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ROM - ***** XXL - LESEPROBE *****

Verliebt in einen Kaiser

 

 

Trotzdem es früh am Morgen war, fielen bereits erste Sonnenstrahlen durch die Fenster des Palasts. Hinter uns lag eine Nacht voller Leidenschaft. Eine Nacht der Begierde und Lust. Eine Nacht voller animalischer Küsse und Liebkosungen. Sofort fühlte ich ein wohliges Prickeln in mir, wenn ich nur daran dachte, wie er noch vor wenigen Stunden in mich eingedrungen ist und mir damit solch unglaubliche Lust bereitet hatte. Wie ich es ihm danach gleichtat, er mir dabei mit sehnsüchtigen Blicken in die Augen sah und lustvoll stöhnte, als ich in ihn eindrang.

 

Doch nun fühlte es sich an, als würden Steine meine Brust unter sich begraben. Zu wissen, dass er aufbrach, um in den Krieg zu ziehen und ich ihn nicht begleiten konnte, um mit ihm Seite an Seite im Feld zu kämpfen, drückte meine Stimmung. Ich wollte mein Leben für ihn geben und ihn beschützen. Dieser Möglichkeit beraubt zu werden, stimmte mich traurig.

 

„Claudius, lass mich mit dir kommen! Ich will bei dir sein und nicht hier in Rom zurückbleiben ohne dich!“, flehte ich ihn an und lag dabei nackt auf dem weichen Laken, während er sich ankleidete und an seinem Brustpanzer herumhantierte.

 

Er stoppte sein Tun, legte den Panzer zur Seite und stieg wieder zu mir ins Bett. Er küsste mich liebevoll, zuerst auf die Stirn, danach auf den Mund und strich mir zärtlich über meine Wange. Ich versank in den smaragdgrünen Augen, hoffend er würde es sich im letzten Augenblick doch noch überlegen und mir erlauben ihn zu begleiten.

 

„Du weißt, dass das nicht geht“, hauchte er leise und ich konnte ihm deutlich ansehen, wie schwer es ihm fiel, mich abzuweisen. „Ich brauche dich hier, du wachst für mich über Rom und achtest darauf, dass mir in meiner Abwesenheit keiner meinen Thron streitig macht!“

 

Ich wusste nur zu gut, was er meinte, und auch, dass er damit recht hatte. Seit man ihn nach dem Tod seines Vaters zum römischen Kaiser ausgerufen hatte, versuchten verschiedene Gruppen ihn wieder loszuwerden. Allen voran sein eigener Cousin Commodus, der den Thron nur zu gern für sich selbst beansprucht hätte.

Es war meine Aufgabe die Bande in Schach zu halten und sicherzustellen, dass sie nichts gegen Claudius unternahmen, solange er abwesend war. Ginge es nach mir, würden sein Vetter und all die anderen Verräter, die er um sich scharte und die nur Schlechtes im Sinn hatten, längst in einem Kerker verrotten.

 

Andererseits verdankten wir es genau diesen Feinden, dass wir uns heute so nahe standen. Nachdem zwei Giftattentate fehlschlugen, versuchte vor ein paar Monaten ein gedungener Mörder Claudius im Schlaf zu erstechen. Ich, ein gemeiner Soldat, der vor der Tür seines Schlafzimmers Wache schob, rettete ihn im letzten Moment davor, mit erst 25 Jahren ermordet zu werden. Claudius ernannte mich daraufhin zum Centurio, was eine unglaubliche Ehre darstellte, und kommandierte mich zu seinem persönlichen Schutz ab.

 

Ich konnte mein Glück damals kaum fassen. Von einem derartigen Aufstieg hätte ich nie zu träumen gewagt. Eine solche Position erforderte normal einen entsprechenden Stammbaum und gute Beziehungen am Hof. Als einfacher Soldat verfügte ich weder über das eine noch über das andere.

Doch Claudius hatte zu diesem Zeitpunkt kaum jemanden, dem er vertraute, mit meinem heldenhaften Einsatz bewies ich ihm Treue und Ergebenheit. Etwas, von dem er wusste, dass es ihm die meisten Menschen in seiner Umgebung nicht entgegenbrachten. Fast alle waren sie Neider oder erhofften sich einen persönlichen Vorteil durch eine Freundschaft mit dem Kaiser.

Andere warteten nur darauf, dass er einen Fehler beging, den sie ihm anlasten konnten. Man streute gezielt Gerüchte, versuchte Claudius als zu schwach und zu gutmütig hinzustellen. Während das bei manchen der einflussreichen Familien Angst auslöste, schürte es bei anderen die Hoffnung auf Autonomie.

Doch der junge Kaiser war keines von beidem. Er war ein kluger, besonnener Taktiker, der von roher Gewalt nichts hielt und vieles reformieren wollte. Doch zuvor musste er sich beweisen und mit Stärke überzeugen, um die Unentschlossenen auf seine Seite zu ziehen und das Volk für sich zu gewinnen. Nur wenn er seine Macht ausbaute, konnte er dauerhaft seinen Vetter und dessen Konsorten in die Knie zwingen und genau das hatte Claudius jetzt vor.

 

Wie schon so oft in den letzten Jahren waren die Goten wieder einmal in unser Reich eingefallen. Beinahe regelmäßig drangen sie mittlerweile in das Reich ein, plünderten die Grenzstädte, töteten römische Bürger und verschleppten die Überlebenden, um sie als Sklaven zu verkaufen.

Gelänge es Claudius die immer wiederkehrenden Eindringlinge zurückzuschlagen, oder noch besser, diese ein für alle Mal in ihre Schranken zu verweisen, dann würde er die Römer für sich gewinnen und wäre somit unantastbar. Ein Sieg über die Goten bedeutete Macht, die eigene Sicherheit und den Thron.

 

Als ich dann vor ein paar Monaten meinen Dienst als Claudius’ Leibwächter antrat, begriff ich sehr schnell, dass wir uns gut verstehen würden. Ich mochte den fast gleichaltrigen Kaiser und lernte ihn immer besser kennen, da ich nahezu jede Minute des Tages mit ihm verbrachte. Selbst nachts blieb ich in seiner Nähe und schlief auf einem zusätzlichen Bett nur wenige Meter von ihm entfernt, um jederzeit zur Stelle zu sein. Nach und nach schenkte er mir immer mehr Vertrauen und trotzdem ich im Grunde nur ein einfacher Soldat war, sprach er über die verschiedensten Belange des Reiches mit mir.

 

„Was sagt denn die Stimme aus dem Volk dazu?“, fragte er gerne, wenn er sich für meine Meinung zu einem Thema interessierte, mit dem er sich gerade beschäftigte.

 

Durch mein bisheriges Leben sah ich vieles aus einem anderen Blickwinkel, der ihn oft gemeinsam mit meiner Ehrlichkeit überraschte. Von Anfang an nahm ich kein Blatt vor den Mund, was dazu führte, dass sich zwischen uns eine Art distanzierte Freundschaft entwickelte.

 

Selbst sein Bad nahm Claudius in meiner Anwesenheit und zeigte sich mir dabei in voller Nacktheit. Ein Umstand, der in mir gewisse peinliche Emotionen hervorrief. Dieser Anblick, sein so schön definierter Körper mit der zarten Haut, erregte mich und löste einen Sturm der Gefühle in mir aus. Zu der für ihn empfundenen Bewunderung und der Freundschaft gesellte sich nach und nach ein Verlangen, für das ich jedoch keine Erklärung fand. Ich sehnte mich nach mehr, wollte ihn berühren, an Stellen, wo ich noch nie zuvor einen anderen Mann berührt hatte.

 

Als die Sklaven ihn zum ersten Mal in meiner Gegenwart wuschen, beneidete ich sie um ihre Arbeit. Entspannt lag Claudius in dem angenehm temperierten Wasserbecken. Die zwei jungen Burschen streichelten seinen Körper mit weichen Tüchern, die sie im Wasser tränkten. Zu gerne hätte ich mit ihnen getauscht und ihren Dienst übernommen.

Am Ende des Bades, als er das Becken verließ, trockneten sie ihn zärtlich ab und ich spürte, wie mir immer heißer wurde. Ein unglaubliches Verlangen, seine nackte Haut zu berühren, machte sich in mir breit. Eine derartige Erregung beim Anblick eines Mannes war mir fremd. Lediglich schönen Frauen war es in der Vergangenheit gelungen, so etwas in mir auszulösen. Ich wusste zwar, dass viele der wohlhabenden Patrizier sich Jünglinge zu ihrem Vergnügen hielten und auch unter den Soldaten kam es gelegentlich vor, dass sie sich gegenseitig verwöhnten. Aber ich selbst hatte das Verlangen nach einem anderen Mann bisher nie verspürt, bis zu jenem Zeitpunkt.

 

Es quälte mich, dem täglichen Bad beizuwohnen. Ihn so zu sehen, ihn berühren zu wollen, aber zu wissen, dass es für mich verboten war, verlangte mir viel ab. Trotzdem hätte ich es für nichts auf der Welt verpasst. Ich prägte mir jeden Zentimeter seines Körpers ein und rief die Bilder wieder ab, wenn ich mir nachts in der Dunkelheit Erleichterung verschaffte.

 

Dann, eines Tages, passierte etwas Eigenartiges. Ohne ersichtlichen Grund schickte er die beiden Sklaven weg, noch bevor er sein tägliches Ritual beendet hatte. Er blieb in dem nach Lavendel und anderen Kräutern duftenden Bad liegen und starrte mich an. Einen mit Wein gefüllten Pokal in der Hand, musterte er mich ganz unverhohlen. Gelegentlich nippte er an dem Rebensaft und lächelte mich eigenartig an, als er nackt – wie die Götter ihn geschaffen hatten – aus dem Wasser stieg.

Langsam bewegte er sich auf mich zu, sprach kein Wort, taxierte mich stattdessen nur mit seinem durchdringenden Blick. Mir wurde heiß, ich fühlte, wie meine Hände zu schwitzen begannen. Immer näher kam der nackte, feuchtglänzende Körper. Sein Anblick raubte mir beinahe den Atem. So musste ein zu Fleisch gewordener Adonis wohl aussehen. Er blieb vor mir stehen, sah mich nur an und blickte tief in meine Augen, fast so, als hätte er etwas verloren.

Ich wagte es nicht zu atmen. Mein Herz schlug wie verrückt. Es versuchte meine Brust mitsamt dem Panzer, der es beschützten sollte, zu sprengen. Verlegen unterbrach ich den Blickkontakt und bemerkte dabei die Erektion zwischen seinen Beinen. Peinlich berührt wandte ich meine Augen ab, sah sofort wieder nach oben, als sich auch schon unsere Lippen trafen. Er küsste mich.

So ungewohnt es sich anfühlte von einem Mann geküsst zu werden, so sehr erregte es mich. Jeden anderen hätte ich von mir gestoßen und ihm mein Schwert zwischen die Rippen gerammt. Doch von Claudius wünschte ich mir mehr. Er bescherte mir einen der intensivsten Momente meines Lebens. Von seinem Duft betört vergaß ich alles um mich herum, die Zeit schien still zu stehen, wir existierten fortan in einem parallelen Universum, in dem es nur uns beide gab.

Eine Hand auf dem Griff meines Schwerts, die andere in meinem Nacken spielte seine Zunge mit mir und beraubte mich meiner Angst. Nach und nach verlor ich alle Teile meiner Uniform, bis auch ich nackt vor ihm stand. Wie er hatte auch ich eine pralle Latte, die sich ihm verlangend entgegenstreckte.

Mit einem gierigen Kuss schob er mich in Richtung des Wasserbassins, wo wir wortlos begannen, gegenseitig unsere Körper zu erkunden. Er goss Wein aus dem Pokal über meine Brust und leckte ihn genüsslich ab. Er streichelte über meine im Wasser versenkte, harte Männlichkeit und brachte mich mit seiner Berührung fast um den Verstand. Wir liebkosten uns leidenschaftlich und verlagerten das Geschehen irgendwann in sein Bett, wo er mir zeigte, wie unglaublich schön die Liebe zwischen zwei Männern sein konnte.

 

So hatte alles vor wenigen Monaten begonnen. Claudius verzichtete künftig auf die Hilfe von Sklaven beim Bad. Gemeinsam stiegen wir jeden Abend in das Becken, begannen schon dort uns zu verwöhnen und setzten es in seinem Bett fort. Jede Nacht teilten wir fortan das Lager, wo es keinen Kaiser oder Soldaten gab, sondern nur zwei Männer, deren Herz füreinander schlug.

Alle Wege führen nach Rom

 

 

„Verdammte Goten!“, flüsterte ich und besann mich wieder dessen, was rund um mich geschah. „Lass mich den Angriff für dich führen und dieses Pack nach Hause jagen!“, setzte ich zornig fort und hoffte Claudius noch in letzter Minute umstimmen zu können, obwohl ich seine Antwort darauf kannte.

 

„Mein Marcus Aurelius! Mutig, tapfer und unerschrocken“, hauchte er verliebt und streichelte mir sanft übers Gesicht. „Wie gerne hätte ich dich an meiner Seite. Wie sehr werde ich dich vermissen. Doch das ist mein Kampf, du kannst ihn nicht für mich ausfechten. Ich muss das allein schaffen, wenn ich die Opportunisten hier am Hof ein für alle Mal zum Schweigen bringen will!“

 

Ich blieb auf dem Bett zurück, beobachtete ihn still, enttäuscht und ängstlich, ihn für immer zu verlieren. Claudius indes fuhr fort sich anzukleiden und stand nur wenig später in voller Montur vor mir. Zuletzt schob er sein Schwert in die Scheide, setzte den Helm auf, nahm meine Hand und umarmte und küsste mich. Das Leder seines Brustpanzers presste sich an meine nackte Haut und ich kostete den Moment aus. So schön es sich anfühlte von ihm geküsst zu werden und ihn so nah zu spüren, so sehr schmerzte es. Der Augenblick, vor dem ich mich seit Tagen fürchtete, war da. Claudius löste sich aus der Umarmung und schritt auf die Tür zu und drehte sich noch ein letztes Mal zu mir um.

 

„Ich komme wieder, mein Marcus Aurelius! Ein paar Goten können einem römischen Kaiser nichts anhaben!“, rief er mir siegessicher zu, lächelte zuversichtlich und verschwand.

 

Rasch streifte auch ich meine Uniform über und verließ die kaiserlichen Gemächer. Ich brauchte Luft, musste mir Ablenkung verschaffen. Hier im Palast erinnerte mich alles an ihn und er spukte mir ständig durch den Kopf.

Claudius hatte mir den Oberbefehl über die Stadtgarde übertragen. Auf diese Weise konnte ich sicherstellen, dass er bei seiner Rückkehr nicht vor verschlossenen Toren stand.

Die Mitglieder des Senats hatten verlangt, dass er seinen verhassten Cousin Commodus während seiner Abwesenheit zum Stellvertreter ernannte. Auch wenn die Intentionen dahinter gut gemeint waren und einen Machtkampf verhindern sollten, so brachten sie Claudius zusätzlich in Gefahr. Würde er im Kampf fallen, wäre Commodus automatisch sein Nachfolger. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, worauf Commodus und so manch anderer hoffte. Ein Sieg der Goten käme ihren Plänen sehr recht.

 

Während seiner Abwesenheit sollte ich mich um die Modernisierung der Befestigungsanlagen der Stadt kümmern. In der Vergangenheit war es nicht notwendig gewesen, sich darüber Gedanken zu machen. Niemals hätte es einer der Feinde Roms geschafft, bis zu unseren Toren vorzudringen.

Aber in den letzten Jahren geriet das Reich immer öfter in Bedrängnis. Längst waren die Grenzen zu groß, um ausreichend gesichert zu werden. Goten, Vandalen und andere Völker stießen regelmäßig in das Landesinnere vor. Würden sie es bis vor die Tore Roms schaffen, wäre die Stadt ohne entsprechende Befestigung nur schwer zu verteidigen und folglich leichte Beute. Der Senat war von dieser Idee nicht begeistert. Die feinen Senatoren hielten es für eine unsinnige Idee und unnötige Geldverschwendung. Getrieben von ihrer Eitelkeit und Arroganz schien es für die noblen Herren unvorstellbar, dass die Stadt Rom eines Tages zum Ziel eines Angreifers werden könnte. Commodus ließ keine Gelegenheit verstreichen, um gegen das Projekt Stimmung zu machen. Sobald sich ihm eine Chance dazu bot, lästerte er deswegen.

 

In den folgenden zwei Wochen nahm ich mich der Angelegenheit an. Besprach mich mit Architekten und hatte alsbald die Pläne für die neue Befestigungsanlage fertig. Claudius sandte mir in dieser Zeit täglich eine Depesche, auf die ich sehnsüchtigst wartete. Von ihm zu lesen stellte den Höhepunkt meines Tages dar, ich konnte es kaum erwarten sie in Händen zu halten und entriss sie den Boten förmlich, die sie mir überbrachten.

Er berichtete mir von seiner Reise und wie oft er an mich dachte, dass er mich vermisste und wie sehr er sich darauf freute, bald wieder bei mir in Rom zu sein. Ich liebe und vermisse dich, das waren die Worte, mit denen jede seiner Nachrichten endete und die mir Hoffnung gaben. Die Überbringer der Botschaften hatten den Auftrag auf Antwort zu warten und zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh, dass ich Schreiben und Lesen gelernt hatte.

 

In der letzten Nachricht, die ich von ihm erhielt, teilte er mir mit, dass das Gefecht immer näher käme. Die Späher hatten die Goten gesichtet und in den kommenden ein bis zwei Tagen wäre es wohl soweit. Als am nächsten Tag kein Bote von ihm eintraf und ich nichts von meinem Geliebten hörte, fiel es mir unglaublich schwer meine Nervosität zu zügeln. Pausenlos fragte ich mich, was wohl der Grund dafür war. Befand sich Claudius im Gefecht und kämpfte tapfer gegen die Eindringlinge? Oder war ihm etwas zugestoßen? Lebte er noch?

 

Als tags darauf ein Bote mit einer Depesche in der Hand bei mir eintraf, konnte ich mein Glück kaum fassen. Sein Erscheinen erleichterte mich so sehr, dass ich nicht erkannte, dass es sich bei dem Überbringer der Nachricht um keinen Soldaten wie sonst handelte. Erst als ich den Inhalt las, stellte ich enttäuscht fest, dass das Schriftstück von einem anderen Absender kam, und zwar von Commodus, unserem temporären Stadthalter.

Er übersandte mir eine Einladung zu einem abendlichen Festessen. Obwohl der Ausgang der Schlacht noch unbekannt war, wollte er bereits jetzt den Sieg über die Goten feiern.

Ich fragte mich, was wohl dahinter steckte, was er damit bezweckte und warum er mich dazu einlud? Wusste er mehr als alle anderen? Hatte unser Heer tatsächlich den Feind besiegt? Das schien mir unmöglich, kein Reiter konnte so schnell eine Nachricht überbringen. Um eine derartige Distanz zu bewältigen, benötigte man mindestens fünf Tage. Außerdem wäre ein Sieg für ihn nur von Vorteil, wenn Claudius dabei ums Leben käme. Erst mit seinem Tod wäre der Weg zum Thron für ihn frei.

 

Claudius hatte mich vor seinem Cousin mehrfach gewarnt und mir vieles über ihn erzählt. Scheinbar schreckte er vor nichts zurück und kannte keine Skrupel.

 

Es gab Gerüchte. Hinter vorgehaltener Hand erzählte mancher, dass er sogar für den Tod des eigenen Vaters verantwortlich sei. Eines Morgens fand man ihn mit einem Dolch in der Brust tot auf. Alles ließ auf eine Tat im Affekt schließen. Der Verdacht fiel sofort auf Commodus. Das schlechte Verhältnis zwischen Vater und Sohn war allgemein bekannt. Als man von offizieller Seite diese Theorie in Erwägung zog, gestand allerdings plötzlich ein Sklave namens Paros die Tat.

Was danach geschah, wird bis heute totgeschwiegen, bestätigt aber im Grunde nur Commodus Schuld. Nach römischem Recht hätte er wegen des Mordes an seinem Vater alle im Haus lebenden Sklaven hinrichten lassen können, was auch gängige Praxis war, er aber nicht tat.

Im Gegenteil, einen Tag bevor Paros im Kolosseum von Löwen in Stücke gerissen wurde, erlangten dessen Frau und die beiden Söhne des Sklaven ihre Freiheit. Dies wurde aber nie öffentlich bekannt. Claudius hatte erst viel später davon erfahren und vermutete dahinter ein ganz simples Geschäft. Paros nahm den Mord auf sich und opferte sich für seine Familie.

 

Claudius’ Vater, der Kaiser selbst, konnte sich nicht vorstellen, dass sein Neffe zu so einer gemeinen Tat fähig wäre und da keine stichhaltigen Beweise vorlagen, kam Commodus tatsächlich damit davon.

 

Als ich ihm zum ersten Mal im Palast über den Weg lief, war ich einigermaßen überrascht. Der Mann, über den ich so viel gehört hatte und dem man so viel Schlechtes nachsagte, sah weder gefährlich noch verschlagen aus.

Ganz im Gegenteil, er ähnelte Claudius auf frappierende Weise, was ihn auf den ersten Blick sympathisch wirken ließ. Der für den Kampf trainierte Körper, die markanten Gesichtszüge, selbst die grünen Augen schienen identisch zu sein. Sogar ihre Stimmen und die Art und Weise, wie sie sich bewegten, wirkten ähnlich. Einzig ihre Haare unterschieden sich. Zwar war das beider brünett, Commodus jedoch trug seines deutlich länger und hatte es nach hinten zu einem Zopf gebunden. Claudius bevorzugte es kurz geschnitten, was ihn ein klein wenig männlicher wirken ließ.

 

Unschlüssig darüber, ob ich wirklich die Höhle des Löwen betreten sollte, überlegte ich der Einladung zu folgen. Vermutlich war es eine Geste der Höflichkeit. Schließlich befehligte ich die Stadtgarde und war damit ein einflussreicher Mann.

Kein Mensch wusste, was mich tatsächlich mit Claudius verband. Wir hatten uns immer um Diskretion bemüht, wohl wissend, dass mich das Bekanntwerden unserer Beziehung zu einem Ziel machen würde.

An jedem anderen Tag hätte ich das Papier zerrissen und ignoriert, doch heute, nach zwei langen Tagen ohne das geringste Lebenszeichen von Claudius, fehlte es mir an der dafür notwendigen Selbstbeherrschung.

Die Möglichkeit mehr über den Kampfverlauf zu erfahren, war zu verlockend. Vielleicht hatten die Senatoren Nachricht erhalten und wussten bereits mehr. Aber auch sonst würde mir sein Verhalten eventuell Aufschluss darüber geben, was er vorhatte und mit diesem Fest bezweckte.

Ich konnte nur gewinnen und nahm die Einladung an.

 

Ein rauschendes Fest - ein Abend mit Folgen

 

 

Pünktlich traf ich im Haus des Commodus ein und stellte erstaunt fest, dass ich sein einziger Gast zu sein schien. Ein Diener führte mich in das Atrium, wo sich eine reichlich gedeckte Tafel befand.

 

„Ich freue mich, Marcus Aurelius, dich in meinem Haus begrüßen zu dürfen!“, schwafelte er süßlich und kam mir mit ausgestreckter Hand entgegen.

 

„Ich fühle mich geschmeichelt, eine Einladung des Stadthalters von Rom erhält man schließlich nicht alle Tage!“, entgegnete ich mit ebenso gespielter Freundlichkeit.

 

„Ein großes Kompliment, wenn man bedenkt, dass du dein Bett mit unserem Kaiser teilst! Eine kleine Geste wie diese sollte dich nicht beeindrucken!“, konterte er spitz und grinste überlegen.

 

Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich spürte, wie sich meine Wangen rot färbten und mich eine peinliche Verlegenheit ergriff. Auch wenn unsere Liebe gegen keine Regel oder geltendes Recht verstieß, so fragte ich mich, woher Commodus von mir und Claudius wusste. Jetzt erklärte sich von selbst, warum er mich eingeladen hatte.

 

„Keine Angst, euer kleines Geheimnis ist bei mir sicher!“, setzte er belustigt von meiner Reaktion fort.

 

Es fiel mir schwer nicht laut zu lachen. Mir war bewusst, dass sobald es ihm von Nutzen wäre, ganz Rom davon erführe und sich dahinter eine mehr als deutliche Drohung versteckte. Ich versuchte mich auf die Situation einzustellen und wartete darauf, was wohl als Nächstes kam.

 

„Du sollst nur wissen, dass es nicht notwendig ist, nachts allein zu schlafen. Wer weiß, ob unser Kaiser vom Schlachtfeld wieder zurückkehrt. Vielleicht solltest du dich ja bereits jetzt mit seinem Nachfolger anfreunden und dir seine Anerkennung verdienen. Oder überhaupt neue Allianzen eingehen, um deine Position zu sichern“, säuselte er und schmachtete mich mit seinen Augen an, während er mit dem Handrücken über meinen Oberarm streichelte.

 

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich konnte es nicht fassen, der Kerl wagte es doch tatsächlich, mich hier anzugrapschen und versuchte mich für seine Sache zu gewinnen. Was käme wohl als Nächstes, der Vorschlag Claudius zu ermorden?

Mit festem Griff packte ich seine Hand und schob sie entschieden von mir. Ihn zu berühren widerte mich an.

 

„Der Tag wird nicht kommen, an dem ich mit dir in ein Bett steige, Commodus!“, zischte ich ihn wütend an und erschrak.

 

„Wer steigt in wessen Bett?“, hörte ich eine mir unbekannte Stimme belustigt sagen und drehte mich um.

 

„Senator Orbius, wie schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist!“, rief Commodus laut und wandte sich von mir ab.

 

Er eilte auf den neuen Gast zu, tat als wäre nichts passiert und überspielte mit einer schauspielerischen Meisterleistung die Situation. Innerhalb von Sekunden wandelten sich seine von meiner Antwort erzürnten Gesichtszüge in ein fröhliches Gesicht und er klopfte dem alten Mann in der weißen Toga freundschaftlich auf die Schulter.

 

„Darf ich dir Marcus Aurelius vorstellen? Er ist der Oberbefehlshaber unserer Stadtgarde“, fuhr er gewohnt überschwänglich fort, während sich mir aus der Toga eine faltige Hand zum Gruß entgegenstreckte.

 

„Es freut mich sehr, ich habe schon viel von dir gehört, Senator“, begrüßte ich den älteren Mann, der mir wohlwollend zunickte.

 

„Wo bleibt der Wein für die Gäste?“, rief unser Gastgeber indes zornig und augenblicklich kam ein Sklave und brachte drei Becher gefüllt mit Wein. Commodus reichte einen davon mir und einen dem Senator, den letzten griff er sich selbst.

 

„Trinken wir auf Rom und den Sieg unseres Heeres über die Goten!“, sagte er euphorisch und hob seinen Becher in die Luft.

 

„Und darauf, dass unser Kaiser wohlbehalten zurückkehrt!“, setzte ich begeistert hinterher und grinste ihn herausfordernd an.

 

„Darauf solltest du nicht trinken, sondern darum beten“, flüsterte er mir kaum hörbar zu und bescherte mir ein sehr mulmiges Gefühl in der Magengegend.

 

Nach und nach fanden sich die restlichen Gäste ein und schon wenig später war der halbe römische Senat zu Gast. Allesamt schienen sich prächtig zu amüsieren und feierten ein rauschendes Fest, während der Kaiser mit seinem Heer unsere Grenzen verteidigte.

 

Ständig stellte sich mir einer der Gäste vor. Die Herren Senatoren interessierten sich für mich und ich glaubte zu wissen, woher diese Neugier kam. Viele von ihnen waren mit Commodus eng befreundet, die meisten wussten vermutlich, in welchem Verhältnis ich zu Claudius stand. Mancher der Anwesenden wirkte sehr nett und ich führte auch tatsächlich das eine oder andere interessante Gespräch, doch ich wollte nicht länger als nötig bleiben.

Die Informationen, auf die ich so sehr gehofft hatte, bekam ich nicht. Die Kämpfe waren in vollem Gange, doch Näheres wusste niemand.

Obwohl ich nur zwei Becher Wein getrunken hatte, überkam mich eine plötzliche Müdigkeit. So beschloss ich, dies als Vorwand zu verwenden und aufzubrechen. Ich erinnerte mich noch, dass ich mich schwerfällig auf den Ausgang zubewegte. Von einer Sekunde auf die andere hatte ich Probleme, mich auf den Beinen zu halten, alles um mich herum schien sich zu drehen. Ich schwankte, ein Sklave eilte mir zu Hilfe und stützte mich.

 

„Da hatte wohl einer ein paar Becher Wein zu viel“, hörte ich Commodus sagen und alle rund um mich lachten. Danach verlor ich das Bewusstsein.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.05.2017

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