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Stalker


Zwei Wochen waren vergangen, seitdem Light Yagami als Verdächtiger im Fall Kira festgenommen und einen Monat lang isoliert von der Außenwelt eingesperrt war. Während seiner Inhaftierung hatte Light das Besitzrecht an das Death Note aufgegeben und alle damit verbundenen Erinnerungen verloren. Es hatte einige Zeit gedauert bis sich L endlich überzeugen ließ dass Light als Kira nicht länger infrage käme und ihn freigelassen. Nun konnte Light endlich wieder in seinen Alltag zurückkehren und die verlorene Zeit auf der Uni nachholen. Dort hatte man schon angefangen, Gerüchte zu erzählen dass Light entführt worden sei oder mit seiner neuen Flamme durchgebrannt wäre. Der erste Tag war wirklich alles andere als ruhig denn von allen Seiten kamen Fragen über seinen Verbleib in den letzten vier Wochen und so schnell ließen sich diese unzähligen Gerüchte nicht aus der Welt schaffen. Auch in der Mittagspause hatte er keine Ruhe und so setzte er sich bei einem schönen Buch in die Bibliothek. Er brauchte etwas Zeit für sich um endlich mal nicht nur an den Fall Kira und an L zu denken. Doch allein blieb er leider nicht lange, da gesellte sich nämlich Universitätsschönheit Kiyomi Takada zu ihm. „Du hast dich ja lange nicht mehr blicken lassen. Ich hatte schon gedacht du hättest dich exmatrikulieren lassen. Wo warst du denn?“ Kiyomi war eine sehr hübsche junge Frau, die genau wusste wie sie ihre Reize auszunutzen hatte und nicht nur sehr intelligent sondern auch ganz schön arrogant war. Light hatte schon immer selbstbewusste, kluge Frauen bevorzugt und er wusste dass er sie jederzeit um den Finger wickeln konnte, wenn er nur wollte denn Frauen wurden bei intelligenten gut aussehenden Männern immer schwach und naiv. Was er da mit ihr machte, war für ihn nur ein bisschen Flirten aber was wirklich Ernsthaftes wollte er nicht von ihr. Sie war einfach zu hochnäsig, das konnte er einfach nicht an ihr ab aber wenigstens hatte er jemanden, mit dem er auch mal über etwas Niveauvolleres reden konnte als über Comics und Feten. „Ich war ziemlich krank und es gab familiäre Probleme. Entschuldige dass ich mich nicht gemeldet habe.“
„Einige erzählen sich dass du mit deiner Freundin ins Ausland gereist bist. Du hast sie uns ja noch gar nicht vorgestellt.“ Mit seiner „Freundin“ war natürlich Misa Amane gemeint, die er kennen gelernt hatte. Welche Umstände das noch mal gewesen waren, konnte er sich nicht erinnern aber seitdem hing sie wie eine Klette an ihm und hatte sich in ihn verliebt. Dass er jedoch nichts für sie empfand, war ihm schon unangenehm da er Sorge hatte, ihre Gefühle zu verletzen und er war eigentlich nicht so der Romantiker. Außerdem war Misa etwas zu einfältig für seinen Geschmack. Dass sie ständig vor der Universität auf ihn wartete und mit den Armen wedelnd „Hallo Light!!!!“ rief, das sorgte selbstverständlich für Munkeln, besonders wenn seine Freundin ein Gothic Lolita Model war. „Sie ist nicht die Art von Freundin wie du vermutest. Wir haben uns rein zufällig in Aoyama kennen gelernt und sind seitdem befreundet. Mehr ist da auch nicht auch wenn sie scheinbar mehr von mir will als nur Freundschaft.“ Kiyomi sah ihn forschend an und schwieg dazu. Offensichtlich wollte sie auch sehen dass Light die Wahrheit sagte und das blieb nicht ganz unbemerkt. Light musste fast schmunzeln bei diesem Anflug von Eifersucht bei Kiyomi. Aber selbstverständlich ließ sie sich nichts anmerken und schluckte ihre aufkeimende Eifersucht mit der Gewissheit runter, dass Misa Amane vom Intellekt her nicht mit ihr mithalten konnte und sie sicherlich mehr zu bieten hatte als so ein aufdringliches Blondinchen. Diese Frauen, dachte Light kopfschüttelnd und klappte sein Buch zu. Kiyomi räusperte sich und reichte Light einen dicken Stoß Papiere, die sie in einem Ordner einsortiert hatte. „Ich habe alles, was wir im letzten Monat durchgenommen hatten kopiert und abgeheftet. Demnächst sind Prüfungen und du solltest den Unterrichtsstoff schnell nachholen. Professor Kamasaki meinte dass diese Prüfung wirklich schwer werden wird.“ Light bedankte sich mit einer Einladung zum Essen bei ihr in einem kleinen Restaurant in der Nähe der Universität, welches recht beliebt war und gerne von Studenten aufgesucht wurde. Das Essen war dort üppig und günstig und die Atmosphäre war selbst bei einer Vielzahl von Kunden entspannt. Wenn Light es einrichten konnte, ging er gerne dort in der Mittagspause essen wenn er mal vergessen hatte etwas mitzunehmen.
Es war ein wunderbarer Tag, die Sonne schien und die Kirschblüten strahlten in ihrer besten Farbenpracht. Ein angenehmer Wind wehte durch die Zweige und keine einzige Wolke war am Himmel. Man konnte fast sagen es war ein sommerliches Wetter und so gingen Kiyomi und Light nicht auf direktem Wege zum Restaurant, sondern erst durch den Park. Auf der Wiese oder am Springbrunnen saßen und standen Schüler aller Altersgruppen oder Paare, die den schönen Tag genießen wollten und irgendwie wirkte alles beinahe zu harmonisch. Nach einer halben Stunde erreichten sie schließlich das Restaurant und setzten sich auf die Terrasse. Sie bestellten sich hausgemachtes Curry und Kiyomi erzählte was alles während seiner Abwesenheit in der Uni so gelaufen ist. Angefangen vom einfachen Klatsch bis hin zu ernsthaften Krisen zwischen den Studenten und Light kam es so vor, als wäre er Ewigkeiten weg gewesen. Das Curry war etwas scharf aber sehr herzhaft und würzig und auch der Grund für den guten Ruf des Restaurants und auch noch dieses sommerliche Wetter auf der Terrasse hätte nichts im Leben Lights gute Laune trüben können, wäre da nicht im Unterbewusstsein dieses Gefühl, dass ihn jemand beobachtete. Er hatte schon immer einen ausgeprägten Sinn dafür gehabt, wenn er beobachtet oder verfolgt wurde und er war sich sicher dass diese Person ihm schon seit der Universität gefolgt ist. Unauffällig sah er sich um doch bei den vielen Menschen war es unmöglich seinen Verfolger ausfindig zu machen. Er beobachtete ihn ununterlassen wie ein Raubtier seine Beute und Light spürte instinktiv, dass dieser Verfolger eine Bedrohung darstellte. Dass ihn das beunruhigte, blieb bei Kiyomi natürlich nicht unbemerkt. „Light? Alles in Ordnung mit dir?“ „Nein, schon in Ordnung. Ich war nur kurz in Gedanken versunken, das ist alles“ log er hastig und trank einen Schluck Tee. Sie saßen noch eine Stunde im Restaurant bevor sie wieder durch den Park gingen und immer noch spürte Light dass er beobachtet wurde. Er holte einen kleinen Handspiegel raus und versuchte zu sehen wer ihnen eigentlich die ganze Zeit über folgte aber er konnte niemanden sehen. Wer es auch war, er war Profi.
Nach einem schönen Spaziergang verabschiedeten sie sich voneinander und Light kehrte in das Hauptquartier der Sonderkommission, die unter L’s Führung Ermittlungen zum Fall Kira anstellte, zurück und warf mit einem lauten Seufzer seine Tasche in die nächstbeste Ecke und setzte sich auf die Couch. L saß ihm gegenüber und vor ihm hatte sich ein Berg von Süßkram aufgetürmt. „Na Light? Wie war der erste Schultag seit langem?“ fragte der Detektiv und sah ihn mit seinen dunklen Augen neugierig an während er sich ein Schokoplätzchen nach dem anderen in den Mund schob. „Naja, ich hab mich mit einer Freundin im Restaurant getroffen und sonst ist da nicht viel gewesen. Aber kann es sein dass du mich immer noch verdächtigst dass ich Kira sein könnte?“ Etwas verdutzt auf diese plötzliche Frage legte L den Kopf ein wenig zur Seite und runzelte die Stirn. „Warum fragst du?“ „Seit ich wieder zur Uni gehe, verfolgt mich irgendjemand und das ist kein einfacher Stalker. Ryuzaki, wenn du irgendwas damit zu tun hast, dann will ich das auch wissen.“ Doch L zögerte erst mit einer Antwort und schien nachzudenken, dann aber antwortete er „Nein, ich habe niemanden beauftragt dich zu beschatten aber ich finde es erstaunlich dass du so einen ausgeprägten Spürsinn dafür hast.“ Das war kein Kompliment, so viel stand fest sondern eher eine Feststellung. Dieser verdammte L konnte doch jedes einzelne Wort, das Light sagte, gegen ihn verwenden und das brachte ihn immer wieder auf die Palme. Aber die größere Frage war immer noch: Lügt L und lässt er ihn wirklich beschatten oder ist es wirklich jemand anderes? Wer könnte das sein? L schien jedenfalls zu bemerken dass es Light beschäftigte und begann Zuckerwürfel in seinen Kaffee zu geben. „Ich würde an deiner Stelle nichts unternehmen sondern erst einmal gucken ob er dich wirklich rund um die Uhr verfolgt und ob es heute nicht eine Ausnahme war. Wenn es zu mehr kommt also ich meine dass er schlimmstenfalls sogar deiner Familie nachstellt oder anfängt irgendwas anzustellen, dann werde ich schon dafür sorgen, dass er damit aufhört.“ Eigentlich sollte Light dankbar sein dass L ihm Hilfe anbot aber andererseits hatte er ein sehr ungutes Gefühl was die Sache mit seinem Verfolger betraf. Er hatte das Gefühl dass noch etwas Furchtbares geschehen würde und dass es kein harmloser Stalker war, der sofort abhaute wenn er ein bisschen eingeschüchtert wurde. Aber so ein Gefühl alleine reichte nicht aus und außerdem war er sich nicht sicher, ob er sich nicht vielleicht auch täuschen konnte. Tatsache war, dass er jetzt die Augen offen halten würde.

Neun Tage


Vier Tage waren jetzt vergangen seit Light festgestellt hatte, dass er von einem Unbekannten verfolgt wurde und es hatte sich bis jetzt nichts geändert. Egal wohin er ging, der Kerl war anhänglich wie ein Schatten und ließ sich durch nichts abschütteln aber Light konnte einfach nichts erkennen, immer nur eine schwache Silhouette, die auch alsbald wieder verschwand. Die Sache wurde ihm langsam unheimlich und er ging nur noch raus wenn er es für nötig hielt. L setzte wie versprochen zwei verdeckt ermittelnde Polizisten auf den Verfolger an doch auch die konnten den Unbekannten nicht fassen. Alles, was sie erkannten war dass die Gestalt ungewöhnlich groß war, ganze 180cm groß und blond war. Außerdem trug sie schwarze Kleidung. Als der sechste Tag anbrach, erlebte Light den wohl größten Schrecken, den er je erlebt hatte. Irgendjemand hatte während der Nacht Raben an die Wand genagelt und überall mit Blut „How Dare You“ geschrieben. Sogar die Zimmerdecke war beschrieben, allerdings mit den Worten „You killed him!!!“ Nun bekam die Sache völlig neue Gesichtspunkte denn der Verfolger war ohne Spuren zu hinterlassen ins Haus eingedrungen und hatte über Nacht in Lights Zimmer gewütet ohne dass jemand auf ihn aufmerksam geworden war. Und die Nachricht war schon sehr beunruhigend gewesen. Die Familie Yagami wurde nun rund um die Uhr von Polizisten bewacht und wenn Light nicht in der Schule war, blieb er hauptsächlich in der Ermittlungszentrale. L sah sich nachdenklich die Tatortfotos an und starrte wie hypnotisiert auf das Bild mit den toten Raben, die an die Wand genagelt wurden. Irgendwie kam ihm die Sache vertraut vor. Ein bisschen zu vertraut. „Light, wie waren die Raben an die Wand genagelt?“ „An jeder Wand einer auf gleicher Höhe, wieso?“ Diese Ähnlichkeit mit dem BB-Fall war mehr als verblüffend aber es konnte sich auch um einen Zufall handeln. Oder auch nicht? Irgendwie war sich L nicht sicher und er rätselte, was diese Raben zu bedeuten hatten. Sicher hatte der Täter einen bestimmten Grund gehabt ausgerechnet solche Tiere zu wählen. Und warum wurde die Nachricht in Englisch geschrieben und das ausgerechnet in Japan wo es viel zu viele Leute gab, die mit lateinischer Schrift nichts anfangen konnten. Lag auch hier drin ein bestimmter Sinn? Es gab ziemlich viele Fragen zum Täter, insbesondere warum er Light und seine Familie verschont hatte und nur diese Schmiererei angerichtet hatte. Dass er ohne Spuren zu hinterlassen einfach einbrechen und wieder verschwinden konnte ohne bemerkt zu werden, sprach wirklich für einen Profi. Das war kein Amateur oder jemand, der schon häufiger eingebrochen war. Dieser Kerl verstand sein Handwerk perfekt und es war sicher nur eine Frage der Zeit bis es wirklich gefährlich wurde. Fakt war dass der Kerl Light für den Tod an jemanden verantwortlich machte. Etwa weil der Verdacht bestand dass Light Kira ist? Aber das wusste doch niemand außer ihm und die Mitglieder der Ermittlungszentrale. Der Gedanke, dass jemand selbst Nachforschungen betrieben hat und zu denselben Ergebnissen gekommen war, die L zusammengesammelt hatte, schien ihm wirklich absonderlich und höchst unwahrscheinlich. Light gab Watari den Auftrag, ihm die Akte B zu geben und begann sich seinen Tee zu verzuckern. Light, der aufgrund der jüngsten Ereignisse etwas beunruhigt war, versuchte sich irgendwie nützlich zu machen und fragte L was die Akte B sei. „Vor einem Jahr war ich mit dem BB-Serienmordfall von Los Angeles vertraut und ich vermute dass die an die Wand genagelten Raben eine Verbindung zum Mordfall darstellen könnten. Ich will herausfinden ob er noch lebt und wen er in seinem Bekanntenkreis haben könnte.“ Als L die Akte mit dem in altenglischer Schrift aufgedrucktem B erhielt, holte er den letzten Gefängnisbericht heraus und las dass B es geschafft hatte aus dem Gefängnis auszubrechen und eine Frau angegriffen und schwer verletzt hatte. Schließlich hatte man ihn gefasst und wieder eingesperrt. Zwei Monate später war er dann an Herzversagen gestorben. Seltsam, warum waren keine Informationen über das Opfer zu finden, welches er angegriffen hatte? Weder Name noch sonst irgendwelche Informationen waren zu finden und eigentlich war es nicht seine Art, dass er Informationslücken in Akten zuließ. Er beauftragte Watari, mehr über diese unbekannte Frau herauszufinden und die Akte zu vervollständigen während er sich wieder dem Stalker widmete. Mit der Absprache von Lights Vater wurden Kameras am Haus angebracht und ein Plan erfasst, wie sie mehr Informationen bekommen konnten. Wenn L’s Vermutung stimmte, dann würde der Unbekannte wieder ins Haus eindringen und hoffentlich würden sie sein Gesicht auf einer Überwachungskamera festhalten. „Und was ist mit mir und meiner Familie? Wenn wir heimlich abhauen, wird er es wahrscheinlich merken.“ Genau das war das einzige Problem, was es zu bewältigen galt. Offensichtlich war Lights Verfolger ein guter Beobachter und sicherlich ziemlich intelligent und das hieß wiederum, dass er sofort Verdacht schöpfen würde, wenn statt Light selbst eine Puppe oder ein getarnter Polizist sich unter der Bettdecke versteckte. „Keine Sorge, ich glaube nicht dass er dir etwas antun wird. Dass er insgesamt vier Raben an jede Wand genagelt hat kann nur bedeuten, dass er dich noch weiterhin einschüchtern will. Dein Vater weiß Bescheid und ist für den Ernstfall bereit. Ich werde das Haus überwachen und Inspektor Yagami sofort das Signal geben wenn du in Gefahr sein solltest. Vertrau mir einfach, es ist nicht das erste Mal dass ich mit so etwas zu tun hatte.“ Trotzdem war Light etwas mulmig und auch seinem Vater ging es einfach nicht gut bei der Sache, aber sie mussten mehr über den Unbekannten herausfinden wenn sie ihn schnappen wollten.
Als es bereits dunkel wurde, ging Light wie besprochen mit seinen Vater nach Hause und sie behielten Stillschweigen über den Plan um Sayu und Sachiko nicht zu erschrecken. Außerdem hätte sie dieses Wissen nur in Gefahr gebracht. Light hatte sich nach dem Abendessen auf sein Zimmer zurückgezogen und widmete sich seinen Hausaufgaben, L saß auf der Couch und starrte auf die Bildschirme der Überwachungskameras und trank bereits die fünfte Tasse Kaffee und verputzte danach zwei Donuts. Nicht eine Sekunde ließ er auch nur einen Bildschirm unbewacht und selbst als Watari kam um ihm die gesammelten Informationen zu überreichen, starrte L wie hypnotisiert hin. „Raben… warum ausgerechnet Raben?“ murmelte er und dachte angestrengt nach. Gab es irgendwann mal einen Serienmörder oder irgendjemand anderes, der einen Raben oder eine Krähe als Signatur hatte? Eigentlich konnte L sich an jeden einzelnen Serienmörder erinnern, den er jemals festgenommen hatte aber vielleicht irrte er sich ja auch und dieser Täter hier war jemand neues. „Watari, suchen Sie mir sämtliche Namen heraus, die irgendetwas mit einem Raben oder einer Krähe zu tun haben. Es ist egal wie lang die Liste wird und bitte vermerken Sie welche durch Straftaten auffällig wurden und verhaftet wurden und welche bereits tot sind.“ Diese verdammten Vögel, die mit einem Nagel durchs Herz an die Wand geschlagen worden waren, ließen ihn einfach nicht mehr los. Da war irgendwann einmal was mit einem Raben oder so zu tun hatte aber er konnte sich nicht erinnern. Vielleicht war es ja auch kein Serienmörder oder Straftäter gewesen sondern irgendetwas anders. Wichtig war erst einmal die Überwachungskameras im Auge zu behalten und wenn möglich den Einbrecher auf das Bild zu bekommen. Es war nur ein kurzer Augenblick und L konnte sich nicht erklären wie das genau passieren konnte aber plötzlich stand der Unbekannte in Lights Zimmer direkt vor seinem Bett. In der Hand hielt er ein Stilett und dank des Nachtfilters konnte L erkennen, dass es sich offensichtlich um eine Frau handelte. Sie hatte langes Haar, trug ein Schleifenband an der linken Seite, eine Weste und darunter ein weißes Hemd. Dazu eine Krawatte, die sie über der Weste trug und einen weiten Rock, offensichtlich so schwarz wie die Weste. Sie stand vollkommen regungslos da, der Blick war gesenkt und irgendetwas murmelte sie ununterbrochen. Sie war nicht zu hören also beugte L sich vor und versuchte angestrengt ihre Lippen zu lesen… Die ganze Zeit murmelte sie das japanische Wort für „Unverzeihlich“, ununterbrochen und so schnell, dass es L schwer fiel das Wort zusammenzubekommen.
Tränen rannen ihr Gesicht runter aber ihre Miene blieb ausdruckslos und unverändert. Es verging eine Stunde und sie bewegte sich immer noch nicht, zwei Stunden… drei Stunden…. L war dies alles ein einziges Rätsel. Warum zum Teufel stand diese Frau mit der Waffe einfach nur da und flüsterte immer und immer wieder nur dieses eine Wort „Unverzeihlich“? War sie psychisch krank? Eine Psychopathin?
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Inspektor Yagami trat herein, mit einer Pistole bewaffnet und befahl ihr mit lauter Stimme das Messer fallen zu lassen. Was zum Teufel sollte das? Warum griff Yagami einfach so ein ohne L’s Signal abzuwarten? Langsam drehte die Frau ihren Kopf in die Richtung von Inspektor Yagami, ihre Bewegungen hatten irgendetwas Groteskes an sich was L nicht wirklich erklären konnte. Breit grinste sie ihn an und sagte ihm irgendetwas, dann stürmte sie zum Fenster und durchbrach beim Hindurch springen die Scheibe. Von der Außenkamera konnte L erkennen wie sie sich geschickt am Boden abrollte und davonrannte. Inspektor Yagami blieb regungslos mit der Pistole in der Hand stehen und konnte sich erst nicht rühren, dann ging er zu seinem Sohn um sich zu vergewissern dass alles mit ihm in Ordnung war.
L schnappte sich eines seiner vielen Handys und rief Inspektor Yagami an, seine Stimmung hatte sich um einiges verschlechtert da alles nicht direkt nach Plan durchgeführt worden war aber wenigstens hatte er neue Erkenntnisse gewonnen. Die Frau war, soweit er aus ihrer Fluchtaktion schließen konnte, sehr schnell und wendig und sicher auch kräftig. Sie hatte sich überhaupt nicht von der Pistole einschüchtern lassen, was zeigte, dass sie nicht das erste Mal in die Mündung einer solchen Waffe geblickt hatte. Wer immer sie auch war, sie war wirklich eine Psychopathin. Über Handy entschuldigte sich Inspektor Yagami bei L, dass er vorzeitig eingegriffen und womöglich alles in Gefahr gebracht hatte aber das war dem Meisterdetektiven jetzt einerlei. Er wollte wissen, was diese Frau ihm gesagt hatte. Yagami wiederholte wortwörtlich was sie ihm gesagt hatte. „Die Geister der Vergangenheit werden unsere Narben niemals verschwinden lassen, sie lassen uns immer wieder den Schmerz spüren, den wir zu vergessen geglaubt haben. Ich gebe ihm neun Tage um zu finden wonach ich suche. Danach wird er mit seiner Familie sterben.“ Nun ergab dies eine völlig neue Perspektive zu der Stalkerin, die bereits zum zweiten Mal bei Light eingebrochen war. Anscheinend gab sie ihm die Schuld für den Tod an jemandem, der ihr nahe gestanden hatte und würde ihm erst vergeben, wenn er etwas oder besser jemanden für sie findet. Neun Tage hatten sie also Zeit um herauszufinden wer diese Frau war, nach wem sie sucht und wo sich dieser Unbekannte befindet. Das klang ganz nach einem Fall für L. Normalerweise nahm er nur einen Fall mit mindestens 10 Toten oder einem Schaden von wenigstens einer Millionen Dollar an aber er wurde einfach das Gefühl nicht los dass dieser Fall etwas mit den BB-Morden zu tun hatte. Vielleicht nicht direkt aber dass die Raben auf die gleiche Weise angebracht worden waren wie die Strohpuppen, war gewiss kein Zufall. Nein, er war sich jetzt sicher dass es ein Hinweis war, dem die Frau ihnen hinterlassen hatte und er würde ihn nutzen. Während die Yagamis den Schrecken der Nacht verkrafteten, setzte sich L bereits an die Arbeit und begann die Liste abzuarbeiten, die Watari ihm gegeben hatte. Hier waren sämtliche Mörder, Menschen usw. aufgezählt, die irgendeine Verbindung zu Raben hatten. Mindestens tausend Treffer hatte die Suche ergeben und es würde mindestens zehn Stunden in Anspruch nehmen, diesen Namen nachzugehen.

Karasuma


Als Light nach der Universität in die Ermittlungszentrale kam, fand er L schlafend vor. Er hockte in seiner üblichen Sitzhaltung, den Kopf auf die Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Ein sehr merkwürdiger wie auch extrem seltener Anblick wie Light zugeben musste. Er setzte sich auf einen Sessel L gegenüber und sah auf die Liste, auf der unzählige Namen standen und von denen mindestens ein Viertel mit einem roten Stift durchgestrichen worden waren. Mit den Namen konnte Light nichts anfangen und als er sich hingesetzt hatte, wachte L schlagartig auf und war hellwach. Ob er nur kurz eingenickt war oder er durch Light aufgeweckt worden war? Jedenfalls wandte sich der Meisterdetektiv wieder seiner Arbeit zu und blätterte noch mal die Listen durch. „Es sind leider viel zu viele Namen und viel zu wenig Verdächtige.“ Light sah ein Bild welches offensichtlich von der Überwachungskamera stammte und sah es sich näher an. Die Frau war wirklich sehr hübsch, sie war ungewöhnlich groß und hatte trotz des Alters von ungefähr 25 bis 26 Jahren etwas Jugendliches an sich. Dann ließ er seinen Blick über die Liste schweifen und ein Name fiel ihn ins Auge: „Karasuma“. Ja genau, vor ungefähr fünf Jahren wurde die Familie, die zurückgezogen auf einer Insel in der Nähe der japanischen Küste wohnte, brutal abgeschlachtet und der Mörder wurde niemals gefasst. Irgendetwas sagte ihm dass sie bei Karasuma suchen sollten und sprach L darauf an. Dieser hatte bereits alles zu der Familie herausgesucht und nicht viel Hilfreiches gefunden. Bei dem Mordfall hatte niemand so etwas wie einen toten Raben gefunden und L sah keine Verbindung zwischen dem Karasuma-Mordfall und den BB-Morden. Doch Light wusste instinktiv, dass das die richtige Spur sein könnte und er begann sich an den Computer zu setzen und alles über die Karasuma Familie herauszufinden. Die Familie hatte insgesamt 14 Mitglieder und alle waren tot, selbst die Kinder. Wenn Light sich das Blutbad von den Tatortfotos ansah, dann konnte er sich schon denken dass der Täter einen Wahnsinnshass auf die Familie gehabt hatte, aber warum? Warum wurde eine zurückgezogene Familie ermordet, die sich keine Feinde gemacht hat? Bei einem Namen blieb Light stehen als er das Foto sah: „Yumiko Karasuma, geboren am 30.10.1979, gestorben am 30.10.2000.“ Sie war also an ihrem 21. Geburtstag umgebracht worden… Ob das Zufall war? Die Frau auf dem Foto sah der gestrigen Einbrecherin mehr als verblüffend ähnlich, nur die Haare waren länger und auch die Kleidung war anders. Außerdem trug Yumiko keine Schleife im Haar. Nur gab es da einen kleinen Haken: Yumiko war tot, genauso wie der Rest ihrer Familie. Man hatte ihren Bauch ausgeweidet und mit Süßigkeiten voll gestopft und in ihre Stirn „Greed“ geritzt… Sie hatte sonst keine lebenden Geschwister, nur Cousins und Cousinen. Er durchforstete das Familienregister aber hilfreiches fand er dabei nicht heraus. Aber etwas sagte ihm dass die tote Yumiko Karasuma der richtige Anhaltspunkt war. Sein Gefühl hatte ihn nie getäuscht und er wandte sich zu L. „War es möglich dass die Familie Karasuma dieses Familienregister insoweit manipulieren konnten, zum Beispiel wenn sie jemanden verstießen?“ „Der Gedanke ist mir auch gekommen aber ich habe nichts finden können. Yumiko Karasuma war Einzelkind und keiner der Bediensteten konnte etwas über jemanden sagen, der aus dieser Familie ausgeschlossen worden war. Aber du kannst es ja im Krankenhaus versuchen. Ich hab den Namen irgendwo aufgeschrieben.“ Light fand den voll geschriebenen Zettel und konnte mit Mühe die Adresse herauslesen. Er rief im Krankenhaus an und fand heraus, dass Yumiko nicht als Einzelkind sondern einen Zwilling hatte. Was aus ihm geworden war, konnte Light nicht herausfinden aber endlich hatte er ein Indiz darauf, dass etwas mit der Karasuma-Familie nicht stimmte. Als L davon erfuhr, war sein Interesse geweckt und er setzte sich sofort zu Light. „Yumiko und ihre jüngere eineiige Zwillingsschwester stammten aus einer Affäre mit einem amerikanischen Geschäftsmann. Das erklärt unter anderem ihren Hochwuchs und warum Yumiko blond ist. Aber ich finde keinerlei Informationen über die Zwillingsschwester.“ Wenn die Zwillingsschwester nicht im Familienregister nicht vermerkt worden war, dann hatte man sie mit Sicherheit zur Adoption freigegeben.
Sie verbrachten den halben Tag damit, sämtliche Waisenhäuser Japans abzutelefonieren aber leider ohne Erfolg bis L schließlich auf die Idee kam dass das Kind bei seinem leiblichen Vater aufgewachsen sein könnte. Der Name wurde herausgesucht aber leider stellte sich heraus dass der Mann sich kurz nach der Geburt der Zwillinge das Leben genommen hatte, weil seine Firma völlig überschuldet war. Also begannen sie damit die Waisenhäuser in den Vereinigten Staaten abzuarbeiten. In den Waisenhäusern in der Nähe ihres leiblichen Vaters gab es keine Anhaltspunkte und viele konnten gar nicht genau sagen, ob sie jetzt ein Mädchen mit dem Namen Karasuma in ihrer Obhut hatten. Als Light verspürte dass er einen steifen Nacken bekam und zudem noch ein paar Bücher aus einem Laden abholen musste, verabschiedete er sich von L. Zwar war ihm alles andere als wohl dabei da er ja wusste, dass seine Verfolgerin gefährlich war. Andererseits konnte er es auf Dauer auch nicht ertragen nur vor dem Computer zu sitzen und zu recherchieren. Er musste einfach mal den Kopf freikriegen.
Nachdem er die beiden Bücher im Buchladen abgeholt hatte, ging er ein wenig durch die Einkaufsstraßen und achtete darauf unter möglichst vielen Leuten zu sein. Sein Plan war seine Verfolgerin abzuschütteln indem er unter der Menschenmenge verschwand und sich unbemerkt abzusetzen damit er nicht rund um die Uhr verfolgt wurde. Doch leider erwies sich das Unterfangen als sehr schwierig denn egal wie geschickt Light es auch anstellte, er wurde sie nicht los und irgendwann war es schließlich dunkel geworden. Ungewollt war er durch den Park gegangen und stand nun vor einer Bahnunterführung, wo eine Gruppe Jugendlicher stand, die Bier tranken und schon ziemlich angetrunken waren. Von solchen Typen wurde immer wieder in den Nachrichten gewarnt und auch Light hatte bereits miterlebt gehabt wie aggressiv solche Typen waren. Vor drei Jahren, als er gerade erst in die High School ging, wurde sein Klassenkamerad zusammengeschlagen und mit Messerstichen getötet. Die Bande kam ins Gefängnis aber die Vorfälle brachen einfach nicht ab. Light wollte schnell kehrt machen und verschwinden bevor er selbst noch in Schwierigkeiten geriet, doch da hatten ihn die fünf eingeholt und stießen ihn grölend und pöbelnd zu Boden. Light versuchte aufzustehen und wegzulaufen doch er wurde immer und immer wieder von den Füßen gerissen, herumgeschubst und ein Faustschlag ins Gesicht ließ ihn beinahe Sterne sehen. Einer der Jungs holte ein Springmesser heraus und hielt es ihm an die Kehle, was er sagte konnte Light nicht wirklich verstehen. Er war zu sehr betäubt von dem Schmerz und von der Fahne des Betrunkenen wurde ihm schlecht. Gerade wollte der Junge zustechen, doch da packte jemand seinen Arm und verdrehte sie mit solcher Kraft, dass er laut aufschrie als der Knochen laut knackte. In der Dämmerung erkannte er nur recht unscharf eine Gestalt, die den Kopf des Jungen packte und mit einem Ruck verdrehte. Er hörte Schreie und versuchte aufzustehen. Seine Gliedmaßen schmerzten und er hatte Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten, außerdem blutete seine Nase. Während er hinter sich die Schreie der Jungs hörte, eilte er so schnell es ging davon und floh in den Park. Da jedoch kaum eine Laterne leuchtete, verirrte er sich in der Dunkelheit und ließ sich auf eine Parkbank nieder. Er holte ein Taschentuch heraus um das Blut, welches aus seiner Nase floss, wegzuwischen. Was zum Teufel war das gerade eben? Wer zum Teufel hatte diese Schläger angegriffen? Konnte es etwa sein dass seine Verfolgerin ihm zu Hilfe geeilt war? Nein, das passte nicht wirklich zusammen. Oder etwa doch? Wollte sie ihn etwa bewachen und ihn vor anderen schützen damit er für sie fand was sie suchte? Aber wozu der ganze Aufwand? Er verstand das alles nicht. Das Beste war wieder in die Ermittlungszentrale zurückzukehren und L davon zu erzählen.
Gerade wollte er sein Handy aus der Tasche holen und seinen Vater bitten, ihn abzuholen da bereits der letzte Bus gefahren war, da sah er jemanden aus der Ferne auf ihn zurennen. Es war einer der Jungs, die ihn angegriffen hatten und seine Kleidung war blutverschmiert. Die Todesangst stand ihm ins Gesicht geschrieben und er rief um Hilfe. Als er Light sah, eilte er auf ihn zu und aus der Ferne konnte er die Tränen in seinen Augen sehen. Doch dann schnellte eine Klinge hervor und bohrte sich durch den Rücken ins Herz des 19-jährigen. Die blutige Spitze drückte sich durch die Haut wieder raus und blitzte im Licht der Laterne dunkelrot auf. Als der Junge tot zu Boden fiel, sah Light zum ersten Mal die Frau, die ihn seit Tagen verfolgte und in sein Zimmer eingebrochen war. Sie trug eine schwarze Weste, ein weißes Hemd welches mit Blut besudelt war und eine rote Krawatte. Das Hemd lugte unten heraus und machte einen etwas schlampigen Eindruck. Ihr Haar war goldblond und an der linken Seite trug sie eine selbst gebundene rote Schleife. Ihre Hände, ihr Gesicht waren blutverschmiert und ihre roten Augen funkelten Light infernalisch an. Ein breites Grinsen spielte sich auf ihre rot geschminkten Lippen und sie zog mit einem kräftigen Ruck die Klinge der Machete aus dem Rücken des Toten. Light sah wie das Blut in Rinnsalen von der Waffe tropfte und er bekam es mit der Angst zu tun. Diese Frau war ein Monster, das war der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf ging und ruckartig stand er auf und rannte davon. Er wollte einfach nur weg von hier, weg von diesem Ort der nach Tod stank und weg von diesem Monster da.
Als er in der Ermittlungszentrale angekommen war, kam er keuchend zum Stehen und L kam sofort zu ihm als er sah wie leichenblass und durcheinander er war. „Light, was ist denn passiert?“ „Ich hab sie gesehen. Sie… sie hat eine Gruppe von Jugendlichen an der Bahnunterführung angegriffen und getötet.“ Auf L’s Anweisung wurde Light eine Tasse Tee gebracht und sie setzten sich damit er L alles in Ruhe erzählen konnte. Light, der sonst eigentlich ein sehr ruhiger Mensch war, den so leicht nichts aus der Fassung brachte, kam es so vor als hätte er den Leibhaftigen im Park gesehen und eine instinktive Angst hatte ihn ergriffen. Er berichtete L was alles geschehen war und dieser wurde zunehmend ernster. Ohne lange zu zögern schickte er das Ermittlungsteam zum Park um dort nach den Leichen zu sehen. Dann wandte er sich Light zu um mehr über diese Psychopathin zu erfahren. „Beschreib mal wie sie sich verhalten hat. War sie wütend oder nervös?“ „Sie hat mir derart gehässig und sadistisch zugegrinst dass ich zuerst geglaubt hatte, sie würde mich gleich umbringen. Sie hatte Spaß daran gehabt, jemanden umzubringen.“ Light merkte wie sich sein Magen umdrehte als er an das viele Blut dachte und den toten Jungen, den die Frau abgestochen hatte. Als er ihre Augen gesehen hatte, diese leuchtend roten und bösartigen Augen da hatte er instinktiv gespürt dass sie kein normaler Mensch war. Nein, sie war ein Kind des Todes.

Kopf, Zahl, Buchstabe?


Light zitterte immer noch ein wenig nachdem er L erzählt hatte was passiert war und konnte die Teetasse nicht richtig halten. Ihm war als würde ihn diese Aura des Todes immer noch wie ein dichter Nebelschleier umgeben und dass ihn diese mordlustigen Augen immer noch beobachteten. Und diese Frau, dieses Monster hatte sich nachts in seinem Zimmer zu schaffen gemacht? Es war ja ein Wunder dass sie ihn nicht gleich getötet hatte. L bemerkte wie unruhig der Student war und legte eine Hand auf seine Schulter. „Keine Sorge Light, ich werde dafür Sorgen dass wir ihr das Handwerk legen. Wichtig ist erst einmal dass wir herausfinden wer genau sie ist und was sie von dir will. Vorerst wird sie dir nichts tun. Die Wahrscheinlichkeit dass sie dich angreift oder uns bei unseren Ermittlungen behindert liegt gerade mal bei 0,39%.“ Eigentlich wollte L ihn nur aufmuntern aber anscheinend ging das voll in die Hose und so bot er Light an, vorerst hier ein Quartier zu beziehen wenn es ihm zuhause nicht sicher genug war. „Und was ist wenn sie hier einbricht?“ „Es ist unmöglich dass sie an all diesen Kameras vorbeikommen kann ohne dass ich oder einer vom Team es nicht bemerkt. Außerdem sind wir hier nicht ganz ohne Fluchtmöglichkeiten und wehrlos schon gar nicht. Watari und ich sind auf alle Situationen vorbereitet.“
Nachdem Light sich einigermaßen wieder im Griff hatte, begann er L bei den Ermittlungen zu helfen und weiter nach der mysteriösen Frau nachzuforschen, die offensichtlich eine geborene Karasuma war aber jedoch kurz nach ihrer Geburt aus der Familie verstoßen wurde. Warum das so gekommen war, war für sie uninteressant. L und Light mussten das Waisenhaus finden, in dem sie aufgewachsen war und in Erfahrung bringen, was danach aus ihr geworden ist. Es war ein unglaubliches Stück Arbeit, sämtliche Waisenhäuser abzutelefonieren aber irgendwann hatte Light schließlich Erfolg. In Los Angeles gab es ein Waisenhaus, in dem ein blondes Mädchen aufgewachsen ist, die offensichtlich asiatische Gesichtszüge hatte. Da man mit den Verwandten des Mädchens keinen Kontakt aufnehmen konnte, nannte man sie sie Rumiko. Sie wurde im Alter von drei Jahren adoptiert, allerdings sind die Akten der Adoptivfamilie spurlos verschwunden und da sich die junge Dame am anderen Ende der Leitung nicht an solch einen Fall erinnern konnte, war sie leider auch keine große Hilfe. „Irgendwie kommen immer mehr Fragen auf, je näher wir an Rumiko Karasuma herankommen. Weder über sie noch über ihre Adoptivfamilie ist viel bekannt. Was sollen wir machen L?“ Brütend knabberte der Meisterdetektiv an seiner Daumenkuppe und sein Blick verfinsterte sich. Rumiko Karasuma, diesen Namen hatte er doch schon mal gehört.
Als Watari ihm mitteilte, er hätte die Akte B vervollständigt, sah L sofort nach und wurde fündig. Kurz nach seinem Ausbruch aus dem Gefängnis hat er eine Passantin angegriffen. Den Akten nach war es Rumiko Karasuma, die auf den Weg zum Einkauf war. Er hatte mit einem Messer auf sie eingestochen während er Kratzer und eine Messerstichverletzung im Bauch davon trug. Nun stellte sich natürlich die Frage warum er das getan hatte. Immerhin hatte er sich damit quasi selbst ausgeliefert. Es hatte den Anschein als wäre er nur ausgebrochen um sie anzugreifen, es war äußerst unwahrscheinlich dass es nur ein dummer Zufall war. Kaum war B tot schon tauchte Rumiko Karasuma auf und glaubte dass Light ihn ermordet habe. Wollte sie etwa Rache dafür nehmen, was B ihr angetan hatte oder steckte vielleicht mehr dahinter? Naja, sich mit der Frage aufzuhalten in welcher Beziehung sie zueinander standen, würde sie nicht weiterbringen. Sie mussten herausfinden was geschehen war aber es konnte so viel passiert sein und sicher gab es viel zu viele Personen, die sie suchen könnte. „Irgendwie müssen wir einen konkreteren Hinwies von ihr bekommen aber ich glaube darauf können wir noch lange warten.“ Diese Meinung teilte L jedenfalls nicht mit ihm und durchforstete die Datenbank nach Rumiko Karasuma. Sie war eine hübsche junge Frau, die im Alter von 18 Jahren ihr Studium an der Harvard University als Jahrgangsbeste beendet hat und wohl ziemlich hübsch gewesen ist. Ein altes Foto zeigte sie als fröhliches strahlendes Mädchen mit langem goldblondem Haar und einem wohl geformten Körper. Sie hatte sicher jedem Studenten den Kopf verdreht als sie jung war, kaum zu glauben dass sie eine Psychopathin geworden ist. Auf dem Foto sieht sie so unschuldig aus, zumindest auf den ersten Blick denn als L genauer hinsah, erkannte er dass ihre Augen ein ganz anderes Bild lieferten. In diesem roten Glanz spiegelte sich eine endlose Finsternis wieder, die ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Er verstand jetzt wieso Light so durcheinander gewesen war, als er sie gesehen hat. Es waren die Augen des Todes selbst. Anscheinend war etwas passiert, was sie zu dem gemacht hat, was sie heute war und vielleicht lag ja darin die Antwort auf die Frage, wonach sie suchte. Höchstwahrscheinlich suchte sie jemanden, der mit ihr in diesem traumatischen Ereignis drin hing. Das Beste war herauszufinden, wo Rumiko aufgewachsen ist aber solange nichts über ihre Adoptivfamilie wussten, würde es sehr schwierig werden. L holte eines seiner unzähligen Handys hervor und wählte eine Nummer. „Wozu brauchst du all diese Handys?“ „Dadurch sinkt das Risiko dass man L eines Tages finden könnte. Pro Handy habe ich maximal zwei bis drei Nummern.“ Wen er da anrief, wollte er nicht sagen aber so wie es sich anhörte war es jemand, der für L arbeitete und sich über Rumiko Karasuma informieren sollte. Solange alles noch in Arbeit war blieb sonst nichts Weiteres zu tun und als es schließlich spät abends war, wurde Light müde und verabschiedete sich. Er war erschöpft und wollte sich einfach nur schlafen legen nachdem er seit vorgestern nicht mehr schlafen konnte. Inzwischen war es dunkel geworden und es hatte zu regnen und zu donnern begonnen als Light in sein Zimmer ging um sich für die Nacht umzuziehen. Die Müdigkeit hatte ihn übermannt und er wollte einfach nur noch schlafen gehen. Wenigstens war er hier sicher aber trotzdem hatte er das Gefühl ständig beobachtet zu werden. Er fragte sich wie die Leichen der Schläger aussahen, die ihn an der Unterführung angegriffen hatten und hatte ein schlimmes Blutbad vor Augen. Solche Menschen waren viel unheimlicher und beängstigender als Kira es war. Kira besaß zwar die Gabe jeden Menschen zu töten, dessen Namen und Gesicht er kannte aber es herrschte zwischen ihn und der Menschheit eine Art Distanz, wie etwas Göttliches was zur gleichen Zeit mitten unter ihnen war und doch so weit entfernt zu sein schien. Doch jene Menschen wie Rumiko Karasuma waren völlig anders als Kira. Sie brauchten weder Namen noch Gesicht um jemanden töten zu können. Sie besaßen keinerlei Skrupel und Moral und sie töteten Unschuldige wie auch Verbrecher.
Es fiel Light sehr schwer seine unruhigen Gedanken loszulassen aber andererseits war die Müdigkeit so stark, dass er sich einfach ins Bett fallen ließ und die Augen schloss und so dauerte es nicht lange, da schlief er einfach ein.
Als er früh am morgen aus einem etwas seltsamen Traum erwachte, zeigte die rot leuchtende Digitalanzeige seines Weckers 5 Uhr an und ein kalter Luftzug wehte durchs Zimmer. War es deshalb warum er aufgewacht war? Etwas schlaftrunken stand er auf und ging zum Badezimmer um dort das Fenster zu schließen. Da es stockdunkel war und er kaum etwas erkennen konnte, tastete er nach dem Lichtschalter. Plötzlich ertastete er etwas Feuchtes an der Wand. Es war irgendwie klebrig und die Luft roch unangenehm. Eine böse Vorahnung stieg in ihn hoch und er begann zu überlegen ob er vielleicht L rufen sollte. Doch den Gedanken verwarf er als er den Lichtschalter ertasten konnte. Auch der war irgendwie schmierig und als Light das Licht anschaltete, entwich ihm ein lauter Schrei des Entsetzens. Das ganze Badezimmer… die Wände, Die Dusche, der Badezimmerteppich und sogar die Decke waren voller Blut. Im Waschbecken ihm gegenüber lag ein Kopf. Es war der Kopf von einem der Schlägertypen, die ihn überfallen hatten und auf dem Spiegel stand eine blutige Nachricht geschrieben „Kopf oder Zahl? Auch ein Buchstabe steht zur Wahl.“ Light lief es eiskalt den Rücken runter. Diese Frau war allen Ernstes in sein Zimmer eingebrochen? Wie zum Teufel hatte sie es geschafft durch das Badezimmerfenster zu steigen ohne dabei Einbruchsspuren zu hinterlassen. Nein, er durfte sich nicht damit aufhalten, er musste sofort zu L. Mit einem Taschentuch wischte er sich das Blut von den Händen, dann warf er sich eben schnell noch eine Jacke über und eilte zu L um ihm von dem grausigen Fund zu erzählen. Dieser ging sofort mit Watari in das Zimmer und sah das Blutbad. Als er die Nachricht auf dem Spiegel und den Kopf im Waschbecken sah, schien er bereits einen Verdacht zu haben. „Kopf oder Zahl, auch der Buchstabe steht zur Wahl“ murmelte er immer wieder und als er genug gegrübelt und auf seiner Daumenkuppe herumgekaut hatte, wies er Watari an den Kopf zu untersuchen. Der ältere Mann zog Handschuhe an und hob vorsichtig den Kopf aus dem Waschbecken heraus. Light drehte sich der Magen um als er sah, dass dem Opfer die Augen ausgestochen und die Zunge herausgeschnitten worden war. Sein Gesicht war zerschnitten und furchtbar zugerichtet. L kam näher und sah sich die Schnittwunden näher an, dann wurde er ernst. „Was ist?“ fragte Light doch er wagte es nicht noch mal das Badezimmer zu betreten. Ihm war so schlecht dass er befürchtete gleich kotzen zu müssen, wenn er noch mal ins Badezimmer reinging. „Ins Gesicht wurden Zahlen hineingeschnitten. Immer nur die Zahl 13…“
Kopf oder Zahl, auch der Buchstabe steht zur Wahl. Das war eindeutig ein Hinweis von Rumiko Karasuma um den Fall voranzutreiben. Die Zahl 13 führte sie zu ihrer Adoptivfamilie, die aus jeder Akte verschwunden war. Aber wofür stand die 13? Etwa für den 13. Buchstaben im Alphabet das M oder brauchte man nur die beiden Zahlen zusammenschieben damit der Buchstabe B herauskam? Oder ergab die Quersumme den Buchstaben D? Nein, dieser Hinweis galt alleine L. Warum sollte diese Rumiko Karasuma ihm eine Botschaft hinterlassen, die man völlig missverstehen konnte?
Tatsächlich schien L einen Verdacht zu haben und flüsterte Watari etwas zu. Der Kopf wurde so wie er war wieder ins Waschbecken gelegt und der Tatort wurde abfotografiert. „Wie hat sie es geschafft durch das Badezimmerfenster ein- und auszusteigen? Es war doch verschlossen?“ Wie sie reingekommen war ohne Einbruchspuren zu hinterlassen war schnell erklärt. Im Wohnbereich gab es ein Doppelfenster. Eines davon war gekippt und wenn man mit ein bisschen Geduld den Arm durchsteckte, konnte man das andere Fenster öffnen. Einzige Bedingung war nur dass der Arm dünn genug war. Da sie selbst keine Blutspuren im Bad hinterlassen hat, hat sie das Badezimmerfenster nur deshalb offen gelassen um die anderen in die Irre zu führen. Abgehauen war sie sicherlich auf fast die gleiche Weise: Sie stieg durch das offene Fenster aus, hielt sich irgendwo fest und schloss es wieder durch den Spalt. So etwas klang sehr abenteuerlich, war aber selbst bei Laien durchführbar. Schwierig erwies es sich jedoch bei höheren Stockwerken. Beunruhigt darüber dass dieses Monster einfach in dieses Gebäude eindringen konnte ohne von den Kameras erfasst zu werden ließ Light keine einzige ruhige Minute mehr.
An der Uni meldete er sich krank und blieb nur noch in der Ermittlungszentrale. Er spürte jede Sekunde diesen eiskalten Blick in seinem Nacken und dieser verfolgte ihn überall hin. Er konnte ihm nicht entfliehen und das machte ihn fast verrückt. L hingegen war wie immer die Ruhe selbst und saß am Computer und tippte etwas ein, worauf hin ein Bild von einem Jungen erschien. Light schaute neugierig rüber und sah einen Jungen von ungefähr 13 bis 14 Jahren, der L zum Verwechseln ähnlich sah. Er hatte zerzaustes schwarzes Haar, trug einen weißen Pullover und eine Jeans und seine Haltung war gebeugt. Light dachte ihn trifft der Schlag als er die Augen des Kindes sah: Es waren die gleichen bösartigen und unmenschlichen roten Augen wie bei Rumiko.

Hinweis


Wie hypnotisiert starrte Light in die Augen des Jungen auf dem Foto, welche er als die gleichen Augen wie Rumikos wieder erkannt hatte. „L, wer zum Teufel ist dieser Junge?“ „Er kam im Alter von acht Jahren in ein Waisenhaus in Winchester. Seine Intelligenz war überdurchschnittlich und er sollte meine Nachfolge übernehmen wenn ich nicht mehr bin. Allerdings…“ L hielt inne und holte eine Akte raus auf der „B“ stand. „Er hat einiges angestellt im Waisenhaus. Er hat die Kinder terrorisiert, ist nachts spurlos verschwunden und hat ein seltsames Verhalten an den Tag gelegt. Als eines der Waisenkinder Selbstmord begangen hat, hat er versucht das Waisenhaus niederzubrennen. Zum Glück ist nicht Schlimmeres passiert, aber er war danach unauffindbar… bis er die BB-Mordserie begangen hat. Der Hinweis im Badezimmer war eindeutig an mich gerichtet und ich hatte gehofft ich würde mich irren was die Verbindung zwischen Beyond Birthday und Rumiko Karasuma betrifft.“ So beunruhigt wie L jetzt aussah, hatte Light ihn noch nie erlebt. Was zum Teufel war bloß mit ihm los? Irgendetwas verband diese zwei, das war klar aber was genau war es? Etwa die Tatsache, dass sie beide Mörder waren oder waren es diese roten Augen? Wie zum Teufel konnte ein Mensch mit solchen Augen zur Welt kommen? Selbst bei Albinomenschen sahen die Augen nicht so aus. „L, wenn du irgendetwas weißt, würde ich das gerne wissen.“ Doch der Meisterdetektiv schien völlig in Gedanken versunken zu sein und reagierte nicht auf Lights Frage. Während er ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte aß, las er eine Akte durch und zeigte Light ein Foto. Es zeigte einen Toten, höchstwahrscheinlich jemanden, der vor einen Zug gefallen oder gesprungen war. Ein grausiger Anblick. „Cassandra Birthday ist eine stark depressive Frau gewesen und dieser Unfall ereignete sich zwei Wochen nach dem tödlichen Überfall auf ihren Mann. Es war voll am Bahnhof und irgendjemand hat sie unabsichtlich angerempelt und sie ist auf die Gleise gefallen. Bevor sie aufstehen konnte, wurde sie vom Expresszug mitgerissen. Ihr Sohn, der zu dem Zeitpunkt gerade erst acht Jahre alt war, hatte alles mit angesehen.“ „Und was hat das mit unserer Psychopathin zu tun?“ Wortlos kramte L eine CD heraus und legte sie ins Laufwerk des Rechners ein. Ein Fenster erschien und er öffnete die Datei. Eine Aufnahme, anscheinend von einer Überwachungskamera, wurde abgespielt die eine große Menschenmasse zeigte und wie eine Frau mit langem schwarzen Haar, die mit einem Kind zu reden schien, plötzlich nach vorne fiel und der Zug angerast kam. Die Menschen am Bahnhof brechen daraufhin in Panik aus und während einige davonrennen, gehen andere zu den Gleisen um nachzusehen. Als sich das Chaos legt, liegt ein Kind auf dem Bahnsteig. „Ich habe lange gebraucht um das Video wirklich zuordnen zu können weil die Leiche nicht mehr identifizierbar war und andere Personen nicht erkennbar waren. Kurz nach seinem Ausbruch hat Beyond Birthday mir diese CD geschickt und hat danach Rumiko Karasuma angegriffen. Erst jetzt sehe ich einen weitaus größeren Zusammenhang zwischen den beiden und warum er sie angegriffen hat.“ Er spielte die Aufnahme noch mal von Anfang an ab und deutete dabei auf eine kleine kaum erkennbare Gestalt, die hinter der Frau auftauchte. Ein kurzer Stoß kam und die Frau fiel auf die Gleise. „Aufgrund der letzten Erkenntnisse bin ich mir sicher dass auch Rumiko in diesem Unfall verwickelt gewesen sein könnte. Einige haben ausgesagt, ein blondes Mädchen mit einer roten Schleife im Haar gesehen zu haben, doch die war noch vor dem Eintreffen der Polizei verschwunden. Sie und ein Kind mit schwarzen Haaren hätten sich nach dem Unfall heftig gestritten und sind sogar handgreiflich geworden. Etwas später sei der Junge schließlich aufgrund eines Schocks in Ohnmacht gefallen und konnte keine Aussage machen.“ So war das also, dachte Light und sah sich die Aufnahme noch mal näher an. Wenn es wirklich stimmte dass Rumiko Beyond Birthdays Mutter vor den Zug gestoßen hatte, warum zum Teufel machte sie ihm, Light Yagami, jetzt Vorwürfe dass er angeblich B ermordet hat? Irgendwie stimmte da doch etwas nicht. Und außerdem: Warum hatte sie das damals getan? Kein Kind stößt ohne Grund einfach so eine Mutter vor den nächstbesten Zug… oder etwa doch?
Von den ganzen Fragen bekam Light Kopfschmerzen und ließ sich von Watari erst mal einen Tee bringen. Die Müdigkeit und die Angst dass jeden Augenblick Rumiko Karasuma mit einem Messer auftaucht und ihn ebenso eiskalt abschlachtet und enthauptet wie diese Schlägertypen von der Unterführung. Sie war jederzeit präsent und folgte ihm lautlos und unauffällig wie ein Schatten. „Und warum macht sie mir dann Vorwürfe dass ich Beyond Birthday ermordet haben soll, wo sie doch seine Mutter umgebracht hat und er sie dermaßen übel zugerichtet hatte, dass sie lange Zeit auf der Intensivstation verbracht hatte. Da war noch irgendetwas zwischen den beiden. Weißt du schon mehr?“ „Die Akte über Beyond Birthdays Vergangenheit muss ich erst aus England anfordern und das kann noch etwas dauern.“ Eigentlich hatten sie kaum Zeit wenn man bedachte, dass sie fast nur noch sechs Tage hatten. Und wirklich weit waren sie immer noch nicht…
Nach einigen Stunden kam endlich eine Antwort aus England und die Akten wurden gefaxt. L, der sich wirklich in Arbeit gestürzt hatte, war für wenige Minuten eingenickt bis er dann wieder hochschreckte als er das Geräusch des Faxgerätes hörte. „Schläfst du denn so gut wie nie?“ „Ich kann nicht. Seit ich klein bin habe ich Schlafstörungen und schlafe alle drei Tage allerhöchstens vier Stunden.“ Das konnte doch unmöglich gesund sein. Wie zum Teufel schaffte dieser Kerl es sich immer noch zu konzentrieren ohne dabei noch am Ende im Stehen einzuschlafen? „Wie lange bist du denn ohne Schlaf ausgekommen?“ „Eine Woche. Ich hatte ziemlich an einem Fall zu arbeiten und habe deshalb sieben Tage durchgearbeitet. Ich rate dir das besser nicht zu machen. Nach spätestens fünf Tagen beginnt man nämlich zu halluzinieren und diese Halluzinationen beinhalten nicht nur rosa Elefanten…“ Ja und zehn Tage sind tödlich, dachte Light und setzte sich zu L um mit ihm die Akte durchzusehen. Vielleicht wäre es besser L würde mal zum Arzt gehen, so was konnte doch auf Dauer überhaupt nicht gesund sein. Naja, soll der doch damit klar kommen. Light konnte es sich jedenfalls nicht vorstellen so wenig zu schlafen. Da würde er glatt verrückt werden.
Das, was sie beide in den Akten lasen war alles andere als schön und Light konnte einfach nicht fassen, was da alles geschrieben stand. Als Beyond Birthday noch klein war und sein Vater Alkoholiker wurde, wurde er von ihm geschlagen und es bestand sogar Verdacht auf Missbrauch. Die Mutter war stark depressiv und suizidgefährdet, mit ihrer Familie war sie vollkommen überfordert. Doch die letzte Akte ließ alles in einem anderen Licht erscheinen: Nämlich die Tatsache dass Beyond Birthday eine Adoptivschwester gehabt hatte, die Rumiko hieß. Bedeutete das etwa, dass die beiden tatsächlich so etwas wie ein mörderisches Geschwisterpaar waren? Aber in welcher Beziehung standen sie denn eigentlich zueinander? Auf der einen Seite haben sich die beiden bei jedem Aufeinandertreffen fast umgebracht aber andererseits war Rumiko stinksauer dass ihr Bruder umgebracht worden war. Vielleicht führten sie keine Bonny und Clyde Beziehung sondern führten eine Art Machtkampf aus in der es darum ging, wer von ihnen stärker war. L schien den gleichen Gedanken zu haben und begann etwas zu recherchieren und in weniger als zehn Minuten hatte er eine Liste von Serienmorden ausgedruckt, die für ihn eine bestimmte Bedeutung zu haben schienen. „Ich hatte schon seit längerem so einen Verdacht gehabt, dass da etwas gewesen sein könnte. Beyond Birthday ist nach seinem Verschwinden aus dem Winchester Waisenhaus im Alter von 15 Jahren spurlos verschwunden und ist erst 10 Jahre später wieder aufgetaucht, nämlich als er die BB-Mordserie begangen hat. Ich habe mich bis heute gefragt was er in der Zwischenzeit getrieben hat.“
Zusammen begannen sie die Mordserien zu überprüfen und auf der Karte der USA zu markieren. Eine Mordserie war besonders für Light interessant, sie lief schon seit fast 17 Jahren und konnte trotz der Arbeit des FBIs bis heute nicht aufgeklärt werden. Der Täter zerstückelte seine Opfer und nahm immer nur den Kopf mit und hinterließ eine mit Blut geschriebene Nachricht. Sie hatte immer den gleichen Anfang: „Tod dem…“ Opfer waren Familienväter, Jugendliche, Drogendealer und vorbestrafte Kinderschänder. Die meisten waren Männer und die weiblichen Opfer waren alles Mütter. Der letzte Mord, der mit diesem Fall in Verbindung gebracht wurde war der Karasuma-Massenmord. Da bei einem der Tatorte eine blonde Frau gesehen wurde, die über und über mit Blut besudelt war und einen Kopf bei sich trug, wurde ihr der Spitzname „Blutroter Dämon“ gegeben. Der Zeuge konnte jedoch keine genaue Beschreibung abliefern, er stammelte nur etwas von einer blonden und ungewöhnlich großen Frau, die kein Mensch sondern ein Monster war. Sie habe rot leuchtende Augen gehabt und soll gehässig gegrinst haben als er sie gesehen hatte. Mit einem bösen Lachen hat sie das Blut von der Klinge geleckt und hat ihn bis zum Taxi verfolgt. Der Mann kam ins Zeugenschutzprogramm, wurde jedoch schließlich in seiner Wohnung tot aufgefunden, der Kopf fehlte ihm und an die Wand war geschrieben „Tod dem Feigling“. Das erste Opfer war ein allein erziehender Familienvater, dessen Sohn kurz vor seiner Ermordung als vermisst gemeldet wurde. Doch dieser Mord unterschied sich von den anderen, denn die Nachricht war länger gewesen. „ Ein Kopf für einen Kopf, Tod dem Kindermörder.“ Ein Mord konnte dem Toten jedoch nicht nachgewiesen werden und das zweite Opfer war ein gewisser Harry Birthday. Er war ein arbeitsloser Alkoholiker, der schon öfter wegen Gewaltausbrüchen aufgefallen war. Konnte es etwa sein… Tatsächlich bestätigte sich der Verdacht der beiden: Harry Birthday war der Adoptivvater von Rumiko Karasuma, die mindestens 30 Morde zu verschulden hatte wenn sie tatsächlich hinter dieser Mordserie steckte. Aber das würde ja dann bedeuten, dass sie bereits im Alter von 9 Jahren damit angefangen hatte. „Diese Frau ist wirklich ein Monster“ murmelte Light als er realisierte, wie viele Tote Rumiko Karasuma auf dem Konto hatte. Und er würde bald der nächste sein. Er sah den Anblick seines toten Körpers schon vor Augen: Zerstückelt und ohne Kopf, an der Wand eine blutige Nachricht, die seine Mörderin der Welt hinterlassen würde. L sah wie sehr den Studenten diese Sache beschäftigte und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, wir werden den Deal schon einhalten und du bist nicht alleine.“ Light war dankbar, dass er L zur Unterstützung da hatte denn alleine wäre er kaum in der Lage, etwas gegen seine Verfolgerin aufzunehmen. Nachdem sie die Mordserien überprüft hatten stellte sich heraus, dass diese Morde offensichtlich zu einer blutigen Schnitzeljagd gehörten. Rumiko und Beyond Birthday verfolgten sich seit Jahren gegenseitig und lockten den anderen mit einer Mordserie an, die eindeutig auf ihn zuzutreffen schien. Als Kommunikationsmittel dienten ihnen die Medien und wenn es dann zum Treffen kam, lieferten sie sich eine brutale Auseinandersetzung die damit endete, dass einer von ihnen auf der Intensivstation endete. Was waren das nur für abartig kranke Menschen? Die Jagd ging durch die einzelnen Bundesstaaten und zeigte zwar keine rote Linie auf, durch die man erkennen konnte wo der anderer als nächstes zuschlagen würde aber dass sie die Morde nutzten um ihre Position bekannt zu geben damit der andere ihm folgen konnte, war offensichtlich. Aber die Antwort lag nicht in den Schnitzeljagd-Mordserien sondern in der ersten, die Rumiko begonnen hatte. Für L stellte sich nämlich die Frage, was ein 9-jähriges Kind dazu trieb, einen Mann und den eigenen Vater zu zerstückeln und zu enthaupten. Normalerweise tötete ein Kind, welches in schlechten Familienverhältnissen aufwuchs erst die Eltern. Es musste einen bestimmten Grund dafür geben, besonders weil die Nachricht so seltsam geschrieben war. „Ein Kopf für einen Kopf…“ murmelte Light nachdenklich. „Warum zum Teufel nimmt Rumiko Karasuma ausgerechnet den Kopf ihrer Opfer mit? Worin liegt denn der Sinn?“
„Ein Kopf für einen Kopf… dieser Spruch richtet sich nach dem hebräischen Rechtssatz „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ woraus sich schließen lässt, dass Rumiko ihr erstes Opfer für eine Tat schuldig macht, die so ähnlich aussieht. Wir sollten in dieser Sache weiter nachforschen.“
Sie arbeiteten bis spät in die Nacht weiter und als es fast Mitternacht war, wollte Light sich bettfertig machen. Er hatte inzwischen im dritten Stock sein Quartier bezogen und hier würde Rumiko Karasuma nicht so einfach ins Zimmer hereinkommen. Die Fenster waren verschlossen, ebenso wie die Tür. Trotzdem fühlte er sich unwohl und lag einige Zeit unruhig im Bett bevor er einschlief.
Doch der Schlaf dauerte nicht lange da hörte er plötzlich eine leise Stimme in leicht englischem Akzent das japanische Wort für „Unverzeihlich“ zu murmeln. Ein eiskalter Schauer durchfuhr ihn denn er wusste dass er nicht allein in dem Zimmer war. Rumiko Karasuma war hier aber wie zum Teufel hatte sie es geschafft hier einzubrechen? Nun bekam Light Angst, er fürchtete dass auch nur die kleinste verdächtige Bewegung ihn zum Verhängnis werden könnte doch da war es auch schon zu spät. Rumiko zückte ein Stilett und hielt es Light an die Halsschlagader, ihre roten Augen funkelten ihn bösartig an. „Hallo Dornröschen“ grüßte sie ihn mit einer rauen und bedrohlichen Stimme, aus der pure Bosheit zu hören war. „Wie geht’s voran? Schon gefunden wonach ich gesucht habe?“ Doch Light brachte keine Antwort hervor. Er war wie vor Angst gelähmt, spürte diese dämonische Aura und die unbändige Mordlust in dieser schönen Frau und hatte wirklich Angst um sein Leben. Da er anscheinend nicht wirklich mit der Sprache rausrücken wollte bzw. konnte, steckte Rumiko ihre Waffe wieder ein und zerrte Light mit einer Kraft hoch, die man ihrer zierlichen Figur gar nicht zugetraut hätte. „Rede schon du Scheißkerl, wie weit seid ihr zwei?“ „Du bist Beyond Birthdays Adoptivschwester und hast unter anderem euren Vater umgebracht. Das erste Mordopfer war euer Nachbar, dessen Sohn vier Tage zuvor verschwunden war. Rick Miller war sein Name und du beschuldigst ihn des Kindermordes. Du hast ihn auf die gleiche Weise getötet wie er sein Opfer. L vermutet dass darin die Antwort auf die Frage liegt, wonach du suchst.“ Light wagte es nicht auch nur eine Bewegung zu machen geschweige denn ein lautes Geräusch zu machen. Rumiko grinste und kicherte. „Dann hat euch ja mein kleines Geschenk auf die Sprünge geholfen. Mach weiter so, vielleicht lasse ich dich ja noch am Leben. Ich rate euch beiden zu etwas mehr Tempo denn ich bin seit 17 Jahren auf der Suche. Weniger als eine Woche könnte knapp werden.“ Sie stieß Light zurück sodass er mit dem Hinterkopf gegen die Wand knallte, dann wandte sie sich dem Fenster zu welches offen stand und kletterte raus. Hatte sie etwa allen Ernstes vor aus dem dritten Stock zu springen? Hatte sie denn komplett den Verstand verloren? Light eilte ihr hinterher und sah, dass sie sich an einem Seil abseilte bis sie den ersten Stock erreicht hatte, dann stieß sie sich ab und landete wie eine Katze auf ihren Füßen, dann verschwand sie in der Dunkelheit. Sie war wirklich unaufhaltsam wenn sie es schon schaffte unbemerkt bis in den dritten Stock zu klettern und ebenso schnell wieder herunterzusteigen. Und sie hatte sicher genug Kraft um Light von den Füßen zu reißen. Light sah ihr noch eine Weile hinterher, dann eilte er zu L um ihn von seiner Begegnung mit ihr zu berichten. Dieser war noch dabei die Enthauptungsserie unter die Lupe zu nehmen und als er die Geschichte hörte, runzelte er die Stirn. „Sie ist bis in den dritten Stock geklettert?“ „Ja und sie wollte wissen wie weit wir inzwischen sind. Allem Anschein nach sind wir auf der richtigen Spur.“
„Ich habe auch schon einiges herausgefunden. Ich habe nämlich Kontakt zu einem Bekannten aufgenommen, der Rumiko vor sechs Jahren getroffen hat und ihr bei der Suche ihrer Familie half. Er lebt zurzeit in einer kleinen Stadt namens Glade. Vielleicht hast du schon mal von ihm gehört. Er war ein außergewöhnlicher Illusionist, der sich Fear Illusion nannte.“ Natürlich hatte Light von ihm gehört. Als er noch jünger gewesen war, hatte er die Shows von Fear Illusion im TV gesehen und hatte damals den großen Wunsch, ebenfalls Zauberer zu werden. Doch dann wurde der damals 18-jährige in seiner Villa überfallen und niedergestochen, dabei erlitt er schwere Verletzungen an der Kehle weshalb er lange nicht wirklich sprechen konnte. „Wir werden zu ihm hinfliegen und ihn zu Rumiko Karasuma befragen da er kaum am Telefon sprechen kann und sich kaum in die Öffentlichkeit traut. Wahrscheinlich kann er uns sagen wonach Rumiko sucht.“

Überlebender


Sie hatten durch ihre Reise und Nachforschungen nur noch drei Tage um Rumikos Rätsel zu lösen und bis jetzt hatten sie nicht wirklich viel herausgefunden. Ihre Hoffnung war der ehemalige Showzauberer Fear Illusion, der Rumiko vor sechs Jahren persönlich kennen gelernt und ihr bei der Suche ihrer wahren Familie geholfen hat. Kurz darauf wurde er mehrmals mit einem Messer niedergestochen und gefährlich an der Kehle verletzt. Es war ein Wunder dass er überlebt hatte aber seitdem konnte er kaum noch sprechen und verließ kaum noch sein Anwesen. Seine Villa war riesig und wirkte von außen wie aus einem altmodischen Gruselfilm aber anscheinend hatte dieser Fear eine Leidenschaft für Effekte. Auf der Hinreise hatte L ihn gewarnt dass sein Bekannter etwas „verrückt“ war und Leute gerne aufs Korn nahm. Schon als sie die Klingel betätigten, war ein lauter Frauenschrei zu hören und Light hätte sich fast zu Tode erschrocken. „Das ist eines der Beispiele… Fear hat sich das mit der Klingel aus einem Film abgeguckt um unter anderem ungebetene Gäste abzuschrecken.“ Es dauerte nicht lange, da öffnete ein hübsches junges Mädchen, welches höchstens 18 Jahre alt war die Tür und bat sie einzutreten. „Master Fear erwartet Sie bereits, folgen Sie mir.“ Die schwarzhaarige Schönheit hätte ein gutes Schneewittchen abgegeben und Light musste zugeben dass sie nicht ganz unattraktiv war aber L würdigte ihre Kurven keines Blickes. Der Kerl schien nicht gerade großes Interesse an Frauen zu haben, so viel stand schon mal fest. Anscheinend hatte er nur Kriminalfälle im Sinn…
Die Villa erwies sich als ein einziges Labyrinth aus Treppen und Türen und überall an den Wänden hingen Spiegel sodass Light das Gefühl beschlich, sie würden verfolgt und beobachtet werden. Auch die Gemälde waren so präpariert worden dass es aussah, als würden die Augen sich bewegen. Das hier war eindeutig die Villa eines verrückten Illusionisten. Eine große Standuhr mit verbogenen Zeigern gab verzerrte Gongtöne von sich und erinnerte Light an irgendein Horrorfilmrequisit und es folgten noch andere bizarre Möbel bis sie durch eine Halle mit Wachsfiguren gingen. Hauptsächlich waren es Horrorgestalten wie Freddy Krueger, Jason, der Killer aus Scream, Michael Myers und das Alien. „Dieser Fear scheint Horrorfilme zu lieben“ kommentierte Light während er sich umsah und bemerkte dass sogar die Fenster präpariert worden waren sodass es aussah, als herrsche draußen ein dunkles Regenwetter. „Nicht wirklich, er liebt es sich mit Filmeffekten zu beschäftigen. Seitdem er sich aus dem Zauberergeschäft zurückgezogen hat, berät er sich oft mit Filmregisseuren und Leuten von der Technik um sie zu beraten was die Effekte angeht. Das ist jetzt seine neueste Leidenschaft.“
Endlich erreichten sie ein großes Zimmer, dessen einzige Beleuchtung der Kamin war. An den Wänden standen riesige Regale mit Büchern, die Sessel sahen teuer aus und auf einem davon saß jemand, der ein Glas Rotwein trank. Stumm wies er seine Besucher an sich zu setzen und trug dem Mädchen auf, den beiden etwas zu trinken zu bringen. Der ca. 25-jährige hatte langes schwarzes Haar, welches er zu einem Zopf zusammengebunden hatte, trug einen schwarzen gestreiften Anzug, dazu ein dunkelrotes Hemd und eine schwarze Krawatte. In der einen Hand hielt er einen Stock mit silbernen Totenkopfgriff während er mit der anderen sein Weinglas leicht hin und her schwenkte. Im Hintergrund spielte ein Grammophon Jazzmusik. „Herzlich willkommen in meiner Villa“ begrüßte er sie mit einer rauen und heiseren Stimme, die kaum hörbar war. Dass es so schlimm stand, hatte noch nicht einmal L ahnen können aber Fear ließ sich nichts anmerken sondern machte den Anschein eines perfekten Gentlemans. „Wie gefällt ihnen Annie? Sie ist vor sechs Jahren bei mir betteln gekommen und hat es trotz aller Fallen zu mir geschafft. Ich habe sie aufgenommen, ihr die Schule ermöglicht und als Dank arbeitet sie als meine persönliche Assistentin. Ein süßes Ding aber kommen wir zur Sache. L, du hast am Telefon erwähnt dass es um Rumiko Karasuma geht. Erzähl mir was passiert ist.“
Ausführlich schilderte der Meisterdetektiv was in den letzten Tagen vorgefallen war, von dem blutigen Souvenir im Bad und dem Ultimatum, welches Light gestellt worden war. Fear hörte ihnen aufmerksam zu und trank zwischendurch immer wieder einen Schluck Wein während L einen überzuckerten Kaffee und Light einen Tee von Annie bekamen. Als alles Nötige berichtet worden war, trat einen Moment lang Schweigen ein, dann hustete Fear kurz und ließ sich noch etwas Wein einschütten. „Da würde ich sagen dass du ein verdammtes Problem hast mein Junge. Soweit ich weiß gibt es nur drei Menschen, die Rumiko Karasuma überlebt haben. Dazu gehören Beyond Birthday und auch ich. Der dritte ist ein Junge namens Lucas Rebirth Adams aber der tut nichts zur Sache, der ist uninteressant. Ich erinnere mich als wäre es erst gestern gewesen. Rumiko kam eines Tages zu mir mit der Bitte nach ihren leiblichen Eltern zu suchen. Ich war in manchen Kreisen als guter Informant bekannt, weil ich viele Beziehungen pflege. In ihrem Falle war es nicht sonderlich schwer weil sie eine unglaubliche Ähnlichkeit mit Yumiko Karasuma hatte und ich nicht lange nachzuforschen brauchte, dass sie die verstoßene Zwillingsschwester war. Ich habe eine private Vorstellung auf ihrer Privatinsel gegeben und konnte Rumiko schnell helfen.“
„Hat sie irgendetwas erwähnt, was uns helfen könnte?“ Fear begann zu überlegen und stellte sein Weinglas wieder ab, dann faltete er die behandschuhten Hände. „Soweit ich mich erinnere hat sie mir erzählt dass sie und ihr Bruder vom Vater sexuell missbraucht worden sind und sie von zuhause weggelaufen ist um nach ihren Eltern zu suchen. Sie hat auf mich einen netten Eindruck gemacht und ich habe auch nicht damit gerechnet dass sie später wie eine Wahnsinnige auf mich losgeht und auf mich einsticht. Der Polizei habe ich es zu verdanken, dass sie mir nicht auch den Kopf abgetrennt hat. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich begonnen Nachforschungen über sie anzustellen und habe schließlich vom Friedhofsgärtner ihrer Heimatstadt erfahren können, dass sie eng mit einem lernbehinderten Jungen befreundet war, der vor 17 Jahren direkt neben die Birthdays eingezogen ist. Sie haben sich sehr nahe gestanden die beiden Kinder.“
„Könnte es etwa sein dass dieser Junge derjenige ist, der damals als vermisst gemeldet worden ist?“
Fear nickte, nahm den Schürhaken um ein wenig in der Glut zu stochern, dann wandte er sich seinen Gästen wieder zu. „Höchstwahrscheinlich. Ich habe herausfinden können dass der Junge Jamie Miller hieß und auf eine Sonderschule ging, da sein IQ gerade mal 74 betrug. Sein Vater hat ihn stets und ständig unterdrückt und seine Talente nicht gefördert sondern ihn wegen seiner Legasthenie eingeschüchtert und verunsichert. Rumiko war damals die Einzige gewesen, die sich für den Jungen eingesetzt und ihn in Schutz genommen hat. Sie hat sich auch oft um ihren Bruder gekümmert und wurde immer wieder mit blauen Flecken gesehen und war oft am Humpeln. Soweit ich weiß waren die Zustände in ihrer Familie katastrophal und da ist es kein Wunder, dass aus ihr und Beyond Birthday Psychopathen geworden sind.“
„Hast du auch mehr über die Umstände zu Jamie Millers Verschwinden herausfinden können?“ fragte L und trank seinen Zuckerkaffee während Light seinen Tee noch nicht anrührte. Er war zu beschäftigt dazu denn er versuchte sich ein Bild zu machen wie es in Rumiko Karasuma aussehen musste. Ein 9-jähriges Mädchen was zusammen mit ihrem Bruder vom Adoptivvater sexuell missbraucht wurde und versuchte einem lernbehinderten Jungen zu helfen, der von seinem Vater unterdrückt wurde. Was zum Teufel waren das damals nur für Zustände gewesen? Waren sie etwa im schlimmsten Ghetto aufgewachsen? „Tja“ murmelte Fear nachdenklich „was Jamie Millers Verschwinden angeht, so gab es nur einen einzigen Zeugen, nämlich Rumiko Karasuma. Sie verschwand zum gleichen Zeitpunkt wie Jamie und tauchte erst zwei Tage später völlig verwirrt wieder auf, sie war dehydriert und hatte zahlreiche Verletzungen an den Händen und ihr fehlten einige Fingernägel. Sie hat steif und fest behauptet dass Mr. Miller seinen Sohn ermordet und in einer roten Sporttasche zum See gebracht hätte um die zerstückelte Leiche zu versenken. Rumiko hatte in einem unbemerkten Moment nichts ahnend in die Tasche hineingegriffen und den abgetrennten Kopf des Jungen herausgeholt. Da sie aber unter Schock stand und Spuren von Gewalt aufwies schenkte man ihrer Aussage keinen Glauben sondern man ging davon aus dass sie zusammen mit Jamie entführt und gefoltert worden wäre. Ihr sei die Flucht gelungen und habe aufgrund des Schocks Erinnerungslücken. Man wies sie in eine geschlossene Psychiatrie ein.“
Light wurde anders als er das alles hörte und hatte nun einigermaßen Verständnis warum Rumiko so eiskalt und brutal war. Immerhin wurde sie mit ihrem Bruder sexuell missbraucht und ihr bester Freund wurde zerstückelt. Aber warum hatte sie dann diese Verletzungen gehabt und warum fehlten ihr Fingernägel? Irgendwie ergab das alles für Light nicht wirklich Sinn…
„Die Psychiatrie, in der sie eingewiesen worden war, hatte bereits einen schlechten Ruf weil dort Kinder ums Leben gekommen waren und man den Leitern Fehler in der Behandlung vorwarf. Rumiko wurde damals Elektrokrampftherapien unterzogen und die letzte Behandlung hätte sie aufgrund der hohen Voltzahl umgebracht, wäre die Polizei nicht eingeschritten und hätte sie befreit. Sie wurde fürs Erste wieder nach Hause gebracht und daraufhin verstarben Vater und Mutter.“
„Wie ist denn der Vater ums Leben gekommen?“
„Erschossen. Die Mutter war außer Haus und hatte ihren Mann mit den Kindern allein gelassen. Anscheinend war jemand ins Haus eingedrungen und hat ihn niedergeschossen. Er ist nach hinten gestolpert und aus dem Fenster gefallen, dabei wurde er vom Zaun aufgespießt. Ihm wurden Arme, Beine und Kopf abgetrennt allerdings wurde nur der Kopf mitgenommen und in seinem eigenen Blut stand geschrieben „Tod dem Kinderschänder“. Rumiko und Beyond wurden von ihrer Mutter gefesselt und geknebelt aufgefunden und konnten auch nicht sagen wer der Mörder war.“
Diese letzte Tatsache machte Light und L stutzig. Wenn Rumiko doch die Mordserie begangen hatte, wie konnte es dann sein dass sie gefesselt war? Für diese Frage hatte Fear bereits eine Antwort und erklärte ihnen dass die Möglichkeit bestand dass sich beide gegenseitig gefesselt haben und dann ihre Beine durch die entstandene Armschlaufe gezwängt hatten und es somit den Anschein hatte als wären sie beide nur Opfer. Sicher hatte Rumiko Beyond dazu gezwungen mitzumachen damit alles perfekt war. Wenn sie schon im Alter von 9 Jahren so intelligent und eiskalt war, wollte sich Light gar nicht vorstellen wie sie heute war. „Soweit ich weiß ist Rumiko nach dem Tod der Mutter verschwunden und ging nach Boston, wo sie von einer Professorenfamilie adoptiert wurde. Sie ging zur Harvard Universität und kurz nach ihrem Abgang ist sie krankenhausreif geschlagen und niedergestochen worden. Ihr könnt euch ja denken wer dahinter steckt. Eines Tages suchte sie mich auf und machte einen sehr netten Eindruck auf mich. Vom Charakter her etwas schüchtern und unscheinbar aber ihre Augen zeigten mir die wahren Abgründe ihres Wesens.“ Die Augen sind die Fenster zur Seele. Dann traf dieser Spruch also tatsächlich zu wenn Fear recht hatte. „Jetzt wo ich so drüber nachdenke weiß ich auch die Antwort auf die ungelöste Karasuma-Mordserie. Da Rumikos DNA zu 100% mit der ihrer Zwillingsschwester übereinstimmt, konnte sie die Familie vortäuschen und brauchte nicht einmal ihre Spuren zu verwischen. Die Leiche ihrer Schwester hat sie zuvor vollständig in Lauge aufgelöst sodass nichts von ihr zurückblieb. Man kann die Karasuma-Morde also wirklich als das perfekte Verbrechen bezeichnen.“ Mit einer kleinen vergoldeten Klingel bestellte der ehemalige Bühnenzauberer Annie zu sich, die ihm Stift und Zettel gab. „Das Beste ist wenn ihr in Rumikos Heimatstadt fahrt und den Ort ihrer größten Angst aufsucht, dann werdet ihr vielleicht eine Antwort finden. Ich wünsche euch beiden viel Glück und gutes Gelingen bei eurer Suche.
Damit war das Gespräch beendet und Fear reichte ihnen die genaue Adresse, die er aufgeschrieben hatte und L versprach ihm sich bei ihm zu melden wenn sie den Fall abgeschlossen hatten. Nun waren sie ein ganzes Stück weiter und vielleicht schafften sie es ja tatsächlich die Leiche des kleinen Jamie Miller zu finden und Rumiko davon abzuhalten weitere Morde zu begehen.

Das Lied der Schmetterlinge


Sie fuhren ohne einen Zwischenstopp einzulegen und erreichten nach ein paar Stunden Fahrt das kleine beschauliche Städtchen, in welchem Rumiko und Beyond Birthday aufgewachsen waren. Es hatte einen großen Altmarkt mit Springbrunnen, kleinen Läden und einen wunderschönen Park. Unvorstellbar dass hier vor 17 Jahren zwei Kinder missbraucht worden waren und eines getötet wurde. Fear hatte ihnen zusätzlich noch die Adresse des Altenheims gegeben, wo der ehemalige Friedhofsgärtner lebte. Ein Mexikaner namens Juan Ortega, er war jahrelang illegaler Einwanderer und als er drohte abgeschoben zu werden, hatte sich die Stadt für ihn eingesetzt und dafür gesorgt dass er ein unbegrenztes Visum bekam. Er konnte sich trotz seines hohen Alters von fast 90 Jahren sehr gut an jeden einzelnen der Bewohner erinnern und vielleicht konnte er genaueres bekannt geben. Der alte Mann mit dem lichten weißen Haar empfing sie draußen auf der Terrasse wo er gerade mit ein paar Damen Karten spielte und er schien trotz seines Alters noch ziemlich fit zu sein. Er winkte den beiden zu und bot ihnen einen Platz an. „Ihr beide müsst die Besucher sein, die Fear bereits angekündigt hat. Du siehst Beyond wie aus dem Gesicht geschnitten aus, wirklich unglaublich diese Ähnlichkeit.“ Er setzte seine Brille auf und sah L etwas genauer an. „Allerdings sind deine Gesichtszüge anders und auch Beyonds Haare sind kürzer.“
„Sie haben ihn also vor seinem Tod gesehen?“ Lebhaft begann der Mexikaner über sein letztes Treffen mit Beyond zu erzählen gab ein paar Anekdoten zum Besten. Dieser Mann verkörperte wirklich die pure Lebensfreude und wollte gar nicht mehr aufhören zu erzählen doch Light saß immer noch dieses verdammte Ultimatum im Nacken und er wollte noch etwas am Leben bleiben. „Entschuldigen Sie bitte Mr. Ortega, aber wir sind gekommen um einer Sache auf den Grund zu gehen, die vor 17 Jahren geschehen ist. Es geht um Jamie Miller, der damals spurlos verschwunden ist. Rumiko will dass wir ihn für sie finden.“ Als Juan Ortega und die alten Damen das hörten, verdüsterte sich ihre Miene und sie begannen etwas leiser miteinander zu reden so als hätte Light ein Tabuthema angesprochen. „Diese Geschichte ist das schwärzeste Kapitel unserer geliebten Stadt“ sagte eine der Frauen mit grauen Haaren und einer Libellenbrosche am Kleid und sah die beiden mit ihren grünen Augen an. „Damals hat keiner hier gewusst was sich in der Agony Street abgespielt hat auch wenn viele Gerüchte die Runde machten weil dieser Harry Birthday immerzu in Kneipen hockte und sich betrank.“
„Ich kann mich noch gut an damals erinnern als ich mit meinem Enkel auf dem Spielplatz war. Rumiko war zusammen mit ihrem Bruder und den Millers Eis essen und gingen anschließend durch den Park zum Spielplatz. Ein paar Kinder haben den armen Jamie mit Steinen beworfen und ihm schlimme Namen gegeben. Rumiko konnte das nicht mit ansehen und hat diese Kinder angegriffen und verjagt. Doch sie hatte immerzu blaue Flecke und humpelte oft. Wenn sie nicht von ihrem Vater verprügelt wurde dann wurde sie von den anderen Kindern schikaniert weil sie zur Hälfte Japanerin war.“
„Ich dachte die blonden Haare sind nur gefärbt?“ warf Light erstaunt dazwischen und sah L etwas irritiert an. „Nein, schon seit sie klein war hatte sie blondes Haar und sie hat sehr darunter gelitten dass sie nicht ganz amerikanisch aber auch nicht ganz japanisch war. Sie wusste oftmals nicht wo überhaupt ihr Platz ist und der einzige Halt den sie damals hatte war ihr kleiner Bruder Beyond Birthday und Jamie, der damals in ihre Nachbarschaft gezogen ist da war sie 9 Jahre alt oder Dorothy?“ Die alte Dame stupste mit ihren dunkelblau lackierten langen Fingernägeln ihre Sitznachbarin an, die offenbar was an den Ohren hatte und erst mal ihr Hörgerät neu einstellen musste. „Ja das stimmt. Die meiste Zeit jedoch haben die Kinder am See verbracht.“
„Wir haben hier keinen See gesehen“ bemerkte L der den gesamten Ort abgesucht hatte und trotzdem nicht zum See gelangen konnte sodass es ihm erschien dass es überhaupt keinen gab. „Der ist gut versteckt, deswegen geht da auch selten jemand hin“ antwortete Dorothy und legte ihre Karten hin. „Wenn ihr in der Agony Street seid, dann geht am besten über den Acker und dann wird ein kleines Waldstück kommen. Ihr müsst über einen großen Hügel und dann solltet ihr den See sehen können. Dort gibt es auch eine kleine Hütte über die sich die unheimlichsten Geschichten erzählt werden.“ „Auch in Verbindung mit Rumiko“ ergänzte Mr. Ortega und zündete sich eine Zigarette an. „Vor knapp einem Jahr war sie bei mir und hat mir ihr Herz ausgeschüttet. Ich kenne sie und Jamie schon lange genug und weiß dass die beiden es niemals leicht gehabt haben. Sie hat mir erzählt dass sie zwei Tage in der Hütte eingeschlossen war und fast dort gestorben wäre.“ „Was hat sie dort gesucht?“
„Sie hat sich vor Jamies Mörder versteckt.“ Plötzlich fing es an zu donnern und der Himmel begann sich langsam zu verdüstern. „In dieser Hütte geht etwas Seltsames vor sich, so viel steht fest. Niemand wagt es dort hineinzugehen geschweige denn die Hütte abzureißen. Sie steht schon seit Bestehen der Stadt und scheint das Unheil förmlich anzuziehen. Als Rumiko wieder zurückkam, hat sie das Grundstück am See aufgekauft und die Hütte dazu. Seitdem ist dort alles verlassen und Rumiko sagte mir dass sie in der Hütte etwas aufbewahren würde. Etwas, das sie ihrem Bruder zurückgeben wollte wenn der Zeitpunkt gekommen war. Vielleicht solltet ihr dort hingehen und euch in der Hütte umsehen. Aber ich warne euch: Die Hütte ist gefährlich!“ Hätte der Mexikaner nicht so einen ernsten Eindruck gemacht dann hätte Light das für abergläubisches Geschwätz gehalten aber der Mexikaner meinte es ernst. Auch die alten Damen, die bei ihm am Tisch saßen, schienen dieselbe Meinung zu vertreten. „Wenn ihr dort seid dann werdet ihr verstehen was ich meine. Diese Hütte hat etwas an sich, was nicht von dieser Welt ist. Auch Rumiko hat das gespürt und hat es seit damals nie wieder gewagt auch nur einen Fuß über die Türschwelle der Hütte zu setzen.“ Light und L bedankten sich für die Auskunft und gingen zum Wagen zurück und ließen sich von Watari zur Agony Street fahren. Light war die Angst um sein Leben ins Gesicht geschrieben und L versuchte ihn aufzumuntern. „Keine Sorge Light, unsere Chancen stehen gar nicht mal so schlecht.“
„Ich will Sie nicht beunruhigen L aber seit unserer Ankunft am Flughafen werden wir verfolgt.“
„Ich weiß, Rumiko Karasuma ist uns dicht auf der Spur.“ Light begann bereits zu überlegen was er wohl machen sollte wenn er es nicht schaffte die Leiche von Jamie Miller zu finden. Wenn sie sich wirklich nicht traute die Hütte am See zu betreten, vielleicht sollte er sich dort verstecken? Auch wenn es für ihn keine großartige Zukunft bedeutete, so konnte er dann wenigstens sein grausames Ende hinauszögern. Seinen Kopf wollte er gerne noch behalten. Die Autofahrt dauerte keine zehn Minuten, da hatten sie die Agony Street erreicht. In der 9499 hatten die Birthdays gewohnt und nebenan die Millers. Die Straße und ihre Häuser wirkten so unscheinbar und harmlos wie jedes andere Stadtviertel auch aber vielleicht war es ja auch der Grund gewesen warum niemand etwas von den Missbräuchen gemerkt hatte. Während sie die Straße entlang gingen schien es den beiden so als würde die Vergangenheit für sie lebendig werden. Sie konnten Kinder in den Vorgärten spielen sehen, fröhlich und ausgelassen und nur auf den Treppen der Veranda von Haus Nr. 9499 saßen bedrückt und still zwei Kinder. Der Junge mit dem zerzausten schwarzen Haar begann zu weinen und seine größere Schwester umarmte ihn tröstend. Es war ein schrecklicher und Mitleid erregender Anblick und Light fragte sich wie L wohl über diesen Fall dachte. Er sah ihm in die Augen doch er konnte nicht deuten was er wohl gerade dachte. Dann aber seufzte der Meisterdetektiv und steckte die Hände in die Hosentasche. „Kaum zu glauben was auf dieser Welt passieren kann oder? Seit ich acht Jahre alt bin versuche ich die Welt ein Stück weit sicherer zu machen und doch habe ich bis heute noch nicht die Probleme erkannt, die sich direkt vor meinen Augen abgespielt haben. Eigentlich hätte ich schon damals merken müssen dass mit Beyond Birthday etwas nicht stimmt aber ich habe mich nie damit beschäftigt. Manchmal, wenn ich von solch tragischen Geschichten erfahre die mir entgangen sind, dann beginne ich mich zu fragen ob ich jemals wirklich richtig gehandelt habe.“ Light ging es genauso. Die Dinge, die er in den letzten Tagen erfahren hatte, hatten ihn zutiefst erschüttert und ihm klar gemacht dass die Täter manchmal die wahren Opfer sein konnten. Wenn er wirklich Kira war, hatte er dann das Recht einfach zu entscheiden wer leben durfte und wer starb ohne zu hinterfragen was passiert war? Beyond Birthday war das beste Beispiel dass weder die Justiz noch Kira richtig gehandelt hatten. Als Kind wurde er geschlagen, missbraucht und im Waisenhaus massiv unter Druck gesetzt und er musste mit ansehen wie seine Eltern getötet wurden. Ihm war niemals Recht widerfahren und eigentlich konnte man nicht wirklich behaupten, dass er jemals ein gutes Leben gehabt hatte und für Rumiko und Jamie galt dasselbe. Sie waren dazu verdammt gewesen, sich wie Dreck behandeln zu lassen obwohl sie nichts Falsches getan hatten. Wenn Light das alles passiert wäre, dann hätte er auch seinen Glauben an Gerechtigkeit verloren. „L, wenn ich tatsächlich Kira wäre, dann hätte ich es verdient dafür zu bezahlen was ich den beiden angetan habe. Mein Wunsch war und ist es, für die gerechte Sache zu kämpfen und später Polizist zu werden aber im Grunde genommen ist dieser Kira nicht besser als all die anderen Verbrecher.“
„Mach dir keinen Vorwurf Light. Im Ganzen gesehen haben wir alle Schuld. Kira, ich, diese Stadt hier… Wir verurteilen und kämpfen nur für unsere Gerechtigkeit und dabei stoßen wir andere vor den Kopf. Auf der ganzen Welt gibt es tragische Geschichten wie diese, viel mehr als wir zählen können und wenn die Gerechtigkeit siegt, dann meist erst zu spät und wenn die Leute damals nicht die Augen verschlossen hätten, dann wären diese drei Kinder aus diesem Elend befreit worden. Sie hätten ein normales Leben leben können und wären rechtschaffene Menschen geworden. Aber wir können nun mal nicht die Zeit zurückdrehen und bedauern und bereuen hilft auch nicht. Was wir jetzt noch machen können ist daraus zu lernen und nicht mehr die Augen davor verschließen. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert.“
Wie zu einem Galgenmarsch gingen die beiden den beschriebenen Weg durchs Feld bis sie von weitem schon den Hügel sahen. Auf der Spitze stand eine Frau mit langem blonden Haar, einer roten Schleife und schwarzem Rock mit schwarzer Weste dazu und darunter ein weißes Hemd. Rumiko… sie war also bereits hier. Sie schien die beiden nicht zu bemerken, sah in die Ferne und sang eine Melodie, die schön aber auch unendlich traurig klang. Sie hatte eine so wunderschöne Stimme wie ein Engel und es schien so als würde sie dieses namenlose Lied einer geliebten Person widmen. Dann aber begann sie zu singen.

Lasst uns irgendwann mal Schmetterlinge sein
an einem Ort wo es keine Trauer gibt
wo unsere Träume wahr werden
und die Hoffnung niemals stirbt.
Lasst uns zum nächsten Morgen fliegen…
Bist du im Sturm gefangen kleiner Schmetterling
Und deine Flügel drohen zu zerreißen
So kämpfe weiter gib nicht auf
Sonst fällst du und musst sterben.
Lasst uns Gottes Schmetterlinge sein
So können wir überall hin
Kein Ort ist zu nah und zu fern
Denn Schmetterlinge sind immer frei
Vom Bache bis zum Ozean
Über Hügel, Berge und Gebirge
Durch Wälder, Täler, Wüsten, Städte
Vom Frühling bis zum tiefsten Winter
Lassen wir uns vom Winde tragen
Unbekümmert segeln wir auf Wolken
Denn die Welt gehört nur uns allein
Lass uns bald zu Schmetterlingen werden
Irgendwo in einer anderen Zeit
Wo wir endlich glücklich sind
Lass mich Gottes Schmetterling sein
Auf dass ich den größten Sturm bezwinge
Schenk mir Kraft und schenk mir Flügel
Dann kann ich endlich glücklich sein
Und wir drei sind nie mehr allein



Als Rumiko das Lied zu Ende gesungen hatte, summte sie die Melodie noch eine Weile, dann blieb sie stehen und eine bedrückende Stille breitete sich aus. Dann drehte sie sich aber langsam um und richtete eine Pistole auf die beiden. Sie hatte Tränen in den Augen. Light trat näher ungeachtet der Gefahr, die von der blonden Halbjapanerin ausging. „Rumiko, es tut mir leid was passiert ist und ich verstehe gut wie sehr du in der Vergangenheit gelitten hast.“ „Gar nichts weißt du Light Yagami! Du weißt nicht wie es ist wenn du von deiner Mutter Tag für Tag anhören musstest dass du nur adoptiert worden bist und dass du nicht einmal dazu taugst auf deinen Bruder aufzupassen obwohl du alles für ihn tust. Und im Gegensatz zu dir wurdest du nicht von deinem Vater auf den Dachboden gesperrt und vergewaltigt!“ Light wollte etwas sagen doch L hielt ihn zurück und sah ihn mahnend an dass es absolut gefährlich war, die psychisch labile Rumiko zu provozieren. „Alles was ich jemals wollte war doch nur dass mein Bruder in Sicherheit ist. Die Gewissheit, dass es ihm vielleicht gut gehen könnte hat mir die Kraft gegeben all die Jahre durchzuhalten. Nur deswegen habe ich unsere Eltern getötet.“
„Warum hast du eure Mutter vor den Zug gestoßen? Sie hat Beyond doch nichts getan.“
„Sie wollte uns umbringen. An dem Tag wo wir mit den Zug wegfahren wollten, wollte sie mit uns verschwinden und uns töten und ich musste das verhindern. Aber… zu dem Zeitpunkt war mein Hass so sehr gewachsen, dass ich fast meinen Bruder getötet hätte, wenn ich damals nicht weggelaufen wäre. Mir blieb nur noch dass er mich so abgrundtief hasst, dass er bereit ist mich zu töten. Nur so konnte ich verhindern dass ich ihm etwas antue.“
„Was meinst du damit?“ Rumiko kam näher, hielt die Pistole weiterhin auf die beiden gerichtet und begann zu erzählen was damals passiert war. Als sie nach Jamies Tod zwei Tage in der Kiste eingesperrt war, hatte sie zum ersten Mal Kontakt mit dem Shinigami aufgenommen, der seit ihrer Geburt in ihr schlummerte und ihre verborgene Kraft entfesselt. Dadurch wurde sie stark, furchtlos und konnte Rache nehmen doch ihr Hass wurde immer größer und sie verlor irgendwann die Kontrolle über sich selbst. Sie hatte furchtbare Angst dass Beyond etwas zustoßen würde und am Bahnhof wurde ihr damals klar, dass ihr Bruder so lange in Lebensgefahr war wie sie bei ihm blieb und deshalb ist sie verschwunden. Sie blieb nur am leben um für den Moment da zu sein wo sie ihm noch mal helfen konnte. Als sie dann erfuhr, dass er im Gefängnis an Herzversagen gestorben war, brach für sie eine Welt zusammen und sie machte sich auf die Suche nach Kira um ihn leiden zu lassen. Doch dann war ihr eine andere Idee gekommen. „Seit Jahren reden mir alle Leute ein dass Jamie nicht getötet wurde sondern verschwunden ist. In der Psychiatrie wurde ich mit Drogen vollgepumpt wenn ich anderes behauptet habe, die Polizei und die ganze Stadt haben mich als Verrückte dargestellt dass ich irgendwann selbst nicht mehr wusste ob Jamie tot ist oder nicht. Ich hatte gehofft dass er noch lebt und seit 17 Jahren lebe ich mit dieser furchtbaren Ungewissheit. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schlimm das für mich ist Light und da du mit L zusammenarbeitest hatte ich gehofft, dass ihr etwas herausfinden könntet. Nur deswegen habe ich Fear am Leben gelassen und euch hierher geführt.“
„Hättest du auch Juan Ortega getötet?“ Rumiko schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Solange noch etwas Menschliches in mir ist habe ich geschworen niemals den Menschen wehzutun, die gut zu mir waren und Mr. Ortega war einer der wenigen Menschen, die für mich da waren wenn ich einen Rat gebraucht habe.“ Jetzt wo sie es erwähnte hatte der alte Ortega auch erzählt, dass Rumiko stets gut zu ihm war und auch für die Kosten für das Altersheim aufgekommen damit er sich noch mal eine Reise nach Florida leisten konnte. Ihre gutherzige Seite war auch der Grund, warum die Stadt jahrelang geschwiegen hatte als sie sich dort vor der Polizei versteckt hatte. Die gesamte Gemeinde fühlte sich mitschuldig an ihrem Zustand was auch die alte Dame namens Gloria gesagt hatte. Immer wieder hatten sie Rumiko eingetrichtert dass Jamie nicht tot ist sodass sie es irgendwann selbst geglaubt hat doch nach 17 Jahren wusste jeder in der Stadt, dass es für den Jungen keine Hoffnung mehr gab und wenn sie sahen wie verzweifelt Rumiko selbst nach dieser langen Zeit immer noch nach ihm suchte, wurde ihnen bewusst was sie damals angerichtet hatten. Rumiko fuhr sich mit ihren zierlichen Fingern durchs Haar und richtete schließlich ihre rote Schleife. „Diese Schleife hier ist das Einzige, was mir außer meinen Erinnerungen an Jamie von ihm übrig geblieben ist. Ich habe ihn so sehr geliebt und über die Jahre der Ungewissheit wurde meine Liebe immer stärker und somit wurde auch der Schmerz in meinem Herzen größer. Immer wieder glaube ich Jamie zu hören oder sehe ihn irgendwo flüchtig. Und dass ich nie wieder ein gutes Verhältnis zu meinem Bruder haben kann war auch schon schlimm genug. Ich bin vollkommen allein obwohl ich versucht habe es allen recht zu machen. Kira hat mir den letzten Halt genommen den ich noch hatte und dafür muss er einfach bezahlen. Du, Light Yagami wirst zahlen!!!“
„Aber wie kommst du darauf dass ich Kira bin?“ versuchte der Angeklagte sich zu verteidigen doch da wurde er hart an der Schläfe mit dem Pistolenlauf getroffen und er stolperte nach hinten, L fing ihn auf und half ihm auf den Beinen zu bleiben. „Ich bin ein Shinigami-Kind, genauso wie mein Bruder. Wir haben die Fähigkeit die Lebenszeit und Namen von Menschen zu sehen, allerdings bleibt uns die Lebenszeit jener Menschen verborgen, die mit einem Shinigami im Bunde sind. Als ich dich sah konnte ich nur deinen Namen lesen und so habe ich dich beobachtet. Dabei habe ich feststellen können dass du tatsächlich Kira bist doch dann wurdest du von L in die Ecke gedrängt und hast das Besitzrecht abgetreten wodurch du deine Erinnerungen verloren hast und auch deine Lebenszeit wieder sichtbar wurde.“
„Ein Shinigami-Kind?“ fragte L interessiert und musterte sie aufmerksam. Rumiko entging dies nicht und sie begann an ihrer Schusswaffe zu spielen. „Jamie hat kurz vor seinem Verschwinden von einer alten Legende erzählt die besagt dass Shinigami einst Götter waren, die Angst vor dem Tod bekamen und ihre Lebenszeit verlängerten indem sie sich der restlichen der Menschen aneigneten. Nachdem die letzten Götter die Shinigami verbannten und dabei ihr Leben opferten, versuchten ein paar die Barriere zu durchbrechen und auf die Erde zu kommen. Sie starben dabei doch ihre Seelen nisteten sich in die Körper der Menschen ein. Shinigami-Kinder sind dazu verdammt, die Welt ins Chaos zu stürzen und ich habe Jamie versprochen das niemals zu tun. Aber… egal wie oft ich mich bemühe ein guter Mensch zu sein, immer wieder kommt jemand und zerstört alles, was ich mir aufgebaut habe und irgendwann habe ich es aufgeben zu kämpfen. Ich wurde zur Marionette des Shinigami, der in meinem Unterbewusstsein lebt und habe gemordet, gefoltert, geraubt und Leid verbreitet. Mein Bruder nahm die Kraft an nachdem ich Mutter vor den Zug gestoßen hatte und weggelaufen bin. Bei unserem letzten Treffen hat er mich in der Nacht niedergestochen und einen Kopfschuss verpasst. Er muss mich bis zu seinem letzten Atemzug abgrundtief gehasst haben…“
Light sah ihre Traurigkeit und fühlte sich schrecklich. Zugleich musste er an seine jüngere Schwester Sayu denken und fragte sich ob er jemals ein guter Bruder gewesen ist und ob er sich mehr um sie kümmern sollte, wenn die Sache vorbei war. Er sah zu L doch er konnte die Gedanken des Meisterdetektiven nicht wirklich lesen und konnte nicht erkennen, was er gerade dachte. Nun richtete Rumiko wieder die Waffe auf die beiden. „Und nun ist Schluss mit Kaffeekränzchen. Wo glaubt ihr ist Jamie?“
„Wir sind uns nicht sicher und wollten in der alten Hütte am See nachsehen.“ Rumiko wirkte etwas nervös und beunruhigt als sie hörte, dass die beiden zur Hütte wollten. Dann aber gewann sie ihren strengen Ton wieder. „Dann mal vorwärts und ich hoffe für euch beide dass er dort ist. Sonst habt ihr beide bald ein Loch zwischen den Augen!“

Owari


Mit einer Pistole im Rücken gingen Light und L den See entlang, der durch die schwächeren Lichtverhältnisse schwarz war und kleine Wellen ließen die Spiegelbilder auf der Oberfläche verschwimmen. Light hatte Angst davor was kommen würde wenn sie beide Jamies Leichnam nicht finden würden oder was passierte wenn sie ihn doch fanden. Würde Rumiko endgültig durchdrehen und sie beide erschießen? Innerlich wünschte er sie hätten irgendeinen Trumpf in der Hand aber vielleicht hatte L bereits einen und Watari würde sich um alles kümmern. Wenn dem so war, dann standen ihre Chancen ja gar nicht so schlecht aber trotzdem blieb die Angst. Eine Frau, die in ihren jungen Jahren so viel durchmachen musste wie Rumiko war zu allem fähig und innerlich begann er bereits mit seinem Leben abzuschließen. „Schneller wenn ich bitten darf!“ rief Rumiko im Ton eines Feldwebels und stieß ihn nach vorne. Light, der immer noch benommen von dem Schlag mit dem Pistolenlauf war, stolperte doch L fing ihn auf und half ihm wieder hoch. Nach ein paar Minuten erreichten sie die Hütte, die wie ein Mahnmal vor ihnen stand. Es war ein hässlicher Betonklotz, dessen Fenster mit Holzbrettern vernagelt waren. An der Tür stand eine Nachricht geschrieben, die Light nur schwer entziffern konnte. Die Nachricht war an Jamie gerichtet und mit einem Hinweis, wie er Rumiko finden konnte. „Als Kinder haben wir hier fast jede freie Minute im Sommer verbracht. Das hier war der einzige Ort an dem wir wirklich sicher waren.“ Als sie die Tür öffneten, wurden Light und L hineingestoßen, doch Rumiko machte keine Anstalten die Hütte zu betreten. Sie hatte Angst und das nicht ohne Grund. Auch die beiden spürten dass etwas Bedrohliches und Unheilvolles von der Hütte ausging, wie ein unsichtbarer dunkler Schleier und selbst L wurde es mulmig zumute. Irgendetwas in ihren schrie dass sie so schnell wie möglich wegrennen sollten, dass es gefährlich war sich weiterhin hier aufzuhalten und schließlich packte Light panische Angst. „Was zum Teufel ist das hier für ein Ort?“ fragte Light und versuchte sein Herz zu beruhigen, das wie wild schlug wie nach einem anstrengenden Marathon. Doch darauf wusste selbst L keine Antwort aber auch ihm war anzusehen dass er es mit der Angst zu tun bekam. Es schien so als hätte diese Hütte im Laufe der Jahre alles Böse aufgesogen und war selbst zu einem Teil davon geworden. „Diese Hütte steht hier schon seit Ewigkeiten, wahrscheinlich sogar schon seit der Stadtgründung. Zunächst diente sie als Angelbedarfslager doch dann stand sie wieder einige Jahre leer. Außer Sperrmüll ist seitdem nichts mehr drin“ kam es von draußen her und eilig begannen die beiden mit der Suche. Sie verschoben den Schrank doch leider fand sich dort nichts, weder ein Loch war darunter noch in der wand und auch im Schrank war nichts versteckt. Schließlich fiel L’s Blick auf eine kleine Kiste, neben der ein heruntergestürztes Wandregal mit einigem Krimskrams lag. Sie war zu klein dass ein Erwachsener hätte hineinpassen würde aber bei einem Kind von 8 bis 9 Jahren war es was anderes. Er öffnete die Kiste und erstarrte. An den Innenwänden der Kiste waren tiefe Kratzspuren und dunkle Flecken, die höchstwahrscheinlich eingetrocknetes Blut waren. „Warst du in dieser Kiste eingesperrt?“
„Ja, ganze zwei Tage im heißesten Sommer nachdem ich mich vor Rick Miller versteckt hatte. Das Wandregal ist drauf gefallen und ich hab sie nicht mehr aufgekriegt. Dabei habe ich mir ein paar Fingernägel ausgerissen.“ L schluckte schwer und versuchte seine Angst, die durch seine Anwesenheit in dieser unheimlichen Hütte hervorgerufen wurde, im Griff zu behalten. Was immer auch der Grund war warum dieses Häuschen solch eine Angst in seinen Besuchern verursachte, er persönlich würde es hier nicht mal eine ganze Stunde aushalten, so viel stand fest und dabei war er immer so beherrscht und konnte seine Gefühle im Zaum halten. Doch kaum hatte er die Türschwelle übertreten, erfasste ihn die Angst von den Zehen bis zu den Haarspitzen und Light ging es auch nicht besser. Dieser hatte ein Loch in der Wand entdeckt und streckte seinen Arm herein und ertastete schließlich etwas. Er brauchte nicht lange da hatte er einen Kinderrucksack herausgezogen, an dem ein Schildchen hing. „Eigentümer: Rumiko Birthday, Adresse: Agony Street 9499.“ Er legte die Tasche beiseite und deutete L mit einem Kopfschütteln, dass er nichts gefunden habe, was auf eine Kinderleiche hindeuten könnte. Nun gingen ihnen beiden die Optionen aus und L wollte gerade eine andere Kiste unter die Lupe nehmen, da brach eine Diele ein und er brach mit seinem Fuß ein. „L!“ rief Light und eilte zu ihm. Der Detektiv steckte bis zum Knie im Loch fest und anscheinend steckte er fest. „Was ist da drin los?“
„L ist mit dem Fuß in den Boden eingebrochen!“ antwortete Light und kam vorsichtig näher. Wenn der Boden schon so morsch geworden war, dann könnte auch er leicht irgendwo einbrechen und stecken bleiben und dazu hatte er nun wirklich keine Lust. Er packte L an den Armen und auf sein Kommando zog er ihn hoch und L spannte die Muskeln an damit Light ihm nicht noch einen Arm auskugelte. Schließlich war er befreit und außer einem kleinen Kratzer war nichts weiter passiert. L war misstrauisch geworden. „Seltsam, anscheinend war diese Diele von Anfang an locker gewesen. Komm Light, hilf mir mal das Loch zu vergrößern, vielleicht ist das ja kein bloßer Zufall.“ Gemeinsam lösten sie noch zwei Dielen, dann sahen sie dass sich tatsächlich etwas unter dem Boden befand. Light und L zogen es gemeinsam hoch und legten es vorsichtig ab. Es war eine Sporttasche, die total vermodert war aber offensichtlich war sie mal rot gewesen. Sie brachten den Kinderrucksack und die Sporttasche nach draußen wo Rumiko sie schon etwas genervt erwartete und forderte Light auf, die Tasche zu öffnen. Mit zitternden Händen öffnete er den Reißverschluss und ein fauliger Gestank kam heraus sodass er husten musste. „Hol schon raus!“ Vorsichtig schob Light eine Hand hinein und ertastete etwas. Es war lang, hart und glatt und es fühlte sich verdächtig an. Vorsichtig holte er den ertasteten Gegenstand heraus und sah dass er einen kleinen Skelettarm hielt. Erschrocken ließ er ihn fallen und wich zurück. „Oh mein Gott, das ist… das ist ein Kinderarm!“ Als Rumiko das hörte, stieß sie Light beiseite und eilte zu der Sporttasche hin. Sie holte das Gerippe heraus und tatsächlich war es das Skelett eines Kindes. Um das linke Handgelenk war etwas gewickelt was wie ein rotes Band aussah. Es saß dermaßen locker dass es dem Anschein machte als hätte das Kind dieses Band vor seinem Tode getragen. Es stellte sich heraus dass Arme, Kopf und Beine gewaltsam abgetrennt wurden und in der Tasche verstaut worden waren. Fassungslos sahen die drei auf den grausigen Fund und selbst L, der wirklich immer so ruhig und gefasst war, konnte es einfach nicht glauben was er das sah. Es war das erste Mal dass er das zerstückelte Gerippe eines Kindes sah und in ihm stiegen Verständnislosigkeit, Entsetzen und auch Wut auf. Wie konnte man einem Kind nur so etwas Furchtbares antun? Rumiko kniete sich hin und nahm den Schädel in die Hand. Sie legte ihre Stirn auf die des Kopfes und begann zu weinen. „Jamie… Es tut mir so leid.“
Zunächst versuchte sie ihre Trauer zurückzuhalten doch dann begann sie herzzereißend zu weinen und es tat Light in der Seele weh sie so zu sehen. Er konnte sich gar nicht vorstellen wie schlimm es sein musste seinen einzigen Freund im Kindesalter zu verlieren und jahrelang nach ihm zu suchen und dann seine Leiche zu finden. Eigentlich hätten sie die Chance nutzen können um wegzulaufen doch sie blieben da so als wollten sie Rumiko während ihrer Trauer um Jamie Miller Beistand leisten. Traurig sah Light schließlich zu L. „L, sollte ich tatsächlich Kira sein, bitte tu mir nur den einen Gefallen und sorge dafür dass ich nie wieder zu Kira werde. Ich will nicht noch mal dass so etwas wieder passiert.“
„Ich ebenso wenig Light.“ Rumiko wirkte nicht mehr wie eine gefährliche Massenmörderin sondern wie ein verzweifeltes kleines Kind welches die ganze Zeit nur die Erwachsene gespielt hatte. Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, legte sie den Kopf ihres toten Kindheitsfreundes behutsam wieder zurück, stand auf und richtete die Waffe auf Light. Dieser verstand nicht mehr und sah Rumiko ratlos an. „Ich habe unseren Deal eingehalten und Jamie gefunden, warum also?“
„Ich kann dir einfach nicht vergeben. Du hast meinen Bruder ermordet du Mistkerl und dafür wirst du bezahlen!“ Rumiko entsicherte die Waffe und zielte zitternd auf Lights Brust. Dann plötzlich traf ein Schuss sie an der Hand und sie ließ die Waffe fallen. Sie drehte sich um und sie sahen in der Ferne Watari mit einem Scharfschützengewehr. Die 26-jährige wurde rasend vor Wut, holte ein Messer hervor und riss L zu sich und hielt ihm das Messer an den Hals. „Du verdammter Dreckskerl, pfeif deinen Opa zurück sonst schlitz ich dir den Hals auf!“ „Lass L in Ruhe, er hat mit der Sache nichts zu tun!“ rief Light und stürzte sich auf sie und es kam zum Handgemenge. Dabei wurde ihm das Messer in den linken Arm gestoßen und schließlich konnte Rumiko sich von ihm befreien und hob ihre Pistole auf die sie auf L richtete. Zunächst sah es so aus als wolle sie schießen, doch dann schaffte sie es einfach nicht. Weinend ließ sie Pistole und Messer fallen und wich einen Schritt zurück. Er erinnerte sie zu sehr an Beyond als dass sie ihn hätte töten können auch wenn es nicht Beyond selbst war. Mit geröteten Augen sah sie ihn verzweifelt an und murmelte „Es tut mir leid Bruder…“. Plötzlich ertönte noch ein Schuss aus der Ferne und Stille trat ein. Light sah zu L, dann zu Rumiko, sie presste eine Hand auf ihren Bauch und sah dass Blut austrat. Der Schuss hatte sie getroffen. Sie stöhnte auf und stolperte nach hinten sodass sie auf den kleinen Steg trat, dann fiel sie ins Wasser und versank. Light zögerte nicht lange und sprang zusammen mit L hinterher um sie zu retten. Schließlich konnten sie die schwer Verletzte aus dem Wasser ziehen und begannen die Wunde zu versorgen. Rumiko atmete sehr flach und die Schussverletzung wollte nicht aufhören zu bluten. Wie benommen murmelte sie irgendetwas Unverständliches doch das ignorierten die beiden. Während Light versuchte die Blutung zu stoppen verständigte L den Notarzt, doch da hielt Rumiko ihn zurück und umklammerte seinen Arm mit schwindenden Kräften. Ihre Hand war furchtbar kalt so als würde es keine Wärme mehr in ihrem Körper geben. „Lass das, es ist besser so wie es jetzt ist.“ „Nein, du musst nicht sterben, der Arzt wird gleich hier sein.“ Doch die junge Frau schüttelte den Kopf und sah L traurig an. „Wenn ich weiterlebe, werden immer mehr Menschen meinetwegen sterben müssen. Außerdem gibt es nichts mehr für mich für das ich noch leben könnte. Ich will dieses Leben nicht mehr leben das nur noch Finsternis, Einsamkeit und Leid kennt. L, in diesem Rucksack den ihr geholt habt sind Sachen von Beyond, die ich vor ihm versteckt habe. Es beinhaltet alles, was ihn an die schlimmen Dinge erinnert hätte, die er durchmachen musste. Nachdem er… er… bei einer Fluchtaktion schwer gestürzt ist… konnte er sich kaum noch erinnern… Jamie und ich haben deswegen die Sachen gestohlen und versteckt. Du kannst sie haben. Mach damit was du willst…“ Rumikos Blick wurde leer und ihre Atemzüge wurden immer weniger. Sie würde den Weg ins Krankenhaus auf keinen Fall überleben. Mit ihrer eiskalten Hand strich sie über L’s Wange und sie setzte ein schwaches Lächeln auf. „Wenigstens konnte ich das Antlitz meines Bruders noch ein letztes Mal sehen… Jamie und er warten auf mich… auf der anderen Seite wo wir in Frieden leben können.“ Schließlich sank ihre Hand und Rumiko schloss die Augen, dann hauchte sie ihr Leben aus.
Rumikos Leichnam wurde neben dem von Jamie und ihrem Bruder Beyond Birthday begraben. Zu ihrer Beisetzung waren nicht nur L, Light und Watari gekommen sondern auch Juan Ortega und viele andere aus der Stadt. Nach der Beerdigung sahen sie sich den Inhalt des Kinderrucksacks an und zum Vorschein kamen Notizen, Gedichte, Tagebücher und Zeichnungen. Eine davon zeigte Beyond glücklich zusammen mit seiner Schwester Rumiko und einem Jungen, der wahrscheinlich Jamie darstellen sollte. Was in den Aufzeichnungen zu lesen war, war wirklich schwere Kost und offenbarte den Alptraum, den die Kinder durchleben mussten und wie sie vor den Wutausbrüchen ihres Vaters flohen und bis zu Stunden frierend im Geräteschuppen ausharrten. Ein Mal wurde Beyond über drei Tage im Keller eingesperrt und wurde schließlich von Jamie und Rumiko befreit, nachdem seine Schwester ihn mit Lebensmitteln und einer warmen Decke versorgt hatte. Veröffentlicht wurde dieser Fall jedoch nicht denn es gab ja weder einen Schuldigen noch ein Opfer welches noch am Leben war aber er kam bei L in eine spezielle Akte. „Wie wollen wir damit jetzt umgehen?“ fragte Light seinen neuen Freund nachdem sie stundenlang geschwiegen hatten. „Ich für meinen Teil werde mich nun auch verstärkt um Fälle wie Kindesmisshandlung kümmern. Dass ich nicht einmal gesehen habe was mit Beyond Birthday nicht gestimmt hat und dass er Hilfe gebraucht hat, darf mir nie wieder passieren. Und wie verbleibst du?“
Light hatte sich auch schon Gedanken gemacht was er machen sollte. Tatsache war, dass ihn die Ereignisse der letzten Tage stark geprägt haben und er war dankbar dass L ihm geholfen hatte denn ohne ihn wäre er schon längst tot. Auch wenn er echt komisch war und sie oft Meinungsverschiedenheiten hatten, so konnte er sich auch gut vorstellen, sein Freund zu sein denn trotz des schweren Verdachts Kira zu sein hatte er nicht eine Sekunde gezögert sondern ihm sofort geholfen. Sollte er wirklich einmal Kira gewesen sein, dann wollte er es nie wieder sein. Diese Sache mit Rumiko und Beyond Birthday hatten ihm gezeigt, dass Kira mehr kaputt gemacht hatte mit seiner fadenscheinigen Gerechtigkeit als dass er Gutes bewirkt hat. Wenn Beyond Birthday noch leben würde, vielleicht hätten die Geschwister eines Tages wieder zusammengefunden… „L, ich möchte dir bei deiner Arbeit helfen. Das ist das Mindeste um mich zu revanchieren für das, was du für mich getan hast.“ „Aber du weißt dass der Verdacht, dass du Kira bist immer noch auf dir lastet?“ Light nickte entschlossen. „Das schon aber ich habe eines aus der Sache gelernt: Egal ob ich Kira bin oder nicht, niemand sollte jemanden nach seinen schlechten Taten alleine beurteilen und ihn danach richten. Du hast mir geholfen als ich in Gefahr war und ich bin dir dafür sehr dankbar. Ich möchte Menschen wie Rumiko helfen und auf diese Weise die Welt verbessern. Meinst du, du könntest es weiterhin mit mir aushalten?“ L sah seinen Freund mit seinen dunklen Augen an und lächelte. „Ich glaube das ließe sich arrangieren.“

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Tag der Veröffentlichung: 20.06.2012

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