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27.02.2015 Die Buchhalterin

27.02.2015

 

Yannis hatte mir gestern einen Reserveschlüssel mitgegeben, damit ich selbständig

das Geschäft öffnen kann.

Seine Frau ist zurzeit in Sylt auf Kur.

Eigentlich kümmert sie sich um Friedhelm.

Yannis hat diese Aufgabe erst seit 3 Tagen übernommen. Die Routine fehlt ihm noch.

 

Mein erster Gang war in den Keller.

Ich begrüßte Friedhelm und schaute, ob er etwas braucht.

Anschließend öffnete ich das Pfandleihhaus. Diesmal stand keiner vor der Tür.

Ich vertrieb mir die Zeit damit, Briefe an bald auslaufende Vertragspartner zu schreiben,

als Yannis frisch rasiert mit einer Zeitung in der Hand zu mir kam.

 

„Schau mal hier, da haben sie einem Kollegen übel mitgespielt.

Das ganze Pfandleihhaus ausgeräumt. Schmuck, Hifi Geräte, alles weg.

Der war nicht mal versichert, jetzt sitzt er auf 600.000 € Schaden.“

Bestürzt nahm ich die Zeitung an mich. In Wachenbuchen hat der Kollege sein Geschäft.

Und ich dachte immer, da sagen sich Hase und Igel „gute Nacht „.

Yannis ging an den Wandschrank, wo alle seine Ordner mit Versicherungen und Rechnungen

eingereiht waren. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich die letzte Rate gezahlt habe. Jascha,

hole doch mal bitte eben den Wäscheeimer von da hinten. Ich tat wie gesagt und

holte den mit Papieren vollgestopften Wäscheeimer. „Sag mal Yannis, ist das dein Papiermüll?“

Yannis kratzte sich am Ohr“ schön wär´s, das sind die Dokumente der letzten 4 Wochen.

Meine Buchhalterin hat fristlos gekündigt. Ich habe ja keine Ahnung davon.

Kennst du dich mit Buchhaltung aus? „

Ich besah mir die Bescherung.

„Profi bin ich nicht, aber wie man Rechnungen überweist und abheftet weis ich schon.

Ich sortierte alles zunächst nach Datum. Gemeinsam gingen wir die einzelnen Schreiben durch.

Es waren viele Informationsschreiben dabei, die wir in die entsprechenden Ordner abheften konnten.

Wirklich wichtig waren 12 Rechnungen, die noch unbezahlt waren.

 

Yannis reichte mir seine Zugangsdaten zum Onlinebanking.

Die Zahlen sahen soweit ok aus. Problemlos konnte ich alle Rechnungen begleichen.

Die Haftpflichtversicherung hatte sogar eine Einzugsermächtigung,

so dass Yannis bei einem eventuellen Schadensfall keine Probleme bekommen sollte.

Ich vervollständigte die Beschriftungen der Bankauszüge und verglich sie mit den Rechnungen.

Ich bereitete alles so vor, dass der Steuerberater am nächsten Mittwoch die Voranmeldung fertigen kann.

Mir fiel eine Ungereimtheit ins Auge eine Abbuchung in Höhe von 3.500 € am 03.01.2015.

Ich fragte Yannis danach. Ein kurzer Blick in seinen Kalender verriet uns, dass die ehemalige

 

Buchhalterin Mareile Bock an diesem Tag Bankgeschäfte erledigt hatte. Scheinbar hat sie das Geld

für sich besorgt. ..

„Na, die kann was erleben, sie wollte morgen wegen ihres Zeugnisses vorbei kommen.

Das mit dem Geld muss sie mir erstmal erklären, bevor ich ihr das Zeugnis aushändige!“

Er bedankte sich bei mir, dass ich den Vorfall bemerkt habe. Ansonsten wäre das Geld futsch gewesen,

sobald sie ihr Zeugnis hat.

Bei der Gelegenheit sah ich mir die letzten Bilanzen an. Eine Goldgrube ist der Laden nicht gerade,

aber sie halten sich gut im oberen Bereich des Wassers.

Die Tür schellte und herein kam eine rüstige Mitte 50igerin. Sie hielt ein Backblech in der Hand

von dem es herrlich nach warmen Apfelkuchen roch.

„Hallo Erna, verwöhnst du uns wieder?“ Yannis nahm Erna das Blech aus der Hand,

stellte es auf den Tresen und umarmte sie herzlich.

„I wo, das ist doch nichts. Sag, Yannis, kannst du mir bis nächsten Freitag einen 100er leihen?“

Erna schaute neugierig zu mir „ Hast du einen neuen Mitarbeiter?“. Yannis bejahte und stellte mich vor,

ehe er 100 € aus seiner Kasse holte. Er fertigte ein Formular, dass beide unterschrieben ehe es in den

Ordner „Lieblingskunden“ geheftet wurde.

 

Ich reichte Erna die Hand und machte eine kleine Verbeugung „Ich bin Jascha Mehlgruber.

In den nächsten drei Wochen mache ich hier ein Praktikum.“

 

„Das ist fein. Da hat der Yannis sicher eine tüchtige Unterstützung.

Jungs, lasst es euch schmecken. Ich muss jetzt rasch dem Kolziger die Reparatur bezahlen gehen.

Er hat mir schon mit dem Gerichtsvollzieher gedroht. Wegen 84 €…“ Sagte sie und verschwand.

 

Ein Blick auf Yannis, der mit seiner linken Hand an seinem Kinn rubbelte, lies mich wachsam werden

„Alles ok Chef?“. „Nee, nichts ist ok! Hier im Schrank fehlen Schmuckteile.

Die laufen in den nächsten 2 Monaten aus. „ Ich lief hinüber zu dem Glasschrank. „Was fehlt denn?“

Yannis holte einen Ordner aus dem Schrank „Abläufer“. Er blätterte diverse Zettel um.

„Ich glaube das Fräulein Bock plant eine Weltreise! Sie hat 8 wertvolle Erbstücke mitgehen lassen.

Schau her. Hier das Eingangsdatum. Dort ist das Ausgangsdatum.

Entweder hat der Kunde das Erbstück ausgelöst oder abgelehnt es auszulösen.

Bei diesen 8 Vorgängen ist das Ausgangsdatum der 03.01.2015!"

Er verglich die laufende Nummer mit dem Inhalt des Schrankes.

 

Mir wurde heiß und kalt. Wenn nun Nadjas Erbstück darunter war?

Ich sah mir die Dokumente genauer an. Tatsache. Nadja Orfels. Scheiße!

Das darf doch echt nicht wahr sein. Wir müssen der Buchhalterin einen Strich durch die

Rechnung machen! „Glaubst du die Bock hat die Teile noch?“

Yannis schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich längst auf dem Schwarzmarkt verhökert.

Oder im Bekanntenkreis. Die kommt mir nicht ungeschoren davon, das kannst du mir glauben!

Das ist ein Wert von 150.000 € den sie hat mitgehen lassen. Ich werde direkt mal den

Kommissar Valori kontaktieren. Er soll morgen das Gespräch von Friedhelms Wohnung aus

beobachten, bis sie gestanden hat. Dann darf er ihr die Handschellen anlegen!

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sie auch etwas mit dem Wachenbuchener Fall zu tun hat!“

Ich setzte mich auf den nächstbesten Stuhl. Welch kriminelle Energien hier doch hausten.

 

Heute ist früh Schluss, jeden Freitag schließt das Pfandleihhaus um 13 Uhr.

Zusammen gehen wir in die Küche. Zuhause wartet keiner auf mich,

so beschließe ich die spontane Einladung zum Mittagessen von Yannis anzunehmen.

Es gibt Rigatoni al Friedhelm. Mit Pesto, Tomaten und gestampften Oliven.

Alles verfeinert mit Parmesankäse. Friedhelm selbst kann nicht mehr kochen.

Das Rezept ist aus seinem privaten Kochbuch. Er war einst ein leidenschaftlicher Koch gewesen.

Viele Partys soll es gegeben haben. Da wurden dann die neuesten Kreationen dargeboten,

während er die nicht mehr gewollten Gegenstände verkaufte. Die Events waren legendär.

Leider seit 2 Jahren nicht mehr umsetzbar.

 

Wir gingen zu Friedhelm liesen uns die Nudeln schmecken und unterhielten uns über Frau Bock.

Friedhelm nickte immerzu „Die Frau Bock war mir schon immer unsympathisch.

Ich habe mich des Öfteren gewundert, über ihren Putzzwang an immer wieder demselben Schrank.

Nun weiß ich, dass sie gar nicht geputzt hat, sondern stattdessen immer was eingesteckt hat.

 

Der Kommissar kam kurz nach dem Telefonat auf einen Kaffee und ein Stück Apfelkuchen rein.

Wir besprachen die weitere Vorgehensweise.

Ich sollte Frau Bock zunächst empfangen und nachher so tun, als würde ich Yannis suchen.

Vielleicht können wir sie auf frischer Tat ertappen!

Nachdem alles geregelt war und wir satt und zufrieden waren, lief ich nach Hause.

Ich lief am „Surfsee“ entlang, daher war ich einige Zeit unterwegs.

Es dämmerte, bis ich zu Hause ankam. Ein Blick auf das Fensterbrett vom Wohnzimmer

verriet mir, dass mein Freund „der Rabe“ seinen täglichen Gruß abgeholt hat.

Abwechselnd lege ich ihm Nüsse, Joghurt oder auch Früchte hin.

Im Gegenzug erhalte ich ab und an kleine Steine. Je nachdem, was er so findet.

Heute lag ein grünlicher Stein auf der Bank auf dem kleinen Untersetzer.

Ich nahm ihn und legte ihn in die Glasvase, welche mit Steinen aller Farben und Formen

sowie Größen gut gefüllt ist.

 

Etwas wehmütige denke ich an Pit und die anderen kleinen Kobolde.

Sie sind bis zu meiner Rückkehr nach Lanzarote bei Janna in guten Händen. Janna.

Ich schicke ihr kurz eine Nachricht. Sie ruft mich über whats app an und ich berichte ihr von

meinem Tag bei Yannis. Sie ist ganz gespannt, was morgen raus kommt.

Bei ihr auf der Arbeit gibt es im Moment Streß zwischen drei Kolleginnen.

Sie arbeitet hauptberuflich in einem Altenheim.

Irgendetwas hat die Schichtleitung von falschen Überstunden erzählt. 

 

Ich muss hier nur noch das Praktikum absolvieren, ein paar "Fälle" abschließen und dann geht es

zurück zu Janna.

 

Nachdem ich herausgefunden habe, dass Cornelius ebenfalls nicht mehr unter uns weilt,

war für mich klar, dass das Haus auf Lanzarote in mir einen wertvollen Nachfolger haben wird.

 

Dem Arbeitsamt habe ich mitgeteilt, dass ich Ihre Unterstützung wegen einer Erbschaft nicht mehr benötige.

 

 

Ein Blick in den Briefkasten sagt mir, dass keiner etwas von mir will.

Von dem Essen fühle ich mich trotz des langen Spaziergangs noch voll,

so dass ich kurzentschlossen meine Laufsachen anziehe und um den Waldsee jogge….

 

 

Zurück zu Hause zeigt mir eine Mitteilung von whats app meine Kobolde beim Abendbrot.

Ein Selfi von Janna mit Kussmund ist auch dabei.

Ich schicke ihr einen Kuss zurück und gehe anschließend duschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Lotte Und ein herzliches Dankeschön an Ly Fabian für das Rabenbild

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