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ABHAUEN 19.09.-28.09.2007

Ich muss mich beeilen, die Zeit rennt. Noch genau eine Stunde zwei Minuten, dann kommt sie wieder. Ich brauche viel, kann aber nur meinen Schlafsack und ein paar Anziehsachen mitnehmen und in meinen fast leeren Rucksack stecken. Dann stürzte ich aus der Wohnungstür. Halt, der Ersatzschlüssel und mein Portemonnaie, jetzt aber los. Verdammt, ich höre schon vor der Haustür das Klingeln eines Schlüssels. Schnell renne ich Treppe hinunter in den Keller, als die Luft wieder rein ist schleiche ich die Treppe wider hoch. Bevor die Tür hinter mir ins Schloss fällt höre ich sie noch meinen Namen rufen. Das treibt mir die Tränen in die Augen, aber ich kann nicht anders.


Im Schnellschritt laufe ich in Richtung Wald am Spielplatz vorbei, einmal um den verschmutzten Ententeich herum bis ich schließlich im Wald bin.
Die Dämmerung bricht schon an. Ich renne, renne, mal nach rechts dann wieder nach links und noch mal nach rechts. Jetzt bin ich mir sicher, ich habe mich verlaufen. Der Mond scheint durch einen alten Kastanienbaum, er wirft unheimliche Schatten auf den vom Vortag etwas feuchten Waldboden. In seinem Schatten sehe ich etwas, was mich rettet aber auch in Gefahr bringen kann. In dem Baum ist ein Baumhaus, für die erste Nacht ist es eine gute Unterkunft. Aber das Baumhaus zeigt mir auch, dass hier in der Nähe Menschen sein müssen. Doch ich bin zu müde, um mir noch großartige Gedanken darüber zu machen. Mit letzter Kraft klettere ich die wackelige Leiter hoch und packe meinen Schlafsack aus.


Die Sonne geht schon langsam auf ich muss mich beeilen um weg von diesem Ort zu kommen. Aber der Gedanke daran, dass Mumm zu Hause sitzt und sich Sorgen macht lässt mich nicht in ruhe. Nun ziehe ich mir doch frische Sachen an und stopfe meinen Schlafsack in den Rucksack. Jetzt ist die Sonne ganz aufgegangen, und ich will die Leiter runter klettern. Aber was ist dass? Die Leiter ist umgefallen. Es ist unmöglich von dem bestimmt drei Meter hohen Baumhaus zu springen. Ich gucke mich in dem Haus um, und tatsächlich, in einem kleinen Regal finde ich ein Seil, in das ich viele Knoten mache. Den Obersten mach ich so locker, dass ich ihn auf einen Nagel stecken kann. Es funktioniert. Ich schmeiße meinen Rucksack runter und klettere hinterher, doch mitten auf der Strecke reißt das Seil. Ich falle. Wie gut, dass Waldboden so weich ist. Sonst wäre es schmerzhaft geworden. Erst bei Tageslicht fällt mir auf, dass ich gestern auf einem Trampelpfad gerannt bin.
Egal, dann geht’s ebend jetzt mitten durchs Gestrüpp weiter.
Ich wandere schon seit drei Stunden, aber ich habe immer noch keine Idee wo ich bleiben kann. Mein Magen knurrt, seit gestern morgen habe ich nur eine Schale Müsli und einen Apfel gegessen. Da fällt mir ein ich, habe noch ein Schulbrot im Rucksack. Also beschließe ich eine kleine Pause zu machen, um es zu essen. Ich setze mich auf einen Stein und hole das Brot aus meinem Rucksack. Ich halte es in der Hand und betrachte es. Das Brot wird nicht mein ganzes Leben ausreichen, und mein Hals ist so trocken, dass ich ohne hin nichts runter kriegen würde. Ich packe das Schulbrot wieder ein und mach mich auf den Weg. Diesmal laufe ich schneller.


Nach einer weiteren Stunde treffe ich auf eine Lichtung, durch die ein Bach fließt. Jetzt, wo die Sonne auf dass Wasser scheint funkelt es wunderschön. Ich laufe zu dem Bach, lasse meine schmerzenden Füße ins klare kalte Wasser baumeln, trinke etwas und lasse mich dann ins hohe weiche Gras fallen. Ich lausche. Keine Autos brummen, keine Menschen sind zu hören. Hier werde ich wohl leben. Der Gedanke daran hier zu leben ist für mich wunderschön aber auch schrecklich. Die Vorstellung nie wider Mumm zu sehen macht mich traurig. Aber mein Leben auf dieser sehr schönen Lichtung zu verbringen erscheint mir in diesem Augenblick wunderbar.


Einen Unterschlupf zu bauen kann ja nicht so schwer sein. Trinken kann ich aus dem Bach, nur was ist mit Essen? Na,ja, erst ein Unterschlupf…
Ich suche und finde sechs dicke Äste, viele Blätter, kleine Steine und lange Stöcke. Jetzt ramme ich die Äste so in den Boden, dass sie ein Quadrat ergeben dann lege ich aus Stöcken ein Dach auf die Äste und damit das Dach auch wasserfest ist, belege ich es mit Blättern. Jedes Blatt beschwere ich mit einem Stein.
So, das wäre geschafft. Nun brauche ich aber endlich etwas zu essen. Heute kann ich noch mein Käsebrot essen, aber was ist mit all den anderen Tagen, die noch kommen? Mein Urgroßvater war Jäger, vielleicht habe ich noch etwas davon im Blut.
Es wird schon dämmrig und kühl. Ich gehe noch einen Schluck trinken, und dann mache ich ein kleines Feuer. Jetzt setzte ich mich ans Feuer und denke an Mumm und Andy, (den neuen Freund von ihr).


Ich kann mich noch ganz genau an den frühen Morgen erinnern. Andy ist wie so oft erst morgens wieder nach Hause gekommen. Betrunken. Er ist über die Fußmatte in die Wohnung gestolpert. Da Mumm nicht zu Hause war, wollte ich ihm hoch helfen. Aber er hat mit seiner halb vollen Bierflasche um sich geschlagen.
Zum Glück konnte ich der Flasche ausweichen. Ich bin auf mein Zimmer gegangen.
Als ich nach einer halben Stunde immer noch nichts hörte, habe ich auf den Flur gespäht. Da lag er, eingeschlafen. Damit Mumm nicht sagen konnte, ich habe mich nicht gekümmert, wollte ich ihn Zudecken. Doch genau als ich die Decke fallen ließ sprang er auf und klebte mir eine. Mitten ins Gesicht. Ich fiel zu Boden.
Als ich aufwachte, wusste ich erst nicht wo ich war. Doch dann erinnerte ich mich.
Ich wusste nicht was mir am meisten wehtat, mein Kopf, meine Wange oder der Stich in meinem Herz.
Ich stand auf und ging zur Uhr, ich hatte noch genau eine Stunde und zwei Minuten bis Mumm wieder kam. Und dann bin ich abgehauen.


Ich schlafe, schlafe tief in meinem Schlafsack vergraben und träume von Mumm während der Wind um mich herum tobt und an meinen kleinen Unterschlupf zerreist. Mumm sucht mich, sucht mich überall und auch im Wald. Sie ruft laut meinen Namen. Sie stolpert, rappelt sich wieder auf. Mit zerkratzten Beinen, zerzaustem Haar und verweinten Augen kommt sie auf die Lichtung. Ich laufe zu ihr und umarme sie.


Die Morgensonne kitzelt meine Nase, ich mach die Augen auf. „MUMM???“ rufe ich. Keine Antwort, es war nur ein süßer Traum. Traurig betrachte ich die Stelle wo mein kleiner Unterstand war. Ich quäle mich aus dem Schlafsack und gehe mich am Bach waschen. Ob Mumm mich wohl sucht? Und was ist mit Andy? Auf diese Fragen werde ich wohl erst mal keine Antworten bekommen.
Am Rand der Lichtung entdecke ich ein paar Johannisbeerbüsche und Walderdbeeren. Ich pflücke sie in meine leere Brotdose und wasche sie ab. Richtig satt bin ich davon zwar nicht aber was soll ‘s. Jetzt mache ich mich an meinen Unterstand, im Boden steckt noch ein Ast, und zwei kann ich wieder aufstellen. Den Rest muss ich neu suchen. Obwohl meine Füße von gestern immer noch wehtun mache ich mich sofort auf den Weg, damit ich später noch etwas zu Essen beschaffen kann. Doch leichter gesagt als getan, ich finde nirgendwo geeignete Äste.
Ich bin so beschäftigt mit Äste suchen, dass ich gar nicht merke, dass ich schon auf dem Trampelpfad bin. Jetzt schaue ich auf, und da sehe ich sie. Drei Menschen, noch weit weg. Ich will mich verstecken, doch da zeigt schon ein Mädchen auf mich, und die anderen schauen sich auch nach mir um. Ich bin so erschrocken, dass ich mich nicht vom Fleck rühren kann. Die Drei kommen auch schon auf mich zu gerannt.


„Was willst du denn hier? Das ist unser Revier. Sieht man das nicht?“ fragt einer der beiden Jungen. „Tut mir leid, das wusste ich nicht“ gebe ich schüchtern zurück, „Na, worauf wartest du dann? Hau ab! Oder willst Prügeln?“ sagt der andere Junge. Schnell drehe ich mich um, um zu gehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich noch, wie das Mädchen dem einen Jungen etwas zuflüstert.
Da ruft mir der eine Junge zu: „Hey, warte mal“. Ich drehe mich um. „Bist du nicht die Kleine, die gesucht wird?“ Ich gucke ihn fassungslos an „Woher weißt du das?“ Die Drei lachen. „Schon mal was von Radio und Zeitung gehört?“ fragt der wahrscheinlich Älteste von ihnen.
Um das Thema zu wechseln sagt einer der Jungs „ Ich bin übrigens Jo, und das sind mein Bruder Colin und eine Freundin Emma “, „Wo wohnst du?“ fragt Colin, „Wenn ihr es niemandem sagt, zeig ich es euch“ Antworte ich und laufe vor. „Warte, ist es weit?“ fragt Jo, grinsend antworte ich „Wenn wir uns beeilen, sind wir in zwei Stunden da“. „Bist du verrückt? Ich habe eine Gelände- maschine. Wartet hier ich hole sie.“ Und schon ist er weg. Seufzend lassen sich Emma und Colin auf einen großen Stein plumpsen „Was ist los?“ frage ich. „Für meinen Bruder gibt es nichts was ihm so wichtig ist wie seine Geländemaschine“ antwortet Colin. „Passen wir denn alle da drauf?“ „Klar, irgendwie geht das immer“ antwortet mir Emma. Da hören wir auch schon ein lautes Rattern. Jo kommt um die Ecke und ruft uns zu „ Ich nehme Emma beim Fahren auf den Schoss und, Colin und, wie heißt du eigentlich?“ „ Nenn mich Penny“ rufe ich ihm durch den Motorlärm zu.
„Ihr setzt euch Hinten hin, OK?“ beendet Jo den Satz. Wir nicken nur und steigen auf. Außer, dass ich Jo zwischendurch zu rufe wo lang es geht sagt niemand etwas. Ich muss daran denken, dass Mumm mich suchen lässt.
Eigentlich ist Jo`s Idee mit der Geländemaschine gar nicht so schlecht, weil wir bei seinem schnellen Tempo nur eine halbe Stunde bis zur Lichtung brauchen.


„Es ist traumhaft hier“ sagt Emma während sie von dem Moped steigt, auch Colin und Jo gucken sich begeistert um. „Wo schläfst du denn?“ fragt Colin mich. „Eigentlich hatte ich mir einen Unterstand gebaut. Aber der Sturm letzte Nacht hat ihn zerrissen. Darum war ich so weit weg von der Lichtung. Ich wollte neue Äste suchen“ sage ich während ich auf die drei Äste zeige, die im Boden stehen. „Mein Vater hat noch ein altes Hauszelt, es hat zwar ein paar Löcher. Aber die können wir ja flicken“ bietet Jo an. „Nein, das brauchst du nicht tun“ sage ich, obwohl ich dieses Angebot ganz wunderbar finde. „Lass nur, wenn Jo sich in den Kopf setzt, dass er dir helfen will, dann tut er das auch. Colin und Jo fahren jetzt nach Hause und holen das Hauszelt. Und ich helfe dir hier, stimmt`s Jungs?“ sagt Emma zu meiner Rettung. Die anderen nicken.


Die Jungs sind nicht mehr zu hören. Da fragt Emma „Warum bist du abgehauen?“
Ich setze mich ins Gras und gucke sie an „Willst du das wirklich wissen?“ Emma setzt sich neben mich und sagt „Ja, ich möchte es wissen“. Ich erzähle von dem Morgen und von all den anderen Tagen, wo Andy betrunken nach Hause kam. Es tut gut mit jemanden darüber zu reden. Und ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass Emma mich sehr gut versteht.
Ich bin fertig mit erzählen. Emma schweigt, ich schweige auch. Nach einer Weile fragt sie „Was ist zu tun?“, „Ich muss Wäsche waschen und Feuerholz für heute Abend sammeln“ antworte ich. „Gut“ sagt Emma „Ich sammle Holz. Und du wäscht die Wäsche“.
Ich gehe zu meinem Ruchsack und suche meine dreckige Wäsche raus. Ich kann mein Glück immer noch nicht fassen. Man trifft ja nicht alle Tage drei so nette Freunde. Vor allem nicht einen so netten Jungen wie Colin...


Ich bin gerade mit Wäsche aufhängen fertig da kommen die Jungs angerollt. Aber von einem Zelt ist nichts zu sehen. „Dad wollte uns das Zelt nicht geben. Dafür haben ein paar Bretter mitgebracht vielleicht können wir daraus eine kleine Hütte bauen“ ruft Colin mir zu. „Prima, das macht auch mehr Spaß!“ freut sich Emma, die gerade die letzten Stöcke bringt. „Nichts da, das erledigen die Männer. Ihr macht das Essen. Wenn ihr fertig seid, könnt ihr helfen“ verkündet Jo. Verunsichert frage ich „Welches Essen?“. „Wir haben an alles gedacht und Grillfleisch mit gebracht“ Colin schmeißt mir eine Packung Fleisch zu. Emma und ich gehen zur Feuerstelle „Ist Jo so etwas wie der Boss von euch?“ frage ich. „Kann man so sagen, ich habe aufgegeben ihm zu widersprechen“.
Emma macht Feuer während ich mit einem spitzen Stein die Rinde von dünnen Ästen schabe und das Fleisch aufspieße. Das Feuer ist an, und die Spieße sind fertig. Wir schlendern zu Colin und Jo rüber. „Na, schon fertig? Oder braucht ihr doch noch Frauenpower?“ fragt Emma. „Sehr lustig, kannst du mal das Brett halten?“ fragt Jo Emma. Ich gehe zu Colin, „Ich hab was für dich“ sagt er „Briefpapier und ein Tintenfass. Vielleicht möchtest du deiner Mumm schreiben darüber dass Andy dich geschlagen hat?!“ Verdutzt frage ich „Woher weißt du das?“ „Emma hat es mir gesimst.“


Wir sitzen alle am Feuer und essen Fleischspieße. Die Hütte ist klein aber fein geworden. Mein Schlafsack und mein Rucksack passen rein, und das Flachdach ist festgenagelt, so dass ich da oben auch Platz habe.
„Wie spät ist es eigentlich?“ fragt Emma nach einer Zeit. „Sechs Uhr, wieso?“
antwortet Colin „Verdammt ich muss nach Hause. Wenn ich nicht um sieben da bin wird die Tür abgeschlossen!“ ruft Emma. „Ok, wir kommen Morgen nach der Schule wieder, ja?“ sagt Jo während er schon zu seiner Geländemaschine geht. „Bis morgen“ rufe ich noch, aber da sind sie auch schon weg.
Fragend sehe ich ihnen nach. Warum schließen Emmas Eltern um sieben Uhr die Haustür ab? Wenn sie möchte, wird sie mir das schon erzählen.
Aus der Hütte hole ich meinen Schlafsack und setze mich damit ans Feuer.
Ich muss mir überlegen, ob ich das Angebot von Colin annehmen soll oder Mumm lieber in der Luft hängen lassen will. Ich glaube, ich schicke ihr eine Nachricht, damit sie weiß, warum ich abgehauen bin. Außerdem möchte ich sie bitten mich nicht weiter zu suchen.

Ich bin so damit beschäftigt mir einer Formulierung für den Brief auszudenken, dass ich gar nicht mitbekomme wie es Nacht wird und das Feuer ausgeht. Doch plötzlich höre ich ein Knacken und danach Fluchen. Erschrocken drehe ich mich um.

Mein Herz klopft wie wild als ich „Hallo?“ hauche. „Penny, bist du das?“ Der dünne Lichtfinger von Emmas Taschenlampe tastet sich durch die Dunkelheit. „Was machst du denn hier?“ frage ich verwirrt.
„Kann ich hier bleiben?“ Jetzt steht Emma direkt vor mir, und das Licht ihrer Taschenlampe blendet mich. Ich nicke stumm, und wir krabbeln zusammen in die Hütte. Innen ist grade so viel Platz, dass zwei Schlafsäcke nebeneinander passen. Nachdem ich meinen Schlafsack vom Feuer geholt habe knipst Emma die Taschenlampe aus. „Warum bist du her gekommen?“ frage ich in die Dunkelheit. „Zu Hause ist es schrecklich, alles ist mir verboten. Meine Eltern schließen um sieben Uhr die Tür ab, damit ich auch pünktlich komme“, sagt Emma. Wir schweigen.
Ich bin schon fast eingeschlafen, als Emma das Schweigen bricht. „Du magst Colin, oder?“ Jetzt bin ich wieder hellwach. „Woher weißt du das?“, frage ich erstaunt. „Mama sagt immer, ich kann anderen in den Kopf gucken“, antwortet Emma. „Gute Nacht“ sage ich nur noch, dann bin ich auch schon eingeschlafen.


Am Morgen komme ich aus der Hütte und strecke mich ausgiebig. Emma ist schon dabei, Beeren zu pflücken. Sie bemerkt mich und kommt zu mir rüber. „Ich habe Brot mit gebracht. Wenn wir Beeren darauf zerdrücken, schmeckt das fast wie Marmeladenbrot“ sagt Emma während wir zum Bach gehen. Ich schaue zum Himmel „O je, ich glaube, es regnet gleich“ sage ich besorgt. „Na dann, hoffe ich mal, dass das Dach dicht hält“ sagt Emma. Zusammen schlendern wir zur Hütte. Emma holt das Brot aus ihrer Tasche, und dann essen wir Marmeladenbrot. Emma erzählt von zu Hause und ihren Eltern. Aber ich kann mich nicht konzentrieren weil ich mir überlege, ob ich Emma fragen soll, ob sie mir hilft. Wir sind mit dem Essen fertig. Ich fasse mir ein Herz und frage, „Ich möchte Mumm einen Brief schreiben und ihr darin erzählen, warum ich abgehauen bin. Hilfst du mir bei der Formulierung?“.


Emma stimmt zu. Wir sitzen beide in der Hütte und formulieren an dem Brief.
Schließlich sind wir zu einem Entschluss gekommen. Ich schreibe:

Liebe Mumm,

mir geht es gut.
Ich komme aber erst wieder nach Hause, wenn Andy ausgezogen ist.
Lass mir eine Nachricht per Chiffre bei den Kontaktanzeigen zukommen Schreibe, dass du vier Vögel hast, wenn er nicht mehr bei uns wohnt.
Ich möchte dich bitten, mich nicht mehr suchen zu lassen.

Liebe Grüße
Penny

Ich falte den Brief zusammen und stecke ihn in den Umschlag. Da klingelt Emmas Handy. „Hallo, hier ist Emma!“... „Bei Penny!“… „Kommt ihr später vorbei?“… „Ok, dann bis später.“
„Das war Colin. Er kommt mit Jo nach der Schule vorbei.“

Der Regen trommelt auf das Dach. Emma und ich sitzen gemütlich im Schlafsack.
„Glaubst du, dass die Polizei uns findet?“ fragt Emma. Zähneklappernd wegen der Kälte antworte ich „Kann gut sein!“. Ein Schuss ist in der ferne zu hören. „Wenn uns die Jäger nicht vorher finden“ füge ich noch hin zu. „Vielleicht haben Colin und Jo eine Idee wo wir uns verstecken können“ sagt Emma. Aber es hört sich nicht so an als sie dass beruhigt.
Um das Thema zu wechseln fragt Emma „ Hast du noch was zu Essen?“ „Es gibt noch Fleischspisse von gestern Abend“. Wir essen gerade genüsslich die Spieße, da hören wir das knattern von Jo`s Moped. Ich stoße die Tür auf und winke den Beiden zu. „Kommt schnell rein, sonst regnet es noch in die Hütte“ ruft Emma, die immer noch im Schlafsack liegt. Colin und Jo ziehen ihre pitsch nassen Jacken aus und quetschen sich noch dazu. Jetzt wird es richtig eng.
Emma fängt gleich an „Wir haben vorhin Schüsse gehört“ „Ja, und?“ fragt Jo. „Du bist so dumm! Jäger können Penny und Emma natürlich schnell mit ihren Ferngläsern entdecken“ erklärt Colin. Jo entnervt. „Habt ihr ne` Idee wo wir uns verstecken können?“ frage ich. „ Ich hab keine Idee, du Jo?“ fragt Collin ohne Hoffnung, dass Jo etwas einfällt. Aber Jo hat einen Geistesblitz „In unserem Nachbarhaus im Erdgeschoss ist doch eine Wohnung frei. Über die Balkontür könntet ihr da rein kommen.“ „Bist du verrückt? Das ist Einbruch“ sagt Emma ent geistert. Obwohl ich auch Angst habe irgendwo einzubrechen, weise ich Emma darauf hin ,dass das unsere einzige Chance ist. Colin sagt besorgt: „Emma, deine Eltern suchen dich und die Polizei auch. Sie sollten wissen, warum du weg bist.“
„Kommt gar nicht in Frage. Die sollen das selbst raus kriegen“ verkündet Emma.
„Noch mal zum Thema: Erstens, wie sollen wir in die Wohnung kommen? Zweitens darf uns niemand auf den Weg vom Wald bis zur Wohnung sehen und drittens, was machen wir, wenn jemand die Wohnung besichtigen will?“ mit diesem Satz habe ich drei Fragen in den Raum gestellt, die niemand zu beantworten weiß, außer Colin. „ Ich besichtige die Wohnung und lasse dabei die Balkontür auf. Nachts könnt ihr dann dort einziehen. Und wenn ihr dann aus der Wohnung raus seid, unterschreibe ich den Vertrag doch nicht.“ Colin zieht sein Handy aus seiner Tasche und tippt eine Nummer ein. „Ja, guten Tag. Ich rufe an wegen der freien Wohnung“… „Ja, genau, die meine ich“… „Dann bis morgen“. Grinsend schiebt Colin sein Handy wieder in die Hosentasche.
„Habt ihr etwas zu essen für heute Abend mitgebracht?“ fragt Emma und ist etwas besorgt. „Natürlich“ Jo packt sich an die Stirn „Das war es, was wir vergessen haben“. „ Na super, ich habe nur noch ein ganz bisschen Brot“ sagt Emma.
Bevor Colin und Jo sich wieder nach Hause begeben bitte ich sie noch meinen Brief abzugeben und die nächste Wochenendausgabe der Lokal Zeitung für mich zu besorgen.


Es ist schon ein Uhr nachts, da hören Emma und ich endlich Jo`s Maschine. „Seid ihr bereit?“ fragt Jo. „Klar, aber wo ist Colin?“ nervös steige ich auf. „Der schläft. Ich hab ihm frei gegeben, weil er so heldenhaft war und für euch die Balkontür aufgelassen hat“.
Fast bis zum Waldrand können wir fahren, dann müssen wir aber doch zu Fuß gehen.


In der Dunkelheit sieht das Haus ein bisschen gruselig aus, aber dann geht es um Schnelligkeit. Jo macht erst Emma und dann mir Räuberleiter, um auf den Balkon zu kommen. Ich stoße die Tür auf und gehe mit Emma rein. Jo verabschiedet sich und lässt uns alleine. Die Wohnung ist nicht groß, hat aber ein kleines Zimmer, dass auch ein sehr kleines Bett hat. Trotz der späten Stunde müssen Emma und ich krabbeln, damit uns keiner durch das Fenster sieht. Bevor wir uns in unsere Schlafsäcke kuscheln fragt Emma „Glaubst du, meine Eltern machen sich große Sorgen?“. Verdutzt über diese frage antworte ich „ Natürlich glaube ich das“. Ohne noch etwas zu sagen breiten wir unsere Schlafsäcke aus und versuchen zu schlafen.


Die nächsten Tage vergehen träge, jede Nacht kommen Colin oder Jo und bringen etwas zu essen. Diese Nacht kommen beide über das Geländer vom Balkon geklettert mit einer Zeitung in der Hand.
„Wir haben noch nicht geguckt, ob deine Mutter geschrieben hat“ sagt Colin leise um niemanden zu wecken. Schnell suche ich die Kontaktanzeigen raus und fahre mit dem Finger über die Anzeigen. „Da ist sie!“ Mit einem Finger zeige ich darauf und lese vor.

„Ich (40) suche Mann fürs Leben.
Ich besitze vier Vögel und wünsche
mir jemanden, der sie genau so mag
wie ich.“
„Jetzt gibt es nur noch ein Problem. Wie soll ich nach Hause kommen?“ frage ich. „Vielleicht kannst du mit dem Zug fahren“ sagt Jo. „Hast du Geld?“. Keiner von uns hat Geld, um mir eine Zugfahrt zu spendieren. „Emma was ist los?“ frage ich besorgt, weil mir aufgefallen ist, dass sie während dem ganzem Gespräch nicht ein Wort gesagt hat. „Außer dass ich keine Lust habe mein ganzes Leben alleine hier zu wohnen ist nichts“ antwortet Emma genervt. „Mensch Emma, deine Eltern rufen jeden Tag an und fragen, ob wir wissen wo du bist. Die machen sich echt Sorgen“ sagt Colin und bemüht sich nicht laut zu werden. Jo stimmt ihm zu. „Wenn ihr an meiner Stelle wärd, würdet ihr euch auch nicht zurück trauen“ Emma laufen die Tränen über die Wangen. Ich lege den Arm über die Schulter und sage „Ich kann ja vorher mit deinen Eltern sprechen“. Emma runzelt die Stirn und lächelt „Ne, du musst morgen früh zum Bahnhof und nach Hause fahren. Aber Colin spricht bestimmt mit Mama und Papa“. Sie zieht ihr Portomonaie und drückt mir zwanzig Euro in die Hand. „Du bist die beste“ sage ich und drücke sie fest.


Es ist wirklich sehr früh morgens als wir alle zusammen zum Bahnhof gehen. Der Zug steht schon bereit. Ich umarme alle. „Vielen Dank für alles, was ihr für mich getan habt. Ich werde euch vermissen“. „Wir dich auch“ ruft Colin noch, dann muss ich in den Zug. Vorm Fenster winken sie. Jetzt setzt sich der Zug in Bewegung. Tränen sammeln sich in meinen Augen. Aber ich weiß, irgendwie wird es weiter gehen.


ENDE

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.08.2008

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