte mein Agent.
Vor mir stand eine Blondine, die wohl etwas älter war als ich. Sie war ein wenig größer als ich. Um ihr Haar konnte man sie wirklich beneiden, es wallte golden über ihre Schultern und ging ihr bis zu den Rippen. Ihre Augen waren strahlend blau, ihr Mund kirschrot. Ihre gepflegte Haut war so weiß wie Elfenbein. Sie hielt mir ihre Hand hin und musterte mich abschätzend.
»Schön, Sie kennenzulernen.«, sagte sie, und dabei klang sie so unfreundlich, dass es überhaupt nicht »schön« war, sie kennenzulernen.
Man sagte ja, dass der erste Eindruck immer am meisten ausmachen würde. Nun, mein erster Eindruck von Anna war nicht gerade positiv und ihr schien es genauso zu ergehen. Sie wirkte überheblich und eingebildet.
»Ich bin Nellie.«, sagte ich knapp und ließ sofort ihre Hand los.
Und nur wegen dieser Tussi hatte mich Mr Wilson, mein Agent, hierher gerufen?! Ich fasste es nicht! Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder?
»Ich habe gute Nachrichten für Sie beide. Ihr wurdet von Armani gebucht. Und zwar soll eine von euch beiden das neue Gesicht von Armani werden! Nellie, dich haben sie in der Cherry Q entdeckt, genauso wie Anna zuvor! Bitte strengen Sie sich beide beim Shooting an. Es ist eine große Ehre!«
Was hatte er da gerade gesagt?! Hattte ich mich verhört? Eine von uns beiden würde das neue Gesicht von Armani werden?!
Mein Gott. Vor Aufregung ging mein Atem unregelmäßig. Ich kam mir vor wie ein hechelnder Hund! Da musste ich aber aufpassen, dass ich nicht zu gafern und zu sabbern anfing!
»Wann ist das Shooting?«, brachte ich atemlos hervor.
»Jetzt gleich. Deshalb habe ich dich auch angerufen! Oder hättest du lieber deinen freien Tag genießen wollen, anstatt vielleicht das neue Gesicht zu werden?«
Kurz dachte ich an meine Mutter, dann schüttelte ich heftig den Kopf.

Anna Smith und ich wurden in einer schwarzen Limousine zum Shooting gefahren. Es gab Getränke umsonst. An diesen Luxus könnte ich mich glatt gewöhnen...!
Anna saß aufrecht neben mir, während ich mit der Sonnenbrille auf der Nase und halb liegend auf dem Sitz gammelte. Hin und wieder warf sie mir von der Seite einen angeekelten Blick zu. Sie bemühte sich nicht mal, ein Gespräch mit mir anzufangen. Pah, gut so! Mit der wollte ich ganz bestimmt nicht über ihre Fingernägel oder ihr Ach-so-tolles Gesicht reden!
Ich kramte meinen iPod aus meiner Handtasche (die übrigens von Armani war) und steckte mir die Hörer in die Ohren. »Highway to hell« dröhnte laut in meinen Ohren. Jaaa, so musste es sein. So, und nicht anders.
Offenbar hatte ich meine Musik wohl zu laut gestellt, denn Anna guckte mich so giftig an, dass ich mich glücklich schätzen konnte, dass der Spruch »Wenn Blicke töten könnten...« nur erfunden war.
Ich spielte an der Lautstärke herum und stellte es noch ein wenig lauter. Annas Blick versprühte Gift.
Ups, das schien ihr gar nicht zu gefallen! Das tat mir aber »leid«! Ich stellte den Song noch lauter.

Als wir endlich angekommen waren, wurden wir freundlich begrüßt und sofort geschminkt.
Wir bekamen die schönsten Kleider, die ich jemals gesehen hatte. Das von Anna war blutrot, was perfekt zu ihr passte und ihre Schönheit hervorhob. Für einen Moment fragte ich mich, ob ich neben ihr verblassen würde.
Sie warf sich ihr blondes Haar mit einer geschmeidigen Bewegung über die Schultern und musterte mich von oben herab.
Augenblicklich nahm ich alles zurück, was ich gerade gedacht hatte. Diese Zicke...! Sie war ja sowas von...!
Ich fand keine Worte für diese...! Jaja, jetzt wisst ihr, was ich meine!
Wir wurden zum Shooting gerufen. Jede von uns beiden gab ihr Bestes. Aber Anna war gut, VERDAMMT gut.
Nach dem Shooting mussten wir vor einer dreiköpfigen Jury vorlaufen, was nicht ganz einfach war, da ich so schrecklich nervös war. Das verlieh Anna natürlich einen Pluspunkt in unserem Wettstreit.
Als wir endlich alles hinter uns gebracht hatten, wurden wir nachhause geschickt. Morgen würden wir einen Anruf erhalten. Ja. Morgen würde ich wissen, wer das neue Gesicht von Armani war. MORGEN. Verdammt, konnte die dämliche Zeit nicht schneller vergehen?!

»Nellie, wach auf, du musst in die Schule. Na los, komm schon!«, rief meine Mutter durch mein Zimmer, während sie gewaltsam das Fenster aufriss, um frische Luft reinzulassen.
Was...? Aufstehen? Ich rollte mich auf die Seite und krallte meine Finger in die Bettdecke. Nicht mit mir.
Ein Luftzug streifte meine Haut. Seufzend presste ich mein Gesicht in mein Kissen.
»Nellie! Steh jetzt endlich auf!«, maulte meine Mom nach zwei weiteren Minuten.
Ich hörte, wie sie sich näherte und mir die Decke wegzog. Wild schlug ich um mich.
»Moooom... Gib mir die Decke... Nur noch fünf Minuten...«
»Das sagst du jeden Morgen. Wenn ich dann nicht wäre, würdest du gar nicht mehr aus dem Bett kommen!«
Genervt richtete ich mich auf und blinzelte gegen das helle Tageslicht an, das durch das große Fenster in mein Zimmer fiel.
Mein Zimmer war nicht gerade groß, dafür aber hell und freundlich. Man konnte es aushalten hier oben.
Mein Bett stand neben dem Fenster an der Wand, gegenüber mein Schreibtisch. Neben diesem befand sich mein hölzerner Kleiderschrank. Ihm gegenüber stand ein großes, langes Bücherregal, das vor zerlesenen Romanen überquoll.
Stöhnend rollte ich mich aus meinem geliebten Bett, das beste Einrichtungsstück, das es auf Erden gab.
Und plötzlich musste ich mich wieder an gestern erinnern.
Mein Gott, wie hatte ich nur vergessen können, dass ich heute einen Anruf von Armani bekommen würde?
»Mom, kann ich heute nicht zuhause bleiben? Die von Armani wollten anrufen!«
»Auf gar keinen Fall. Ich werde den Anruf für dich entgegennehmen.«, sagte Mom und verschränkte die Arme fest vor der Brust.
Na toll. Ich verdrehte hefig die Augen. Die dumme Schule würde mir also nicht erspart bleiben!

Ich stand auf dem großen, leeren Pausenhof und wartete auf Tarah, die irgendwann mal kommen müsste.
»Wo steckt die Frau nur wieder? Zur Abwechslung könnte sie ihren Hintern doch auch mal etwas schneller bewegen!«, murmelte ich in mich hinein.
Das war eine meiner Angewohnheiten. Ich führte gelegentlich Selbstgespräche. Im Unterricht, besonders bei Prüfungen, konnte das sehr unpraktisch sein. Damit hatte ich selbst schon Erfahrungen gemacht, und diese waren keineswegs angenehm gewesen!
Endlich kam Tarah in Sicht. Und tatsächlich, sie ließ sich Zeit, wie immer. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und scharrte mit dem linken Fuß auf dem Boden, wie ein wütendes Huhn auf Würmersuche.
»Na endlich! Wo warst du schon wieder? Darf ich raten? Du bist beinahe auf dem Klo stecken geblieben!«
»Nein, Nell, ich...«
Ich hob die Hand und unterbrach sie: »Stopp, nein! Ich weiß es! Du bist mit dem Kopf voraus ins Klo gefallen, musstest dir dann die Haare frisch waschen und dich schminken! Na, habe ich Recht?«
Sie zog ihre Augenbrauen zusammen. Ihr Mund glich einem Strich.
»Wenn ich dich nicht so schrecklich gerne haben würde, Nellie, würde ich doch glatt behaupten, du wärest verrückt.«, sagte sie süßsäuerlich.
Ich kicherte und rammte ihr leicht meinen Ellbogen in die Rippen.
»Oje, was soll ich dann erst sagen, hmm? Wo musst du hin?«, erkundigte ich mich.
»Ich habe einen Hautarzttermin.«
»Zu viele Pickel? Also bitte. Hast du dein Clerasil nicht benutzt?«
»Man, Nellie! Du nervst! Ich muss auf meine Allergie getestet werden.«
Na super, dann konnte ich heute mal wieder alleine nach Hause fahren.
Blöde Allergie!
»Gegen was bist du denn allergisch? Gegen den Stoff der gemusterten Unterhosen, die dir deine Oma gekauft hat? Oder sollte ich doch lieber »Zelte« zu deinen Unterhosen sagen?«
»Man, Nellie! Du weißt ganz genau, von was ich spreche!«
Bei uns beiden war es normal, dass wir uns ärgerten. Tarah ließ sich eben schön necken, und das musste ich ausnutzen.
»Also, ich muss jetzt. Bis morgen.«, sagte sie und winkte.
Augenverrollend winkte ich zurück und schlenderte zu meinem Wagen. Auf dem Weg dorthin flog ich über einen beknackten Ast, den ich wutschnaubend mit dem Fuß ins Gebüsch beförderte.
Dann stieg ich in mein Auto und raste mit quietschenden Reifen davon.
Auf der Hälfte des Weges klingelte mein Handy. Es dauerte eine Weile, es aus meiner übergroßen Handtasche zu kramen, aber ich war faul, an den Straßenrand zu fahren. Als ich es endlich in den Händen hielt und auf »Annahme« drückte, wurde ich freudlos begrüßt.
»Hi, Nellie!«, sagte meine Mom.
»Hey, Mom. Du klingst nicht gerade begeistert. Was ist passiert?«
Sie seufzte laut.
»Ach, Nell. Ich soll dir von deinem Agenten ausrichten, dass d...«
Stopp, kurzer »Filmriss«: WAS?! Mein Agent? Das klang ja nicht gerade toll. Was war nur passiert? War jetzt diese dämliche Kuh von Anna das neue Gesicht von Armani geworden, oder was?
Okay, Zeit, die Sache hier fortzusetzen.
»...u den Job leider nicht bekommen hast. Eine Dame namens Anna Smith ist das Gesicht geworden.«
Würg. Ich meinte, WÜRG! Wie bitte?!
Diese behinderte Kuh hatte mir einen Traum vor der Nase weggeschnappt? Ich musste mich verhört haben. Das konnte definitiv nicht wahr sein!
Meine Hand klammerte sich fest um mein Handy. Ich hatte Angst, es zu Elektroschrott zu zerquetschen.
Ich fuhr an den Straßenrand, genau an die Stelle, an der ich vor kurzem schon gehalten hatte. Mit glasigem Blick wischte ich mir den »Wutschweiß« von der Stirn.
Ich sah sie vor mir, die Scheißplakate, auf denen groß Annas Gesicht zu sehen war. Schön und makellos, ohne jegliche Kratzer und Falten. Meine Finger schlossen sich fester um meinen Schlüssel.
Oh ja, ich würde die allererste sein, die diese Plaktate mit dem Schlüssel zerkratzen würde! Einen Schnurrbart und andere, gewisse Kleinigkeiten würde ich ihr mit einem dicken, roten Stift verpassen. Und unten, unter das Gesicht würde ich schreiben: »Höllenkuh nicht so schön, wie Schein«.
Das würde eine Rache werden! Ich schnappte mir einen Zettel aus meinem Handschuhfach und kritzelte mit dem Kuli an meinem Schlüsselbund Justins und Annas Namen darauf.
Das waren die Leute, an denen ich mich früher oder später noch rächen würde. Ach ja, Marah fehlte noch.
»Nellie, bist du noch da? Was machst du?«, ertönte Moms Stimme aus meinem Telefon.
»Mom, ich lebe noch. Alles okay. Ich gehe spazieren. Bis später.«, sagte ich eintönig und steif wie ein Roboter und drückte die Aus-Taste.
Mein Handy landete auf dem Beifahrersitz. Ich stieß die Autotüre gewaltvoll auf, knallte sie wieder zu und schloss mein Auto ab.
Ich machte mir nichtmal die Mühe, mich selbst zu beruhigen, es würde nichts nützen. Wenn ich wütend war, musste ich meine Wut an jemandem oder etwas auslassen. Dringend, sonst würde ich explodieren!
Mit Tränen in den Augen stampfte ich über den Kiesweg, hinein in den Wald, der mir Schatten spendete.
Vorher jedoch fiel ich bei dem Versuch, einen Stein wegzukicken, auf den Mund. Wimmernd hämmerte ich mit den Fäusten auf den harten Boden ein, bis meine Fäuste schmerzten.
»Scheißtussi, dumme!«, brüllte ich.
Mein Kopf pochte, so wütend war ich.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte, rappelte ich mich auf. Meine Schuhe störten mich so sehr, dass ich sie mir in einer einzigen Bewegung von den Füßen schleuderte.
Manche Menschen würden jetzt raten, ich solle mich nicht wegen so etwas aufregen. Das wäre nicht gut für mich, blabla... Ich war doch keine Oma!
Und wenn ich an die Decke ging, dann richtig! Sonst würde ich ja nicht Nellie Maguire heißen, oder?!
Außerdem mussten diese ekelhaften Gefühle raus, und zwar schnell.
Ich blickte mich um, auf der Suche nach etwas/jemandem, an dem ich meinen Hass rauslassen könnte. Die Bäume waren ungeeignet, da würde ich mich nur selbst verletzen. Gras ausreißen? Zu harmlos. Meine Haare ausreißen? Aua! Meinen Kopf gegen einen Baumstamm schlagen? Ebenfalls Aua.
Ratlos, was ich nun tun sollte, ließ ich mich auf die Bank sinken, auf der ich vor kurzem schon einmal gesessen hatte. Das war da gewesen, als ich gedacht hatte, man würde mich beobachten. Jetzt war das Gefühl verschwunden. Lag vielleicht an meinem Gefühlschaos.
Ich stampfte mit den Füßen auf den Boden und fluchte in allen Sprachen, die mir einfielen. Das waren zum Beispiel Amerikanisch, Deutsch, Italienisch, Schwedisch, Afrikanisch, Russisch und Chinesisch. Und all diese Länder waren nur ein Bruchteil von den Ländern, in denen ich Verwandte hatte. Tatsächlich floss das Blut all dieser Länder durch meine Adern.
Ich war so mit meinen Flüchen beschäftigt, dass ich gar nicht bemerkte, wie jemand zwischen den Bäumen hervortrat...
Erst, als sich die Aura im Wald schlagartig veränderte, hob ich erschrocken den Kopf. Das kannte ich doch! Vor kurzem war es auch schon mal so gewesen! Irgendwas stimmte hier doch nicht, oder?
Mein Blick streifte durch die Umgebung, auf der Suche nach dem Grund, der dafür verantwortlich war, dass die ganze Atmosphäre hier anders wirkte. Ich fand erst nichts.
Eine Gänsehaut bildete sich trotz der Hitze. Ich rieb mir die Arme und wurde langsam doch panisch.
Alter, was für eine Scheiße! Seit wann wurde ich denn hysterisch?!
Das lag bestimmt alles nur an dieser Anna. Ich war warscheinlich »nur« so aufgebracht, dass ich schon Gespenster spüren konnte!
»Alles in Ordnung? Brauchst du vielleicht eine tröstende Hand? Eine starke Schulter, an der du dich ausheulen kannst? Dann bist du bei mir richtig!«, ertönte es aus dem Schatten.
Diese tolle Stimme hatte ich noch nie vorher gehört. Sie war männlich und... Ach, ich wusste es doch auch nicht. Sie war einfach nur schön.
»Welcher Idiot wagt es, mir aufzulauern?«, giftete ich.
»Idiot? Ich sehe keinen.«
Jemand trat zwischen den Bäumen hervor. Dieser Jemand war männlich und hatte ein ärmelloses Shirt an, die Hände warne lässig in die Bluejeans gesteckt. Sein für einen Mann recht langes Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht. Er kam näher, sodass ich ihn genauer ansehen konnte. Oder sollte ich besser sagen, anglotzen?
Er war wirklich ein sehr hübsches Exemplar. Makelloses Gesicht mit einer leichten Bräune, die ihm gut stand. Das Haar dunkelbraun, in der Sonne hatte es einen sanften, rötlichen Schimmer. Die Augen waren grün wie der Wald, nur noch viel schöner. Unter seinem Shirt zeichneten sich Muskeln ab, ebenso an seinen Armen.
Der Unbekannte zog die Hände aus den Hosentaschen, verschränkte sie vor der Brust und lehnte sich an einen Baumstamm.
Meine Kinnlade machte sich selbstständig. Ich musste sie mit der Hand wieder nach oben befördern, damit sie nicht weiter herunterklappte. Man, war der scharf!
»Na, Kleine? Kann ich dir helfen?«
Als er das gesagt hatte, zog er seine linke Augenbraue hoch und lächelte mich schief an.
Moment mal. Mooooment! War das etwa eine Anmache gewesen? Solche Typen, die das taten, konnte ich zum Teufel nicht ausstehen!
Okay, so schön er auch war, er war bescheuert. Oder vielleicht doch nicht...?
»Wie willst du mir schon helfen können? Ich kenne dich noch nicht einmal!«
»Das können wir ja ändern. Und wie ich dir helfen will...«
Er zuckte mit den Augenbrauen.
Gut. Das war genug. Ich hasste den Typen jetzt schon! Hmmm, da kam mir gerade die Idee, dass er das perfekte Opfer war, an dem ich meine Wut auslassen könnte... Oh ja.


Hallöchen. *__*

Freut mich, dass ihr mein Buch bis hierhin gelesen habt! :-D Natürlich geht es auch noch weiter. Vielleicht habt ihr ja Lust, meine Geschichte weiterhin mitzuverfolgen. :-)

Impressum

Texte: Copyright @ Louisiana Niemand hat das Recht, irgendetwas aus dieser Geschichte zu kopieren. Die Personen sind ausgedacht.
Tag der Veröffentlichung: 13.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Familie, meine Freunde und alle, die dieses Buch lesen

Nächste Seite
Seite 1 /