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Leseprobe

 

 

Nora Harp

 

Sehnsucht beim Klassentreffen

 

 

 

 

 

Urheberrechtlich geschütztes Material

Kapitel 1

 

»Carola!«, krähte es fröhlich zu mir herüber. So viel also zu meinem Plan, die Bühne unauffällig zu betreten.

»Nadja! Meine Güte, du hast dich ja kein bisschen verändert!«

Wir lachten beide über den gelungenen Scherz. Nadja hatte mich vor einigen Wochen angerufen und zu dem Klassentreffen eingeladen. Über Telefon hatte sie mir ein aktuelles Foto geschickt. Von ihren drei halbwüchsigen Kindern, ihrem knuddeligen Mann und von sich, wie sie in Größe XXXL anstatt der früheren Slimline aussah. Mir war das egal. Sie war lieb und ich musste zugeben, dass ich auf ihre Kinder ein klein wenig neidisch war.

Ich hatte keine Kinder, dafür eine solide Künstleragentur und eine Figur, mit der ich noch jeden Kunden rumkriegen konnte.

Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte, aber das, was ich bekam, fühlte sich richtig an. Hier stand ich inmitten meiner alten Klassenkameraden aus der Oberschule, fünfzehn Jahre, nachdem wir gemeinsam unsern Abschluss gefeiert hatten.

Außer Nadja hatte mich noch niemand bemerkt, weil ich mir eben erst am Eingang mein Namensschildchen abgeholt hatte. Ich wollte auch noch gar nicht gesehen werden, sondern mir zuerst ganz diskret einen Kaffee besorgen und dann am liebsten am Rand stehen und heimlich beobachten, wie meine ehemaligen Mitstreiter ihr gescheitertes Leben zu verbergen versuchten.

Nadja machte mein Vorhaben endgültig zunichte, indem sie mich am Arm schnappte und herumführte. »Hast du Vincent schon begrüßt?« Aufgeregt zeigte sie in Richtung des Buffets. Vincent, unseren ehemaligen Klassenschwarm mit Aussicht auf Karriere als Leistungssportler, konnte ich nirgend entdecken. Am Buffet stand nur ein unförmiger Kerl mit Halbglatze, schwammigem Gesicht und offenkundig großem Appetit. Erschrocken legte ich die Hand vor den Mund, als ich in meiner Erinnerung Vincents Gesichtszüge als Maske über die rotgeäderte Masse legte. Sie passte. Ein Jammer. Ich hatte meine ganze Hoffnung auf einen prickelnden Abend in den Kerl gesetzt.

Das Buffet ließ ich lieber aus. Mein rotes Minikleid mit den aufwendig eingestickten Pailletten saß auch so schon knapp genug.

Suchend sah ich mich um. »Nadine, wo steckt denn dieser kleine Streber, wie hieß er doch gleich?«

»Björn«, lachte sie.

»Ja richtig. Björn. Hast du den schon irgendwo gesehen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Der meinte, er kommt vielleicht nicht. Angeblich hat er viel zu viel zu tun.«

Ich winkte ab. »Ach, macht nichts. Hätte mich nur interessiert, was aus dem geworden ist.«

Sie zuckte die Schultern. »Vermutlich ein Buchhalter oder so was. Der war schon früher so schräg mit seiner riesigen Brille und diesen Karohemden.«

»Stimmt.« Bei der Erinnerung daran musste ich lachen. »Und andauernd hat er irgendwas geschrieben. Wie ein kleiner Spitzel. Meine Güte, der war echt unheimlich.«

Nadja sah sich im Raum um und winkte jemandem zu. Als sie weiter sprach, war sie schon nicht mehr richtig bei der Sache. »Der hat nicht geschrieben, sondern

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Nora Harp
Bildmaterialien: Regine Schwartz
Cover: Regine Schwartz, Bildquelle: Shutterstock.com #393284323
Korrektorat: Monika Schoppenhorst
Satz: Regine Schwartz
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2020
ISBN: 978-3-7487-4572-3

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