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Bruder sein ist einfach. Man ist es. Man hat nichts dafür getan. Meist wächst man miteinander auf, mehr oder weniger altersverschoben. In der Regel erlebt man dieselben Eltern. Vielleicht trägt der eine die Hosen des anderen auf. Man durchläuft die gleichen Stufen des heranwachsenden Lebens: Kindergarten, Schultüte, Berufs- oder Hochschule. Dann trennen sich die Wege. Jeder versucht, aus Tugenden und Begabungen das Beste zu machen. Mit mehr oder wenig Erfolg. Aber ein Bruder bleibt ein Bruder. Manche werden sich spinnefeind. Wir nicht. Wir schreiben Weihnachtskarten, rufen zu Geburtstagen an.

Brüder kommen aus demselben Schoß, sind aber meistens grundverschieden. Trotz der gemeinsamen Kindheit. Wir erleben Gleiches, schaffen aber anderes Empfinden. „Weißt Du noch? Na klar, natürlich! Nur: ich hatte es vergessen, Du kaust immer noch daran herum.“ Nichts in der Gegenwart verbindet uns, selbst Nachbarn haben mehr an Gemeinsamem.  

Als wir erst Mutter, dann Vater zu Grabe trugen, saßen wir in der kleinen Kapelle. Nebeneinader in der ersten Reihe. Auch in der Dosierung des Schmerzes grundverschieden. Daran war nichts zu ändern, auch wenn wir die Urnen gemeinsam trugen.

Brüder bleiben Brüder, wenn der Tod sie scheidet. Aus „habe“ wird „hatte“. Aus einem Band wird, was es vorher schon war: Erinnerung.

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Texte: Alle Rechte beim Autor
Bildmaterialien: Cover: freepik.com
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2012

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