Es war einmal ein Knopf. Ein Knopf, den ein alter Tischler aus einem kleinen Stückchen Holz gemacht hatte.
Es war ein hübscher Knopf. Er war rund und gelb mit einem Wirbel und bunten Strichen drauf.
Der Knopf steckte in einem kleinen Knopfladen auf einem weißen Kissen. Das war nahe beim Eingang, damit ihn jeder schon durch das Fenster sehen konnte.
Um ihn herum steckten noch viele andere Knöpfe. Rote, schwarze, grüne, graue, braune und noch viele mehr. Manche waren mit Stoff bezogen, andere aus Leder.
Aber obwohl da noch so viele andere Knöpfe steckten, war unser Knopf einsam und traurig. Er war einsam, weil er der einzige Knopf war, der so bunt aussah. Und er war traurig, weil die anderen Knöpfe ihn immerzu auslachten und ärgerten.
"Dich wird niemals jemand kaufen", sagten sie. "Du bist viel zu bunt. Niemand braucht einen Knopf an seiner Hose, der so bunt ist. Und niemand will einen Knopf an seiner Jacke haben, den es nur einmal gibt."
So ging das jeden Tag, wenn die Menschen kamen, um Knöpfe zu kaufen, aber keiner unseren bunten Knopf haben wollte. Der Knopf wurde immer trauriger.
"Ich kann doch nichts dafür, dass ich so bunt bin", dachte er. "Und warum gibt es mich nur einmal? Warum hat der Tischler nicht viele von meiner Sorte gemacht, damit ich auch gekauft werde?"
Jeden Tag steckte der Knopf auf seinem Kissen und hörte sich ganz still an, wie die anderen Knöpfe sich über ihn lustig machten. Alle Knöpfe taten das. Auch die, die neu dazu kamen, weil andere verkauft worden waren.
Irgendwann war der Knopf so traurig, dass er gar nicht merkte, wie eine Frau mit einem kleinen Mädchen in den Laden kam. Erst als das Mädchen genau vor dem weißen Kissen stehen blieb, bemerkte er es.
Es war die kleine Moni, die im Haus auf der anderen Straßenseite wohnte. Unser Knopf hatte sie schon oft durch das Fenster gesehen, wie sie mit ihren Freunden aus dem Kindergarten spielte.
Moni hatte zwei blonde Zöpfe und eine dunkelblaue Jacke. Viele Kinder hatten so eine Jacke. Der Knopf sah jeden Tag mehrere Kinder mit so einer Jacke an seinem Fenster vorbei gehen.
Aber ganz oben an Monis Jacke, fehlte ein Knopf. Das konnte der bunte Knopf ganz genau sehen, als sie vor ihm stand. Jetzt würde sie sich einen Knopf aussuchen, wusste unser Knopf. Bestimmt einen schwarzen, so wie die anderen Knöpfe an ihrer Jacke auch alle schwarz waren.
Und da hörte er auch schon Monis Mama, wie sie den Verkäufer nach einem kleinen, schwarzen Knopf fragte.
Traurig wandte er sich ab, als die anderen Knöpfe sich wieder über ihn lustig machten. Sie freuten sich, dass gleich einer von ihnen gekauft würde, er aber immer noch hier bleiben müsste.
Moni konnte die Knöpfe natürlich nicht hören, weil kein Mensch es hören kann, wenn Knöpfe miteinander reden. Aber sie schaute sich die Knöpfe auf dem Kissen alle ganz genau an.
"Diesen Knopf da will ich haben", sagte Moni dann. Unser Knopf schaute gar nicht, welchen Knopf sie meinte. Er wollte es nicht wissen, weil er dachte, es wäre sowieso ein schwarzer oder ein dunkelblauer.
"Aber Moni", sagte ihre Mama. "Der ist doch viel zu bunt für deine Jacke. Deine anderen Knöpfe sind doch auch alle schwarz."
Unser Knopf horchte auf. Bunt? Hatte sie gerade bunt gesagt? Der einzige bunte Knopf auf diesem Kissen war doch er.
Und wirklich: Als er Moni wieder ansah, zeigte sie mit dem Finger direkt auf ihn.
"Ich will trotzdem diesen Knopf. Dann muss ich meine Jacke im Kindergarten nicht mehr so lange suchen. Dann erkenne ich sie immer gleich an meinem Knopf.
"Monis Mama überlegte kurz und sagte dann: "Du hast recht, mein Schatz. Wir nehmen den bunten Knopf."
Der Knopf war ganz aufgeregt und freute sich riesig. Er konnte es gar nicht glauben, dass er ausgesucht worden war. Und die anderen Knöpfe waren auf einmal still. Sie wussten nichts zu sagen.
Moni nahm den bunten Knopf vom Kissen. Ihre Mama bezahlte ihn beim Verkäufer und der Verkäufer sagte zu Moni: "Du hast dir den richtigen Knopf ausgesucht."
Und mit dem Knopf zusammen gingen Moni und ihre Mama wieder aus dem Laden.
Zu Hause nähte die Mama den Knopf an Monis Jacke. Als Moni am nächsten Tag in den Kindergarten kam, bewunderten die anderen Kinder den schönen bunten Knopf ganz oben an ihrer Jacke. Und der Knopf war ganz stolz darauf, dass er nicht schwarz war, sondern bunt.
Und wenn Moni wieder einmal an dem Knopfladen vorbei ging, konnte unser Knopf durch das Fenster sehen, dass dort auf dem Kissen, wo einmal er gesteckt hatte, jetzt ein anderer Knopf ausgestellt war. Ein bunter Knopf aus Holz. Ein gelber mit einem Wirbel und bunten Strichen drauf. Ein Knopf, wie er es war.
Tag der Veröffentlichung: 21.08.2014
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