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Happy birthday

Ehrlich gesagt, hatte ich mir meinen 23. Geburtstag ganz anders vorgestellt. Der Mann, mit dem ich diesen späten Vormittag verbringen musste, wirkte etwas gestelzt in seiner Uniform. Verlegen versuchte er, den obersten Knopf seines Hemdes zu öffnen, behielt aber trotz des heißen Wetters seine Jacke an. Er forderte mich auf in einem Nebenraum platzzunehmen.

 

Ich folgte seiner Aufforderung anstandslos, bat jedoch um ein Glas Wasser, da diese Hitze mittlerweile beinahe unerträglich wurde. „Eine Klimaanlage haben Sie nicht?“, fragte ich verwundert, da mir das Gebäude doch sehr modern erschien. Er verneinte meine Frage mit einem Kopfschütteln und setzte sich mir gegenüber. Ein knappes „Herzlichen Glückwunsch“ kam über seine Lippen, als er meinen Ausweis begutachtete.

 

„Frau Sandberg“, begann er und sah mir dabei in die Augen, „ich verstehe nicht, warum Sie das Auto Ihres Verlobten gestohlen haben. Sie hätten ihn doch lediglich um die Schlüssel bitten brauchen. Zumindest behauptet er das in seiner Aussage. Er wollte die Anzeige auch zurückziehen, aber mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Sie.“

 

„Jens?“ Die Ausführung des Beamten entlockte mir ein überraschtes Lächeln. „So, wie der sich immer anstellt? Ich habe seinen Wagen nicht gestohlen, ich habe ihn mir ausgeborgt und mein Verlobter hätte mir das niemals gestattet. Seinen Ferrari liebt er mehr als alles andere auf der Welt. Ich habe mir einen Geburtstagswunsch erfüllt, nichts weiter. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass der gleich zur Polizei rennt.“

 

„Ist er aber“ entgegnete der Beamte schüchtern. „Ja“ gab ich entmutigt zurück „und jetzt?“ „Sie haben einen festen Wohnsitz und das Ermittlungsverfahren läuft. Vielleicht kann es bei Zahlung einer angemessenen Strafe eingestellt werden. Das kommt auf Ihren Anwalt an.“ „Und wenn nicht?“ „Dann müssen Sie ins Gefängnis, vielleicht ist ja auch eine Bewährungsstrafe drin, Sie sind ja noch recht jung.“

„Ja“ bedachte ich ruhig und stand auf, „dann darf ich jetzt gehen?“ Der Beamte nickte, erhob sich ebenfalls vom Stuhl und geleitete mich aus dem Polizeigebäude hinaus.

 

Die Sonne brannte vom Himmel. Langsam begab ich mich an diesem 12. Juli auf den Weg nach Hause. Jens stand wie immer in seiner Garage und besah sich sein wertvolles Auto. „Hallo Schätzchen!“, rief er mir aufgebracht entgegen „du hast den Lack zerkratzt. Hier!“ Er zog mich am Arm und zeigte mir den Schaden auf der Motorhaube. „Die Kratzer waren zuvor nicht da.“

 

Ich machte mich aus seinem Griff los, zog ohne mit der Wimper zu zucken den Revolver aus meiner Tasche, den ich zuvor dem Beamten geklaut hatte, und knallte ihn ab. Und was ich immer schon mal sagen wollte, ist“, hauchte ich dem Sterbenden ins Ohr „dass dein Scheiß Auto alles war, was mich jemals an dir interessiert hat.“

Danach zog ich meine Highheels aus und zerkratzte den ganzen Lack seines wertvollen Ferraris. „Aber damit ist jetzt Schluß!“, fügte ich aufgebracht hinzu.

Das Entsetzen in Jens Augen und das Winseln auf seinen Lippen gepaart mit dem Quietschen auf dem Lack ergab eine eigenartige Melodie. Eine ungewohnte Zufriedenheit erfüllte mich.

Ich stieg über den regungslosen Körper hinweg, verschloss die Garage und ging ins Haus hinein. Längst wusste ich, wo Jens seinen Safe Schlüssel verwahrt hatte. Ich entnahm ihm die Wertpapiere und das Geld, verstaute sie sorgfältig in meiner Tasche und entledigte mich der getragenen Kleidung.

 

„Bist du fertig?“, riss mich Thomas Stimme aus meinen Gedanken. „Ja“, entgegnete ich und drückte ihm meinen, bereits am Vortag gepackten Koffer in die Hand. Dann eilte ich zu seinem Wagen. „Jens kommt nicht mit?“, fragte Thomas verunsichert. Ich schüttelte wortlos den Kopf und auf dem Weg zum Flughafen schwiegen wir uns an.

 

Bereits dreißig Minuten später saßen wir im Flieger nach Brasilien. Thomas hatte Plätze in der ersten Klasse gebucht und ich begann langsam mich zu entspannen. Beinahe war ich in meinem Sitz eingeschlafen, als er mich mit einem Kuss auf die Stirn weckte und mir ein Glas Champagner in die Hand drückte.

„Alles Gute zu deinem 23. Geburtstag, mein liebes Kind“, säuselte er und ich fragte neugierig: „Wo ist sie?“ „Deine Mutter?“, er machte eine Pause und trank einen Schluck, um seine Verlegenheit zu überspielen.

„Deine Mutter hat gesehen, was wir beide heute Morgen gemacht haben. Sie hat es vorgezogen ihr Ticket zu stornieren. Und Jens?“

„Der hat die Kratzer auf dem Lack bemerkt.“ „Na das macht jetzt auch nichts mehr, deine Mutter wird ihn längst angerufen haben.“

„Wer weiß? Der spricht mit niemandem mehr.“ Thomas lächelte. „Ich denke so wichtig bist du ihm nun auch wieder nicht. Sein Ferrari wird ihm über den Trennungsschmerz hinweg helfen.“

 

Die Polizeibeamten, die mich einen Tag nach meinem 23. Geburtstag in Rio de Janeiro in Gewahrsam nahmen, gratulierten mir nicht. Dennoch waren sie recht freundlich und der Eine sah auch ganz gut aus. Ein wenig nervös fummelte der am obersten Knopf seines Hemdes herum, bis es ihm gelang, diesen zu öffnen.

 

Im Gegensatz zu vorher schickte man mich nicht wieder nach Hause, im Gegenteil, man kann sich bis heute nicht entscheiden, ob man mich nun an Deutschland ausliefern wird, oder nicht.

Thomas war über mein, er nannte es: „Drastisches Vorgehen“ entsetzt. Das Geld und die Wertpapiere, die ich wohl weislich in seinem Koffer verstaut hatte, hatten ihm allerdings keine Kopfschmerzen bereitet. So weit ich weiß hat meine Mutter ihm verziehen und die zwei erleben heute ihre 2. Flitterwochen in Puerto Rico, da wollten sie immer schon mal hin.

Ehrlich gesagt bin ich froh darüber, dass man seinen 23. Geburtstag nur ein Mal im Leben feiern muss und ich werde gewiss nie wieder eine Affaire mit dem Mann meiner Mutter beginnen. Pablo jedoch fährt auch einen ganz netten Schlitten. Er hat sich dafür eingesetzt, dass ich nicht abgewiesen werde. Ich weiß nicht, ob er mir seinen Wagen borgen wird, aber das sitze ich mal ganz in Ruhe ab.

 

 

Ende

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Tag der Veröffentlichung: 05.10.2017

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