War ich sechzehn, jünger oder älter? Ich hatte keine Ahnung. Meine Mutter war nie da gewesen. Ich lebte immer bei diesen Männern. Sie schlugen mich immer, ihre Bedürfnisse befriedigten sie an mir. Mit zehn war ich hier her gekommen. Davor lebte ich bei meiner Tante. Aber sie war Tod und ich hier, in einem fremden Land. Deutschland war das fremde Land. Ich kam ursprünglich aus London. Doch Deutsch sprach ich sehr gut. Ich hatte den Männern zugehört, gelernt was sie sagten, die Bedeutung des Wortes gelernt. Ihnen zeigte ich es jedoch nicht, sie sollten denken ich verstehe sie nicht. Seit drei Tagen waren sie nicht mehr bei mir. Seit drei Tagen war ich in einem dunklen Zimmer eingesperrt. Das Tageslicht drang nicht durch. Es gab Fenster, kleine, wenige. Doch sie waren verdunkelt, man sah nicht einmal die Hand vor Augen. Es machte mir Angst hier alleine zu sein. Ich war es nicht gewohnt. Plötzlich, ein helles Licht. Es war auf meinen Oberkörper geworfen. Jemand hielt etwas, was Leuchtete. Es kam näher und ich erkannte eine Person. Es war ein Mann. Aber nicht einer der Männer die ich kannte. Es war ein unbekannter. Er ging vor mir in die Hocke: „ Das ist aber kein Ort um sich zu verstecken.“. Verstecken? Wieso sollte ich mich verstecken? Eine zweite Person betrat den Raum, sie war wesentlich kleiner: „ Ken, was machst du denn da?“. „ Hier hat sich ein Mädchen versteckt!“, antwortete der Mann vor mir. Die kleinere Gestalt nährte sich mir: „ Wie heißt du?“. Es war eine Frau. Seit Jahren sah ich wieder einmal eine Frau. Wo waren die Männer, die mich immer schlugen? Waren sie Tod? Was war das hier, das die beiden Menschen hier rein konnten? Die Frau hockte sich ebenfalls vor mich. Ihre Hand berührte meine Wange: „ Du bist dünn.“. Dünn? Dieses Wort hatte ich noch nie gehört. Der Mann leuchtete mit seiner Taschenlampe in mein Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen und er nahm sie wieder runter: „ Jana ruf mal lieber die Polizei.“. Police! Die Frau zog etwas aus ihrer Jackentasche. Es war klein und leuchtete in der Dunkelheit. Sie drückte auf Tasten rum und hielt sich das Ding ans Ohr. Es war ein tragbares Telefon! Handy, ich wusste das Wort dafür, als ich klein war habe ich auch so eines gehabt, meines sah nur dicker und größer aus. „ Jansen, mein Mann und ich sind hier in der verfallenden Kapelle am Ohlsdorfer Friedhof. Ein Mädchen war in ihr eingeschlossen, ich glaube sie versteht uns nicht.“. Sie wartete kurz, nickte einmal und sah zu ihrem Mann. Er sah sie erwartungsvoll an, dann nickte sie wieder: „ Sollen wir sie drinnen lassen oder raus bringen?“. Dann nickte sie wieder und legte auf: „ Sie schicken jemanden vorbei. Der Mann nickte: „ Sollen wir sie rausbringen?“. Die Frau schüttelte den Kopf: „ Wir sollen aber raus, wenn sie raus will, wird sie uns folgen.“. Der Mann nickte und erhob sich. Die Frau tat das gleiche. Das Licht war weg. Ich saß wieder in der Dunkelheit fest. Police, warum hatten sie sie gerufen wenn sie mich doch hier drin ließen? Zeit verging. Nichts regte sich. Doch plötzlich war wieder ein Licht auf meinen Brustkorb gerichtet. Eine Frau nährte sich mir. Ihre Haare gingen ihr bis zur Schulter, außerdem waren sie blond. Ihre Augen waren grün. Sie ging vor mir in die Hocke: „ Sprichst du Deutsch?“. Da ich es zwar konnte, jedoch nicht wollte, antwortete ich nicht. Die Frau nahm meinen Arm und zog mich sanft hoch. Mit einer Hand stützte sie mich, mit der anderen leuchtete sie den Weg vor uns. Vor dem Gebäude kniff ich die Augen zusammen. Ich wollte wieder hinein, in die Dunkelheit. Die Frau führte mich und setzte mich auf etwas Weiches. Eine Männerstimme fragte leise: „ Kann sie uns verstehen?“. Die Frau legte etwas um mich: „ Ich glaube nicht.“. Langsam gewöhnte ich mich an das Licht und öffnete meine Augen. Der Mann stand weiter weg und unterhielt sich mit der Frau und dem Mann, die mich gefunden hatten. Ich sah zu der Frau. Sie sah mich an. Ihre Uniform die sie trug, war blau, in einer silbernen Großschrift stand “POLIZEI“ darauf. Auf der linken Brustseite stand ein Nachname geschrieben: Sessner. Ich sah zu dem Mann. Doch was auf seinem Namensschild stand, konnte ich nicht lesen, da er mit dem Rücken zu mir stand. Ich sah ihn lange Zeit an. Er trug die gleiche Uniform, seine Haare waren sehr kurz und braun. Langsam drehte er sich zu uns um und ich sah in sein Gesicht. Seine Augen waren braun. Die Frau sah kurz zu ihm, dann wieder zu mir: „ Do you speek english?“. Ich nickte, sie lächelte. Es war ein zufriedenes und glückliches Lächeln. „ What´s your name?“. Doch ich wollte ihr meinen Namen nicht sagen. Ich konnte nicht sicher gehen ob sie mich freundlich behandeln würde. Und wenn schon, die Männer wussten meinen Namen auch nicht und haben mir weh getan. Die Frau seufzte und sah zu dem Mann: „ Kommst du?“. Er nickte und kam zu uns. Sein Blick traf meinen. Er kniff die Augen zusammen und lockerte sie wieder: „ Moment, dich kenne ich.“. Die Frau hielt beim aufstehen inne: „ Du kennst sie?“. Der Mann nickte: „ Ja, sogar gut.“. Er kam mir näher. Ich wollte aufstehen und weglaufen, doch die Frau stand vor mir. Die Frau zögerte: „ Woher kennst du sie?“. Der Mann sah mich kurze Zeit an, er schien seine Stimme zu suchen, dann schien er sie gefunden zu haben: „ Nun ihr Name ist Ginny Evens.“. Evens. Der Name stand auf seiner Uniform. Die Frau sah zu mir: „ Evens?“. Der Mann kam nähr: „ Ich glaube sie erinnert sich nicht mehr, aber ich umso besser.“. „ Und wie das?“, fragte die Frau. Der Mann ging vor mir in die Hocke: „ Wo ist Chiara?“. Meine…woher kannte er den Namen meiner Tante, wenn er nicht… Konnte es möglich sein? Er sah ihr und meiner Tante ähnlich. Der Bruder von meiner Mum und meiner Tante. Ich kannte ihn nur von Bildern und hatte ihn einmal an Weihnachten gesehen, aber das war Jahre her. Da war er Mitte zwanzig gewesen, jetzt musste er Anfang, Mitte dreißig sein. Damals hatte er noch seine Jungenhafte Locke im Gesicht hängen, aber jetzt, jetzt nicht mehr. Er berührte mein Knie: „ Ginny, where is Chiara?“. Tod. Ich wollte es sagen, doch konnte nicht. Es fühlte sich an als wäre es mir nicht erlaubt. Es war komisch ihn zu sehen, eine Vertraute Person. Ich lehnte mich vor. Sofort kippte mein Oberkörper gegen seinen und er strich mir über den Rücken: „ Ich glaube wir sollten fahren.“. Die Frau nickte: „ Habe ich schon gesagt.“. Der Mann, Onkel Jeremy, setzte mich in den Wagen hinein und stieg auf der anderen Seite ein. Ich lehnte mich an ihn. Die Frau stieg in den Wagen ein und fuhr an. Jeremy sah stramm nach vorn, auf die Straße. Ich tat das gleiche. Jeremy zu treffen war komisch. Ja ich wusste, dass es ihn gab, aber dass er in Deutschland arbeitete. Chiara hatte mir immer erzählt, dass er in Schottland lebte, aber das war dann wohl eine Lüge. Was in meinem Leben war eigentlich keine Lüge? Es fing doch mit meiner Entführung an und wo würde es enden? Der Wagen bog von einer Hauptstraße in eine andere ein. Die Straßen waren ziemlich leer für Hauptstraßen und ich war mir nicht mehr sicher, dass es welche waren. Die Frau bog links ab, in eine nicht so viel befahrene Straße. Dort fuhr sie vor einer Bushaltestelle auf eine Auffahrt. Ich spürte wie Jeremy den Gurt löste und sich von mir löste. Dann war die Frau schon auf meiner Seite und öffnete die Tür. Jeremy sah sie kurz an, sie nickte und er half mir aus dem Wagen. Jeremy legte seinen Arm um mich und führte mich zu einer Tür, die die Frau aufhielt. Sie betrat einen Flur vor uns. Links an der Wand hing eine Karte. Ein Teil, der in der Mitte, war mit Farben hervorgehoben. Der Äußere Rand war ein wenig vernebelt dargestellt. Ich sah nach vorne. Es war eine Schwingtür hinter einem Tresen. Ein Mann stand dort und unterhielt sich mit einer älteren Dame. Er sah nicht zu uns, als wir links um die Ecke gingen und einen Raum betraten. Dort sahen jedoch zwei Männer auf. Eine andere Frau saß in der Mitte der beiden. Sie hatte braunes bis schwarzes Haar. Es war zu einem Zopf gebunden. Ihre Augen waren dunkel. Jeremy sah zu der Frau: „ Und, ist er nüchtern?“. Sie schüttelte den Kopf und deutete auf mich: „ Ist sie das?“. Er nickte: „ Ich bring sie nach hinten.“. Der Mann, der von mir aus rechts saß, sah mich an: „ Wie heißt sie.“. Jeremy sah zu mir: „ Ginny.“. „ Klingt nicht Deutsch, versteht sie uns wirklich nicht?“, es war der linke Mann der dies fragte. Jeremy zuckte die Schultern: „ Ich wüsste nicht, dass sie London verlassen hätte.“. Fragend sah die Frau in der Mitte ihn an: „ Ähm…wieso bist du dir da so sicher?“. Die blonde Frau lächelte: „ Er hat jemanden gefunden den er kennt.“. „ Nichte“, verbesserte Jeremy sie. Jetzt starrte sie ihn an: „ Nichte?“. Jeremy lächelte verlegen: „ Ja, ich denke schon.“. Bevor noch jemand etwas fragen konnte, schob er mich aus dem Raum zurück auf den Flur. Wir gingen den Flur zurück und durch eine Glastür. Wir gingen an einem Büro vorbei, an einer Tür die leer schien und hinein in ein Zimmer. Ein Polizist sah auf: „ Jeremy und wen hast du mitgebracht?“. Jeremy schüttelte den Kopf und setzte sich auf einen Stuhl. Ich setzte mich auf einen neben ihn. Seine Hand fuhr zu einem Korb mit Brötchen. Er nahm eins raus und nahm ein Messer. Ich zuckte zusammen, meine Augen vergrößerten sich rasch. Jeremy legte das Messer sofort weg und gab mir das Brötchen. Ich drehte es hin und her. Jeremy nahm meine Hand, führte sie zum Brötchen und riss etwas davon ab. Langsam steckte ich es mir in den Mund. Weich. Warm. Es war beides zugleich. Brötchen die ich bekommen hatte, wenn ich dann welche bekam, waren hart und ungenießbar gewesen. „ Do you like that?“, fragte er leise. Ich sah ihn an und legte das Brötchen weg. Der andere Polizist sah mich überrascht an: „ Ist sie das Mädchen aus der Kapelle?“. Jeremy nickte: „ Ja, das ist sie.“. Er streckte seine Hand zu dem Brötchen aus: „ You can eat that.“. „ Kann sie kein Deutsch?“, fragte der andere Polizist weiter. Jeremy beobachtete mich: „ Wir brauchen einen Psychologen.“. Der Polizist zog die Augenbraunen hoch: „ Ähm…wenn sie da eingesperrt ist, wundert es mich nicht, dass sie verstört ist.“. Doch Jeremy schüttelte den Kopf: „ Ginny, verstehst du mich?“. Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite und spannte mich an. Jeremy bemerkte diese Bewegung: „ Gut, seit wann bist du hier Ginny, was ist mit Chiara?“. Mein Herz raste. Er war ihre Schwester! Aber ich…nein, kein Deutsch! Aber er wusste, dass ich es beherrsche. Jeremy nahm meinen Arm und schob den Ärmel hoch. Narben, tiefe Narben zogen sich über den ganzen Arm. Er sah sich den anderen Arm an, dort war das gleiche Chaos aus weißen Strichen. Jeremy sah mich wieder an: „ Warst du das?“. Ich nickte. Jeremy seufzte: „ Wann?“. „ She dies“, wimmerte ich. Jeremy viel gegen den Stuhl, seine Lippen formten den Namen, seine Stimmbänder sagten ihn: „ Chiara.“. Ich nickte. Jeremy schob die Ärmel wieder hinunter: „ Ginny, wie lange bist du hier?“. Mein Blick ging zum Polizisten, doch der sah auf den Fernseher der lief. „ Sechs, sieben Jahre?“, flüsterte ich. Jeremy sah mich schockiert an, dann nickte er: „ Du weist nicht wie alt du bist?“. Ich schüttelte den Kopf. Seine Hand berührte meine Wange: „ Ginny, du bist fünfzehn.“. Also fünfzehn. Fünf Jahre war ich bei den Männern gewesen. Jeremy sah zu dem Polizisten:
„ Joel, kannst du…kannst du Bescheid sagen, dass wir einen Psychologen brauchen, möglichst eine Frau?“. Er stand sofort auf und verließ den Raum. Die Frau die mit im Wagen war, kam ein paar Minuten später zu uns rein: „ Sie rät für´s erste, dass kein Mann sich bei ihr aufhält, auch du nicht Jeremy.“. Jeremy sah mich an: „ Die Frau, das ist Nicole, du kannst ihr Vertrauen, sprich mit ihr.“. Er erhob sich, Nicole nickte ihm leicht zu, dann verschwand er aus dem Zimmer. Nicole setzte sich auf den Stuhl, auf dem Jeremy noch gesessen hatte und sah mich an: „ Also, Hunger hast du nicht, willst du was spielen?“. Ich sprang auf und lief in eine Ecke. Dort kauerte ich mich zusammen. Nicole blieb an dem Platz sitzen und sah mich nicht an. Spielen, ich kenne das spielen! Mich ausziehen! Nicoles Stimme war weicher als eine Wolke als sie sprach: „ Ginny, komm mal her, ich will dir nichts tun.“. Unsicher und nach fast einer Stunde machte ich einen Schritt nach vorne. Ich krabbelte. Wie ein Baby krabbelte ich. Aber es war mir egal was man über mich sagte. Erst als ich am Stuhl von ihr war, setzte ich mich auf den Boden. Nicole tat gar nichts. Sie saß auf dem Stuhl, ihr Blick nach vorn gerichtet. Meine Hand berührte ihren Gürtel. Ich zog etwas kleines Schmales und längliches heraus. Ich drückte auf einen Knopf. Sofort kniff ich die Augen zusammen und richtete das längliche Etwas auf Nicoles Hose. Es war eine Taschenlampe. Die Taschenlampe, mit der sie mich angeleuchtet hatte. Wieder drückte ich auf den Knopf und das Licht ging aus. Nicole nahm die Taschenlampe mir ab und sah mich mit ihren ruhigen Augen an. Mein Blick viel auf etwas anderes. Etwas was ich kannte, womit man auf mich gezielt hatte, geschossen hatte. Nicole folgte meinem Blick und sagte leise: „ Die ist da um dich zu beschützen Ginny.“. Meine Hand fuhr zu meiner Wade. Nicole setzte sich langsam auf den Boden und schob meine Jeans hoch. Dort prangte eine Wunde. Nicole sah mich an: „ Ginny, wer war das?“. Mein Blick ging in ihre Augen. Sie zog vorsichtig ihr Handy aus ihrer Tasche und hielt es sich an ihr Ohr: „ Wir bräuchten einen Arzt, Ginny hat eine Schusswunde an der linken Wade.“. Dann legte sie auf und gab mir das Handy: „ Kennst du das?“. Ich nahm es entgegen. Ja ich kannte es, aber es waren komische Optionen die das Handy aufwies. Nicole drückte auf zwei Tasten, dann drückte sich auf einen Knopf ganz oben links auf dem Handy und ein leiser Ton startete. Ich wollte zum grünen Höherer gehen, aber sie hielt meine Hand sanft auf: „ Das ist Musik auf dem Handy.“. Musik…auf einem Handy? Es gab immer nur Klingeltöne, aber Musik…Musik die in einem Radio lief, die man auf Kassette oder CD hören konnte? Nicole sah zu wie ich vorsichtig ein Lied nach dem anderen Abspielte. Die Tür des Zimmers wurde geöffnet. Ich ließ das Handy fallen. Nicole fing es leicht auf und drehte ihren Kopf. Jeremy stand da und sah zu uns: „ Die Psychologin braucht noch, aber der Notarzt ist da.“. „ Die wollen sie mitnehmen?“, fragte Nicole. Jeremy nickte: „ Man will sie genau untersuchen.“. Nicole sah mich an. Ich hatte kaum ein Wort verstanden. Sie nahm meine Hand und zog mich hoch. Jeremy sah mir in die Augen, dann wieder weg. Eine Frau in einer weißen Hose und einer roten Jacke sah mich an: „ Ist sie das?“. Jeremy nickte: „ Würden Sie mich am Laufenden lassen?“. Sie nickte: „ Natürlich.“. Die Frau nahm meine Hand. Nicole ließ meine los. Ich griff nach ihrer Hand. Sie nahm sie auf und ging vor mir in die Hocke: „ Ich komm dich mit Jeremy besuchen.“. Mein Blick ging zu meinem Onkel. Er nickte: „ In the afternoon!“, sagte er. Dann ging ich mit der Frau in rot und weiß mit. Sie führte mich zu einem großen orangefarbenen Wagen. Das Wort was darauf stand, kannte ich nicht. Ein Telefonhörer war dort noch abgebildet und die Zahlen 112. Ich spürte wie die Frau ihren Griff um meine Hand verstärkte und blieb stehen. Wozu wollte sie mich zwingen? Sie drehte sich zu mir um und sagte leise: „ Du brauchst keine Angst zu haben.“. Unsicher entzog ich meine Hand aus ihrer. Sie seufzte und ging in die Hocke: „ Soll jemand mitkommen?“. Ich sah sie fragend an, sie deutete auf das Gebäude aus dem wir gerade erst kamen, dann auf den großen Wagen. Ich nickte, sie sah zu einem Mann, der aus dem Wagen kam: „ Frag mal drinnen nach ob einer von den beiden Polizisten mitkommen kann.“. „ Wieso?“, fragte der Mann. Die Frau seufzte: „ Tu es bitte!“. Der Mann verschwand. Die Frau nahm meine Hand und strich darüber. Kurze Zeit später kam Nicole raus. Sie sah zu mir: „ Warum geht sie nicht alleine mit?“. Die Frau in weiß stand auf: „ Keine Ahnung. Obwohl ich glaube sie hat Angst alleine.“. Nicole sah zu mir. Ich sah sie an. Ihr huschte ein Lächeln über die Lippen: „ Na komm.“. Sie nahm meine Hand und führte mich in den Wagen hinein. Die Frau in weiß kam hinzu. Der Mann, er trug eine weiße Hose und ein weißes Oberteil, schloss zwei Flügeltüren. Ich umklammerte Nicoles Hand verängstigt. Sie drückte sie leicht und sah zu der Frau. Vorsichtig schob sie meine Hose hoch: „ Die ist frisch.“. Nicole nickte: „ Wie lange könnte das her sein?“. Die Frau überlegte kurz: „ Vielleicht zwölf Stunden, mehr nicht.“. Da ich auf einer Liege lag, nahm die Frau etwas hinter mir hervor und legte es über meine Schultern. Bevor ich etwas machen konnte, war ein Gurt über mir und drückte gegen meine Brust. Ich wehrte mich nach Leibeskräften gegen den Gurt. Nicole nahm meine Hand: „ Ginny, it´s all right, it´s okay!“. Mein Herz raste. Ich sah sie ängstlich an. Sie lächelte leicht. Ihre Hand fuhr durch mein Haar. Die andere Frau nahm vorsichtig meine Hand. Ich drehte meinen Kopf ruckartig. Sie hielt eine Nadel in der Hand. Ich riss meine Hand aus ihrer. Nicole handelte schnell. Sie nahm meine linke Hand und führte sie zu der Frau. Dabei ließ sie meine andere Hand los und drehte mein Gesicht zu sich: „ She wants to help you!“. Ich will sie nicht. Schrie es in meinem Kopf. Nicole strich mir über meine Wange: „ It´s all okay.“. Plötzlich war ein stechender Schmerz da. Ich versuchte meinen Kopf zu drehen, aber Nicole zog ihn an ihre Schulter: „ Don´t watch Ginny.“. Ich schloss meine Augen und rührte mich nicht. Es wurde plötzlich kalt in meinem Arm. Erst jetzt ließ Nicole mich meinen Kopf drehen. Die Frau in weiß lächelte mir leicht zu. An meiner Hand war etwas in meiner Haut. Ein Pflaster hinderte es daran rauszufallen. Ein Schlauch führte von dem Etwas weg. Der Wagen fuhr an. Meine Hand umschloss die von Nicole erneut und fester. Sie drückte sie leicht und sah zu der anderen Frau: „ Wie ernst ist es?“. „ Es sieht noch gut aus, die Kugel ist draußen.“. Nicole seufzte und lächelte mich wieder an.
Ich lag in einem Bett. Nicole war nicht da. Ich fühlte mich alleine. Ein Gerät piepte immer wieder leise vor sich hin. Ich drehte mich auf die Seite und sah aus dem Fenster. Die Sonne ging unter. Sie wollten kommen, sie wollten am Nachmittag hier sein. Es war jetzt schon sechs Uhr, abends, und sie waren immer noch nicht hier. Keiner kam zu mir rein. Ich sah was für ein reger Betrieb auf dem Flur herrschte, jedoch kam niemand rein. Dann öffnete sich die Tür nach Stunden endlich. Ich drehte mich um. Ein junger Mann kam hinein. Jeremy! Ich setzte mich hin. Er schloss die Tür leise und lächelte mich an. Dann kam er langsam zu mir. In beiden Händen hielt er eine Tasche. Eine war flach und länglich, die andere eine große Sporttasche. Ich streckte meine Hände nach ihm aus. Er legte beide Tasche auf das Bett und nahm mich in Arm: „ Na du.“. Zum zweiten Mal öffnete sich die Tür und eine junge unbekannte Frau betrat den Raum: „ Herr Evens?“. Jeremy ließ mich los und nickte: „ Richtig.“. Die Frau schloss die Tür und nährte sich uns. Sie zog einen Stuhl ans Bett und gab Jeremy die Hand: „ Anna, ich bin die Psychologin.“. Jeremy nickte: „ Gut das Sie doch noch kommen konnten.“. Anna sah zu mir. Ich erwiderte ihren Blick schüchtern und zurückhaltend. Jeremy sah Anna genau an: „ Was werden Sie machen?“. Anna nickte mir leicht zu und wandte sich an Jeremy: „ Ihre Nichte wurde festgehalten, richtig?“. Jeremy nickte: „ Ich vermute sechs oder sieben Jahre.“. Anna sah besorgt zu mir, dann wieder zu Jeremy: „ Ich werde sie nicht in eine geschlossene Klinik einweisen, weil ich sehe, dass Ginny Vertrauen zu Ihnen aufgebaut hat. Ich werde mich viel mit ihr beschäftigen damit sie über das was passiert ist, hinwegsehen kann.“. Jeremy sah mich beunruhigt an: „ Wie lange wird das dauern?“. Anna sah ebenfalls wieder zu mir: „ Ich denke ein paar Monate, jedoch möchte ich, dass sie in meiner Behandlung bleibt um mögliche Rückfälle zu verhindern.“. Jeremy sah mich an: „ Du hast uns verstanden?“. Anna sah wieder zu Jeremy: „ Das ist das nächste, Ginny versteht uns Herr Evens, wenn wir in ihrer Gegenwart reden, müssen wir aufpassen. Eine Reaktion hatte mir Frau Sessner schon erzählt, bezüglich des Spielens.“. Ich sah ängstlich zu Jeremy, er erwiderte meinen Blick jedoch nicht: „ Sie meinen nicht…das kann nicht…oder doch?“. Anna nickte betrübt: „ Ich würde sagen ja, die Ärztin hat es uns auch bestätigt.“. Jeremy sah besorgt zu mir: „ Konnte dies der Anlass für…ihre Arme sein?“. „ Ich denke hauptsächlich, aber auch der Tod Ihrer Schwester Herr Evens spielt eine Rolle, deswegen muss ich mich ausgiebig mit Ihrer Nichte beschäftigen um alles Vergangene zu verstehen.“. „ Wann wollen Sie anfangen?“. Anna sah zu mir: „ Am besten sofort.“. Jeremy nickte: „ Ist in Ordnung.“. Anna sah zu der Tasche, die auf meinem Bett lag: „ Ist darin ein Notebook?“. Jeremy sah zu der Tasche und nickte. Anna lächelte: „ Gut, darf ich mal?“. Jeremy packte etwas Großes aus und übergab es Anna. Sie drückte auf einen Knopf und der Bildschirm flackerte. Sofort erschien ein Bild. Windows XPTM Jeremy drückte auf den Tasten mit verschiedenen Buchstaben rum und ein Bild erschien. Chiara. Sie war darauf abgebildet, mit meiner Mum und ihm. Kleine Buttons waren auf dem Bildschirm zu sehen. Die Frau fuhr mit ihrem rechten Zeigefinger über ein schwarzes Feld und öffnete ein Fenster. „ Herr Evens, ich habe Sie darum gebeten den mitzubringen, weil Ginny auf dieses Notebook ständigen Zugang hat, bei meinem nicht. Ich will ihr hauptsächlich das richtige spielen von Spielen beibringen.“. Meine Augen wurden wässrig und ich klammerte mich an Jeremy fest. Er legte seinen Arm um mich und strich mir vorsichtig über den Arm. Ein paar stumme Tränen liefen an meinem Gesicht hinunter. Anna nahm den Kasten in die Hände und stellte ihn auf meine Oberschenkel. Jeremy machte die Lehne des Bettes hoch. Ich sah zu Anna. Sie nahm meine rechte Hand und legte sie auf das schwarze Feld. Sie nahm meinen Zeigefinger und fuhr über das Feld. Das was sie geöffnet hatte, war ein Spiel aus Karten. Mein Blick ging über den gesamten Bildschirm. Spidersolitär stand in einer Ecke geschrieben. Jeremy beobachtete mich. Anna fing an mir das zu erklären, was ich machen musste: „ Mach einfach die Zahlen von zwei bis Zehn aufeinander und das J, das ist ein Bube, das Q die Dame und das K der König. Zuerst kommt der König, dann legst du auf ihn die Dame rauf und dann der Bube.“. Mein Blick ging unsicher zu Jeremy. Doch er lächelte. Ich legte die Zahlen so aufeinander, wie sie in der Reihenfolge richtig waren. Es brachte spaß die Zahlen zu suchen, es brachte spaß sie in die richtige Reihenfolge zu bringen. Anna berührte irgendwann meine rechte Hand: „ Bringt es Spaß?“. Ich nickte. Sie lächelte: „ Ginny, wie würdest du das nennen was du jetzt tust?“. Ich wusste es nicht und sah Hilfesuchend zu Jeremy. Er verzog jedoch keine Mine. Dann sah ich wieder zu Anna und zuckte die Schultern. Sie ging auf einen Button links unten und ging mit einem Pfeil auf ein Feld: „ Lies vor.“. „ Das kann…“, mischte Jeremy sich ein, doch Anna warf ihm einen Blick zu, der ihn zum Schweigen brachte: „ Wir haben Zeit Herr Evens.“. Jeremy sah mich an. Ich starrte jedoch nur auf den Bildschirm. S. P. I. E. L. E. Ich sah zu Anna. Sie sah mich jedoch mit einem ruhigen Blick an: „ Sag es.“. „ Spiele“, flüsterte ich. Anna nickte: „ Richtig.“. Sie sah mich an: „ Das ist ein Spiel, nicht das, was man mit dir gemacht hat Ginny.“. Ich sah ihr in die Augen. Sie log nicht. Sie meinte es ernst. Ihre Hand ging von meiner runter: „ Dieses Ding nennt sich Notebook Ginny, kennst du diesen Begriff?“. Ich schüttelte den Kopf. „ Aber du kennst einen Computer, oder?“, fragte sie nach. Ich nickte. „ Ein Notebook ist ein tragbarer Computer, er kann zum Aufladen mit einem Kabel in eine Steckdose gesteckt werden, wie eine Lampe.“. Ich nickte als ich verstand. Anna ließ meine Hand los: „ Du kannst weiter spielen, oder willst du ein anderes Spiel auf dem Notebook spielen?“. Ich schüttelte den Kopf. Meine Hand fuhr sofort wieder über das kleine schwarze Feld. Eine Stunde durfte ich spielen, bis Anna mir das Notebook wegnahm. Sie klappte ihn zu und gab ihn Jeremy, der ihn festhielt. Anna stand vom Stuhl auf und hob ihre Handtasche hoch: „ Ich komme morgen wieder Ginny.“. „ Ich nehme sie morgen Nachmittag wieder mit nach Hause, ich finde es besser wenn sie dort ist.“. „ Herr Evens, Sie arbeiten, Sie müssten Ginny alleine lassen.“. Jeremy sah zu mir: „ Ich kann sie mitnehmen.“. Anna nickte leicht: „ Aber passen Sie auf wer in ihre Nähe kommt, keine Menschen die hektische Bewegungen machen und mit Straftätern sollte sie gar nicht erst in Blickkontakt kommen.“. Jeremy nickte: „ Das versteh ich.“. Anna ging. Jeremy strich mir ein wenig Haar hinter das Ohr. Mein braunes Haar. Jeremy stand vom Bett auf und legte das Notebook zurück in seine Ursprungstasche. Die Sporttasche öffnete er, er legte einen kleinen Beutel in das Badezimmer und gab mir zwei Teile. Eine lange Hose und ein Top. Ich sah ihn an. Er löste die Geräte von meinem Körper und half mir aus dem Bett. Er ließ meine Hand erst los als ich in einem Badezimmer war. Er ging vor mir in die Hocke: „ Lass dir ruhig Zeit, ich warte draußen, okay?“. Ich nickte. Jeremy stand wieder auf, ging aus dem Badezimmer und machte die Tür zu. Ich wartete ein paar Minuten. Erst dann war ich mir sicher, dass er nicht rein kam. Ich zog das Krankenhaushemd aus und zog die Hose an. Das Top streifte ich mir über. Ich sah zu dem Beutel den Jeremy hier rein gebracht hatte. Vorsichtig öffnete ich ihn. Das erste was ich erkannte, war eine Bürste. Ich nahm sie aus dem Beutel und drehte sie hin und her. Sie war neu. Noch nicht einmal benutzt. Vorsichtig stellte ich mich vor den Spiegel. Mein blasses Gesicht sah heraus. Meine blauen Augen leuchteten leicht vom schwachen Licht. Ich nahm die Bürste fester in meine Hand und führte sie zu meinem Haaransatz. Da meine Haare nie geschnitten worden waren, gingen sie mir bis zur Taille. Es störte mich, dass sie so lang waren und ich sah mich nach einem Zopfgummi um. Da hier im Badezimmer nichts weiter war, als ein Handtuch und einen Waschlappen, sah ich erneut in den kleinen Beutel. Dort waren welche. Mindestens zehn Zopfgummis waren auf Plastik aufgezogen. Ich nahm eines heraus und band es mir um das Handgelenk. Dann stellte ich mich wieder vor den Spiegel. Chiara hatte meine Haare immer eingedreht und am Hinterkopf befestigt. Ich versuchte es. Es funktionierte nicht beim ersten Versuch, dafür aber beim dritten. Ich sah erneut in den Beutel. Eine Zahnbürste war darin. Ich nahm sie vorsichtig raus. Darunter lag eine Zahnpasta. Ich nahm auch sie heraus. Auf mein Aussehen hatte man sehr geachtet, wieso verstand ich immer noch nicht, aber deswegen waren meine Zähne immer geputzt gewesen. Ich stellte mich vor den Spiegel und ließ ein wenig Wasser auf die Zahnbürste tropfen. Dann machte ich die Zahnpasta darauf und führte die Zahnbürste zu meinem Mund. Wenige Zeit später kam ich aus dem Badezimmer und sah Jeremy auf den Stuhl neben dem Bett sitzen. Er las in einem Buch. Er sah auf als die Tür des Badezimmers zu ging. Ich stand kurze Zeit da. Sein Blick ging zurück in das Buch, dann schloss er es und legte es auf den Nachttisch des Krankenhauses. Als ich wieder im Bett war, schloss er mich wieder an den Geräten an. Ich legte mich auf die Seite und er legte die Bettdecke über meinen Körper: „ Hast du Hunger?“. Ich nickte, er nickte: „ Ich komme gleich wieder.“. Er verschwand aus dem Zimmer und ging rechts rum. Fünf Minuten später kam er mit einem Tablett ins Zimmer. Er stellte es auf den Nachttisch und half mir hoch. Erst dann stellte er das Tablett auf meine Beine und setzte sich neben mich auf das Bett. Es war ein Brot darauf. Jeremy nahm ein Messer und ich schrak zusammen. Doch er drückte mir das Messer in die Hand und hielt mir ein kleines Gefäß hin. Darin war etwas Gelbes. Ich drehte meinen Kopf zu ihm: „ Butter?“. Er lächelte und nickte: „ Nur wenn du willst, du musst nicht.“. Doch ich steckte das Messer in die Butter und schmierte es auf die Scheibe Brot. Ich nahm die Käsescheibe und legte sie auf das Brot hinauf. Dann nahm ich das Brot in die Hand und biss ab. Jeremy saß die ganze Zeit neben mir und hielt mich in seinen warmen Armen. Nachdem ich gegessen hatte, stellte er das Tablett wieder auf den Nachtschrank: „ Hast du irgendeinen Wunsch?“. Ich tat nichts, was er als nein verstand. Wir blieben so liegen. Erst gegen Acht kam eine Ärztin, meine behandelnde Ärztin, ins Zimmer rein. „ Herr Evens, kann ich Sie kurz sprechen?“. Jeremy sah zu mir. Meine Augen waren geschlossen, meine Hand umschloss seine fest. Mein Kopf lag an seiner Brust. „ Klar“, flüsterte er. Vorsichtig löste er sich von mir. Machte die Lehne des Bettes hinunter und legte die Bettdecke bis über meine Schultern. Dann folgte er der Ärztin in ihr Sprechzimmer: „ Ist irgendwas nicht in Ordnung?“. Dr. Clair nickte: „ Eigentlich alles.“. Jeremy blieb stehen während die Ärztin sich setzte: „ Dieses Kind hat traumatische Erlebnisse gehabt, es wäre besser wenn sie in eine geschlossene Klinik eingewiesen wird und Sie sie nicht mit nach Hause nehmen!“. „ Nein, ich nehme Ginny zu mir!“, sagte Jeremy laut. „ Herr Evens, ich verstehe, dass Sie Ginny vor einer geschlossenen Klinik schützen möchten, dennoch kann ich nicht nachempfinden wieso.“. „ Weil sie darin noch mehr kaputt gehen würde. Ginny ist noch jung und ich möchte das Beste für sie!“. Dr. Clair nickte: „ Das sehe ich auch so, aber die Klinik wäre wirklich das Beste. Sehen Sie, Ginny wird kein Arbeitsleben haben können, sie wird sich verstecken.“. „ Ich kenne Ginny schon länger als Sie denken und ich weis, so selten wir uns auch sehen, dass sie nirgendswo bleiben kann wo sie niemand kennt!“, schrie Jeremy. Dr. Clair nickte: „ Herr Evens, es ist Ihre Nichte, wollen Sie nicht, dass es ihr bald besser geht?“. „ Die Psychologin sieht keinen Grund Ginny einzuweisen!“. Dr. Clair stand auf: „ Ihre Nichte hat sich geritzt Herr Evens, es besteht sehr wohl einen Grund um Ginny einzuweisen!“. „ Ich nehme Ginny heute Abend mit nach Hause!“, fauchte Jeremy. Dr. Clair funkelte ihn an: „ Das können Sie nicht tun…!“ „ Ich bin ihr Onkel und gesetzlich ihr Erziehungsberechtigter, ich nehme Ginny auch ohne Ihre Zustimmung mit und unterschreibe das auch gerne!“. „ Herr Evens, wir müssen Ginny mindestens vierundzwanzig Stunden unter Beobachtung halten!“, sagte Dr. Clair laut. „ Ich werde mich an einen Arzt wenden, wenn es ihr schlechter gehen sollte!“, fauchte Jeremy, „ Und jetzt hätte ich gerne das Formular!“. Dr. Clair schob ihm ein Zettel hin: „ Ich rate Ihnen davon ab, ich rate Ihnen sich professionellere Hilfe zu holen als Anna Nagel!“. „ Sie ist gut genug!“, schrie Jeremy und unterschrieb das Formular. Dann verschwand er aus dem Sprechzimmer. Dr. Clair seufzte und bat eine Krankenschwester, Jeremy zu folgen.
Jeremy nahm meine Hand in seine: „ Ginny.“. Ich öffnete sofort meine Augen. Er lächelte mich an: „ Wir fahren heute noch zu mir.“. Ich schloss meine Augen wieder, dann öffnete ich sie und setzte mich auf. Eine Krankenschwester kam ins Zimmer rein. Ich sah beunruhigt zu Jeremy, doch er lächelte. Die Krankenschwester zog die Kanüle aus meiner Hand und löste mich von den anderen Geräten ab. „ Ich wünsche dir eine gute Besserung Ginny“, sagte die Schwester und verschwand aus dem Zimmer. Jeremy holte den Beutel aus dem Badezimmer und legte ihn wieder in die Sporttasche. Dann zog er eine Jacke aus der Sporttasche und gab sie mir: „ Zieh die an, es ist ein wenig kühl draußen.“. Ich nahm die Jacke in meine Hände, drehte sie und zog sie dann an. Jeremy hob beide Taschen hoch und nahm meine Hand in seine. Dann verließen wir das Zimmer. Der Flur war leer. Jeremy lehnte sich leicht in ein Zimmer hinein: „ Wir sind jetzt weg.“. „ Auf Wiedersehen“, sagte eine leise Stimme. Jeremy zog mich an sich und wir verließen das Krankenhaus. Wir verließen das Gelände und Jeremy schloss ein Auto auf. Ein kleiner silberner Smart. Jeremy warf die beiden Taschen in den Kofferraum und setzte mich auf den Beifahrersitz. Er setzte sich hinter das Lenkrad und streckte den Schlüssel in das Zündschloss. Er sah zu mir: „ Schlaf ruhig.“. Er beugte sich über mich hinüber und schnallte mich mit dem Gurt an. Dann schnallte er selbst sich an und fuhr los. Ich sah hinaus auf die Straße. Es war ein Tag seit meiner Freiheit und ich hatte neue Sachen kennen gelernt. Notebook. Er war lustig. Leicht sah ich zu Jeremy. Er konzentrierte sich auf die Straße. Aber irgendwie war er mir sehr nahe. Keinen Mann ließ ich an mich ran, aber er war eine Ausnahme. Ich kannte ihn, er war ein Verwandter. Bei ihm konnte ich bleiben. Seine rostbraunen Haare waren die meiner Mutter. Seine Augen hatten auch die Farbe des Wassers. Ich sah wieder auf die Straße. Würde ich wieder nach London zurückkehren? Leicht schüttelte ich den Kopf. Nicht alleine, nur wenn Jeremy hier alles aufgeben würde. Das würde er aber nicht tun, hier hat er sein Leben. Ich würde mich ihn anpassen. Jeremy bog um eine Ecke und gab Gas. Ich legte meinen Kopf auf den schmalen Gurt und schloss meine Augen. Kurze Zeit später war ich eingeschlafen.
Acht Monate später.
Ich drehte mich auf die Seite als mein Wecker klingelte. Meine Hand suchte den Knopf um dieses Ungetüm den denk gar auszumachen. Doch eine andere Hand war schneller: „ Schon so spät?“. Ich öffnete meine Augen und begegnete denen von Jeremys. Er lächelte mich breit an: „ Seit wann liegen wir denn hier im Bett?“. Ich knurrte leise und zog die Decke höher an mein Gesicht. Jeremy lachte und stand vom Bett auf: „ In zehn Minuten kannst du ins Badezimmer.“. Er verschwand aus dem Bett und hinterließ mir eine zweite warme Decke. Wir hatten Ende Januar, genau: den neunundzwanzigste. Ich war fast sechzehn, in genau einer Woche war es soweit. In Acht Tagen dann, sollte mein erster Schultag seit sechs Jahren wieder sein. Ich wollte nicht, auf der Wache bei Jeremy, wenn er dann Zeit hatte, lernte ich viel besser. Zuhause unterrichtete er mich, wenn er einen Tag frei hatte oder vor oder nach der Arbeit. Heute hatte er mir mal Frei gegeben, weil ich in den letzten Wochen am Wochenende viel gelernt hatte und als alle anderen Kinder Ferien hatten, gelernt hatte. Aber früh aufstehen musste ich trotzdem. Jeremy ließ mich nie alleine. Wofür ich mehr als Dankbar war. Er hielt Abstand wenn ich ihn brauchte und er ließ mich in Ruhe, wenn ich alleine sein wollte. Aber alleine war ich eh nie. Er war immer dann in der Wohnung, nur ich war im Badezimmer oder sonst wo. Die Türen blieben steht´s unabgeschlossen. Nur die Haustür nicht, wie ich in der Nacht herausfand. Jeremy schloss sie ab. In dieser Nacht war ich das erste Mal zu ihm ins Bett geschlüpft und hatte mich ganz nah neben ihn gelegt. Er wachte am Morgen auf und erschrak fast zu Tode, wie er maßlos übertrieb. Seit dieser Nacht zog ich es häufiger in Erwähnung aus meinem Zimmer in seines zu verschwinden. Ein Telefon klingelte. Erneut knurrte ich, warf jedoch die Decken beiseite und lief barfuß über den Flur. Das Laminat knackte leicht. Ich nahm das Telefon in die Hand und drückte auf den grünen Hörer: „ Evens.“. „ Ginny, morgen, wie weit seid ihr?“, fragte Nicole. „ Gerade aufgestanden“, murmelte ich. Sie lachte leise: „ Sag Jeremy das er sich beeilen soll, wir haben ein Problem auf der Wache.“. „ Ich…“, meine Stimme verlor sich. „ Ginny, du kannst ruhig mitkommen“, sagte Nicole sanft. Ich nickte, obwohl sie es nicht sehen konnte: „ Ich sag ihm Bescheid.“. „ Danke“, sagte sie und legte auf. Ich sah zur Badezimmertür. Jeremy stand dort schon in Kleidung: „ Wer war das?“. „ Nicole, du sollst dich beeilen“, nuschelte ich. Er lächelte: „ Dann verzichte heute Morgen bitte aufs Haare waschen.“. Ich brauchte nicht länger als eine viertel Stunde im Badezimmer und stand schon früher in Jacke und Schuhen im Flur als Jeremy. Er schloss seine Dienstschuhe zu und nahm den Haustürschlüssel vom Bord. Dann trieb er mich hinaus. Zehn Minuten später waren wir auf der Wache und Nicole fuhr mit ihm gleich los. Ich setzte mich auf einen Stuhl bei der Brücke und sah zu wie Kai seinen Kaffee trank. „ 36.2 für 36“, ertönte es im Funkverkehr. Ich sah zu Kai. Er beugte sich vor und antwortete: „ Hört.“. „ Mach mal ´ne Polasabfrage von einem Mann Namens Jan Gregor.“. Kai sah mich an: „ Mach mal bitte.“. Ich zog mich näher an den Schreibtisch ran und nahm die Maus vom Computer in meine kleine Hand. Flink schrieb ich den Namen in den Computer ein und wartete. Kai sah zu mir hinüber als ein Bild auftauchte: „ Nicole, der hat sein Strafmaß voll. Vergewaltigung, Körperverletzung, Diebstahl mit schwerer Körperverletzung und Beamtenbeleidigung.“. Nicole schnaubte und sagte hinterher: „ Danke, dann könnt ihr gleich eine Zelle frei machen!“. Kai nickte und gab seiner Tasse Kaffee wieder die komplette Aufmerksamkeit. Ich beobachtete ihn kurze Zeit und fragte leise: „ Ist der Kaffee interessanter als ich?“. Kai stellte seinen Kaffe auf den Tisch ab: „ Du bist auch nicht gesprächiger.“. „ Weil du es noch nie versuchst hast“, nuschelte ich und zog die Zeitung heran, bevor er irgendetwas erwiderte. Außer, dass Wissenschaftler vor einer bevorstehenden Wetterkatastrophe sprechen, war nichts Interessantes in der Zeitung, dennoch las ich mir vieles durch. Erst zehn Minuten später kam Nicole zu uns auf die Brücke und nahm mir die Zeitung weg: „ Geh du lieber was frühstücken.“. Ich sah sie an, dann viel mein Blick auf einen der Bildschirme, die an einer Wand neben der Tür hing. Mir stockte der Atem und heiße Tränen drangen in meine Augen hinein. Nicole sah mich fragend an: „ Ist alles okay?“. Der Mann, den Jeremy festhielt, hatte schwarze Haare, seine Augen glänzten Braun. Er war recht klein für einen Mann. Seine Hose war eine teure G-Star. er trug am Oberkörper nur einen dicken Pullover. Nicole sah auf den Bildschirm: „ Tja, kein Wunder wenn er friert.“. Wie von selbst schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper. Aber das war nicht genug. Der Mann schlug Jeremy mit dem Ellenbogen in den Bauch. Durch diesen Schock ließ Jeremy hin los. Der Mann schoss aus dem Vorraum, der zu den Zellen führt und war vor dem Fenster von der Brücke. Sein Blick ging in meine Augen als Jeremy ihn schon wieder packte. Nicole sah zu mir. Ich war erstarrt und starrte in die braunen Augen des Mannes. Meine Arme waren eng um meinen Körper geschlungen, meine Beine waren angezogen. Aus meinen Augen liefen stumme Tränen. Kai sprang auf und packte den Mann den Jeremy festhielt, Nicole schoss zu mir herum und nahm mich in den Arm. Jeremy sah zu mir, ich spürte seinen Blick auf mir ruhen. Nicole ruckte mit dem Kopf. Doch er verschwand. Meine Stummen Tränen fielen auf ihre Uniform. Dann war Jeremy neben mir und Nicole ließ mich los. Er hob mich hoch und setzte dann sich auf den Stuhl, mich nahm er auf den Schoß. Ich lehnte mit dem Kopf an seiner Schulter während die Tränen ihren freien Lauf nahmen. Jeremys leise Stimme drang an mein Ohr: „ Ginny, du musst mir sagen was du weist.“. Ich schüttelte heftig den Kopf. Jeremy strich mir über mein offenes Haar: „ Ginny, hat er was mit deiner Entführung zu tun?“. Ich krallte mich an ihm fest. Das war Antwort genug. Jeremy stand auf und hob mich erneut hoch. Er trug mich in das Aufenthaltszimmer. Dort setzte er mich auf einen Stuhl am Tisch und ging hinaus. Ich starrte auf die weise geriffelte Oberfläche des Tisches und erhob meinen Kopf als Jeremy vor mir sein Notebook stellte. Er sah mir in die Augen: „ Die Bedeutung von Spielen ist Spaß für dich Ginny, du weist das!“. Ich sah auf den schwarzen Bildschirm vom Notebook und nickte leicht. Jeremy nahm meine Hände: „ Was man dir angetan hat, wird man nie wieder tun Ginny, dieser Mann wird hinter Gitter bleiben, für den Rest seines Lebens, das versprech ich dir!“. Mit kleinen Augen sah ich ihn an: „ Versprochen?“. Er nickte: „ Natürlich, wenn ich das so sage, meine ich es auch so.“. Ich nahm seine Hand in meine und drückte sie. Jeremy ruckte mit dem Kopf zum Notebook: „ Spiel ein wenig.“. Er ging hinaus und lies mich mit dem Notebook alleine. Ich drückte auf den On-Knopf und das Notebook fuhr hoch. Dann gab ich das Passwort ein und öffnete ein Spiel.
Vor acht Tagen war dies passiert und ich würde dieses Ereignis erst mal vergessen müssen. Ich stand alleine in einem Sekretariat und wartete. Lehrer gingen an mir vorbei ohne mich eines Blickes zu würdigen. Eine junge Lehrerin in einer schwarzen Winterjacke eingehüllt, betrat das Sekretariat und sah zu mir: „ Ginny Evens?“. Ich nickte und sie lächelte: „ Ich bin Frau Johansson, deine Klassenlehrerin.“. Ich nickte erneut und folgte ihr hinaus auf den Schulhof. Genau sechs Jahre waren es her, dass ich eine Schule betreten hatte, überhaupt mit einem Lehrer gesprochen hatte. Frau Johansson machte einen netten Eindruck. Ihre Haare waren braun, ihre Augen hatten einen grünen bis grauen Farbton. Das Gesicht war schmal und makellos. Etwas was sich jeder Teenager wünscht. Wir betraten ein großes Gebäude und stiegen die Treppen hinauf. Frau Johansson sprach währenddessen kein Wort. Erst als wir ein Klassenzimmer betraten, schallte ihre Stimme durch den Raum: „ Seid leise und setzte euch hin!“. Sie sah zu mir: „ Setzt dich doch neben Juli, in der zweiten Reihe.“. Langsam steuerte ich den einzigen freien Platz in der zweiten Reihe an.“. Ein blondes Mädchen sah mich an. Nahm jedoch keine weitere Notiz von mir. Frau Johansson sah zu mir als ich saß und ging über in Mathematik. Da ich mir noch unsicher war, was ich genau tun sollte, schrieb ich möglichst alles mit, was mit Parabeln zu tun hatte. Juli sah dabei immer wieder auf meinen Zettel und dann zu einem anderen Mädchen in der Klasse. Einmal passte ich nicht auf, sondern sah zu dem anderen Mädchen. Braune Locken umfingen ihr Gesicht. Ihre Haut war leicht gebräunt. Selbst ihre Augen waren braun. Sie glänzten wie Diamanten im Sonnenlicht. Sie war eindeutig das schönste Mädchen in der Klasse. Doch dann konzentrierte ich mich wieder auf den Unterricht. Es waren erst zwanzig Minuten vergangen als Frau Johansson uns Aufgaben Zettel austeilte und uns in Ruhe arbeiten ließ. Juli sprach mich nicht einmal an, jedoch schrieb sie ständig auf einen kleinen Zettel und ließ ihn durch die Klasse zu dem schönen Mädchen gehen. Mir vielen zwei Jungen auf, die auf dem Tisch schrieben und leise miteinander tuschelten. Frau Johansson unterbrach mich in meiner Beobachtung: „ Verstehst du das Ginny?“. Ich sah zu ihr und nickte. Sie lächelte und zog mein Heft an sich ran. Sie ging jede Aufgabe durch die ich bis jetzt bewältigt hatte. Dann nickte sie: „ Alles richtig bis jetzt, gut gemacht.“. Ich machte weiter. Juli stieß mich an: „ Von welcher Schule kommst du?“. Ich sah sie an. Was sollte ich ihr antworten? „ Ist das wichtig?“, fragte ich leise. Sie setzte ein freches lächeln auf: „ Du bist ein Ass in Mathe, das genügt.“. Doch ich schüttelte den Kopf: „ Mein Onkel hat mich unterrichtet.“. Sie zog die braunen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. Bevor es zwanzig vor neun war, klatschte Frau Johansson in die Hände: „ Geht lieber los, ansonsten kommt ihr zu spät zum Sportunterricht.“. Juli ließ ihren Stift fallen, beugte sich leicht nach unten und nahm ihren Sportbeutel in die Hand. Ich nahm meine Umhängetasche und folgte der Schülertraube. Das schöne Mädchen wartete jedoch auf mich: „ Wie heißt du?“. Ich zögerte: „ Ginny.“. „ Du hast ´nen Dialekt, kommst du nicht aus Deutschland?“, fragte sie weiter. Ich schüttelte den Kopf: „ London.“. Sie quiekte: „ Wow.“. Juli war plötzlich bei uns. Sie sah mich mit Desinteresse an, im Gegensatz zu ihrer Freundin. Ein weiteres Mädchen gesellte sich zu uns: „ Name.“. Es war ein barscher Ton. Sofort versteckte ich die Hälfte meines Gesichts im Schal und ging schneller. „ Biene, das war nicht nötig“, fauchte das schöne Mädchen. „ Die ist nur schüchtern“, sagte das Mädchen, was mich eben angesprochen hatte. Juli wartete nicht lange: „ Außerdem ein Ass in Mathe.“. Ich drehte meinen Kopf zu den drei Mädchen herum und…krachte mit einem Jungen zusammen. Er nahm mich genau ins Auge: „ Wie heißt du?“. „ Ginny“, flüsterte ich in meinen Schal hinein. Er lächelte: „ Engländerin?“. Überrascht sah ich ihn an und nickte. Sein Lächeln würde zu einem freundlichen Grinsen: „ Hört man dir an.“. Er drehte sich zu den Mädchen herum:
„ Du bist das Objekt der Begierde Ginny“, sagte er leise. Meine Augen wurden warm. Dieses Wort, Begierde, das war eindeutig zu viel. Der Junge sah wie ich meine Schritte beschleunigte und er tat es mir gleich: „ Hab ich was falsches gesagt?“. Er nahm meine Hand: „ Hey, hörst du mir eigentlich zu?“. Mein Herz raste, ich konnte meinen Puls in meinen Ohren hören. Ich wehrte mich jedoch nicht. Der Junge sah mich in die Augen: „ Ok, habe ich irgendetwas Falsches gemacht, dass du gleich weinst?“. Ich schluckte schwer und drehte meinen Kopf leicht zur Seite. Der Junge ließ meine Hand los: „ Du bist merkwürdig!“. Er lief zu seinen Freunden zurück. Nun ging ich in der Mitte zwischen ihm und den Mädchen hinter mir. Es hielt nicht lange, dann war ich auch schon das Schlusslicht. Ein Sportlehrer stand in der Tür zu einer großen Sporthalle: „ Beeilt euch mit dem Umziehen!“. Ich schlüpfte hinter den anderen Mädchen in die Umkleide und ließ meine Umhängetasche auf einer Bank ab. Die Mädchen sahen mich nur kurz an, dann fingen sie an angeregt zu reden. Ich sah das Zeichen für die Damentoilette, nahm meine Tasche und verschwand darin. In einer Toilettenkabine zog ich meine Jacke aus und zog meine Sportsachen an. Dabei liefen stumme Tränen an meinem Gesicht hinunter. Immer noch hatte ich das Gefühl, dass die Hand des Jungen auf meiner ruhte. Die Tür öffnete sich. Ich sammelte meine Klamotten vom Boden auf und stopfte sie in die Sporttasche. Dann wischte ich mir meine Augen trocken und ging in die Umkleide zurück. Juli saß auf einer Bank und spielte mit ihrem Handy rum: „ Hast du geweint?“. Schnell drehte ich mich weg, als ich merkte, dass sie mir diese Frage gestellt hatte. Ein Mädchen sagte laut: „ Leute wir sollten rein, oder habt ihr Lust mit den Jungs zu spielen?“. Spielen. Etwas was mir Spaß bringen soll. Ich nahm die Entschuldigung von Jeremy aus meiner Sporttasche und betrat die Sporthalle. Der Sportlehrer sah genauso freundlich aus, wie meine Klassenlehrerin. Er kam zu mir und lächelte mich an: „ Du bist Ginny Evens?“. Ich nickte, er lächelte: „ Gut.“. Ich hielt ihm den Zettel hin. Dabei fiel sein Blick auf meine Arme. Er zog die Braunen zusammen und nahm den Zettel an. Er las ihn durch und nickte: „ Okay. Dann setzt dich zu den anderen auf die Bank.“. Ich setzte mich neben Juli. Auch ihre Augen fielen auf meine Arme. Sofort setzte sich eine Mine des Ekels auf ihr Gesicht. Sie sah mich mit einem kritischen Blick an und sah zu dem Sportlehrer. „ Also, Mädchen bildet Teams, Jungs, ihr auch, bevor wir dann mit Fußball anfangen, möchte ich, dass ihr, wenn ihr Teams habt, zehn Runden lauft. Ich zähle!“, fügte er hinzu. Die Mädchen hatten schnell ihre Teams, mich wollte jedoch niemand haben. Der Sportlehrer sah jedoch zu mir: „ Möchtest du mitmachen?“. Ich nickte leicht. Juli sah zu mir: „ Bei uns macht die nicht mit!“. Herr Ahrens, der Sportlehrer, sah sie mit funkelnden Augen an: „ Dann erst Recht Juli!“. Sie verdrehte die Augen und ich fang an die Runden zu laufen. Juli holte mich ein: „ Weist du was? Du wirst ganz bestimmt keine Freunde finden Emo!“. Ich sah sie an: „ Emo?“. Sie verdrehte die Augen: „ Jemand dümmeres als dich kann man wohl nicht finden.“. Der Junge der eben meine Hand gehalten hatte, sah wie Juli höhnisch grinste und kam zu uns: „ An deiner Stelle…“. Er sah auf meine Arme: „ Hoppla, was ist denn da passiert?“. Unsicher was ich tun sollte, verschränkte ich meine Arme vor meiner Brust. Der Junge sah wieder zu Juli: „ An deiner Stelle würde ich mich entschuldigen!“. Juli sah ihn wütend an und fauchte: „ Tut mir leid.“. Dann lief sie langsamer und wartete bis ihre Freundinnen sie einholten. Der Junge jedoch blieben neben mir: „ Hör´ nicht auf Juli, keiner in der Klasse nimmt es so schlimm.“. Ich jedoch wollte alleine sein. Dies war einer der Momente, wo ich es hasste, mit jemanden zusammen zu sein. Der Junge lächelte mich an: „ Ups…ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Luke.“. Ich nickte. Ihn wurde ich nicht schnell los. Luke sah zur Wand der Sporthalle: „ Also was treibt eine Engländerin nach Deutschland?“. Ich zuckte mit den Schultern: „ Mein Onkel lebt hier.“. Luke sah mich wieder an: „ Du wolltest gar nicht hier her?“. Da wir jedoch an den Bänken vorbei kamen, setzte ich mich ab und ließ mich auf eine nieder. Luke sah kurz zu mir, lief aber dann weiter. Bei Juli und ihrer schönen Freundin ging jedoch etwas schief. Die Schöne stieß sie von sich weg: „ Du bist so fies Juli!“. Herr Ahrens sah zu den beiden Mädchen. Juli war schon auf hundert. Sie ballte eine Faust und schlug der Schöne ins Gesicht. Diese heulte vor Schmerz auf. Herr Ahrens ging sofort dazwischen: „ Mädchen, eine Erklärung!“. Juli schnaubte, drehte sich weg und setzte sich eine Bank weiter von mir weg. Die schöne hielt sich das Auge. Herr Ahrens nahm vorsichtig ihre Hand weg und selbst ich sah, dass das Auge anschwoll und blau wurde. Herr Ahrens legte seinen Arm um das Mädchen und führte sie zu mir: „ Ginny, begleite sie zur Schulschwester.“. Das Mädchen schüttelte jedoch den Kopf: „ Geht schon.“. „ Geht zusammen und holt ein Kühlkissen“, sagte Herr Ahrens und ich stand auf. Die Schöne beobachtete mich als wir in der Mädchenumkleide waren und uns unsere Winterjacken überzogen: „ Seit wann lebst du in Hamburg?“. „ Fünf Jahre…oder sechs“, nuschelte ich. Sie sah mich überrascht an: „ Du sprichst aber schon gut Deutsch.“. „ Danke“, nuschelte ich weiter. Das Mädchen trat zuerst an die Luft: „ Wieso hast du das an deinen Armen getan?“. Ich sah sie kurz an, dann schnell auf den Boden. Sie sah mich wieder an: „ Ginny, keiner verurteilt dich deswegen. Zumindest keiner den ich sehr gut kenne und der nicht so ist wie Juli.“. „ Was bedeutet das Wort Emo?“, fragte ich so leise, dass es fast nur noch ein Hauchen war. Das Mädchen sah mich mitleidig an: „ Nun ja…Emo werden welche genannt, die das an den Armen getan haben wie du, aber sie finden die Welt auch scheiße und tragen nur schwarz. Außerdem haben die versucht sich schon einmal umzubringen.“. Wir betraten das Gebäude, indem das Sekretariat war. „ Alice, was kann ich für dich…oh“, sagte eine junge Frau als sie das Auge des Mädchens sah. Alice, das war also ihr Name. Er passte zu ihr. Auch wenn ihr Name mich an das Buch “Alice im Wunderland“ erinnerte. Alice nahm ein Kühlkissen entgegen und gab einen Euro ab. Dann machten wir uns auf den Rückweg zur Sporthalle. Alice stieß einen Schwall Luft aus und ging langsamer. Ich sah sie an: „ Was?“. „ Kann ich dich mal was fragen?“, fragte Alice leise. Ich nickte leicht und zögerlich. Sie lächelte jedoch: „ Wir kennen uns zwar nicht gut, aber hast du Lust nach der Schule zu mir zu kommen?“. Ich schluckte: „ Nichts gegen dich, aber nein, noch nicht.“. Sie lächelte: „ Okay, war nur ein Angebot.“. An der Tür zur Sporthalle drückte sie auf einen Knopf, der eine Klingel darstellen sollte. Herr Ahrens öffnete die Tür: „ Ah da seid ihr ja schon wieder.“. Zusammen setzten wir uns auf die Bank. Alice zeigte auf den Jungen mit dem Namen Luke: „ Er steht auf dich.“. Ich überlegte lange, diese Wörter waren mir zwar bekannt, jedoch verstand ich nicht was Alice damit aussagen wollte. Sie sah mein Fragezeichen, was mir wohl ins Gesicht geschrieben stand. „ Er ist verliebt“, verbesserte sie sich. Ich nickte leicht. Liebe. Jeremy hatte mir auch dieses Wort erklärt. Menschen die sich Lieben küssen sich und wenn sie alt genug sind, machen sie auch andere Sachen, solange beide es wollen. Ich hatte gemerkt wie er Angst davor hatte es mir so zu sagen, aber ich freute mich, dass er es getan hatte. Ich sah zu Juli. Sie redete mit einem Mädchen. Ihre kurzen Haare waren Teil des Anlasses, sie als Junge anzusehen. Alice folgte meinem Blick: „ Kira, sie ist ein sehr nettes Mädchen, wenn nicht der Junge aus ihr spricht.“. „ Der Junge?“, fragte ich unsicher. Alice grinste breit. Kira sah es und lächelte zurück. Sie sah mich an und schenkte auch mir ein Lächeln. Ich erwiderte es aus reiner Höflichkeit. Alice sah mich an: „ Sie wollte lieber ein Junge sein und benimmt sich manchmal auch wie einer, aber ist nun mal halt sie.“. Herr Ahrens kam zu uns: „ Ginny, wenn du Lust hast, kannst du mitspielen.“. Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte mehr über die Klasse und die Schule erfahren und das konnte ich wohl sehr gut bei Alice. Alice wartete bis Herr Ahrens sich entfernt hatte und deutete auf ein Mädchen was Abseits saß: „ Jessica, wenn du wissen willst was um die meisten Schüler herumgeht, dann frag sie, sie weis eigentlich alles was in der Schule passiert. Man könnte auch sagen sie ist das Auge und das Ohr der Schule.“. Dann deutete sie auf einen Jungen. Er trug kein Sportzeug. Eine lässige Jeans hing an seinen Beinen. Sein Pullover lag eng an seiner Haut. Alice räusperte sich: „ Nun, halte dich von ihm lieber fern, er ist…nun, der Polizei schon häufiger aufgefallen. Wenn er dich anspricht, erwidere bloß höflich was.“. Alice sah sich die Schüler genau an. Ihr Blick blieb an einem Mädchen hängen: „ Teresa, aber alle nennen sie Resa. Sie ist Schulsprecherin. Außerdem leitet sie alle Sportangebote rund um die Schule. Dazu gehört Fußball, Volleyball, Hockey und Tennis.“. Bei Tennis drehte ich meinen Kopf zu ihr herum: „ Man kann hier Tennis spielen?“. „ Kannst du das?“, über Alice Lippen huschte ein Lächeln. Ich zuckte die Schultern: „ Ich würde es gerne lernen.“. Alice nickte: „ Dann gehen wir in der Pause mal zu ihr, vielleicht kann sie noch ein Platz für dich finden. Außerdem bin ich auch da.“. Um kurz vor halb zehn, durften wir in die Umkleidekabinen und uns umziehen. Ich zog mich wieder in einer Toilettenkabine um. Wir verließen die Sporthalle und betraten wieder unseren Klassenraum. Alice setzte sich auf ihren Platz. Nicht ganz sicher, setzte ich mich neben sie. Der Junge, dem ich lieber aus dem Weg gehen sollte, kam zu uns. Da ich merkte, wenn jemand unruhig wurde, wusste ich, dass Alice es sofort war. Er sah mich abschätzend an. Alice sah mich an. An mir war keine Reaktion zu sehen, doch innerlich kämpfte ich gegen Tränen an. Es war sein Blick, ein herablassender Blick. Er streckte seine Hand nach mir aus. Gegen den Rat von Alice, schlug ich seine Hand weg. Alice sog scharf die Luft ein als die Mine des Jungen sich veränderte. Er packte meine Hand und zog mich hoch. Alice handelte schnell: „ Marc, sie meinte das nicht so.“. Der Junge stand nun vor mir. Ich als ein kleines Kind vor ihm. Ich konnte es nicht mehr verhindern. Heiße Tränen strömten aus meinen Augen. Wie gelähmt sah ich ihn an und wartete auf das was kommen mag. Der Junge schüttelte den Kopf, ließ meine Hand los und wandte sich ab. Doch genauso plötzlich wie er mich gepackt hatte, schnellte er herum und schlug mir in den Bauch. Ich keuchte auf und begann zu zittern. Alice wollte sich ihm in den Weg stellen: „ Marc lass sie in Ruhe!“. Doch Marc kümmerte es nicht. Er trat auf mich ein: „ Du willst also mit mir spielen!“. Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen und weinte. „ Herr Ahrens!“, schrie Luke durch das Klassenzimmer. Sofort war unser Sportlehrer im Klassenzimmer und riss Marc von mir weg. Alice ging in die Knie und streckte ihre Hand nach mir aus. Doch ich schrie und begann heftig zu zittern. „ Marc es wäre besser wenn du mit welchen spielst, die deine Klasse sind!“, fauchte Herr Ahrens. Alice sah wie ich blass wurde und sie hörte wie mein Atem schneller wurde. Herr Ahrens wartete bis Marc aus dem Klassenzimmer verschwunden war und drehte sich zu mir herum. Ich mied jeden Blick und hatte mein Gesicht sofort, als er mich ansah, in meinen Armen versteckt. Herr Ahrens zog sein Handy aus seiner Hosentasche: „ Alice geh bitte weg von ihr.“. Alice stand nur widerwillig auf und zog sich zurück. Herr Ahrens zog einen Zettel und gab eine Nummer in sein Handy ein. Nach kurzer Zeit meldete er sich: „ Ahrens, kann ich mit Herrn Evens sprechen, es ist wichtig.“. Sein Blick ruhte währenddessen auf mir. Dann sprach er wieder in das Handy hinein: „ Herr Evens es gab einen Zwischenfall, laut ihrer Entschuldigung für Sport, soll ich Sie anrufen, wenn es einen Kontakt mit einem Jungen gab, den Ginny nicht willigt, der Fall ist nur in der Pause eingetreten.“. Herr Ahrens nickte kurz und legte auf. Er ging leicht in die Hocke: „ Ginny, hörst du mir zu?“. Aus Angst wich ich zurück und sah ihn jetzt an. Herr Ahrens setzte sich auf den Boden und sah nicht zu mir. Ich bewegte mich nicht. Alice sah von Herr Ahrens zu mir: „ Was hat sie?“. Herr Ahrens sah sie an: „ Das kann ich nicht sagen.“. Zehn Minuten später stand Herr Ahrens auf. Er sah einem Mann Anfang dreißig ins Gesicht: „ Herr Evens.“. Mein Blick ging in den besorgten von Jeremy. Er setzte sich dort auf den Boden, wo Herr Ahrens eben noch saß. Seine Augen waren ruhig und sie strahlten diese Ruhe auf mich aus. Dann sah er zu Herr Ahrens hoch: „ Was ist passiert?“. „ Ein Junge aus der Klasse ist auf sie losgegangen“, sagte mein Lehrer leise. Es klingelte. Jeremy sah mich kurz an, dann fragte er: „ was für Wörter sind gefallen?“. Herr Ahrens sah zu Alice. Sie zögerte. Der Grund war wohl weil Jeremy seine Polizeiuniform trug und Nicole ebenfalls im Raum stand. „ Marc hat gesagt, ob sie mit ihm spielen will.“. Jeremy sah zu Nicole. Ihre Augen verengten sich. Dann sah Jeremy zu mir und streckte seine Hand nach mir aus. Ich wich noch weiter zurück. Jeremy sah wieder zu Nicole. Luke sah zu mir, wie eigentlich fast die ganze Klasse. „ Ginny die Bedeutung des Spielens möchte ich von dir hören“, sagte Jeremy leise und ruhig. Mein Atem ging schneller. Nicole kam langsam zu Jeremy: „ Lass mich, du machst ihr Angst.“. Jeremy stand auf und Nicole setzte sich auf den Klassenboden. Ihre weiche Stimme war Balsam für meine Ohre: „ Ginny, nur diese eine Bedeutung, ich weis, dass du sie kennst.“. Wie vor Monaten fühlte ich mich. Nicole die auf einen Stuhl saß und wartet, dass ich reagierte. Nur jetzt saß sie auf den Boden und wartete. Ihre Haare fielen dabei leicht ins Gesicht. Sie lächelte leicht: „ Komm her.“. Langsam krabbelte ich auf sie zu. Juli schnaubte verächtlich: „ Sie ist doch kein Baby mehr!“. Jeremy fuhr zu ihr herum: „ Sei still!“. Ich blieb in der Bewegung inne. Nicole streckte ihre Hand aus: „ Na komm.“. Jeremy wandte sich an Herr Ahrens: „ Ich denke es war zu früh.“. Herr Ahrens zuckte die Schultern: „ Es ging ihr relativ gut, die ganze Zeit über, ich verstehe nicht was da passiert ist.“. Ich kam bei Nicole an. Sie legte ihre Hand auf mein Bein: „ Ist doch alles gut.“. Ich schmiegte mich an ihren Körper und hielt mich an der Uniform fest. Jeremy packte meine Sachen zusammen. Nicole zog mich hoch als sie sich hinstellte. Dann schlang sie ihren Arm fest um mich. Jeremy sah zu mir. Sein Blick ging dann zum Lehrer: „ Ich weis noch nicht, wann sie wiederkommt.“. Ich sah ihn an. Er lächelte leicht zurück und wir verließen das Klassenzimmer. Auf dem Schulhof, stand Frau Johansson. Ihr Blick fiel auf mich, dann auf Nicole und Jeremy: „ Entschuldigung!“. Jeremy bedeutete Nicole weiter zugehen, er selbst bewegte sich selbstsicher auf die junge Lehrerin zu. Diese sich vor ihm aufbaute: „ Herr Evens, allen Ernstes, Ginny sieht nicht krank aus.“. Jeremy sah sie lange Zeit an bis er sagte: „ Ich würde mich an Ihrer Stelle an den Schüler wenden, der etwas zu weit gegangen ist!“. Frau Johansson seufzte: „ Herr Evens, wie sollen die Schüler denn auf sie achten, wenn sie nichts wissen, genauso geht es uns Lehrern. Sie wollen das Beste für Ginny, aber wenn Sie keinen Lehrer sagen wollen, was sie hat, dann können wir ihr auch nicht helfen.“. Jeremy nickte leicht: „ Sie braucht vermutlich nur noch Zeit Frau Johansson.“. Frau Johansson seufzte: „ Wie soll Ginny einen Beruf erlangen?“. „ Diese Schule ist ein Gymnasium, sie wird schon einen Beruf finden“, sagte Jeremy kalt. Die Lehrerin seufzte ein zweites Mal: „ Herr Evens, Ginny scheint einiges durch gemacht zu haben, zumindest sieht man dies an ihren Armen.“. „ Ginny ist nicht Krank!“, fauchte Jeremy sofort. „ Den Eindruck macht sie auf mich auch nicht Herr Evens, dennoch muss sie mit ihrer Vergangenheit abschließen, was auch immer passiert ist!“, ermahnte die Lehrerin den jungen Mann. Jeremy nickte: „ Sie sagen dies so leicht.“. „ Ich möchte Sie bitten heute Mittag in die Schule zu kommen, ich möchte mit Ihnen über Ginnys Vergangenheit sprechen, wenn Sie es mir jetzt schon nicht sagen wollen!“, sagte Frau Johansson mit einer beeindruckenden Entschlossenheit. Jeremy nickte leicht: „ Ist okay.“. Die Erwachsenen verabschiedeten sich und gingen in verschiedene Richtungen davon.
Jeremy saß auf der Polizeiwache und wartete. Er hatte den Termin mit der Lehrerin in die Wache verschoben, weil er noch eine Spätschicht anhängen musste. Ich selbst war zuhause, mit Nicole. Sein Kollege, der auch mit in der Spätschicht arbeiten musste, saß neben ihm. Keiner von beiden sprach auch nur kein Wort, sie schwiegen sich beide an. Jeremy sah auf als er die Stimme der Lehrerin hörte. Ein anderer Kollege, den Jeremy noch nie gesehen hatte, kam auf die Brücke: „ Eine Frau Johansson will mit dir sprechen?“. Jeremy nickte und stand vom Stuhl auf. Sein Kollege, Kai, sah ihn an: „ Was will sie eigentlich von dir?“. Jeremy seufzte: „ Über Ginnys Vergangenheit sprechen.“. Kai runzelte die Stirn, ließ Jeremy jedoch zur Theke gehen. Die junge Lehrerin sah ihn an. Jeremy öffnete die Schwingtür und sie kam hinter die Theke. Jeremy führte sie in einen Raum, indem ein Tisch, auf dem ein Computer stand, und zwei Stühle standen. Jeremy setzte sich mit dem Rücken zum Fenster und konnte auf den blauen Hintergrundbildschirm sehen. Frau Johansson nahm ihm gegenüber platz. Jeremy lehnte sich mit aller Ruhe nach hinten an. Frau Johansson lehnte sich jedoch nach vorne: „ Wie geht es Ginny?“. „ Besser“, sagte Jeremy leise. Frau Johansson nickte: „ Das ist gut.“. Sie lehnte sich nun auch an die Stuhllehne an: „ Herr Evens, ich habe mit Alice Richter gesprochen. Sie meint, dass der Mitschüler Maik Nagel Ginny ins Gesicht fassen wollte, was meiner Meinung nach nicht so eine heftige Reaktion auslöst, dass Ginny den Unterricht verlassen muss.“. Jeremy nickte: „ Normalerweise nicht. Aber um von vorne anzufangen. Ginny ist meine Nichte. Ihre Mutter starb sehr früh an Krebs, ihr Vater wurde umgebracht als er Ginny vom Kindergarten abholen wollte. Mich hatte man ausfindig gemacht, da ich aber in Deutschland lebe und man Ginny nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen wollte, hat man sie zu meiner jüngeren Schwester Chiara Evens gebracht. Immer hatte ich angenommen, das bei den beiden alles in Ordnung sei. War nur leider nicht. In London suchte man Ginny, Chiara war Opfer einer Schießerei geworden. Das weis ich von der Polizei in London. Von Ginny habe ich etwas mehr erfahren. Sie hat zugesehen wie meine Schwester, ihre Tante starb. Männer haben sie hier her nach Deutschland gebracht, wo sie fünfeinhalb Jahre geschlagen und vergewaltigt wurde. Als wir sie fanden, hatte sie sogar noch eine Kugel im Bein und es sah so aus als hätte man sie dort einfach zurück gelassen. Wohl wissend, dass Ginny den Raum indem sie war, nicht verlassen würde. Zumindest nicht alleine. Als ein Ehepaar sie fand, riefen sie gleich die Polizei, aber das war nicht das gleiche. Das Ginny meiner Kollegin vertraut hat, hat nichts zu bedeuten. Selbst wenn von ihr, einer Frau, ein Fehler kommt, dann ist Ginnys vertrauen gebrochen. Ich bau eine Verbindung zu ihr auf, damit sie weis, dass sie mir immer vertrauen kann, aber für sie ist es schwer zu vertrauen. Sie kennt manche Wörter nicht, weswegen ich sie lieber zuhause weiter unterrichtet hätte, dennoch wollte der Staat, dass sie auf eine normale Schule geht. Ich möchte, dass sie in ihrer Schule keine Angst vor Mitschülern oder Lehrern haben muss. Aber wie es aussieht, muss sie das haben, wenn man keine Privatsphäre hat. ´“. Frau Johansson hatte ruhig zugehört und ab und zu mit dem Kopf genickt. Ihre Augen ruhten jetzt dennoch nicht mehr auf Jeremy, sondern auf ihre Beine. Sie überlegte lange. Jeremy störte es jedoch nicht. Erst nach vollen Zehn Minuten, fasste die Lehrerin sich und sah Jeremy wieder an: „ Sie ist sechzehn?“. „ Seit gestern‘“, sagte Jeremy leise. „ Das heißt sie kam mit zehn Jahren hier her?“, fragte die Lehrerin immer noch leise und mit einer Spur von Unsicherheit. Jeremy nickte schwach. Frau Johansson sah auf ihre Hände, dann wieder hoch: „ Wenn ich dies der Schulleiterin erzähle, dann kann es sein, dass Maik von der Schule fliegt. Aber es wird fragen wegen Ginny geben. Wenn sie nicht mehr zum Unterricht erscheint, werden die Fragen an mich gehen. Aber damit wäre kein Problem gelöst. Wenn Ginny jedoch wieder zur Schule kommt, dann wird man sie fragen, was das heute war.“. Jeremy sah sich wieder den Bildschirm an: „ Damit könnte sie nicht umgehen. Ginny hat mir die Geschichte selbst nur mit einem großen Abstand und mit viel weinen erzählt. Ich denke nicht, dass sie eine Befragung von Schülerin in der Schule bestehen würde.“. „ Herr Evens, es muss irgendwie mit Ginny weitergehen. Ich habe sie bis jetzt nur in Mathe gesehen, aber sie scheint ein kluges Kind zu sein. Dies ist doch etwas Gutes. Ich kann mit der Klasse sprechen die Fragen zu lassen, dennoch werden die Schüler wissen wollen warum.“. „ Erzählen Sie es der Klasse, aber ich bezweifle, dass jemand diese Ge…“, die Tür öffnete sich und Kai unterbrach die beiden. Er sah Jeremy kurz an: „ Ein Mädchen ist hier, sie will mit dir reden.“. Jeremy runzelte die Stirn: „ Wer?“. „ Eine Alice, sie sagt sie geht in die gleiche Klasse wie Ginny.“. Jeremy stand auf: „ Tut mir leid Frau Johansson, ich bin gleich wieder da.“. Jeremy folgte Kai zur Theke, wo ein junges Mädchen mit braunen Locken stand und ein wenig eingeschüchtert wirkte. Jeremy setzte eine freundliche Mine auf und sah das Mädchen an: „ Wie kann ich dir weiterhelfen?“. Das Mädchen sah Kai an, der an einem Schrank mit Ordnern stand, dann wieder zu Jeremy. Ihre Stimme wackelte ein wenig: „ Ist Ginny hier?“. Jeremy zog die braunen fragend zusammen: „ Woher weist du, dass ich hier arbeite?“. „ Ich…nun es war eher geraten“, nuschelte sie. Jeremy lächelte sie an: „ Gut geraten, aber wieso möchtest du zu Ginny?“. Das Mädchen sah wieder zu Kai: „ Ich habe ein paar Arbeitszettel für sie mitgenommen und ich wollte wissen wie es ihr geht.“. Jeremy zögerte: „ Warte einen Moment.“. Das Mädchen sah zu, wie Jeremy auf der Brücke verschwand und wie er etwas aufschrieb. Dann kehrte er zu ihr zurück und gab ihr den Zettel: „ Eine Freundin ist bei Ginny, sag einfach wer du bist und woher du Ginny kennst, dann wird sie dich schon rein lassen.“. Das Mädchen nickte und sagte leise: „ Danke Herr Evens.“. Sie wandte sich zum gehen. Jeremy sah ihr kurz nach, dann verschwand er wieder zu Frau Johansson ins Zimmer.
Nicole saß mir in der Küche gegenüber und las in dem Hamburger Abendblatt. Ich selbst hatte den Hamburg-Teil vor mir liegen. Nicole sah auf: „ Wollen wir irgendein Spiel spielen?“. Diese Worte sagte sie vorsichtig. Doch ich nickte und sie lächelte. Sie stand auf und holte ein Spiel. Sie teilte gerade die Karten von dem Spiel Phase 10 aus, als es an der Tür klingelte. Mein ängstlicher Blick ging in ihre Augen. Nicole stand auf und ging zur Tür. Sie nahm die Sprechmuschel in die Hand und fragte: „ Wer ist da?“. „ Alice, ich bin in Ginnys Klasse und habe ein paar Unterlangen für sie mitgenommen“, sagte eine Mädchenstimme unsicher. Nicole wartete kurz und fragte mich: „ Geht eine Alice in deine Klasse?“. Ich stand im Flur und nickte. Nicole drückte einen Knopf, der die Tür unten im Treppenhaus öffnen sollte. Dann öffnete sie die Haustür und bedeutete mir zurück in die Küche zu gehen. Ich saß auf den Stuhl, als ich Alice Stimme hörte: „ Ich will nicht lange stören.“. „ Komm rein“, sagte Nicole und Alice betrat den Flur. Ich sah zum Eingang der Küche. Alice tauchte auf. Ihre grau Winterjacke war dieselbe wie in der Schule. Sie nahm eine Mappe aus ihrer Schultasche und legte sie auf den Tisch: „ Falls du die nächsten Tage nicht kommen solltest, haben die Lehrer mir mehr für dich mitgegeben. Wenn du damit fertig bist, kannst du die Lehrer auch per E-Mail anschreiben. Ein Zettel mit den Adressen liegt hinten drin.“. Nicole beobachtete mich. Doch ich sah nur Alice an: „ Woher hast du die Adresse?“. „ Dein Onkel hat sie mir gegeben“, sagte sie unsicher. Nicole räusperte sich und wir beide sahen sie an: „ Alice willst du was trinken?“. Alice schüttelte den Kopf: „ Ich will nicht stören.“. Nicole wollte etwas erwidern, doch ich war schneller: „ Kennst du Phase 10?“. Alice sah mich an und nickte, immer noch unsicher. Ich setzte ein schwaches Lächeln auf und deutete auf den Platz neben mir: „ Dann können wir ja spielen wenn du Zeit hast.“. Alice sah zu Nicole, sie breitete ihre Arme aus: „ Ich habe nichts dagegen.“. Alice zog ihre Jacke aus und Nicole hängte sie an Garderobe. Dann setzten sich beide auf die Stühle. Wir spielten ausgelassen und lange. Alice sprach nicht so viel wie in der Schule, was wohl daran liegen musste, dass Nicole da war und Alice sie in Polizeiuniform gesehen hatte. Doch nach ein paar Minuten des Spielens verflog ihren Beklommenheit und sie war sich nicht mehr so unsicher. Gegen halb neun, kam Jeremy nach Hause. Alice war schon gegangen. Ich selbst war in der Küche auf dem Stuhl eingeschlafen. Nicole hatte eine Decke über meinen Körper gelegt und beobachtete mich die ganze Zeit. Als Jeremy in die Küche kam, führte sie ihre Hand an ihren Mund und Jeremy lächelte als er mich sah- Er flüsterte nur: „ Wann ist sie eingeschlafen?“. „ Kurz nachdem Alice gegangen ist“, sagte Nicole leise und die beiden verließen die Küche und gingen ins Wohnzimmer: „ Und wie war dein Gespräch mit der Lehrerin?“. Jeremy seufzte: „ Hartnäckige Frau am Jeremy nach Hause. Alice war schon gegangen. Ich selbst war in der Küche auf dem Stuhl eingeschlafen. Nicole hatte eine Decke über meinen Körper gelegt und beobachtete mich die ganze Zeit. Als Jeremy in die Küche kam, führte sie ihre Hand an ihren Mund und Jeremy lächelte als er mich sah- Er flüsterte nur: „ Wann ist sie eingeschlafen?“. „ Kurz nachdem Alice gegangen ist“, sagte Nicole leise und die beiden verließen die Küche und gingen ins Wohnzimmer: „ Und wie war dein Gespräch mit der Lehrerin?“. Jeremy seufzte: „ Hartnäckige Frau. Vor allem wenn es um ihre Schüler geht. Aber ich habe mal nachgeforscht, der Schüler, der Ginny wohl angeblich nichts böses wollte, hat ein Vorstrafenregister, da dreht sich selbst der Teufel in der Hölle um. Körperverletzung und eigentlich die ganze Palette.“. Nicole nahm auf der Couch platz und sah Jeremy an: „ Was passiert mit ihm?“. „ Seine Eltern haben schon eine neue Schule gefunden, er sollte eigentlich schon seit dem Halbjahr darauf gehen, aber irgendwie schafft er es nicht. Keine Ahnung wieso. Das Beste ist sogar, das diese Typ eigentlich noch gar nicht bei seiner Schule abgemeldet ist, die Lehrer denken immer noch, er geht auf die Schule.“. Nicole schnaubte verächtlich: „ Wie hast du das alles herausgefunden?“. „ Ich habe mich halt erkundigt, nach der Telefonnummer der Eltern. Sie dachten die ganze Zeit, ihr Sohn würde auf seine neue Schule gehen und waren mehr als überrascht, dass er noch zur alten geht.“. Nicole schüttelte fassungslos den Kopf: „ Und wie geht es jetzt weiter?“. Jeremy seufzte und setzte sich auf einen Sessel: „ Nun, Der Junge geht auf die neue Schule und wird dort besonders viel Aufmerksamkeit von Lehrern und Polizei bekommen. Die Eltern setzten sich auch dafür ein, dass der Junge sich bei Ginny entschuldigt.“. Nicole nickte: „ Dann hoffe ich, sie bricht nicht gleich wieder in Tränen aus und zieht sich zurück.“. Jeremy nickte: „ Das hoffe ich auch. Das nächste, die Lehrerin will mit der Klasse sprechen, zumindest mit ein paar Schülern die sie für vertrauenswürdig hält. Sie ist sich einig Alice Richter mit einzubeziehen. Ginny wird dann in deren Nähe sitzen und mit denen Arbeiten, wenn es Gruppenarbeit heißt.“. Nicole sah aus dem Fenster: „ Dann wird hoffentlich alles gut.“. Doch Jeremy schüttelte den Kopf: „ Erinnerst du dich noch an den Mann auf der Wache den wir festgenommen haben. Er gibt zwar zu Ginny zu kennen, jedoch nicht an ihrer Entführung teil zuhaben. Man hat ihn laufen lassen.“. Nicole sah ihn geschockt an: „ Das können die nicht machen, Ginny hat reagiert, so heftig als sie ihn nur sah!“. „ Das reicht nicht, der Richter meinte, dass er auch nur einen der Männer ähnlich sehen kann, oder dass sie doch in eine geschlossene Klinik am besten aufgehoben wäre!“, schnaubte Jeremy verächtlich. Nicole sah ihn an: „ Aber sie ist stabil, auch wenn es Zwischenfälle gibt, sie sind über die Monate besser geworden, die Psychologin meint doch auch, dass Ginny in Ordnung ist.“. Jeremy sah Nicole an: „ Nicht nur sie.“. Nicole sah ihn verständnislos an: „ Wie darf ich das verstehen?“. Jeremy sah wieder weg: „ Ich habe mir den Rat eines Psychologen geholt, er hat sich Ginny angesehen und mit ihr gesprochen, nach dem Zwischenfall auf der Wache. Er meint zu mir, sie sei in Ordnung, nur, dass sie das Wort spielen nicht abkann, weil sie damit zu viel verbindet.“. Nicole nickte: „ Ja, aber heute habe ich sie vorsichtig gefragt, sie hat genickt, ohne überhaupt irgendwie anderweitig zu reagieren.“. „ Jeremy?“, fragte ich leise. Jeremy sah zur Tür: „ Waren wir zu laut?“. Ich schüttelte den Kopf und ging langsam zu ihm. Er nahm mich auf den Schoß und küsste mich auf das Haar: „ Wie geht’s dir?“. Ich nickte: „ Gut.“. Nicole lächelte mich an. Ich sah kurze Zeit zu ihr und dann wieder zur Jeremy: „ Worüber habt ihr geerdet?“. Jeremy schüttelte den Kopf: „ Über einen Fall.“. Ich nickte und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Nicole stand auf: „ Gut, dann mach ich mich auf den Weg.“. Jeremy nickte. Er stand nicht auf, da Nicole hier praktisch ihre zweite Wohnung hatte und kam und ging wann sie wollte. Den Schlüssel besaß sie auch schon. Jeremy legte vorsichtig seine Arme um meinen Körper: „ Und was machen wir jetzt?“. Ich zuckte mit den Schultern. Jeremy nahm die Fernbedienung vom Fernseher vom Tisch und schaltete ihn ein. Wir blieben auf dem Sender Sat1. Erst gegen zehn Uhr war ich in seinen Armen eingeschlafen und Jeremy machte den Fernseher aus. Da er nicht noch aufstehen wollte, nahm er sein Handy aus der Hosentasche und stellte den Wecker ein. Dann legte er seinen Kopf zurück und schlief ebenfalls ein.
Am nächsten Morgen machte ich mich für die Schule bereit. Jeremy meint zwar, ich müsse noch nicht hingehen, dennoch fand ich die Schule schön und wollte Alice wieder sehen. Diesen Vorwand nahm er auf und fuhr mich im Streifenwagen mit seinem Kollegen Kai zur Schule. Dort ging ich alleine in die Klasse hinein. Es war schon die zweite Stunde als ich eintraf, aber das war von Jeremy beabsichtigt. In der ersten Stunde hatte Frau Johansson mit den Schülern gesprochen. Zu denen Juli nicht gehörte. Als ich die Klassentür aufstieß, sah Herr Ahrens von dem Pult zu mir. Einige Köpfe drehten sich nach hinten.
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch meinem Freund, der es auf den richtigen Weg zurückgeschafft hat, nachdem er alles verlor, was ihm lieb und teuer war!!!