Maris, in den besten Jahren, verheiratet, Hausfrau, jobt halbtags. Sie führt ein Leben, das andere Frauen sich vielleicht wünschen. Ihr Traum war das nie. Sie wollte die ganze Welt bereisen, viele Leute und Kulturen kennenlernen, so viele Sprachen wie möglich sprechen und erst sesshaft werden, wenn sie 60 oder so ist. Kinder wollte sie auch keine, die Verantwortung für ein anderes Leben zu übernehmen, davor schreckte sie zurück. Doch es kam alles ganz anders als gedacht. Und Maris fügte sich ihrem Schicksal.
Nun war sie hier und träumte nicht mehr viel von einem aufregendem Leben, das wichtigste waren ihre Kinder, dann ihr Mann und sie kam irgendwann später mit all ihren Bedürfnissen. Sie schaute sich die Ehen ihrer Freunde und Bekannten an, und da sah es ähnlich aus. Also dachte sie sich, abwarten, alles ganz normal, irgendwann bin ich wieder dran.
So lebte sie vor sich hin bis plötzlich jemand in ihr Leben rannte.
Sie saß mal wieder in ihrem Lieblingscafe, als sich plötzlich jemand mit den Worten: „ Entschuldige bitte, ich sehe dich hier öfters und wollte dir Gesellschaft leisten.“ zu ihr gesellte. „Mein Name ist William.“
Sie fühlte sich völlig überrumpelt, aber auch geschmeichelt. Der junge Mann, der jetzt neben ihr saß, war sehr attraktiv. Er war groß, mit schwarzen Haaren, die ihm ein bißchen wild ins Gesicht fielen.
„Wie heißt du?“ fragte William, der ein wenig irritiert durch ihr langes Schweigen war.
„Maris. Ich heiße Maris.“
„Störe ich dich? Soll ich wieder gehen?“ fragte er.
„Nein, du störst mich nicht. Ich bin es nur nicht gewohnt von fremden Männern angesprochen zu werden.“ Nun schaute er sie verwundert an, lächelte und sagte: „Kann ich dich auf einen Kaffee einladen?“ Sie schaute in ihre leere Tasse und sagte: „Ja gern. Bitte einen Milchkaffee.“
Dieser Mann brachte sie völlig durcheinander. Sie fragte sich, was er wohl von ihr wolle. Ihr Ehering an ihrer linken Hand war eigentlich nicht zu übersehen. Außerdem schätzte sie ihn auf höchstens 28 Jahre. Hatte er womöglich mit seinen Freunden irgendeine blöde Wette abgeschlossen? Sie schaute sich um, aber es war niemand weiter zu sehen. Was beabsichtigte er also?
Als hätte William ihre Gedanken gehört sagte er aufeinmal: „Ich habe dich schon oft hier gesehen. Und wenn ich ehrlich sein darf, finde ich dich sehr schön. Immer wenn du hier warst, hat mich das glücklich gemacht.“
Dieser Satz machte sie nur noch verwirrter. Versuchte dieser junge Kerl tatsächlich sie anzubaggern? Das konnte sie sich nicht vorstellen.
Mit großen Augen schaute sie ihn an und entgegnete: „Danke für dieses wirklich schöne Kompliment William. Aber ich möchte dir gleich sagen, ich bin verheiratet, wie man sieht.“ und dabei zeigte sie auf ihren Ring an ihrer linken Hand.
„Ausserdem habe ich zwei Kinder und bin bestimmt älter als du. Also was soll das?“
„Den Ring habe ich gesehen und deine Kinder auch, als ihr hier zusammen vor ein paar Tagen Kaffee getrunken habt.“ Er lächelte jetzt ein wenig so, als hätte sie ihn bei etwas ertappt.
„Also du weißt das alles und erzählst mir trotzdem diese Dinge? Um Klartext zu sprechen, du baggerst mich trotzdem an?“
William nickte und sah so aus, als wäre es nichts Ungewöhnliches, was er tat.
Sie schaute ihn an und konnte es gar nicht glauben. Warum hatte er sich ausgerechnet sie ausgesucht?
Als ihr Milchkaffee nun endlich kam, schaute sie sich noch einmal genauer im Cafe um, ob nicht doch irgenwo seine Freunde saßen. Aber es war immer noch niemand weiter da. Konnte er es tatsächlich ernst meinen? Sie mußte anfangen zu lachen. Ihr kam die ganze Situation ziemlich unwirklich vor.
„Wie alt bist du eigentlich?“ William schaute sie lächelnd an und sagte: „ 31, aber das Alter spielt keine Rolle. Es tut mir leid, wenn du dich wegen mir unwohl fühlst. Ich wollte dir nur sagen, daß ich dich sehr interessant finde und du mir gefällst.“ Mit diesen Worten stand er auf und wandte sich zum Gehen. Er drehte sich noch einmal um und fragte: „Sehe ich dich wieder?“ Sie schaute ihn an und hörte sich sagen: „ Ja, vielleicht treffen wir uns wieder einmal zufällig hier im Cafe.“ Er lächelte und ging. Sie sah ihm noch nach und stand auf, um ihre Rechnung zu begleichen, doch der Kellner sagte ihr, es sei alles schon beglichen. Kopfschüttelnd und innerlich total aufgekratzt und durcheinander verließ sie das Cafe.
Als sie zuhause ankam, war alles wie immer. Kinder, Haushalt, der alltägliche Wahnsinn eben.
Sie erzählte niemandem von ihrer Begegnung mit William, aber wenn sie an ihn dachte, hatte sie immer ein Lächeln auf den Lippen.
Vier Wochen später war sie wieder in der Stadt. Und nach einem kleinen Einkaufsbummel wollte sie sich wieder einen leckeren Milchkaffee in ihrem Lieblingscafe gönnen.
Als sie um die Ecke bog, war sie innerlich schon ein bißchen gespannt, ob sie William wieder treffen würde. Und tatsächlich, er saß dort wie bestellt, genau an dem Tisch, an dem sie beim ersten Mal gesessen hatten.
Lächelnd sah er sie an, als ob er sie erwartet hätte.
Sie war sich nicht sicher, sollte sie sich einfach zu ihm setzen oder vielleicht doch lieber an einen anderen Tisch? Aber schon war William aufgestanden und schob für sie den Stuhl zurück.
„Ich habe gehofft, dich heute hier zu sehen.“ sagte er. „Einen Milchkaffee?“
„Ja gern.“ Er ging hinein und diesmal betrachtete sie ihn genauer.
Er war schlank, hatte einen knackigen Po und war, wie sie fand, sehr sexy. Aber am meisten gefiel ihr sein Lächeln. Sie konnte nicht umhin zuzugeben, dass er genau ihr Typ war.
Nach ein paar Minuten kam William wieder zurück an den Tisch mit einem großen Tasse schaumigen Milchkaffee in seinen Händen. Er setzte sich ihr gegenüber und schaute sie an.
Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, sie war von ihm beeindruckt, von seinem Auftreten, seiner Natürlichkeit.
„Wir haben uns lang nicht gesehen. Hast du Zeit? Wollen wir etwas zusammen unternehmen?“
Mit einem komischen Gefühl im Magen antwortete sie: „Ich muß erst nach Hause. Aber vielleicht heute Abend?“
„Kino?“ fragte er. „Treffen wir uns um neun hier?“ Sie nickte. Damit war alles klar. Er sah ihr direkt in die Augen und verabschiedete sich von ihr.
Sie war fassungslos. Was war das jetzt wieder? Eine Verabredung zum One-night-stand? Was hatte sie sich dabei bloß wieder gedacht?
Sie fuhr nach Hause, bereitete das Abendessen zu, telefnierte mit ihren Kindern und sagte ihrem Mann, dass sie noch weggehen würde. Er wollte wissen wohin, ins Kino. Ich möchte mir mal wieder einen Film ansehen. Nun hatte sie ihn nicht einmal angelogen. Es war alles viel leichter, als sie es sich vorgestellt hatte.
Sie fuhr in die Stadt und traf sich mit William vor dem Cafe. Gemeinsam fuhren sie mit einem Taxi zum Kino. Es erschien ihr alles immer noch völlig unwirklich. So war sie doch nicht. Hatte sie jetzt schon ihren Mann betrogen? Es war doch noch nichts passiert. Was war schon dabei mit einem anderen Mann ins Kino zu gehen? Sie wollte ihn nur kennenlernen, zumal sie sich im Klaren darüber war, dass sie keinen Liebhaber bräuchte, sondern nur einen Freund. Einen, bei dem sie sich mal anlehnen kann, wenn sie wieder mal alles hinschmeißen wollte.
William war anders als ihr Mann. Er erschien ihr viel gefühlvoller und auch sensibler. Er sprach über seine Gefühle ganz offen. Er versuchte sie auch nicht einzuwickeln um sie schnell ins Bett zu kriegen. Irgendwie kam es ihr so vor, als würde er sie so gut verstehen, weil es ihm ähnlich erging. War es wirklich Zufall, dass sie sich getroffen hatten? Ihr wurde durch William bewußt, wie unglücklich sie eigentlich war, wie unzufrieden mit ihrem Leben. Es war nur ein kurzer Augenblick, den dieser Gedanke dauerte, denn dann fing der Film an. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und er küßte ihr Haar. Alles war sehr vertraut für Maris. Als würden sie sich schon lange kennen.
Nach dem Film setzten sie sich auf eine Bank im Stadtpark. Es war dunkel, die Sterne leuchteten am Himmel und der Mond war wunderschön. Sie saßen einfach nur da, er erzählte von seinem Leben und sie ihm von ihrem. Es waren zwei völlig verschiedene Lebensläufe, aber sie konnten sich im Leben des anderen wiederfinden. Ein eigenartiges Gefühl.
Als Maris am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich so leicht und unbeschwert wie seit Jahren nicht mehr. Sie hatte sich auf etwas eingelassen das ihr einerseits unheimlich war, andererseits aber zu verlockend war, um es zu ignorieren. „Du bist in jeder Sekunde in meinem Kopf“ hatte er ihr gesagt. Aber war er auch nur in ihrem Kopf oder schon in ihrem Herzen? Sie kannte sich nur zu gut, um zu wissen, dass es nicht mehr lange dauern konnte, und sie sich gegen alle ihre guten Vorsätze in ihn verliebte.
Sie dachte an die Konsequenzen, die sie dann ziehen müsste. Scheidung oder Affaire? Wahrheit oder Lügen? Das lag alles ganz allein in ihrer Hand. Wollte sie ihr ganzes Leben aufgeben, für ein bißchen Romantik und eine kleine Verliebtheit? Oder wollte sie Beides haben, eine Ehe und einen Liebhaber? Allerdings bedeutete das, gegen ihre Prinzipien, die sie nun mal hatte, zu verstoßen. Sie war nicht der Typ für aalglatte und eiskalte Lügen, nur um ein nettes Schäferstündchen haben zu können. Ausserdem wollte sie sich auch nicht heimlich mit ihm treffen, sie wollte ihn genießen, ganz offen für alle sichtbar. Doch das hieß eben, ihr altes Leben ganz offiziell zu beenden und einen Neustart zu wagen. Sie dachte,wenn es ihre Kinder nicht gäbe, wäre sie schon vor längerer Zeit gegangen. Doch die Kinder waren jetzt aus dem Haus und führten mehr oder weniger ihr eigenes Leben. Nur ihre Ehe war längst leidenschaftslos geworden, das brachten die vielen gemeinsamen Jahre wohl so mit sich. Oder hatte sie sie leidenschaftslos werden lassen?
Sollte sie statt eine Affäre zu beginnen, lieber mit ihrem Mann reden und eine Eheberatung aufsuchen? Das wäre längst nicht so aufregend. Konnte und wollte sie William einfach so wieder aufgeben? War da nicht schon zu viel Verbindung zwischen ihm und ihr? Oder bildete sie sich das bloß ein?
Sie fuhr zum Cafe und suchte nach William. Aber wie konnte sie nur so sicher sein, dass er dort sein würde? Sie hatte nur so ein Gefühl. Wo sollte sie ihn auch anders suchen? Sie hatte keine Ahnung, wo er wohnte und seine Telefonnummer hatte sie auch nicht.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl ging sie in das Cafe. Was sollte sie ihm sagen? Weshalb war sie eigentlich hergekommen? Suchenden Blickes ging sie in das Cafe. Aber William war nicht dort. Etwas traurig verließ sie nach einem Milchkaffee das Cafe wieder. Sie war in Gedanken versunken, als ihr plötzlich jemand auf die Schulter fasste. Es war William und ihr Herz machte einen Freudensprung.
Sie ließ sich nichts anmerken, cool bleiben hieß die Devise.
„ Ich muß mit dir sprechen.“, sagte Maris. „ Wieso ich? Weshalb hast du dir mich ausgesucht? Was genau willst du von mir? Einen One-Night-Stand, eine Affaire, eine Beziehung? Soll ich alles für dich aufgeben oder teilst du mich mit meinem „normalen“ Leben ? Du bist so jung. Warum suchst du dir keine hübsche, junge und knackige Frau? Willst du keine eigene Familie gründen?“
William sah sie verdutzt an, viel zu viele Fragen aufeinmal. „ Ich will mein Leben genießen und du hast mir vom ersten Moment an gefallen. Man kann sich nicht aussuchen, für wen man was fühlt. Eine junge hübsche Frau? Nein, sowas will ich nicht, mit so einer kann ich nichts anfangen. Ich will eine reife hübsche Frau, die weiß, was sie will.“ Und wieder dieses gewisse Lächeln auf seinen Lippen, unwiderstehlich.
„ Los. Lass uns ins Auto steigen und wegfahren. Egal wohin, egal wie lange. Laß es uns einfach genießen.“
Maris hatte tausend gute Gründe gegen diesen Vorschlag und auch genauso viele dafür.
„Du kennst mich gar nicht Will. Ich bin zwar eine reifere Frau, aber ich weiß trotzdem nicht, was ich will. Sonst wäre ich nicht hier. Ich hätte mich gar nicht auf dich eingelassen, weil ich mich schon vor langer Zeit entschieden habe. Schließlich heiratet man nicht aus Langeweile. Du bist einfach ohne Vorwarnung in mein Leben gerannt und hast meine Gefühe total durcheinander gebracht. Und nun weiß ich nicht, was ich tun möchte.“
„Tu was du willst. Alles liegt in deinen Händen.“
Na, das war genau die Antwort, die Maris nicht gebrauchen konnte. Als würde es das alles irgendwie einfacher machen.
Sie küsste ihn zum Abschied und ging. Sie fuhr nach Hause, es wurde ein sehr langes Gespräch zwischen ihr und ihrem Mann. Letztendlich packte sie ihre Sachen und ging. Sie war nun bereit, ihr eigenes Leben zu führen. Irgendwann würde sie schon denjenigen finden, den sie suchte.
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2010
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