Das Kreuz
Zur Bedeutung des Todes Jesu
Ein Buch über das Kreuz Jesu zu schreiben ist ein gewagtes Unternehmen in einer Zeit, in der Gottesdienste zu Wohlfühlveranstaltungen, zu Selbstfindungs-Events und zu Begegnungen voll Betroffenheitslyrik werden. Da kann das Kreuz nur stören. Aber vielleicht ist das Nachdenken über das Kreuz Jesu gerade in solcher Zeit notwendig.
Das Kreuz ruft heute wieder eine Diskussion hervor. In kirchlichen Blättern wird vor allem der Opfertod Jesu hinterfragt. Und manchmal wird dann alles auf einmal über Bord geworfen.
Deshalb habe ich versucht zu beschreiben, was eigentlich im Neuen Testament steht. Auch habe ich mich bemüht, das Buch für Laien lesbar zu halten. Darum habe ich die Hinweise auf theologischen Auseinandersetzungen in die Nachweise und Weiterführendes (N+W) geschoben. Dort können interessierte Laien aber auch Theologen weitere Literatur und auch Streitpunkte finden. Weiterhin halte ich die Lutherübersetzung für die beste; deshalb bin ich nur, wo es notwendig war, davon abgewichen.
Es bleibt die Frage, ob sich die Kirche beim Show-Business ihre Anregungen holt, oder zum Zentrum zurückkehrt, das sie einmal vertreten hat und meines Erachtens weiterhin zu vertreten hat.
Wenn es um das Kreuz Jesu geht, dann taucht auch die Frage nach unserem menschlichen Tod auf und damit manches Rätsel unseres Lebens. Wenn heute suggestiv oder autosuggestiv betont wird, jeder sei gut und könne es schaffen, so verschärfen sich die Krisen, weil sie nur verdrängt und nicht bearbeitet werden.
Ich schrieb dieses Buch in Dankbarkeit und Erinnerung an meine theologischen Lehrer: Gerhard Ebeling, Ernst Fuchs, Eberhard Jüngel, Ernst Käsemann und Eduard Schweizer.
Ich danke meiner Frau Susanne Scharpf für viel Verständnis und Unterstützung - auch bei den theologischen Fragen.
Wenn nach der Bedeutung des Todes Jesu gefragt wird, hat das eine doppelte Intension:
Zuerst kann historisch gefragt werden: was bedeutete der Tod Jesu für seine Anhänger damals. Sie haben diesen Tod neben andern Deutungen als eine Sühne, als eine Stellvertretung, als ein Opfer verstanden. Wie kamen sie dazu? Jesus selbst verkündigte das anbrechende Gottesreich und gewährte seinen Anhängern den Glauben an die Freundlichkeit Gottes. Nach seinem Tod aber verkündigten sie den Glauben an diesen Jesus. Warum haben sie den toten Jesus als den gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes verehrt? Wir gehen also der Frage nach, wie aus dem verkündigenden Jesus der verkündigte Christus wurde.
Und das ist nicht nur eine historische Frage. Denn bis heute wird, was die Anhänger Jesu nach seinem Tod von ihm verkündigten, als anstößig, ja verfehlt betrachtet. Diese Kritik sieht in Jesus ein leuchtendes Vorbild; mit dem Urchristentum aber sei ein Verfall eingetreten, weil man aus dem strahlenden Jesus ein Opfer gemacht habe. Dass Gott ein Opfer braucht, sei Sadismus.
Dann aber - und das ist das Zweite - soll auch gefragt werden: welche Bedeutung hat der Tod Jesu heute? Das Urchristentum hat den Tod Jesu unter anderem als Opfer verstanden, und zwar als das letzte Opfer, das ein für allemal geschehen sei. Diese Deutung des Todes Jesu hat sich in der Geschichte mit Hilfe der Uminterpretation zum Sühnopferverständnis durchgesetzt und hat alle anderen Deutungen des Todes Jesu verdrängt. Aber ist das für uns heute nachvollziehbar? Weil der Tod Jesu als letztes Opfer angesehen wurde, kennt das Christentum keine Opfer mehr, wenigstens keine blutigen Opfer. In 2000 Jahren ist uns darum die Opfersprache fremd geworden. Das verschärft das Verstehensproblem.
Beide Fragen sind mit einander verbunden. Wir haben Schwierigkeiten mit dem Verständnis des Todes Jesu als Opfer. Die Kritik aber bestreitet die Bedeutung des Todes Jesu überhaupt: das Urchristentum habe die Botschaft Jesu verdüstert gerade durch das Verständnis seines Todes als eines Opfers.
Deshalb geht es einerseits um den Versuch, verständlich zu machen, wie das Urchristentum den Tod Jesu verstand, auch als Opfer verstand, vielleicht sogar verstehen musste. Andererseits ist nachzudenken darüber, ob der Tod Jesu auch heute noch als Opfer zu verstehen ist, oder wie er heute verstanden werden kann.
Wir gehen zuerst der Passionsfrömmigkeit nach und den Schwierigkeiten, die wir damit haben. Danach wird die Kritik an dieser Frömmigkeit behandelt. Erst dann kommen wir zur Darstellung der Aussagen des Neuen Testaments. Dabei wird Verkündigung und Tun der historischen Person Jesus dargestellt. Es folgen die Aussagen über seinen Tod: Die Deutungen des Todes Jesu in den Briefen des Neuen Testaments kommen in den Blick, und auch die in den Evangelien. Den Abschluss bilden einige Versuche, den Tod Jesu heute zu verstehen.
Das wohl bedeutendste und am häufigsten gesungene Passionslied stammt von Paul Gerhardt (EG 85)
(N+W 1):
O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret: gegrüßest seist du mir!
Drei Strophen lang besingt Paul Gerhardt dieses geschundene Gesicht, um dann zum Eigentlichen zu kommen, zum inneren Grund seiner Beschreibung:
Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.
Paul Gerhardt beschreibt das Gesicht des sterbenden oder gar schon toten Jesus nicht, weil er die Schmerzen irgendeines Gefolterten und Hingerichteten beschreiben will, sondern weil dieser Tod für ihn eine Bedeutung hat. Er besingt den Tod Jesu und deutet ihn zugleich. Der eine trägt die Sünde der anderen. Dieser Tod ist ein stellvertretender Tod, er geschieht zu unseren Gunsten, ja zu Gunsten der ganzen Welt. Tief eingegraben hat sich dieses Verständnis des Todes Jesu in das Bewußtsein der christlichen Völker. Die ganze Frömmigkeit ist - oder war wenigstens - davon bestimmt.
Fast alle unsere Lieder zur Passion sind durch dieses Verständnis des Todes Jesu geprägt. Aus vier Jahrhunderten seien einige Beispiele angeführt:
Bei Petrus Herbert heißt es 1566:
"Merk, was er gelitten hat, bis er ist gestorben,
dich von deiner Missetat erlöst, Gnad erworben." (EG 78, Strophe 1)
Johann Herrmann dichtet 1630:
"Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen? Ach, meine Sünden haben dich geschlagen;
ich, mein Herr Jesus, habe das verschuldet, was du erduldet." (EG 81, Strophe 3)
In Christian Fürchtegott Gellerts Lied von 1757 lautet es:
"Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden
und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden.
An unsrer Statt gemartert und zerschlagen, die Sünde tragen ..." (EG 91, Strophe 2)
Noch 1977 hat Kurt Ihlenfeld geschrieben:
"Er wollte, dass die Erde, zum Stern des Kreuzes werde,
und der am Kreuz verblich, der sollte wiederbringen,
die sonst verloren gingen; dafür gab er zum Opfer sich." (EG 94, Strophe
Das Kreuz ist Zeichen des Christentums geworden. Es weist auf diesen Tod Jesu und weist auf diese Bedeutung dieses Todes, beides miteinander verbunden. Mit jedem Bild des Kreuzes kommt zugleich diese Bedeutung in Blick. An einem Wegkreuz stehend fällt sie jedem ein und einer jeden, die zwischen den Steinen und Kreuzen eines Friedhofs geht. Dieser Tod ist ein Opfer, ist eine Stellvertretung, ist eine Erlösung. Und doch schüttelt manche und mancher den Kopf und fragt sich, was das soll.
Viele Generationen unserer Mütter und Väter, die vor uns im Glauben ihren Weg gingen, haben daraus Trost gewonnen in ihren Leiden, haben Mut bekommen für Leben und Sterben, haben daraus Hoffnung geschöpft in Not und Tod, Hoffnung für Zeit und Ewigkeit (N+W 2). Und bis heute halten viele Christen in ihrem Glauben daran fest.
Man muss nur die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach hören, um die Frömmigkeit zu verstehen, die ihn und seit ihm viele Sänger und Musiker, aber auch Hörer erfasst. Zwar hören wir heute vor allem die Musik, dagegen sind uns die Bachschen Texte fremd. Und dies gilt nicht nur für Bach, sondern für fast alle Texte mit diesem Thema in der klassischen Musik.
Sie sind uns fremd, weil unserem Verstehen dieser Tod und seine Bedeutung schwer fallen. Dass da einer stirbt in jungen Jahren, ganz unschuldig, das kennen wir auch sonst. Aber dass dieser sinnlose Tod eine die Welt und unser Leben verändernde Bedeutung haben soll, das ist schwer für uns nachzuvollziehen.
Das kommt daher, dass dieser Tod und seine Bedeutung bei der Ausbildung der philosophischen Metaphysik des Abendlandes in ein schwieriges und nicht ungefährliches Bild gefaßt worden sind. Anselm von Canterbury hat es um das Jahr 1100 entworfen.
Ausgangspunkt für Anselm war die mittelalterliche Bußlehre der Kirche: Gottes Erbarmen ist zwar grenzenlos über die Getauften, und trotzdem benötigt es der Buße des Sünders, um den durch die Sünde beleidigten Gott wieder gnädig zu stimmen. Die Buße war die Genugtuung, war die Satisfaktion, die Gott braucht. Damit verbunden war dann gleich die Auffassung von den Verdiensten, die dadurch zustande kamen, dass überpflichtmäßiges Handeln, das nicht zur Abdeckung einer Schuld gebraucht wurde, belohnt wurde.
Diese Bußlehre hat Anselm nun auf die ganze Theologie und Religion angewandt und hat damit die altkirchliche und im Mittelalter weit verbreitete Ansicht überwunden, Christus habe durch seinen Tod uns Menschen vom Teufel losgekauft.
Durch die Sünde wird Gottes Ehre verletzt, sagt Anselm. Das kann Gott nicht dulden; er muss auf seiner Ehre bestehen. Darum muss der Sünder Gott eine Genugtuung, eine Satisfaktion leisten. Würde Gott diese erlassen, so bedeutete dies die Straflosigkeit der Sünde; der Ungerechte und der Gerechte wären gleich. Die Satisfaktion muss Rückerstattung und sozusagen Schmerzensgeld für Gott sein. Da schon die kleinste Sünde eine unendliche Schuld nach sich zieht, kann der Mensch diese Genugtuung Gott gegenüber gar nicht leisten. Darum bedarf es des Gottmenschen, der seine Natur aus Gott und aus dem Geschlecht Adams und Evas genommen hat. Geboren aus einer Jungfrau kann er sündlos leben und darum auch freiwillig sterben. Da dieser Gottmensch sein Leben freiwillig hingibt, ist die gesuchte Satisfaktion gewonnen. Gott muss dem Gottmenschen sein freiwilliges Opfer belohnen, sonst wäre er ungerecht. Da der Gottmensch aber schon alles hat, muss das Verdienst anderen zugute kommen. Das ist die unendliche Satisfaktion für die unendliche Sünde.
Verkürzt gesagt meint er also: Der unendliche Gott braucht, um sich mit der Welt zu versöhnen, zur Sühne ein unendliches Opfer; dieses Opfer kann nur geschehen durch Gott selbst. Deswegen hat Gott seinen Sohn auf die Welt gesandt: 'Cur deus homo?' - heißt Anselms Schrift: Warum wurde Gott Mensch? Jesus ist dieser Gottessohn, er stirbt freiwillig am Kreuz und opfert sich Gott. Dadurch gibt er Gott die nötige Genugtuung für die Sünden der Menschen (N+W 3).
Über die mittelalterliche Theologie wirkt diese sogenannte Satisfaktiontheorie Anselms bis heute fort (T+W 4). Thomas von Aquin hatte sie dahin gehend verwandelt, dass er sagt: Was Christus durch sein Leiden und seinen Tod verdient hat, wendet er als Haupt der Kirche dieser zu. Die Kirche verfügt über den verdienstlichen Schatz, den Christus erworben hat, und kann ihn verteilen.
In veränderter Form ist diese Lehre dann auch von den Reformatoren übernommen worden. Im Augsburger Bekenntnis heißt es: "..., dass er (der Sohn Gottes) ein Opfer wäre nicht allein für die Erbsund, sunder auch für alle andere Sunde und Gottes Zorn versohnet ..."(N+W 5) .
In Martin Luthers Kleinem Katechismus heißt es zum zweiten Artikel: "Ich glaube, dass Jesus Christus ... sei mein Herr, der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat, erworben, gewonnen und von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben, auf dass ich sein eigen sei ..."(N+W 6). Und in gleicher oder ähnlicher Weise wird dieses Verständnis bis heute in den Konfirmationsverpflichtungen weiter vererbt.
Aber genau diese Satisfaktionslehre ist es, die uns das Verstehen schwer macht. Was ist das für ein Gott, der seinen Sohn opfert? Brauchen wir solch einen Gott? Und was ist das für eine Liebe, die solch ein Opfer benötigt? Warum braucht Gott zur Versöhnung als Hilfsmittel einen Tod, gar den Tod seines Sohnes? Fragen türmen sich auf und Zweifel machen sich breit. Gerade in der Form der Satisfaktionslehre können wir Heutigen den Tod Jesu und seine Bedeutung im Grunde nicht erfassen.
Die Veränderung des Denkens in der Neuzeit verhindert ein Verständnis des Todes Jesu gemäß dieser Satisfaktionslehre. Darum sind wir zu neuem Nachdenken gezwungen.
Drei Stichworte sollen die Veränderungen des Denkens in der Neuzeit wenigstens andeutungsweise markieren. Veränderungen des Denkens vollziehen sich sehr, sehr langsam. Wo sich Neues ankündigt, wird von anderen umso eifriger am Alten festgehalten. Johann Sebastian Bach und Paul Gerhardt waren Menschen in der Neuzeit, beide haben im 17. Jahrhundert gelebt. Und doch ist ihr Denken überhaupt nicht neuzeitlich, sondern noch durchaus vorwissenschaftlich, um nicht zu sagen supranaturalistisch bestimmt. Damit haben wir schon ein erstes Stichwort genannt.
Im Lauf der Neuzeit hat sich eine wissenschaftliche Einstellung zur Wirklichkeit entwickelt. Das kann im Einzelnen jetzt nicht verfolgt werden. Es handelt sich um eine Emanzipation von kirchlicher Bevormundung und um eine Ablösung vom christlich überformten Aristotelismus des Mittelalters. Dass unser wissenschaftliches Denken sehr viel diesem Aristotelismus verdankt, darauf sei nur verwiesen.
Nachdem das Konzil von Trient das Strebens Luthers nach einer Reform der Kirche abgewiesen hat, stritten zwei verschiedene Konfessionen um die Wahrheit des Glaubens, und über diesem Streit wurde halb Europa zerstört - in Frankreich acht Hugenottenkriege, in Deutschland der dreißigjährige Krieg, in Grossbritanien die Kriege unter Elisabeth I. bis zu Cromwell, die bis heute im Nordirlandkonflikt fortwirken, in den Niederlanden der lang anhaltende Befreiungskampf. Dies hat den Emanzipationsvorgang wenn nicht hervorgebracht, so doch jedenfalls verstärkt. Zwei Glaubenswahrheiten in einem Reich - das hatte es zuvor noch nie gegeben; denn jedes Reich hatte immer nur eine Religion. Und der Staat achtete jeweils auf die Einheit seiner Religion. Das war bei den alten Ägyptern so, bei den Babyloniern, bei den Griechen und den Römern. Anders war das gar nicht vorstellbar.
Der konfessionelle Streit um die Wahrheit des Glaubens hat die Autorität dieser Wahrheit untergraben. Das Gewissheitsproblem - bisher durch die Autorität der Kirche gelöst - stellte sich neu. Hinzu kam, dass die evangelische Seite von ihrem Glaubensverständnis her, die Autorität der Tradition, die päpstliche und jede andere Autorität, überhaupt in Frage stellte. Die protestantische Berufung auf die Bibel konnte als Sprengsatz gegen jede dogmatische Tradition und gegen die rechtliche Autorität der Kirchenleitung verwendet werden.
War der Ausgangspunkt also einerseits ein konfessionelles Problem: die Wahrheitsfrage musste neu und ohne kirchliche Autorität gelöst werden, so wandte sich die Emanzipationsbewegung der Neuzeit andererseits nun - vielleicht notwendigerweise - gegen die Wahrheit des Glaubens überhaupt. So kommt es, dass die glaubenskritische Wissenschaft von seiten der Theologen als glaubensfeindlich angeklagt wird, und dass der Glaube seitens der Wissenschaft als unwissenschaftlich dargestellt wird. Dass bei diesem Prozeß viele Mißverständnisse und Verkehrungen stattfanden und bis heute stattfinden, kann nur angedeutet werden.
Einerseits bestand und besteht seitens der Wissenschaftler die Neigung, den wissenschaftlichen Umgang mit der Wirklichkeit als Selbstbestätigung aufzufassen; der Erfolg der Wissenschaften führt zur Gewißheit der Richtigkeit der Wissenschaften. Gewißheit ist aber kein wissenschaftliches Problem, sondern eine Glaubensfrage.
Andererseits bestand und besteht seitens des Glaubens die Neigung, durch eine Pseudorationalität sich von der Wirklichkeit und deren wissenschaftlicher Erfassung abzuschirmen; der Glaube benützt eine den Wissenschaften nachgemachte, wenn auch pseudologische Vernunft.
Erst wenn man das alles einmal hinter sich lässt und den Großen in den Naturwissenschaften und der Theologie folgt, wird man die Kompatibilität, die Vereinbarkeit und auch die Differenz, die Nichtvereinbarkeit in der gebotenen Tiefe erkennen. Im Grunde ist es ein Streit um das rechte Verständnis der Wirklichkeit. Ist aber die Wahrheit umstritten zwischen Wissenschaft und Glaube, dann ist auch der zentrale Punkt des Glaubens umstritten, nämlich die Wahrheit des Todes Jesu als eines die Welt verändernden Ereignisses.
Ein zweites Stichwort:
Im Laufe der Neuzeit entwickelte sich mit den Wissenschaften auch das historische Denken. Martin Luther, Johann Sebastian Bach und Paul Gerhardt waren davon durchaus noch nicht betroffen; sie hielten die biblische Geschichten ganz selbstverständlich für wahr. Sie lebten in einem supranaturalistischen Weltbild. Der Prozeß der Entwicklung des historischen Bewußtseins kann hier nicht nachgezeichnet werden. Wer sich mit Lessing beschäftigt hat, wird wissen, dass er zu den Wegbereitern dieses Denkens gehört. Das wissenschaftliche historische Denken gibt es überhaupt erst seit ungefähr zweihundert Jahren.
Auch hierbei lag eine emanzipatorische Intention vor. Die traditionelle Auffassung der Geschichte wird destruiert, auseinandergenommen, aufgefieselt und dann neu zusammengesetzt. Geschichte ist nicht mehr etwas, zu dem man ein Lebensverhältnis hat, wie es etwa der Glaube behauptet, dass seine Wahrheit für Zeit und Ewigkeit gilt. Der Ton liegt nicht mehr auf gelebter Geschichtsüberlieferung, sondern man hat ein distanziertes Verhältnis zum Überlieferten: Geschichte wird rekonstruiert und relativiert. Dadurch kann zweifellos Geschichte lebendiger, deutlicher, ja sogar ergreifender werden. Dennoch stiftet dieser Umgang mit der Historie - und das Fremdwort sagt schon alles - kein Getragensein von der Überlieferung. Das historische Denken bietet keine Verwurzelung in der Geschichte. Das supranaturalistische Geschichtbild löst sich auf und wird allenfalls als eine vergangene historische Anschauung akzeptiert.
Entscheidend dabei ist nun, dass das historische Denken sich am wissenschaftlichen Denken orientiert. Das heißt: das Wirklichkeitsverständnis, das wir heute haben, gilt als Maßstab für das, was als historisch richtig anerkannt wird. Die historische Wissenschaft vollzieht also eine Analogie: nur was heute möglich ist, kann in früheren Zeiten möglich gewesen sein. Alles andere wird als unhistorisch ausgeschieden. Ob das eine Stillung eines Sturmes durch Caesar oder durch Jesus ist, ist dabei gleichgültig. Wunder gibt es nicht. Man orientiert sich also an der Gegenwart, um die Geschichte neu zu konstruieren. Für die Richtigkeit der Rekonstruktion gibt es keine Beweise, sondern nur Erweise; dass heißt: jede historische Konstruktion kann nur wahrscheinlich gemacht werden. Was aber wahrscheinlich ist, hängt davon ab, was wir oder die Historiker für wahrscheinlich halten – auf Grund unseres gegenwärtigen Wirklichkeitsverständnisses.
Dass dem Kaiser Konstantin vor der Schlacht an der milvischen Brücke das Kreuz Christi erschienen ist, das ist so gesehen zwar unhistorisch, selbst wenn es psychologisch verständlich wäre; dennoch hat diese "Erscheinung" des Kaisers eine äußerst tiefe Wirkung auf die Geschichte gehabt. Es muss klar sein, dass die Auferstehung Jesu von den Toten aus den genannten Gründen keine historische Tatsache sein kann – im Sinne der historischen Wissenschaft -; denn Toten pflegen in unserer Wirklichkeit nicht aufzuerstehen, auch wenn der Glaube an die Auferstehung durchaus geschichtswirksam geworden ist. Damit ist erneut das Zentrum christlichen Glaubens umstritten.
Damit zum dritten Stichwort:
Auch dieses hat sich erst in der Neuzeit entwickelt. Ausgangspunkt ist die Renaissance mit dem Humanismus, die etwa im Ulmer Münster dadurch zum Ausdruck kommt, dass im Chorgestühl die Gestalten der biblischen Geschichte sehr weit oben, dazu klein oder nur im Halbrelief erscheinen, während die Großen der Antike, die Philosophen, Rhetoren, Dichter und Sibyllen fast in Lebensgröße und in Augenhöhe dargestellt werden. Der Mensch rückt in der Rückbesinnung der Renaissance auf die Antike in den Mittelpunkt.
Das humane Denken wurde in der Neuzeit von sehr unterschiedlichen Geistern beschworen, von Atheisten und Religiösen, von Idealisten und Materialisten. Alle wollen human sein. Langfristig führt dieser Humanismus zu der Behauptung, dass der Mensch autonom ist, frei und einer Erlösung nicht bedarf. Der Mensch ist im Prinzip gut, nur von den Verhältnissen daran gehindert (Rousseau). Es geht um die Aufklärung, die zur Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit führt (Kant). Den ganzen verwickelten Prozeß, der hier waltete, kann ich nur andeuten: Kant und Rousseau sind schon genannt, weitere Namen, sind: Hegel, Feuerbach, Nietzsche und Marx.
Ist der Mensch aber frei und bedarf keiner Erlösung, dann ist damit selbstverständlich auch das traditionelle Verständnis von Leiden und Sterben Jesu obsolet geworden. Wenigstens wird das behauptet. Dass Jesus für unsere Sünden gestorben sei, ist ein Satz, der kaum mit dem Selbstverständnis des Menschen als sündlos, gut und frei zu vereinbaren ist.
Auch mit diesem Stichwort ist also wieder eine Infragestellung christlicher Tradition angedeutet.
Das neuzeitliche Denken ist - und die Verkürzung ist uns allen klar - ein wissenschaftliches, ein historisches und ein humanes Denken. Es ist uns ganz selbstverständlich geworden. Will man etwas über Leiden und Tod Jesu und ihrer Bedeutung sagen, so muss man dieses Denken in Rechnung stellen.
Dies hat Rudolf Bultmann getan, als er zur Entmythologisierung des Neuen Testaments aufrief und so die historisch-kritische Erforschung der biblischen Texte vorantrieb. Auch er übt Kritik am Kreuz, aber er stellt dies in einen größeren Zusammenhang. Wir stellen zuerst das Anliegen der Kritik Bultmanns dar und zeigen deren Folgen auf.
Rudolf Bultmann, Professor für Neues Testament in Marburg, hat im Jahr 1941 zweimal auf Tagungen der Gesellschaft für Evangelische Theologie in Frankfurt am Main und in Alpirsbach den Vortrag gehalten: "Neues Testament und Mythologie. Die Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung als Aufgabe" (N+W 7). Der Vortrag schlug wie ein Blitz ein und führte zu einer lang anhaltenden Diskussion, die gleich nach 1941 begann, ihren Höhepunkt aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte.
Bultmann beschreibt die mythologische Rede im Neuen Testament: Geister- und Dämonenglaube, Wunder, mythische Endzeiterwartung. Die Kritik an dieser mythologischen Rede geht vom naturwissenschaftlichen Weltbild aus, erwächst aber auch aus dem Selbstverständnis des modernen Menschen (N+W 8). Daher kommt es, dass die modernen Menschen "den Tod nicht als Strafe für die Sünde verstehen können; er ist für sie ein einfacher und notwendiger Naturvorgang" (N+W 9). "Eben deshalb kann er (der moderne Mensch; d.V) auch die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung durch den Tod Christi nicht verstehen. Wie kann meine Schuld durch den Tod eines Schuldlosen (wenn man von einem solchen überhaupt reden darf) gesühnt werden? Welche primitiven Begriffe von Schuld und Gerechtigkeit liegen solcher Vorstellung zugrunde? Welch primitiver Gottesbegriff?" (N+W 10).
Bultmann versucht den Mythos und die mythologische Rede zu verstehen:
"Der eigentliche Sinn des Mythos ist nicht der, ein objektives Weltbild zu geben; vielmehr spricht sich in ihm aus, wie sich der Mensch selbst in seiner Welt versteht... Der Mythos redet von der Macht oder von den Mächten, die der Mensch als Grund und Grenze seiner Welt und seines eigenen Handelns und Erleidens zu erfahren meint. Er redet von diesen Mächten freilich so, dass er sie vorstellungsmäßig in den Kreis der bekannten Welt, ihrer Dinge und Kräfte, und in den Kreis des menschlichen Lebens, seiner Affekte, Motive und Möglichkeiten, einbezieht... Er redet vom Unweltlichen weltlich, von den Göttern menschlich. Im Mythos findet der Glaube Ausdruck, dass die bekannte und verfügbare Welt, in der der Mensch lebt, Grund und Ziel nicht in sich selber hat, dass vielmehr ihr Grund und ihre Grenze außerhalb des Bekannten und Verfügbaren liegen, und dass dieses Bekannte und Verfügbare ständig von den unheimlichen Mächten, die ihm Grund und Grenze sind, durchwaltet und bedroht ist. Und in eins damit gibt der Mythos dem Wissen Ausdruck, dass der Mensch nicht Herr seiner selbst ist...
Deshalb ist auch die Mythologie des Neuen Testaments nicht auf ihren objektivierenden Vorstellungsgehalt hin zu befragen, sondern auf das in diesen Vorstellungen sich aussprechende Existenzverständnis hin. Um die Frage nach dessen Wahrheit handelt es sich, und seine Wahrheit bejaht der Glaube, der nicht auf die Vorstellungswelt des Neuen Testaments verpflichtet werden darf" (N+W 11).
Bultmann will die mythologischen Aussagen des Neuen Testaments nicht eliminieren oder reduzieren. Deshalb stellt er die Aufgabe der Entmythologisierung. Die Entmythologisierung heute unverständlicher mythologischer Rede ist zugleich also existentiale Interpretation.
Es kann hier nicht die theologische und kirchenpolitische Diskussion über Bultmanns Programm dargestellt werden. Nur einige Schwerpunkte seien genannt:
Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Lehrstühle für Neues Testament immer mehr mit Schülern Bultmanns besetzt. Das fördert die Ausbreitung seines Programms. Als die ersten so ausgebildeten Theologiestudenten Pfarrer werden, entsteht Unruhe in den Gemeinden, vor allem in den pietistischen Gruppierungen.
1950 veröffentlicht Gerhard Ebeling den programmatischen Aufsatz "Die Bedeutung der historisch-kritischen Methode für die protestantische Theologie und Kirche" (N+W 12). Darin zeigt er auf, wie die historisch-kritsche Methode das zentrale Anliegen der Reformation, das 'allein aus Glauben', aufnimmt (N+W 13).
1951 erlässt der württembergische Landesbischof Wurm eine Erklärung zur Entmythologisierung. Der Landeskirchentag (heute die Landessynode) beschäftigt sich damit und beauftragt die Theologische Fakultät Tübingen mit einem Gutachten. Auch als dieses eine Verurteilung Bultmanns ablehnte, kam es nicht zu einer Beruhigung. Der Streit zog sich bis in die 60er Jahre hin.
In vollen Gemeindesälen, Kirchen und Stadthallen referierten und diskutierten die theologischen Lehrer über die neue Methode der Interpretation. Heftigster Gegenwind kam von Walter Künneth, Theologieprofessor in Erlangen, um den sich ein Kreis Gleichgesinnter bildete. Die Gruppierung "Kein anderes Evangelium" wurde gegründet. Selbst in den Leserbriefspalten der öffentlichen Zeitungen wogten die Auseinandersetzungen. Der Protestantismus in Deutschland entwickelte eine hohe Streitkultur.
Ab 1964 nahm sich der Theologische Ausschuss der Evangelischen Kirche der Union der Sache an. Die Vorträge zum dem Thema "Die Bedeutung der Auferstehungsbotschaft für den Glauben an Jesus Christus" wurden 1966 veröffentlicht N+W 14). Die exegetischen Beiträge "Zur Bedeutung des Todes Jesu" folgten 1967 (N+W 15). Die Stellungnahme des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union mit dem Titel 'Zum Verständnis des Todes Jesu' wurde am 28. Januar 1968 abgegeben (N+W 16).
Zehn Jahre später wurde der ganze Fragenkomplex nochmals von der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Deutschland aufgenommen. Auch die dabei gehaltenen Vorträge nun jüngerer Theologen wurden veröffentlicht (N+W 17).
Schließlich hat die Gesellschaft für Evangelische Theologie auf ihrer Tagung in Münster 2001 das Thema aufgenommen. Die Referate und Beiträge sind im selber Jahr erschienen (N+W 18) und nehmen die Diskussion um die feministische Kritik auf.
Jedenfalls hat sich Bultmann um die Erforschung des Neuen Testaments mit Hilfe der historisch-kritischen Methode außerordentlich verdient gemacht. Auch wenn die Forschung weiter geschritten ist und die historisch-kritische Methode weiterentwickelt wurde, schmälert das die Verdienste Bultmanns nicht.
Während Bultmann Kritik an den mythologischen Aussagen des Neuen Testaments übt und sie darum neu interpretieren will, greifen die folgenden Kritiken das Kreuz und die Kreuzestheologie selbst an.
Die feministischen Theologinnen verweisen immer wieder auf die Christentumskritik von Goethe, Nietzsche und Bloch (N+W 19). Darum soll zuerst behandelt werden, was diese zum Kreuz Jesu gesagt haben. Danach wird die Kritik der Feministischen Theologie vorgestellt und besprochen, wobei es nur darum gehen kann, hier einige feministische Theologinnen beispielhaft zu Wort kommen zu lassen. Schließlich wird Jörns' und Müllers Kritik dargestellt.
[1] EG = Evangelisches Gesangbuch., Ausgabe für die Evangelische Landeskirche in Württemberg. Die Nummern sind bis Nummer 535 in allen deutschen evangelischen Gesangbüchern gleich.
[2] Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Bd. 4, S. 13 - 48, beschreibt ausführlich die Wirkungsgeschichte der Passion Jesu. Dabei nennt er die Grundmodelle der Passionsfrömmigkeit: 1. Die österliche Passionfrömmigkeit der Alten Kirche, (S. 15f), 2. Die Leidensfrömmgkeit des Hoch- und Spätmittelalters (S. 16 - 22) und 3. die reformatorische Passionsfrömmigkeit (S. 22 - 24). Er geht auf die Passion Jesu in der Musik ein vom Mittelalter bis heute (S. 24 - 30), auf die Passions- und Osterspiele (S. 31 - 38) und auf die Passionsgeschichte in der Kunst (S. 38 - 48).
[3] Vgl. Pesch, Anselm von Canterbury und die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung Christi, S. 57 - 73, versucht eine "Kleine kritische Ehrenrettung" Anselms. Vgl. auch Hilberath, Gibt es einen Zusammenhang zwischen Sühnetheologie und Abendmahl, S. 116 - 119 zu Anselm.
[4] Mali, Versöhnt und losgekauft durch Christus, S. 27 - 55, gibt einen Überblick über das Sühneverständnis in der alten Kirche und die Vorläufer des Anselm.
[5] CA 3; anders in der lateinischen Fassung (ohne den Zorn): ..."ut reconsiliaret nobis patrem et hostia esset non tantum pro culpa originis, sed etiam pro omnibuis actualibus hominum peccatis ...". Melanchton nimmt den Zorn Gottes (ira Dei) mehrmals in seiner Apologie auf: Apol. 4 (BSLK , 169, 46f; 176, 80f) und öfter. Anders Luther, vgl. Härle, Die Rede von der Liebe und vom Zorn Gottes, 53f (zu Luther), 60f (zu Melanchton).
[6] BSLK, 511. Auch wenn hier nicht ausdrücklich Leiden und Sterben Jesu als Versöhnung für Gott verstanden wird, so hat doch das Anselmsche Verständnis auch in dieser Formulierung fortgelebt, obwohl die Worte des Kleinen Katechismus durchaus auch anderen Deutungen offen stehen.
[7] Rudolf Bultmann, Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung, Nachdruck der 1941 erschienenen Fassung, herausgegeben von Eberhard Jüngel.
[8] Ebenda S. 17.
[9] Ebenda S. 18, Hervorhebung im Orginal.
[10] Ebenda S. 19, Hervorhebung im Orginal.
[11] Ebenda S. 22f.
[12] Gerhard Ebeling, Die Bedeutung der historisch-kritischen Methode für die protestantische Theologie und Kirche, in: ZThK 47, 1950, S. 1 - 46; abgedruckt auch in ders., Wort und Glaube, S. 1ff.
[13] Ebenda (Wort und Glaube), S. 45: "Und so ist die Frage berechtigt, ob eine Theologie, die sich dem Anspruch der historisch-kritischen Methode entzieht, überhaupt noch weiß von dem genuinen Sinn der reformatorischen Rechtfertigungslehre, selbst wenn die Formeln des 16. Jahrhunderts aufs korrekteste wiederholt werden. ... Näher besehen ist aber neben der fundamentalen Beziehung zwischen der reformatorischen Rechtfertigungslehre und der historisch-kritischen Methode auch eine Fülle von Sachproblemen mit denen es die historisch-kritische Methode zu tun bekommt, in der reformatorischen Theologie selbst angelegt."
[14] Willi Marxsen, Ulrich Wilckens, Gerhard Delling, Hans-Georg Geyer, Die Bedeutung der Auferstehungsbotschaft für den Glauben an Jesus Christus, Gütersloh 1966, zwei Auflagen; darin: Willi Marxsen, Die Auferstehung Jesu als historisches und als theologisches Problem, S. 9 - 39; Ulrich Wilckens, Die Überlieferungsgeschichte der Auferstehung Jesu, S. 41 - 63; Gerhard Delling, Die Bedeutung der Auferstehung Jesu für den Glauben an Jesus Christus. Ein exegetischer Beitrag, S. 65 - 90; Hans-Georg Geyer, Die Auferstehung Jesu Christi. Ein Überblick über die Diskussion in der gegenwärtigen Theologie, S. 91 - 117. Der Aufsatz von Willi Marxsen ist auch als Sonderdruck erschienen, 2. Aufl., Gütersloh 1965.
[15] Hans Conzelmann, Ellen Flesseman-van Leer, Ernst Haenchen, Ernst Käsemann, Eduard Lohse, Zur Bedeutung des Todes Jesu. Exegetische Beiträge, Gütersloh 1967, 3. Aufl. 1968; darin: Ernst Käsemann, Die Heilsbedeutung des Todes Jesu nach Paulus, S. 11 - 34; Hans Conzelmann, Historie und Theologie in den synoptischen Passionsberichten, S. 35 - 53; Ernst Haenchen, Historie und Geschichte in den johanneischen Passionsberichten, S. 55 - 78; Ellen Flesseman-van Leer, Die Interpretation der Passionsgeschichte vom Alten Testament aus, S. 79 - 96; Eduard Lohse, Die alttestamentlichen Bezüge im neutestamentlichen Zeugnis vom Tode Jesu Christi, S. 97 - 112. Der Aufsatz von Ernst Käsemann ist wieder abgedruckt in: ders., Paulinische Perspektiven, Tübingen 1969, S. 61 - 107.
[16] Zum Verständnis des Todes Jesu, Stellungnahme des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union , abgedruckt in: Evang. Theologie, 28. Jg., 1968; s. 293 - 301; vgl. dazu die Erläuterung von Walter Kreck, Zum Verständnis des Todes Jesu, in: Evang. Theologie, 28. Jg., 1968, S. 277 - 293.
[17] In ZThK, Beiheft 8, 1990; darin: Gerhard Ebeling, Der Sühnetod Christi als Glaubensaussage. Eine hermeneutische Rechenschaft, S. 3 - 28; Jürgen Becker, Die neutestamentliche Rede vom Sühnetod Jesu, S. 29 - 49; Wilfried Härle, Die Rede von der Liebe und vom Zorn Gottes, S. 50 - 69; Klaus-Peter Jörns, Der Sühnetod Jesu Christi in Frömmigkeit und Predigt. Ein praktisch-theologischer Diskurs, S. 70 - 93. Später distanziert sich Jörns, Abschiede S. 318, A. 55, von diesem Vortrag und sagt, "dass ich meine Äußerungen zum Thema Sühnopfer drastisch geändert habe. Einen Vortrag vor lutherischen Bischöfen, den ich 1990 veröffentlicht habe ..., habe ich zehn Jahre später insofern widerrufen, als ich der 'homöopathischen Logik' nicht mehr zu folgen vermochte".
[18] Weth, hrsg., Das Kreuz Jesu, Gewalt - Opfer - Sühne , Neukirchen 2001, darin: Bernd Janowski, "Hingabe" oder "Opfer"? Die gegenwärtige Kontroverse um die Deutung des Todes Jesu, S. 13 - 43; Michael Wolter, "Dumm und skandalös", Die paulinische Kreuzestheologie und das Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens, S. 44 - 63; Sigrid Brandt, War Jesu Tod ein Opfer? Perspektivenwechsel im Blick auf eine klassische theologische Frage, S. 64 - 76; Magdalene l. Frettlöh, Der auferweckte Gekreuzigte und die Überlebenden sexueller Gewalt, Kreuzestheologie genderspezifisch wahr genommen, S. 77 - 104; Helga Kuhlmann, Zwischen Erschrecken und Hoffnung, Zur theologischen Reflexion von Gewalt gegen Frauen, S. 105 - 119; Jürgen Moltmann, Die Rechtfertigung Gottes, S. 120 - 141; Reiner Knieling, Das "Wort vom Kreuz", Wie predigen wir Karfreitag? S. 142 - 160; Uwe Dittmer, Das Abendmahl in der christlichen Gemeinde, Thesen für ein Gespräch zur Theologie und Praxis von Abendmahlsfeiern, S. 161 - 169; Rainer Stuhlmann, Blutlehre in Predigt und Mahl? Ein Zwischenruf, S. 170 - 175; Rudolf Laufen, Die Eucharistie - Opfer Christi und der Kirche? S. 176 - 196, Michael Welker, Die Bedeutung des evangelischen Abendmahlverständnisses in der gegenwärtigen ökumenischen Situation, S. 197 - 208; Heinrich Bedford-Strohm, Gottes Versöhnung und militärische Gewalt, Zur Friedensethik nach dem Kosovo-Krieg, S. 209 - 227; Heino falcke, "Sehet, wir gehen hinauf nach Jerusalem", Predigt über Lukas 8, 31 - 43 (Text für den Sonntag Estomihi), S. 228 - 232.
[19] So Luise Schottroff, Art. Kreuz I + II in: Theologisches Wörterbuch der Feministischen Theologie, S.236; ferner etwa: Doris Strahm, Vom Kreuz mit dem Kreuze (siehe gleich).
In den Zahmen Xenien findet sich das Gedicht:
"Lasst euch nur von Pfaffen sagen,
Was die Kreuzigung eingetragen!
Niemand kommt zum höchsten Flor
Von Kranz und Orden,
Wenn einer nicht zuvor
Derb gedroschen worden" (N+W 1).
Das Verständnis des Kreuzes als eines Opfers für die Menschen wird von Goethe abgelehnt. Es ist ihm ein Werk von Pfaffen. Mit dem Kreuzestod Jesu haben die Pfaffen gewuchert und ihr Kapital daraus geschlagen. Auch die Auferstehung hält er für erfunden:
"Offen steht das Grab! Welch herrlich Wunder!
Der Herr ist Auferstanden! - Wer's glaubt!
Schelmen, ihr trugt ihn ja weg" (N+W 2).
Für Goethe ist Jesus "ein Held und Heiliger" (N+W 3), ein "Lehrer der Menschen" (N+W 4). "Er wandelt seine Straße unverrückt, und indem er das Niedere zu sich heraufzieht, indem er die Unwissenden, die Armen, die Kranken seiner Weisheit, seines Reichtums, seiner Kraft teilhaftig werden lässt und sich deshalb ihnen gleich zu stellen scheint, so verleugnet er nicht von der anderen Seite seinen göttlichen Ursprung. ... Und so ist sein Wandel für den edlen Teil der Menschheit noch belehrender und fruchtbarer als sein Tod" (N+W 5). Jesus ist als großer Lehrer zu betrachten, aber nicht als Gott.
"Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im stillen;
Wer ihn selbst zu Gotte machte
Kränkte seinen heilgen Willen ...
Mir willst du zum Gotte machen
Solch ein Jammerbild am Holze!" (N+W 6).
Goethe ist geprägt von Gottfried Arnold, der 1700 eine "Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie" veröffentlichte. Arnold hat schon als junger Mann dieses Buch geschrieben, in dem er das Urchristentum als leuchtendes Beispiel darstellt, dem gegenüber das Christentum vom Verfall gekennzeichnet ist. Vor allem diese Verfallsgeschichte hat Goethe von Arnold übernommen: "Es ist die ganze Kirchengeschichte Mischmasch von Irrtum und Gewalt" (N+W 7). Schon die Jünger haben die Lehre Jesu nicht vollkommen übernommen:
"Vom Himmel steigend Jesus bracht
Des Evangeliums ewige Schrift,
Den Jüngern las er sie Tag und Nacht;
Ein göttlich Wort es wirkt und trifft,
Er stieg zurück, nahm's wieder mit;
Sie aber hatten's gut gefühlt,
Und jeder schrieb, so Schritt vor Schritt,
Wie er's in seinem Sinn behielt,
verschieden. Es hat nichts zu bedeuten:
Sie hatten nicht gleiche Fähigkeiten;
Doch damit können sich die Christen
Bis zu dem Jüngsten Tage fristen" (N+W 8).
Obwohl schon die Jünger die Lehre Jesu nicht mehr richtig verstanden, ist sie dennoch vorbildlich. Jesus ist der sittliche Prophet: "Jedes Auftreten von Christus, jede seiner Äußerungen gehen dahin, das Höhere anschaulich zu machen. Immer von dem Gemeinen steigt er hinauf, hebt er hinauf, und weil dies bei Sünden und Gebrechen am auffallendsten ist, so kommt dergleichen gar manches vor" (N+W 9). "Wir haben das Ideelle schätzen gelernt, es mag sich auch in den wunderlichsten Formen darstellen" (N+W 10).
Dies hat auch mit dem Menschenbild Goethes zu tun. In 'Dichtung und Wahrheit' erzählt er von der Zeit, als er sich der Brüdergemeine annäherte. Dabei fand er die gleiche Spaltung, wie sie sich schon oft in der Kirche vollzog: "Ein Teil behauptete, dass die menschliche Natur durch den Sündenfall dergestalt verdorben sei, dass auch bis in ihren innersten Kern nicht das mindeste Gute an ihr zu finden, deshalb der Mensch auf seine eignen Kräfte durchaus Verzicht zu tun, und alles von der Gnade und ihrer Einwirkung zu erwarten habe. Der andere Teil gab zwar die erblichen Mängel der Menschen sehr gern zu, wollte aber der Natur inwendig noch einen gewissen Kern zugestehen, welcher, durch göttliche Gnade belebt, zu einem frohen Baume geistiger Glückseligkeit emporwachsen könne. Von dieser letztern Überzeugung war ich aufs innigste durchdrungen" (N+W 11).
Die sittliche Persönlichkeit, zu der ein Mensch erhoben werden kann, verträgt sich für Goethe nicht mit der völligen Angewiesenheit des Menschen auf die Gnade, von der das Christentum behauptet, sie sei im Kreuz Christi geschehen. Der Mensch entwickelt sich, auch mit Hilfe der Gnade, durch seinen Willen selber zur Sittlichkeit. Diesen innersten Kern des Menschen hält Goethe fest. Es geht ihm - in heutigen Worten gesagt - um die Selbstverwirklichung dieses Kerns seiner sittlichen Persönlichkeit.
"Goethe ist der letzte Deutsche, vor dem ich Ehrfurcht habe: er hätte drei Dinge empfunden, die ich empfinde, - auch verstehen wir uns über das 'Kreuz'" (N+W 12). "Man muss das Kreuz empfinden wie Goethe" (N+W 13). Aber Nietzsche (N+W 14) geht dann doch weiter als Goethe.
"Das Wort schon 'Christentum' ist ein Mißverständnis -, im Grunde gab es nur Einen Christen, und der starb am Kreuz" (N+W 15). Auch Nietzsche kennt die Verfallsgeschichte. Jesus selbst wird im 'Antichrist' positiv dargestellt: "Dieser 'frohe Botschafter' starb wie er lebte, wie er lehrte - nicht um 'die Menschen zu erlösen', sondern um zu zeigen, wie man zu leben hat. Die Praktik ist es, welche er der Menschheit hinterließ" (N+W 16). Aber mit dem Tod Jesu kam der Verfall.
"Man sieht, was mit dem Tode am Kreuz zu Ende war: ein neuer, ein durchaus ursprünglicher Ansatz zu einer buddhistischen Friedensbewegung, zu einem thatsächlichen, nicht bloss verheissenen Glück auf Erden ... Der 'frohen Botschaft' folgte auf dem Fuss die allerschlimmste: die des Paulus ... Was hat dieser Dysangelist Alles dem Hasse zum Opfer gebracht! Vor allem den Erlöser: er schlug ihn an sein Kreuz. Das Leben, das Beispiel, die Lehre, der Tod, der Sinn und das Recht des Evangeliums - Nichts war mehr vorhanden" (N+W 17). "Die Evangelien sind unschätzbar als Zeugnis für die bereits unaufhaltsame Corruption innerhalb der ersten Gemeinde. Was später Paulus mit dem Logiker-Cynismus eines Rabbiners zu Ende führte, war trotzdem bloss der Verfallsprozess, der mit dem Tode des Erlösers begann" (N+W 18).
Jesus brachte einen Aufbruch, eine Revolution; er wollte die Befreiung der Menschen: "Es war ein Aufstand gegen die 'Guten und Gerechten', gegen die 'Heiligen Israels', gegen die Hierarchie der Gesellschaft - nicht gegen deren Verderbnis, sondern gegen die Tyrannei der Kaste, der Sitte, der Formel, der Ordnung ... Dies brachte ihn ans Kreuz: das Zeugnis dafür ist die Aufschrift des Kreuzes: der König der Juden. Es fehlt jeder Grund, mit Paulus zu behaupten, dass Jesus 'für die Sünden Anderer' gestorben sei ... Er starb für eine eigene 'Sünde'." (N+W 19)
Es "fand die gestörte Vernunft der kleinen Gemeinschaft eine geradezu schrecklich absurde Antwort: Gott gab seinen Sohn zur Vergebung der Sünden, als Opfer. Wie war es mit Einem Male zu Ende mit dem Evangelium! Das Schuldopfer, und zwar in seiner widerlichsten, barbarischsten Form; das Opfer des Unschuldigen für die Sünden der Schuldigen. Welches schauderhaftes Heidenthum! - Jesus hatte den Begriff 'Schuld' selbst abgeschafft, - er hat jede Kluft zwischen Gott und Mensch geleugnet, er lebte diese Einheit vom Gott als Mensch als seine 'frohe Botschaft' ... Von nun an tritt schrittweise in den Typus des Erlösers hinein: die Lehre vom Gericht und von der Wiederkunft, die Lehre vom Tod als einem Opfertode, die Lehre von der Auferstehung" (N+W 20)."Paulus verlegte einfach das Schwergewicht jenes ganzen Lebens (Jesu; d.V.) hinter dies Dasein, - in die Lüge vom 'wiederauferstandenen' Jesus. Er konnte im Grunde das Leben des Erlösers überhaupt nicht brauchen, - er hatte den Tod am Kreuz nötig und etwas mehr noch ..." (N+W 21). "Man sieht, was mit dem Tod am Kreuz geschehen war. Als der Dämon des Dysangelisten erscheint Paulus" (N+W 22).
Aus dieser Umdeutung Jesu durch Paulus folgt die Sklavenmoral des Christentum: Liebe und Mitleid, Güte und Demut, Gehorsam und Geduld, Verzeihung und Selbstlosigkeit sind die Tugenden der Schwachen. Diese Moral verhindert das Ausleben des Lebens. Nietzsche findet, "dass wir, was als Gott verehrt wurde, nicht als 'göttlich', sondern als erbarmungswürdig, als absurd, als schädlich empfinden, nicht nur als Irrthum, sondern als Verbrechen am Leben" (N+W 23). "Alles Wohlgeratene, Stolze, Übermütige, die Schönheit vor Allem tut ihm (dem Christentum; d.V.) in Ohren und Augen weh. Nochmals erinnere ich an das unschätzbare Wort des Paulus. 'Was schwach ist vor der Welt, was töricht ist vor der Welt, das Unedle und Verachtete vor der Welt hat Gott erwählet'" (N+W 24).
"Man hat bisher das Christentum immer auf eine falsche und nicht bloß schüchterne Weise angegriffen. So lange man nicht die Moral des Christentums als Capital-Verbrechen am Leben empfindet, haben dessen Verteidiger gutes Spiel" (N+W 25).
Das Kreuz ist "Erkennungszeichen für die unterirdischste Verschwörung, die es je gegeben hat, - gegen Gesundheit, Schönheit, Wohlgeratenheit, Tapferkeit, Geist, Güte der Seele, gegen das Leben selbst" (N+W 26). Darum verflucht Nietzsche das Christentum. Er fordert den gesunden Leib als das eigentliche Wesen des Menschseins, das allerdings noch nicht verwirklicht ist und hinter dem das Selbst steht (N+W 27).
Wir beschränken uns hier auf das 1968 zum ersten mal erschienene Buch Blochs "Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reiches" (N+W 28).
"Subjektiv also hielt sich Jesus durchaus für den Messias im überlieferten Sinn, objektiv ist Jesus am wenigsten als Drückeberger in unerscheinende Innerlichkeit oder auch als Quartiermacher für ein völlig transzendentes Himmelreich aufgetreten" (N+W 29). "Jesus sah überhaupt keine Zeit mehr für einen Defaitismus bloßer Innerlichkeit, er lebte gänzlich in der öffentlichen, gut-prophetischen Anzeige des Täufers: 'Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen'" (N+W 30). Es ging bei Jesus um die "Heimsuchung, eschatologische Drangsal, Verfolgung durch den Antichrist am Ende der Tage. Diese Verfolgung soll weggenommen werden, dieser Kelch soll vorübergehen, der neue Äon soll geboren werden, ohne dass sein Anbruch Zeit, gar lange Zeit zu einer Gegenrevolution lässt" (N+W 31). "Jesus hat sein Amt nie als abgeschwächtes, nämlich unweltliches aufgefasst" (N+W 32).
"Gemeint und verkündet wird ... einzig jäher Sprung, total verwandelnder plötzlicher Durchbruch. Jesus spricht vom Durchbruch in der Gemeinde seiner Bekenner; nur sie, die nicht erst langsam den Mantel nach dem Wind hängen ... die in neuer Gemeinschaft jäh bereit, bereitet, versiegelt sind, werden den ebenso urplötzlichen Einbruch des Reiches samt dem sehr wenig inwendigen Apokalyptikum bestehen, zu ihm gerüstet sein" (N+W 33).
Das Wort "Mein Reich ist nicht von dieser Welt", das der Evangelist Johannes bei Verhör Jesu durch Pilatus bringt, übernahm Johannes "am wenigsten aus den sonst bekundeten Worten Jesu, sondern aus den Nöten der Gemeinden und aus dem Wunsch, sie zu erleichtern; das Motiv ist also primär nicht christologisch, sondern forensisch-apologetisch (vor Gericht verteidigend; d.V.) ... Es widerspricht dem Mut, ja der Würde Christi, dass er gerade vor Pilatus das defaitistische Wort gebrauchte ... Ob die Johannisstelle irgendeinen Christen vor Nero gerettet hat, ist zweifelhaft, doch desto sicherer schließlich verhalf sie dazu, als die Pilatus und Nero selber Christen geworden waren, die irdischen Ansprüche des Christentums gänzlich zu entspannen. Der folgenreiche Satz wurde nun nicht mehr als apologetisch für die Opfer der Welt interpretiert; er wurde zur Apologie für die Herren der Welt" (N+W 34).
Für Jesus ist 'diese Welt' "gleichbedeutend mit dem 'gegenwärtigen Äon', 'jene Welt' mit dem 'künftigen besseren Äon '...: gemeint ist eschatologische Spannung, nicht geographische Distanzierung von fixem Diesseits hier, fixem Jenseits dort. Das einzig Reale dieser Welt wird nun ihr Untergang in jener, deren besserer Äon in diese Welt selber mit endlich Jüngstem Tag einbricht. Solches Reich soll ja nicht den Toten, sondern den Lebendigen gepredigt sein, den hier schon versammelten; es bedarf dazu keines Tods und erst post-mortalem Jenseits" (N+W 35).
"Platz wird geschafft für den neuen Äon Himmel und Erde, also fürs wahre Hier von neuem Himmel und neuer Erde ...So gewaltig will sie doch als neue Welt sich in die vernichtete alte setzen" (N+W 36). "Aber die Gewaltrevolution, welche die Niederen erhöht, die Hohen erniedrigt, wird beim Apokalyptiker Jesus vollends in der Natur vollzogen, sozusagen stellvertretend für eine Revolte der Menschen selber, durch die Überwaffe einer kosmischen Katastrophe" (N+W 37).
"Immer wieder besteht so bei dem Rebellen und Erzketzer Jesus außerhalb des Advents ein Kampf zwischen dieser vorhandenen Welt und jener, die an ihre Stelle treten wird und mitten in der gegenwärtigen Welt ihre Wehen hat. Mit Krieg, Verfolgung, großer Standhaftigkeit der Auserwählten ... - dieser Aeon und der jähe Umgang, Anbruch des künftigen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG Tag der Veröffentlichung: 15.03.2014 Alle Rechte vorbehaltenImpressum
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