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"Beim Menschen bezeichnet Identität (v. lat. idem, derselbe, der gleiche) die ihn kennzeichnende und als Individuum von anderen Menschen unterscheidende Eigentümlichkeit seines Wesens..."
sagt wikipedia.


So weit so gut.
Inwieweit aber erkennt man in der Identität den ganzen Menschen?
Ist es nicht eher so, dass wir alle mehrere "Ich" in uns vereint haben? Wie genau sieht sich der Einzelne? Wie sehen ihn die anderen? Und wer, oder wie ist er wirklich?


So jedenfalls stellt sie sich nach der Begegnung mit Hannes die Frage nach dem wirklichen, dem wahren Hannes.

Aber lesen sie selbst.


Für gewöhnlich steht sie auf, um an ihrem Buch zu arbeiten, das war jedenfalls in den vergangenen Tagen der Fall.
"Wenn nun aber dieser Tag völlig anders verliefe, bereits anders begänne als erwartet?" wie oft hat Eva diese Frage in die eintönige Monotonie ihres Alltages gestellt, ohne zu wissen, dass genau heute dieser Tag an ihre Türe klopfen wird.

Sie erwacht und fragt sich, wie spät es wohl sein mag. Streckt sich ausgiebig und schlägt gähnend die Bettdecke zur Seite. Anhaltendes Läuten an der Wohnungstüre.
"Das kann doch nicht sein, um diese Zeit...!" Ihre innere Uhr und die Helligkeit - eher die Dunkelheit - läßt sie unwillig grummelnd aufstehen. "Ja, bitte..." natürlich hatte es nochmal ungeduldig geläutet, was ihre Laune nicht zwingend hob.

Ein Blick durch den Spion zeigt eine Gestalt, deren Anblick Vertrauen erweckt. "Eine kurze Umfrage nur, es tut mir ausgesprochen leid, falls ich ungelegen komme." Eva öffnet nicht, bevor sie sich ordnend mit den Fingern der rechten Hand durch ihr langes Haar fährt.
Den Dobermann-Rottweiler-Mischling am Halsband, den Baseballschläger griffbereit in der Ecke, sieht sie ihn zum ersten Mal.
"Hannes Baumann, mein Name. Darf ich eintreten, oder beisst der mich?" Ein unschuldig fragendes, gewinnendes Lächeln auf den Lippen. Schwarzes langes Haar umspielt seine breiten Schultern; ein offener Blick aus großen blaugrauen Augen.

Dabei wollte sie heute endlich ihren Beitrag zum Wettbewerb beenden.

"Nun, ich halte ihn ja schließlich fest," antwortet sie ausweichend, beinahe unfreundlich.
Mit großen Schritten folgt er ihrer einladenden Geste. "Also, falls es nicht zu lange dauert, ich habe wenig Zeit."
Er setzt sich auf den angebotenen rubinroten Sessel.

"HÖHER SCHNELLER WEITER."
Sie sieht ihm verblüfft in die Augen.

"Wie bitte?"

Er mustert Eva ausgiebig und sagt unverblümt "ich würde mich schon über einen kleinen Stern, vielleicht einen Kommentar riesig freuen - aber ganz besonders natürlich über einen Pokal!

Solltest du eventuell auch schreiben, würde ich sehr gerne ebenfalls dein Buch lesen."

Sie hält den Hund nicht mehr sehr fest, gibt ihm Spielraum und er fängt an, das lange eingeübte Spiel verstehend, gefährlich zu knurren. Die Gedanken bei dem Auftritt der sonderbaren Gestalt behält sie für sich.


Kaum hat er die geräumige Wohnung verlassen, klingelt das Telefon. "Herzlich willkommen zu unserer großen Meinungsumfrage!
Wie immer würde es mich sehr freuen, deine Meinung zu meinem Werk zu hören. Ich lese es dir jetzt einfach vor und vielleicht hast du ja Lust dazu?! Ich fang jetzt einfach an, bist du bereit?"

"... ..."

"Nein, das tut mir leid, zu gewinnen gibt es nichts, jedenfalls nicht für dich und nicht heute." Sie fängt an, sich Gedanken über eine 94er Spätlese zu machen, die braucht sie heute abend unbedingt. Wie war nochmal der Herstellername? "nah emie" oder so ähnlich?

Duschen ist nach diesem zeitraubenden Schock nicht mehr drin, der Hund muss dringend vor die Türe.
Nach wenigen Schritten wird sie aufgehalten.
Wohlklingend schmeichelnde Worte, mit einem leichten Akzent versetzt, offenbar ist dieser Mensch nur zu Gast in dieser Stadt: "Habe ich Recht, du nimmst nicht am Wettbewerb teil?
Gib mir unbedingt Bescheid, solltest du es dir vielleicht noch anders überlegen, dann lese und bewerte ich sehr gerne auch dein Buch.
Falls dir meine kleine Satire nicht gefällt, kannst du sie dennoch bewerten. Sei bitte nicht enttäuscht, wenn ich deinen Text dann negativ bewerte!"

Überlegungen drängen sich Eva auf: "Gibt es Hellseher oder was ist los? Der einzige Mensch, der hier enttäuscht sein dürfte, bin ja wohl ich!!!
Ist denn die ganze Welt restlos verrückt geworden???"


Sie denkt, sie hätte eine Halluzination, als sie zufällig Richtung Himmel blickt; oder fliegt da wirklich eine Hexe auf einem Besen und schreit lautstark: "Hallo, hallihallo ich möchte Dir undedingt ein Buch empfehlen und freue mich, wenn du es liest." Selbst aus dieser Entfernung sind die auffälligen Fehler auf den Seiten des Buches klar sichtbar.

Eva reicht`s nun endgültig: "Wie dreist sind die Menschen." Jedesmal, wenn sie sauer wird, verfällt sie in ihre Heimatsprache. Und sie ist sauer, unendlich sauer sogar, daher schreit sie lautstark hinauf:

"I CAN PLEASE ONLY ONE PERSON A DAY. TODAY IS NOT YOUR DAY - TOMORROW DOESN`T LOOK EITHER!!!"

Einige Meter weiter setzt sie sich auf eine einsame Parkbank, um in aller Ruhe eine selbstgedrehte Zigarette zu rauchen und um über einiges nachzudenken.
Ein großer schwarzer Rabe, oder vielleicht auch sein Bruder, kommt geflogen und lässt sich ungefragt auf der Lehne der Bank nieder: "Hallo du da, lies doch mal die zwei Seiten hier. Dieses winzige, schnell durchzulesende
Büchlein nimmt zur Zeit an keinem Wettbewerb teil, der war nämlich schon.
Übrigens, mein Ehrenwort: Dein Buch lese ich auch und gebe dir einen fetten Stern..." krächzt er selbstbewusst grinsend.

Jetzt versteht sie rein gar nichts mehr. Ein Buch ohne Wettbewerb und dennoch Werbung???

Nur eines weiß sie mit absoluter Sicherheit:
Das war garantiert der letzte Wettbewerb, zu dem sie sich eingeschrieben hat.

HÖHER SCHNELLER WEITER, aber doch nicht so!

Sie hat keine Lust mehr auf einen weiteren HANNES BAUMANN und auch keine Meinung zu Bewertungen jedweder Art.

Außerdem kennt sie bereits genug Menschen, also bittet sie von Freundschaftsanträgen unbedingt abzusehen.

Jetzt und in Zukunft.

Lasst bitte die Sterne am Himmel, denn da gehören sie hin.

Ach, noch etwas: "don't call us, we'll call you!!!"


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.06.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch entstand durch- und berichtet über den SCHREIBWETTBEWERB - HÖHER SCHNELLER WEITER - ...und kann immer und überall auf dieser Welt geschehen, immer wieder...

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