Ich sah sie vor mir, so rein, so weich, so unbeschreiblich schön. Meine Hand ging von ganz allein zu ihr hin, ich wollte sie berühren, aber mein Kopf schrie, Nein tue es nicht, du beschmutzt sie. Willst du wirklich dran schuld sein, dass sie ihre Schönheit verliert? Nein, das wollte ich nicht und so ließ ich traurig meine Hand nach unten gleiten. Ich wusste ich musste weiter gehen, ich komme sonst noch zu spät. Ich konnte, aber meine Augen nicht von ihr lassen, sie war so schön. Sie hatte nicht wie die Anderen, die ich täglich sehe, diese reine weiße Farbe. Nein. Sie hatte auch... ja was hatte sie noch? Diese Farben, die sie wie ein Muster durchzogen waren atemberaubend. Ich hab solche Farben noch nie in meinem Leben gesehen. Sie fesselten mich und dann... als ich dachte ich hätte mir das Bild perfekt eingeprägt... geschah es. Ein kleiner Windstoß, der die schöne Feder mit sich nahm. Ich blinzelte, weil sie sich plötzlich umfärbte. Die schöne Reinheit, die sie einst umschließte verschwand. Die Konturen verschwammen, die Farben veränderten sich in schwarz und aus der eins schönen weißen Feder wurde ein Rabe, der davon flog.
Ich schaute dem Raben hinterher und konnte immer noch nicht fassen was ich so eben gesehen habe. Ein drang zu laufen überfiel mich und ich rannte um mein Leben. Ich wusste nicht wieso, ich wusste nicht wohin, aber ich wusste, ich muss rennen und nichts konnte mich zurück halten.
"Hilf mir!", eine leise Stimme kaum ein Hauch und doch konnte ich es so deutlich hören. Sie klang fremd und doch sehr bekannt. Ich schaute mich um, aber ich erblickte niemanden. Ich rannte weiter, in der Hoffnung Sie zu finden. Wer war sie, wieso rief sie nach mir? Die Stimme wurde Zweifelder und immer Bittender. Mein Unterbewusstsein sagte mir, ich soll die Stimme ignoriere, ich könne ihr nicht helfen. Sie bringt mir nur ärger ein, aber nein so war ich nicht. So wurde ich nicht erzogen. Ich muss ihr helfen.
Da spürte ich eine Berührung, ganz leicht, kaum ein Windhauch. Aber sie war dar. Ich suchte den Auslöser, aber da war nichts, ich konnte nichts sehen. Alles wurde schwarz. Ich fiel, aber wie kann das sein? Ich wollte schreien, ich wollte mit den Händen nach etwas greifen, aber ich konnte nicht. Ich war wie gelähmt. Und dann als ich dachte, dass das mein Untergang war, hörte ich wieder diese Stimme. Sie war nicht mehr zweifelnd oder bittend. Nein, sie war fest und fast bedrohlich. Das ganze konnte ich feststellen, obwohl ich nicht verstand was sie sagte. Ich versuchte ihr zu sagen, dass ich sie nicht verstand, aber ich bekam keinen Laut aus mir. Ich begann zu zweifeln, weil ich sie nicht verstand und sie immer weiter redete. Ich wollte sie anschreien, dass sie aufhören soll und doch wollte ich ihre Stimme hören, es war wie ein drang. Ich konnte nicht sagen wieso oder weshalb, es war einfach so...
Vor meinen Augen erschien ein heller Lichtpunkt. Ich wusste nicht wie, aber ich musste dorthin kommen. Ich versuchte zu laufen, aber ich hatte keinen festen Boden unter meinen Füßen. Ich Greif mit den Händen ins dunkle nichts, in der Hoffnung einen Halt zu finden. Aber auch da geschah nichts. Ich war in einem dunklen Nichts und doch spürte ich eine Kraft, die mich schon fast schmerzlich umschließt. Mein Körper fühlte sich schwer und schwach an. Ich hatte schmerzen und doch spürte ich nichts. Was war bloß los mit mir, ist das doch mein Tod, fühlt es sich so an zu sterben?
Ich lag auf einer Wiese, die Sonnenstrahlen schienen mir ins Gesicht und gaben mir eine gewisse Geborgenheit. Ich zog tief Luft ein und eine Welle von angenehmen Gerüchen schlug mir entgegen, ich versuchte mich zu konzentrieren und die einzelnen Düfte zuzuordnen. Ich roch verschiedene Blumen, sie waren zart und süß, eine Wolke von frischer, feuchter Luft, die vom Fluss hergetragen wurde, die liebliche Sommerluft und den Wald aus dem ich den Gesang der Vögel wahrnehmen konnte. Sie sangen um die Wette, jeder Klang schöner als der andere. Mein eigenes privates Konzert, dachte ich mir und dabei stahl sich ein grinsen auf meinem Gesicht. Ich hatte regelrecht Angst auszuatmen, ich wollte diesen Duft, diesen Schleier, der meinen Geruchssinn in Ekstase brachte, nicht verlieren.
Ich spürte eine leichte, kaum spürbare Berührung, sie war so leicht, dass man denken könnte, ich hätte sie mir nur eingebildet, aber ich war mir sicher, dass es nicht so war. Langsam schlug ich die Augen auf, die Sonne blendete mich und so musste ich einige Male blinzeln, bis sich meine Augen an das helle Licht gewöhnen konnten. Und dann sah ich es, ein Schmetterling. Eine winzige, kleine, zerbrechliche Gestalt, die sich auf meine Schulter gesetzt hat. Ich spüre sie kaum, ich sah mir diese leichte fast unscheinbare Gestalt an, wäre da nicht der Flügelschlag gewesen, dann hätte ich es wahrscheinlich gar nicht bemerkt, dass sie sich auf meine Schulter gesetzt hat. Sie hat lange Riese in den Flügeln, die sich wie ein Muster entlang ziehen. Ich fand schon immer, dass die Flügel eines Schmetterlings gesprungenes Glas gleichen, die zerbrachen, wenn man sie berührt. Beim Anblick dieser kleinen Gestalt überkam mich eine Traurigkeit, die ich schon lange nicht mehr empfunden hatte. Sie spiegelte meine verletze Seele wieder, jeder Ries stand für eine Person, die sich für mich geopfert hat, aber auch für die, die mich verlassen und verraten haben. Meine Seele ist zum Vergleich nicht so hübsch und bunt wie dieser Schmetterling. Sie war es einmal, damals als die zwei Welten in Frieden miteinander lebten. Ich denke, sie hat jetzt ein bisschen die Farbe der Nacht angenommen, dunkel und undurchdringlich. Sie ist still, diese Art von Stille, die sanft ist und trotzdem auf tiefen Schmerz hinweist, aber sie ist stark, irgendwie halt noch und hält sich zusammen. Hat Narben gebildet, die die Riese schließen und sie wartet, wie ein Schmetterling, nur um irgendwann endlich zu fliegen.
Ich schloss die Augen und dachte an gestern Nacht , ich hörte wieder ihre Stimmen die nach mir riefen, ich solle stehen bleiben, denn so würden sie milder zu mir sein und meine Flucht würde nicht ganz so schlimm bestraft werden. Ich könnte lachen und weinen zugleich, denn egal was ich jetzt mache, es würde nicht gut für mich enden. Ich rannte um mein Leben, blickte nicht zurück aus Angst, ich würde dann stolpern und hinfallen, dass konnte ich mir nicht leisten, da ich wusste, sie würden mich kriegen und zurück zu Ihm bringen. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, nur wenn ich daran dachte, was er für Pläne hatte. Ich musste weiter rennen, egal was passieren mag.... Ich öffnete die Augen, mein Atem ging stoßweise und die einst warmen Sonnenstrahlen konnten ihren Dienst nicht mehr erfüllen. Ich schlang die Arme fest um mich in der Hoffnung, dass sich mein Körper dadurch beruhigen würde aber, es gelang mir nicht. Ich spürte eine feuchte Spur auf meiner Wange, es waren Tränen aus Verzweiflung und Hilflosigkeit. Ich wusste nicht wo ich bin, wo ich hin gehen soll oder ob ich noch jemanden habe, der mich aufnehmen würde. Ich war allein… und das, dieses allein sein, machte mir am meisten Angst.
Tag der Veröffentlichung: 14.09.2014
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