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Prolog

Ich stand im Hof der Burg. Vor mir sah ich eine alte Holztür. Ich wusste nicht, ob es sich immer noch um die selbe Tür handelte, die vor Jahrhunderten in dieses altertümliche Gemäuer eingebaut und jetzt restauriert worden war, oder ob man eine neue Tür auf alt getrimmt hatte, aber das war auch nicht von Bedeutung. Die Mauer um die Tür herum war grau, der Mörtel hier und da heraus gebröckelt und geflickt, aber das trübte nicht das Bild des Mittelalters. Mein Blick glitt an der Wand empor. Da, wo einst Schießscharten gewesen waren, hatte man die Öffnungen etwas erweitert und kleine Fenster eingebaut. Sie waren das einzige, das nicht ganz zum Bild der Vergangenheit passen wollte. Efeu kletterte an den Fugen hinauf und obgleich er die Atmosphäre in eine längst vergangene Zeit tauchte, wirkte er belebend, wenn der Wind leicht durch die Blätter fuhr und sich mit einem Rascheln zu erkennen gab. Ich musste lächeln und griff in die Tasche meiner Jeans.

Ich trat auf die Tür zu und steckte den kleinen Schlüssel in das für ihn viel zu groß wirkende Schloss. Ich drehte ihn herum und öffnete die Tür. Im Inneren des Turmes war fast nichts mehr von dem übrig, was er ursprünglich einmal verkörpert hatte. Die Wände waren nicht einmal mehr halb so dick wie sie zu der Zeit gewesen waren, in der man sie aufgebaut hatte, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie es zu schaffen gewesen war, so viel von ihnen abzutragen. Allerdings wäre es kaum möglich gewesen, das aus dem Turm zu machen, was er heute war, hätte man es nicht getan. Ich zog die Tür hinter mir zu und trat in die Mitte des Raumes, der nun vor mir lag. Jeweils eine schmale Treppe führte in den nächst höheren Stock und die Etage unter mir, eine kleine, offen stehende Tür in einen ebenso kleinen Raum, den man beim Umbau erst eingefügt hatte: Die Abstellkammer.

Hier, in diesem Turm, würde ich ab jetzt regelmäßig ein und aus gehen. Hier sollte, nein wollte, ich mir ein neues Leben aufbauen. Dies hier, war jetzt mein Zuhause. Und ich war erleichtert, dass zumindest ein schwieriger Abschnitt meines Lebens nun vollends hinter mir lag.

Ich hatte nie Tagebuch geführt oder sonst etwas notiert, das in meinem Leben geschah, doch in dem Moment, in dem ich das Appartement im ehemaligen Bergfrieds zum ersten Mal als tatsächlich meine Wohnung wahrnahm, wusste ich, dass ich meine Geschichte aufschreiben und erzählen würde. Irgendwann ...

 

Mein Name, ein Name, den ich noch nicht besonders lange hatte, als ich nach Bachberg kam, ist Fenna-Anessa König. Ich war damals neunzehn Jahre jung, etwa 1,70 m groß, hatte braunes, schulterlanges Haar und graue Augen, wovon das linke mich durch einen eisblauen Fleck in der Iris besonders kennzeichnete.

Ich war gerade in dieses kleine Dorf gezogen. Es gehört zum Landkreis Herbstburg-Fehlrast und umfasste bei meiner Ankunft eine Einwohnerzahl von 58 Personen. Es ist weniger ein Dorf als eine Siedlung. Das wirklich ungewöhnliche an Bachberg ist jedoch nicht die geringe Zahl an Einwohnern, sondern vielmehr die Tatsache, dass es in einer ehemaligen Burg errichtet wurde. Genau genommen gehört die Burg einem einzelnen, steinreichen Gutsherrn, der einen Großteil seines Vermögens in die Renovierung, beziehungsweise den Umbau derselben gesteckt hat und die Räumlichkeiten nun vermietet.

Das neue Bachberg gab es nun schon seit beinahe fünf Jahren. Die meisten Leute, die hier lebten, waren älter als 50. Ein paar Familien mit Kindern hatten sich ebenfalls hierher verirrt.

Ich war her gekommen, weil ich eine Aufgabe hatte. Eine Aufgabe, für die ich hatte sterben müssen …

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Tag der Veröffentlichung: 09.07.2014

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