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Kapitel 1

Mein Rücken schmerzte vom Stundenlangen bücken aber ich wagte es nicht mich aufzurichten aus Angst wieder die Peitsche meines Aufsehers zu spüren. Meine aufgerissenen Hände zogen weiterhin das Unkraut zwischen dem Weizen aus. Schweiß tropfte mir von der Stirn, aber selbst ihn wagte ich nicht abzuwischen. Es war kurz vor 12 und bald würden wir eine halbe Stunde Mittagspause machen dürfen. Mir graute schon jetzt vor dem Essen, aber ich konnte es mir nicht leisten den Fraß zu verschmähen, auch wenn es meist schon halb vergammelt war. Aber immerhin war es etwas. Zu wenig zum leben aber zu viel zum sterben.
Endlich ertönte das Horn zur Mittagspause und wir richteten uns zum ersten mal seit 5 Stunden auf, ohne Angst zu haben gleich ausgepeitscht zu werden. Wir hatten alle unsere Nummern und wir wussten, wo wir uns anstellen mussten und wo wir unser ekelhaftes Mahl zu uns nehmen durften. Ich hatte Glück mein Platz lag im Schatten. Mit einem leisen Seufzer ließ ich mich auf den Boden nieder und würgte mein Essen hinunter, wobei ich den Brechreiz unterdrücken musste. Ich aß schnell, denn heiß war die grüne Pampe leichter zu essen.
Ich schloss für einen Moment die Augen und stellte mir vor wie wunderbar es sein würde jetzt in einen kühlen See zu springen, aber das würde mir 30 Peitschenhiebe einbringen und das würde ich wahrscheinlich nicht überleben. Also verwarf ich den Gedanken und ging anstatt dessen zu der Viehtränke an der wir trinken durften. Es war erniedrigend aber notwendig. Ich spritzte mir gerade ein wenig Wasser ins Gesicht als ich eine Stimme hörte die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
>Na meine Süße!<
Ich drehte mich um und sah dem widerlichem Aufseher in die Augen. Ein Grauen überfuhr mich.
>Ich bin sicher du möchtest mal in einem weichen Bett liegen, meine Süße!< schnarrte er mir ins Ohr.
Es war sein Recht. Ich war eine Sklavin und er mein Herr, ich konnte nichts tun.
>Lassen sie meine Schwester in Frieden!<
Fanor mein großer Bruder. Ich schloß die Augen und betete, dass ich mich getäuscht habe, dass er sich nicht für mich opferte. Aber als ich sie wieder öffnete stand er da.
>Was haben sie gerade gesagt?< fragte der Aufseher mit falscher Höflichkeit in der Stimme.
>Sie sollen meine Schwester in Ruhe lassen.<
Ich sah in seinen Augen, dass er mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Ich wollte schreien aber kein Laut kam über meine Lippen. Ich war wie erstarrt. Dann flüsterte er ganz leise:
>Ich liebe dich Rhandira. Trauere nicht um mich. Ich weiß in dir steckt mehr als das Schicksal einer Sklavin.<
Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen, aber dann dröhnte die Stimme des Aufsehers.
>Du räudiger Bastard. Ich werde dir die Seele aus dem Leib prügeln!<
Der Aufseher rannte auf ihn zu und schlug mit seiner Peitsche auf ihn ein. Fanor schrie nicht. Ich glaubte er hatte sich die Zunge abgebissen, denn aus seinem Mund sickerte Blut.
>NEIN!< schrie ich und erwachte endlich aus meiner Starre. Ich rannte auf den Wachmann zu, um ihn von meinem Bruder herunter zuziehen, aber starke Arme hielten mich fest. Immer und immer wieder sah ich die Faust des Wachmannes auf meinen Bruder hinunter sausen und hörte das fürchterliche Knacken als der Schädel meines Bruders brach. Alles war voller Blut.
Er war tot.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag.
>Dafür wirst du mir büßen!< grollte ich.
>Ach ja? Und wie?< fragte er mich und sein blutbesudeltes Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Hass kam in mir auf und ich ließ zu, dass er mich einnahm. Ich sah nur noch ein Ziel – Rache.
Ich spürte wie die Kraft meines Hasses in meine Glieder fuhr. Endlich konnte ich mich von den Männern befreien, die mich festhielten und stürzte mich auf dem Wachmann. Ich sah den Schreck in seinen Augen und schlug mit all meiner Kraft auf ihn ein. Ich hörte das Knacken seines Schädels und fühlte wie all seine Lebenskraft aus ihm wich. Ich hatte ihn getötet. Ich hatte meinen Bruder gerächt. Ein hämisches Grinsen stahl sich auf mein Gesicht bevor mir einer der Wachmänner einen Schlag auf den Hinterkopf versetzte und ich in Ohnmacht fiel
.


Ich bekam keine Luft mehr. Ich rang verzweifelt nach Atem aber meine Lunge füllte sich mit Wasser. Ich nahm all meine Kraft zusammen und hustete das Wasser aus, aber gleichzeitig spürte ich das schmerzhafte Pochen an meinem Hinterkopf.
Ich richtete mich ruckartig auf, was ich sofort bereute. Ein plötzlicher Schwindelanfall überfiel mich. Mit einem Stöhnen fasste ich mir an den Kopf und versuchte nicht wieder in die Ohnmacht zu gleiten.
>Ein Glück das du leben ich dachte schon du wärst Tod<
Ich stöhnte wieder, die Stimmer war furchtbar laut in meinem Kopf.
>Bitte sprich leiser< flüsterte ich, wobei ich die Augen fest geschlossen hielt um nicht wieder Ohnmächtig zu werden.
Der Mann kicherte leise und ich betastete vorsichtig meinen Hinterkopf. Blut klebte an meinen Fingern.
>Du musst dich langsam aufrichten.< sagte er jetzt deutlich leiser.
Es dauerte ein paar Minuten bis ich mich aufgesetzt hatte und meine Augen öffnen konnte ohne das sich alles drehte.
>Wo sind wir?< fragte ich. Es war stockdunkel und ich konnte nicht erkennen in welchem Raum wir uns befanden.
> Im Kerker. Keine Angst es ist nur so dunkel, weil es Nacht ist und die Wachen sich gerade die Birne mit Schnaps zuschütten. Vielleicht kann ich ein wenig Licht riskieren damit du weißt wo du bist.<
Ein Schwaches weißes Licht erhellte den Raum. Gerade genug um die Gitterstäbe zu sehen und das Gesicht des Mannes der mit mir gesprochen hatte. Er war noch jung. Vielleicht 20 oder 21 nicht mehr als ein paar Jahre älter als ich, aber in seinen Augen lag ein Ausdruck, der sein Jugendliches Gesicht Lügen strafte
>Wie lange bist du schon hier?< fragte ich.
>Zu lange.< sagte er knapp und ich wusste, dass das die einzige Antwort ist die ich von ihm bekommen würde.
>Bist du ein Magier?< fragte ich während ich seine Hand betrachtete auf der eine kleine weiße Kugel aus Licht schwebte.
>Ein Argetlam.< als ich ihn nur fragend anschaute fuhr er seufzend fort >Mein Drache hat mir die Magie geschenkt oder vielmehr den Zugriff darauf.<
Wenn mein Kopf nicht so dröhnen würde und der Tod meines Bruders kein Loch in meiner Brust hinterlassen hätte, dann wäre ich wahrscheinlich begeistert gewesen, aber jetzt könnte er auch ein Sklave oder ein Bettler sein und es hätte mich genauso interessiert.
>Komm hierhin ich kann deine Kopfschmerzen heilen.<
Ich war zu müde und ausgelaugt um zu widersprechen, also ging ich zu den Gitterstäben, die unsere Zellen trennten. Er legte seine Hand an meinen Hinterkopf und ich merkte Augenblicklich wie der Schmerz nachließ. Ich konnte nicht sagen wie lange es dauerte, aber es schien wie eine Ewigkeit. Als er von mir losließ fühlte sich mein Kopf wieder ganz gesund an, aber der Drachenreiter setzte sich keuchend auf den Boden.
>Die Verletzung war schlimmer als ich gedacht hatte.< stieß er hervor.
>Danke< Ich wusste das es grausam von mir war ist nichts mehr zu sagen, aber der Tod meines Bruders hatte eine zu große Wunde hinterlassen.
Ich legte mich auf den Boden und weinte stille Tränen, bis mein Herz leer war und ich dem Urteil des Scharfrichters ohne Angst entgegen blicken konnte.

Einer der Wachen kam herunter und schob uns Wasser und trockenes Brot und unsere Zellen. Wir kauten schweigend bis der Drachenreiter fragte:
>Wie heißt du?<
>Ist das denn noch von Bedeutung? Aber wenn du es wissen willst. Rhandira. Und du?<
>Cirdan Reiter von Mandra.<
>Wo ist dein Drache jetzt?<
>Sie ist auf dem Minalcar.<
Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme, aber er hatte mich neugierig gemacht.
>Warum hilft sie dir nicht aus der Patsche? Ein Drache könnte doch Mitsicherheit einiges ausrichten.<
>Ja das könnte sie, aber sie ist tragend. Sie ist eines der letzten Weibchen ihrer Art deshalb muss auf sie und auf ihre Eier besonderer Wert gelegt werden. Aber der Kampf gegen Burgura den Besessenen muss weitergehen. Aber auch so werde ich hier raus kommen.<
>Und wie willst du das anstellen?< der Spott in meiner Stimme war nicht zu überhören.
>Das Problem ist nicht aus dem Kerker zu kommen sondern aus der Stadt. Ich kann kämpfen aber nicht gegen eine ganze Armee.<
>Ja der letzte Ausweg ist da wohl nur der Galgen<
Wir schwiegen. Meine Antwort hatte uns beide erschreckt. Wie konnte ich dem nur so nüchtern entgegen blicken?
>Warum bist du hier?< fragte Cirdan schließlich.
>Ich habe meinen Bruder an einen Wachmann gerächt. Dafür werde ich hängen.<
>Das tut mir Leid. Kennst du dich in der Stadt gut aus?<
>Wenn sie wissen wollen, ob ich die selten benutzten Drecksstraßen durch die Slums kenne wo die Bettler,Säufer und Sklaven wohnen- ja.<

Ich wusste nicht wie er es anstellen wollte hier herauszukommen, aber er meinte nur ich solle das seine Sorge sein lassen. Also ruhte ich mich aus und kaute Gedanken verloren an dem harten Stück Brot.
> Du musst versuchen den schnellsten Weg aus der Stadt für uns zu finden. Am besten wäre, wenn wir zwei schnelle Pferde auftreiben könnten. Ein Glück das es Sommer ist. Im Winter würden wir ohne richtige Ausrüstung wahrscheinlich erfrieren, aber ein klein wenig Proviant sollten wir uns schon besorgen. Hasst du eine Ahnung wo wir das herbekommen?<
>Es wäre nicht das Problem es zukaufen aber diese Leute sind hart gesotten sie werden sich nicht einfach bestehlen lassen.<
>Das wird kein Problem sein.<
>Doch das wird es! Wie willst du das anstellen?<
>Vertrau mir einfach. Ich weiß was ich tue. Aber sag mir wo es lang geht.<
Ich erklärte ihm die Wege wie man aus der Stadt rauskam, wie die Wachen ausgerüstet waren, wo die besten Pferde standen und wo es die haltbarsten Brote gab . Der einzige Grund weshalb ich dieses Spiel mitspielte, war, dass ich nichts zu verlieren hatte. Nichts.
Der Wachmann kam und brachte uns das Abendessen. Die Verpflegung war hier besser als zu meiner Slkavenzeit dachte ich grimmig.
Als er meine Zelle wieder abschließen wollte murmelte Cirdan
>Du hast die Zelle schon abgeschlossen.<
Zu meinem maßlosem Erstaunen ließ der Wachmann von meiner Zelle ab und ließ sie offen stehen. Dann ging er zu Cirdans Zelle und stellte ihm Wasser und Brot hin.
>Bleib stehen!< flüsterte Cirdan und der Wachmann blieb wie angewurzelt stehen.
Mit offenem Mund starrte ich Cirdan an, wie er den Wachmann entkleidete und sich selbst in die schwarz-rote Uniform hüllte. Beschämt senkte ich meinen Blick, als er sich umzog.
> So jetzt müssen wir nur noch hier raus. Bleib einfach neben mir und mische dich nicht ein.<
Ich nickte nur und heftete mich in meinem schmuddeligem Unterkleid an seine Fersen.
Wir eilten eine Wendeltreppe hoch und kamen an anderen Gefangenen vorbei, die uns mit leeren Augen anstarrten. Ich dachte an die vielen unschuldigen Männer und Frauen die hier auf ihr Todesurteil warteten, weil sie ein Stück Brot aus der Küche geklaut hatten, weil sie sich vor lauter Hunger nicht mehr auf den Beinen halten konnten oder weil sie zu schwach waren die Arbeit auszuführen. Wieder stieg in mir dieser unbändige Hass auf der mich zu überfluten drohte.
Cirdan blieb stehen und schaute mich an. Ich biss mir auf die Lippe, damit ich nicht Laut schrie. Meine Muskeln zitterten vor lauter Anspannung. Ich musste die Kraft zurückdrängen.
>Rhandira. Du musst Atmen! Ein und Aus. Komm schon mach mit.<
Er legte meine Hand an seine Brust und ich fühlte den Herzschlag und das sanfte heben und senken seiner Brust. Er schaute mir fest in die Augen und langsam löste sich meine Anspannung, als hätte er ein Teil davon genommen. Ich war dankbar.
>Gut so. Wir müssen weiter! Versuch dich nur auf deine Schritte zu konzentrieren.<
Ich senkte den Blick und schaute auf seine Füße. Tap tap tap wir blieben stehen, aber in meinem Kopf hörte ich immer noch das leise tappen unserer Füße.
>Rhandira. Wo gibt es hier Pferde?<
Ich lief die schon leer gewordene Straße entlang zu dem Pferden von einem angesehenen Verkäufer.
Ich hörte Stimmen und dann das Klackern von Pferdehufen. Zwei Hengste braun und schwarz kamen auf mich zu. Cirdan hob mich auf den Braunen und stieg selbst auf den Schwarzen.
>Halt dich fest!< rief er noch als wir schon im Galopp die Straßen entlang fegten. Der Wind peitschte mir ins Gesicht und ich konnte wieder besser denken. Der rote Nebel in meinem Kopf verzohg sich langsam und ich sah die Gebäude jetzt klarer.
>Kannst du wieder selber reiten?<
>Ja<keuchte ich.
Er warf mir die Zügel meines Hengstes zu. Ich wunderte mich wie weit wir schon aus der Stadt raus waren, denn das Westtor kam schon in Sicht. Wir zügelten unsere Pferde und gingen im Schritt zu den Zöllnern. Sie warfen einen misstrauischen Blick auf mich.
>Was willst du mit dieser Sklavin? Es ist nicht erlaubt ihnen ohne die Erlaubnis der Herrn die Freiheit zu schenken!< herrschte ihn einer der Torwächter an.
>Das Mädchen gehört zu mir und sie darf unbehelligt passieren!<
für einen Moment trat ein verwirrter Ausdruck auf das Gesicht der Wache, aber dann wurde sein rundes Gesicht rot vor Zorn. Er schien Luft zum schreien zu holen, aber Cirdan ist schneller. Der Kopf der Wache fiel auf den Boden und mit einem Satz war er bei der zweiten deren Kopf auch auf den Boden fiel.
>Schnell! Das wird nicht lange unbemerkt bleiben!< Er gab seinem Hengst die Sporen und wir flogen auf unseren Hengsten die Straße entlang die nach Westen in den großen Wald führte.


Kapitel 2

>Hier du musst mehr essen!< er warf mir ein großes Stück Brot und Käse zu, während er seinen Blick ungeniert über meinen, nur mit einem Wollkleid bedeckten Körper gleiten ließ. Aber ich nahm das Brot danken an und genoss den Käse. Ich konnte mich nicht mehr erinnern wie lange es her war, als ich zum letzten mal Käse gegessen hatte.
>Oh je. Wann hast du denn zum letzten Mal richtig gegessen?< fragte Cirdan.
>Also wenn du nicht das ekelige Zeug meinst was wir als Sklaven immer aufgetischt bekommen haben...dann mit 12.<
>Grundgütiger mit 12 versklavt!<
>Du siehst ich bin nichts sonderlich Gutes gewöhnt. Ich verspreche dir gleich morgen früh meine eigenen Wege zu gehen. Ich will dir nicht zur Last fallen Drachenreiter!< Schon wieder blitzte es hinter meinen Augen rot auf und der Zorn drohte meienn Blick zu verschleiern.
>Rhandira! Lerne dich zu beherrschen!<
Die forsche Bemerkung brachte wieder etwas Klarheit in meinen Kopf und das Rot wich dem dunklem Blau der Nacht.
>Verdammt! Du kannst nicht einfach gehen! Merkst du denn nicht das du dich nur mit Mühe beherrschen kannst! Das die Kraft in dir zu groß ist?< er stand auf und tigerte vor mir auf und ab. Und ich saß nur da und verstand gar nichts.
>Welche Kraft?< fragte ich kleinlaut.
>Du weißt also nichts darüber?< er klang so ungläubig das ich mich wie ein kleines Kind fühle dem man erklärt das Kühe Milch geben und so schüttelte ich nur mit dem Kopf.
>Du besitzt gewisse Kräfte. Es ist schwer zu erklären. Du kannst aus deinen Gefühlen Energie gewinnen, aber du schaffst es nicht sie zu kontrollieren geschweige denn mit ihnen Zauber zu wirken. Wenn du nicht lernst dich unter Kontrolle zu halten, werden deine Gefühle dich irgendwann umbringen. Aber es ist keine dauerhafte Lösung es zu unterdrücken. Am besten wäre, wenn du mit mir zu den Alben reist, sie werden dich lehren wie du damit umgehen kannst. Ich bin noch kein Meister und muss noch selbst viel lernen.<
Was würde es für einen Sinn haben mit ihm zu streiten? Ich musste der Wahrheit ins Auge blicken: ich war allein, wenn ich ihn verließ und ich konnte von niemandem in diesem Land Hilfe erwarten.
>Gut ich komme mit. Aber wie soll ich lernen mich zu beherrschen? Ich meine was kann ich tun ?<
>Du darfst nicht zornig werden. Es erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin aber man kann es schaffen. Wenn du merkst das die Magie in dir überhand nehmen will, dann musst du sie zurückdrängen. Konzentriere dich einfach auf irgendetwas und versuche sie in den letzten Winkel deines Kopfes zurückzudrängen, bis du wieder klar denken kannst. Glaub mir, einmal gebändigt ist sie sehr nützlich<
er zwinkerte mir zu und nahm einen Stein in eine Hand.
>Wir können ein bisschen Knobeln. Versuche den Stein zu fühlen.<
>Wie soll denn das gehen?<
Wie sollte ein Kinderspiel mir helfen mein Temperament zu zügeln und wie sollte ich fühlen in welcher Hand der Stein ist?
>Richte deine ganze Konzentration auf meine Fäuste!<
Ich starrte wie gebannt auf seine starken Fäuste aber ich könnte keinen Unterschied erkennen.
>Wie soll das denn gehen?< Langsam verlor ich die Geduld. Ich war müde und wollte schlafen, aber er hielt mich mit Kinderspielen auf!
>Schließ deine Augen und versuche mich zu spüren. Du musst das Leben fühlen.<
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Und tatsächlich konnte ich die Kraft die von ihm ausging spüren. Ich wendete meine Konzentration auf seine Hände und aufeinmal wusste ich es!
>Die Linke!<
>Nicht schlecht für den Anfang, aber du musst noch viel lernen!< Ein zufriedenes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht.
>Ach ja. Bevor ich es noch vergesse. Ich hab dir ein paar Kleider mitgebracht und Schuhe. Du warst ja ziemlich weggetreten also habe ich das nächstbeste genommen. Ich hoffe es passt.<
Er ging zu seinen Satteltaschen und holte eine Hose, ein Hemd und einen grünen Umhang hervor dazu ein paar Lederschuhe und reichte sie mir.
Ich ging zu dem kleinen Bach der nur ein paar Meter hinter unserem Lager dahin plätscherte und wusch mich dort mit dem kühlem Wasser. Die Sachen waren ein bisschen weit, aber das lag wohl an mir. Es ließ sich nicht leugnen, ich war abgemagert. Meine Oberarme waren so dünn wie es gesunde Unterarme sein sollten und mit den Beinen verhielt es sich nicht anders. Auch die Schuhe waren viel zu groß aber darüber war ich nicht traurig. Ich möchte keine Schuhe, ich lief viel lieber Barfuß, vor allem im Sommer. Also ging ich wieder zu unserem Lager zurück wo Cirdan die Pferde versorgte.


Sanftes Licht viel durch das Blätterdach des Buchenwaldes. Die frische Luft tat mir gut und das zwitschern der Vögel zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht, aber die Trauer um meinen Bruder war noch zu nah, sodass das Lächeln einer von Trauer gekennzeichneten Miene platz machte und dort auch für die nächste Zeit bleiben würde.

Am nächsten morgen stand ich auf und weil Cirdan nirgends zu sehen war ging ich zu dem kleinen Bach, um sofort wie angewurzelt stehen zu bleiben. Cirdan war da aber nackt! Er stand am Bach und wusch sich. Ich wusste ich sollte sofort kehrtmachen und so tun als würde ich schlafen, aber ich konnte nicht umhin noch einen Blick auf seine Rückenmuskulatur zu werfen. Ich schlich zurück und ging zu den Pferden. Die beiden standen angepflockt friedlich nebeneinander und knabberten an dem bisschen Gras, welches hier auf dem Waldboden wuchs. Es waren stolze Tiere, groß, schlank aber stark mit einem breitem Hals wie man es von Hengsten kannte. Als ich näher kam hoben sie die Köpfe und schnupperten an meinen Handflächen. Es erinnerte mich daran wie ich als Kind jeden Morgen unsere Arbeitsstute Lissy gefüttert hatte. Tag für Tag lief ich noch vor Sonnenuntergang aus dem Haus zu unserer Stute und brachte ihr das Futter, bis das Heer unseres Königs fiel und die Soldaten Burguras alles verbrannten und die Einwohner versklavten. Es ging das Gerücht um, dass Burgura früher ein mächtiger Zauberer gewesen sei, aber er hätte nach einem Weg gesucht die Unsterblichkeit der Elben und Alben zu erlangen. Doch das Experiment gelang nicht ganz. Böse Geister sollen ihn heimgesucht haben und ihn zu dem gemacht haben was er jetzt ist.
Es war mir egal aber er verdient den Tod für das was er dem Land angetan hat, den Menschen, meiner Familie und mir.
>Schon richtig wach?< Cirdan sprang vor und schüttelte seine schwarzen nassen Haare, sodass mir einige Tropfen ins Gesicht fielen. Ich musste Lachen, den er hatte ein so warmes und herzliches Lächeln im Gesicht, dass man trotz aller Niedergeschlagenheit nicht umhin konnte es zu erwidern.
>Ja. Jetzt schon!<
>Wenn du auch noch ein Bad nehmen möchtest, dann solltest du dich beeilen, wir müssen nämlich aufbrechen. Ich bin mir sicher das sie Schergen ausschicken werden um uns zu finden.<
>Danke ich habe gestern Abend gebadet.<
>Gut dann werden wir uns auf die Socken machen!<
>Wohin gehen wir denn?<
>Wir machen bei alten Freunden halt. Es ist nicht weit, aber es führt keine Straße dorthin. Wir werden uns durch den Wald schlagen müssen, aber es wird trotzdem keine zwei Tage dauern, dann musst du dich erst einmal erholen, bis wir den Weg zu den Alben antreten können.<
Zügig packten wir alles zusammen und sattelten unsere Pferde. Cirdan übernahm das meiste, denn er hatte recht ich war mit meinen Kräften am Ende. Nachdem wir aufgesessen hatten warf er mir ein großes Stück Brot, Käse und Dörrfleisch zu welches ich dankbar aß.
>Was sind das eigentlich für Freunde zu denen wir gehen? Und warum leben sie so abgeschieden?< fragte ich nach einer Weile.
>Nun ja es sind zwei Wesen die man auf der Welt nicht noch einmal kennen lernen wird. Mir hat er gesagt ich soll ihn Til Tellergrinde nennen und seine Frau Galatariel. Er ist der Herr der Bäume und seine Frau ist die Herrin der Waldtiere und ihre Stimme zieht jeden in den Bann. Ich habe sie schon einmal mit meinem Meister besucht und damals haben sie uns sehr freundlich empfangen, Ich bin mir sicher auch dieses Mal werden sie sich freuen. Aber ich möchte sie nicht zu meinen Feinden zählen, sie sind sehr alt und sehr mächtig.<
Cirdan erzählte während unserem Ritt viel von seinen Abenteuern. Er erzählte von Kämpfen und von Besuchen bei den Alben und von einem Kampf mit einem Ghul. Die meisten seiner Abenteuer hatte er mit seinem Freund und Meister Tulkas bestritten, der selbst Drachenreiter war.
Es war schön ihm zuzuhören. Er hatte eine angenehme raue und tiefe Stimme und er lachte gerne. Ein Geräusch welches ich in den letzten 5 Jahren nur zu selten gehört hatte und wenn, dann nur von Wachmännern die einen Sklaven auslachten, wenn er um Gnade winselnd im Dreck lag.
Da war es wieder. Roter Nebel versuchte meine Gedanken zu vergiften, aber dieses mal gelang es mir leichter ihn zurückzudrängen. Ich atmete erleichtert auf und lies die sanften Sonnenstrahlen auf mein Gesicht fallen, während mein Hengst sich einen Weg durchs Unterholz bahnte.
Kurz vor Mittag machten wir auf einer kleinen Lichtung halt, wo wir die Pferde das saftige Gras fressen ließen und uns selbst eine Mahlzeit und ein paar Minuten Ruhe gönnten. Mein Hintern tat vom vielem reiten weh, aber im Vergleich zur Feldarbeit war es ein kleines Übel. Ich wünschte Fanor wäre jetzt hier. Seit dem Überfall auf unser Dorf war er immer ein sicherer Hafen gewesen, der stehts unser Überleben gesichert hatte. Er war mein letzter überlebender Verwandte gewesen. Jetzt stand ich ganz allein und lieferte mich auf Gedeih und Verderb einem Fremden aus. Es war mir ein Rätsel warum Cirdan mir geholfen hatte ohne bisher ein Gegenleistung zu verlangen, aber das würde mit Sicherheit noch kommen- wie es immer kam.
Wir machten uns wieder auf den Weg. Am Nachmittag mussten wir ein breites Flussbett überqueren. Cirdans Hengst scheute und stieg, weil er nicht durch den seichten Fluss gehen wollte, aber nachdem meiner die Aufgabe gemeistert hatte stieg auch er ins Wasser.
>Wir haben soeben die Grenze zu Tils Reich überquert. Wenn wir Glück haben treffen wir ihn auf einem seiner Wanderungen, obwohl es noch ein ganz schönes Stück bis zu seinem Haus ist.<
Der Wald veränderte sich. Der vorher lichte Buchenwald wich einem sehr altem Eichenwald. Zum Teil waren die Bäume so riesig, dass selbst 5 Männer sie nicht umfassen könnten. Hier konnten wir traben, weil der Waldboden trocken und fest war und nur selten stolperten unsere Pferde über die Wurzeln der riesigen Eichen.
Als sich der Tag dem Abend neigte schlugen wir unser Lager an einer nicht sehr alten Eiche auf. Cirdan legte zuvor beide Hände an den Stamm und lauschte. Als ich ihn fragte was er da tat antwortete er:
>Nicht alle Bäume hier sind so freundlich wie sie scheinen. Dieser hier hat noch ein gutes Herz und noch kein Schatten ist über ihn gekommen, aber einige der alten ist nicht zu trauen. Ich übergebe ihm ein Geschenk meiner Kraft, damit er uns diese Nacht vor allem Unheil bewahrt.<
>Du meinst also der Baum hat dich verstanden?< der Spott in meiner Stimme war kaum zu überhören.
>Natürlich! Til wird sich deiner annehmen und dir zeigen, dass Bäume genauso denken wie du und ich, nur tiefgründiger. Für heute reicht es, dass du weißt, dass wir sicher sind und kein Unheil über uns kommt.<

Obwohl ich die Geschichte nicht glaubte, dass der Baum über uns wachte, behielt Cirdan recht. Unsere Nacht war so ruhig, wie ich sie selten erlebt hatte. Nur die Tiere des Waldes kamen an unserem Lager ohne Scheu vorbei.

Die Morgensonne kämpfte sich nur schwer einen Weg durch das Blätterdach der Eichen, aber wir beeilten uns den Weg fortzusetzen. Es war noch nicht Mittag als wir leise die Stimme eines Mannes hörten. Cirdans Gesicht hellte sich auf und er blieb stehen.
>Wir haben Glück, er wird uns zu seinem Haus geleiten, und ich habe den richtigen Weg eingeschlagen.<

Wachset hoch ihr grünen Bäume
Euren Anblick mag ich nicht versäume'
Til- Tel-Toller Tellergrinde
Wachset hoch zum holden Licht
Stark der Stamm der niemals bricht
Til-Tel-Toller Tellergrinde
In jedem Blatt verbergen sich Geschichten
Die euer Dach doch nur verdichten
Til-Tel-Toller Tellergrinde

Wahrlich Cirdan hatte nicht gelogen- ein einzigartiges Geschöpf. Es musste Til sein der da auf uns zugehüpft kam. Er trug ein altes Leinenhemd mit Flicken, dass sich unvorteilhaft über seinem dicken Bauch wölbte, dazu eine braune Lederhose, keine Schuhe aber dafür hatte er 6 Zehen an jedem Fuß und einen Grünen breitkrempigen Spitzhut. Schon bei seinem Anblick musste man Schmunzeln. Als er näher kam sah ich, dass er einen langen Bart trug der mich an Flechten alter Bäume erinnerte.
>Wenn das nicht der junge Reiter Cirdan ist! Welch eine Ehre! Ich freue mich dich zu sehen! Aber wen hast du uns da mitgebracht?< Seine volltönende Stimme behielt ein wenig des Singsangs bei und er stoppte für uns mit einem Hüpfer, wie die Narren ihn oft vor ihren Zuschauern vollführten.
> Ich freue mich auch dich zu sehen alter Til! Das ist Rhandira. Wir sind zusammen aus dem Gefängnis in Dirma geflohen und wollten dich um Hilfe bitten.<

>dann seid ihr hier auch richtig
Denn helfen find ich wichtig
Til-Tel-Toller Tellergrinde<

Er zog seinen Hut vor mir, drehte sich um und sang weiter:

>Wenn die holde Maid mir folgt
Dann ist der Segen des Walds ihr hold
Til-Tel-Toller Tellergrinde
Das Gefühl das sie trägt ist Zorn
Doch nicht immer wird er sein ihr Dorn
Til-Tel-Toller Tellergrinde
Später wird sie ihn verstehn
und er wird sie mit Macht versehn
Til-Tel-Toller Tellergrinde
warum singt sie nicht die holde Frau?
Und des Herren Stimme ach rau
Til-Tel-Toller Tellergrinde...<

Sein Gesang war nicht schön, aber er zog einen doch in seinen Bann und so konnten wir nicht umhin immer wieder Til-Tel-Toller Tellergrinde zu singen.
Obwohl er mir anfangs dick und ungelenk erschienen ist, hüpfte er doch rasch und ausdauernd durch den Wald, sodass unsere Pferde ins schwitzen gerieten. Aber seine sinnigen oder auch unsinnigen Strophen vertrieben alle schlechten Gedanken und Trübsinn und so sangen wir unbeschwert und heiter immer wieder Til-Tel-Toller Tellergrinde...


Kapitel 3

Gleißendes Sonnenlicht blendete uns als wir aus dem dichten Wald hinaus auf eine Lichtung traten und inmitten dieser Lichtung standen zwei Bäume wie ich sie noch nie gesehen hatte.
Der Stamm des einen sah aus als wäre er aus purem Gold gefertigt wohingegen der andere aus Silber zu bestehen schien. Ich konnte meinen Blick nicht von den wahrhaft wundervollen Bäumen abwenden, denn so leblos ihre Stämme im ersten Augenblick auch schienen, so sprühten die Grünen Blätter vor Leben.
>Kommt näher meine Freunde und lasst euch von der Gastfreundlichkeit von dem alten Til und der holden Galatariel verwöhnen!< rief Til und hüpfte auf die zwei wunderlichen Bäume zu, die so dicht beieinander standen, dass sich ihre dicken Stämme, die nicht einmal 30 Mann hätten umfassen können berührten.

>Galatariel die holde Maid
wann kommt sie denn ins Heim geschneit?
Da ruft ihr alter Tellergrinde
hol die Teller her geschwinde!
Tretet ein ihr lieben Leute!
Komm herein die ganze Meute!<

Wir ritten weiter zu dem riesenhaften, wunderschönen Bäumen. Unsere Pferde traten dann und wann auf die Wurzeln der Bäume aber es klang nach normalem Holz und weniger nach einer Art Metall.
Ein kleiner Spatz flog dicht an meinem Ohr vorbei und landete auf Tils Schulter. Der kleine zeigte überhaupt gar keine Scheu, im Gegenteil er zwitscherte munter weiter, bis er zu dem goldenem Baum flog und sich in dessen Wipfel niederließ.
>Goldbeere war am Bach. Sie wird bald eintreffen und Erdbeeren hat sie gesammelt! Die werden euch schmecken!<
Als wir vor den Bäumen standen wurde die Luft von vielstimmigem Vogelgezwitscher erfüllt und Til lud uns ein in sein Heim einzutreten
Nach den Bäumen hatte ich alles erwartet, aber nicht das! Innen drin sah es aus wie in einem gewöhnlichem Holzhaus. Die Wände und der Boden schimmerten zwar leicht golden oder silbern, aber auf dem Boden lagen einfach gewebte Teppiche und die wenigen Möbel hätte sich jeder Bauernmann selbst fertigen können. Es gab sogar einen Herd und das obwohl ihr Heim aus Holz bestand!
>Setzt euch doch meine Lieben! Ich höre die Vögel schon von Galatariel singen!< rief Til und eilte hinaus um seine Frau zu begrüßen.
>Wie gesagt einzigartig!< flüsterte Cirdan mir ins Ohr, nachdem wir uns auf die Holzstühle niedergelassen hatten.
>In der Tat!< flüsterte ich zurück und musterte weiter die Jahresringe auf dem Boden. Diese Bäume mussten unglaublich alt sein!
Von draußen hörten wir wie Til seine Frau freudig begrüßte.
>Oh ich habe schon alles gehört mein lieber Til. Du weißt doch wie gesprächig die kleinen Spatzen immer sind! Aber er meinte das Mädchen sei halb verhungert und ich sollte doch noch bei den Bienen vorbei schauen und ein wenig Honig holen.<
Bei ihren Worten stieg mir die Röte ins Gesicht und ich musste auf den Boden schauen. War ich wirklich so dürr?
>Meine lieben Freunde darf ich euch Galatariel vorstellen?<
Hinter Til trat eine ebenfalls kleine und ebenfalls etwas pumelige Frau ein. Sie trug lange blonde Haare auf dem sie einen Blumenkranz aus Gänseblümchen gesetzt hatte, aus ihrem rundlichen Gesicht lächelte sie uns warmherzig wie eine Mutter an.
>Hallo meine lieben. Ich habe ganz köstlichen Honig und frische Erdbeeren gesammelt!< Ihre Stimme war wie ein helles Glockenspiel und ich wünschte ich könnte sie singen hören, aber ihre strahlend blauen Augen waren so tief wie ein Brunnen von dem man unmöglich sagen könnte wie alt er wäre.
>Aber mein Kind hab doch keine Scheu zu fragen! Ich werde dir alles erklären was du nur wissen willst!<
>Äh... was sind das für Bäume? Ich habe noch nie solche gesehen deren Stämme wie aus Gold und Silber gemacht sind.<
Ihr glockenhelles Lachen erfüllte den Raum.
>Das sind Laurelin die Goldene und Telperion der Silberne. Es sind die ältesten Bäume in ganz Beleriand. Sie stammen aus der Zeit der Altvorderen und sind so für uns gewachsen, niemand hat ihnen diese Form aufgezwungen.<
Die Altvordere Zeit. Ich hatte schon viel von ihren Wundern gehört, von Menschen die über 200 Jahre lebten, von Ollifanten und von Dämonen, aber ich hätte nie gedacht ein Geschöpf das diese Zeit miterlebt hatte zu treffen. Ich strich ehrfürchtig über das goldene Holz Laurelins während Galatariel Feuer für ihren kleinen Herd machte.
>Hat der Baum nichts dagegen, wenn du hier Feuer machst?< fragte ich und beobachtete den kleinen Rauchfaden der durch ein kleines Loch in Baum nach draußen stieg.
>Nein. Wir achten sehr auf die Bäume und wir nehmen nur totes Holz, denn kein Baum soll von uns für Feuer gefällt werden.<

Galatariel machte für uns Pfannkuchen, die sie mit köstlichem Blütenhonig bestrich und dazu gab es ein Getränk, dass so klar war wie Quellwasser, aber trotzdem duftete und schmeckte wie Holunder. Es gab so viel zu essen wie man sich nur wünschen konnte, sodass ich gar keinen Hunger mehr hatte als sie uns Erdbeeren mit Schlagsahne auftischte, aber ich genoss es trotzdem in vollen Zügen. Noch nie hatte ich so köstlich gespeist. Die Stimmung war ausgelassen und Til erzählte uns viele Heldengeschichten aus alten Tagen, die teils tragisch aber auch lustig waren.
Als die Sonne langsam unterging setzte Galatariel sich an ihre goldene Harfe und begann zu singen


>Eh Erz ward gefunden und Baum gefällt
als jung unterm Mond lag die Welt
Eh Elb ward geboren, war er schon alt
eh Unheil erweckt, ging er um im Wald
Er schützte die Bäume bevor der erste Elb sang
und trank aus der Quelle bevor der Hammer erklang
er blieb in seinem Wald
auch wenn der Ruf der Hörner erschallt
Ruhig war sein Gemüt
denn im Frühling warn seine Bäume immer erblüht
Doch einst kam die Zeit
da kamen junge Wesen zu zweit
Krieg zog übers Land
und viele Bäume vom Feinde verbrannt
so sah er seine Bäume geschändet
wurd er vom Zorn geblendet
da stürzte er zum spitzen Turm mit beiden Halblingen
er rannte schnell wie ein Vogel auf Schwingen
Endlich ward die Stunde der Ents gekommen
und bald war der spitze Turm erklommen
es siegte was schon lange wärt
und die Macht blieb dem Feinde verwehrt<

Galatariels Stimme war bezaubern und wir lauschten ihrem Lied über längst vergangene Zeiten gebannt und ließen uns von der Musik tragen.
>So meine Lieben jetzt ist es Zeit zu schlafen! Ihr sollt morgen den Tag geniessen können!< rief Galatariel und schreckte mich aus meinem Traum.
Til führte uns in unsere Schlafräume. Sie waren durch einen Vorhang getrennt und auf dem Boden lagen zwei Matratzen aus Blättern und dünne Sommerdecken. Wir wünschten einander eine gute Nacht und legten uns auf unsere Betten. Sie waren unglaublich weich und gemütlich, sodass ich bald ins Reich der Träume tauchte...

Ich war auf einer grünen Wiese und bunte Schmetterlinge flatterten um mich herum. Dann sah ich ihn. Fanor! Mein Bruder. Ich rannte auf ihn zu und er schloss mich in seine Arme. Er hielt mich einen Moment fest, doch dann nahm er meine Hand und führte mich in einen Wald. Er lief immer schneller, sodass ich über Wurzeln stolperte und oft strauchelte aber er zog mich immer tiefer in den Wald. Langsam wurde mir kalt und ich wollte wieder zurück auf die Wiese und mit ihm den Schmetterlingen nachjagen, aber er drehte sich nicht um sondern lief immer weiter. Doch plötzlich war er weg und ich fiel er Länge nach auf den Boden. Ich schrie nach meinem Bruder und kalte Tränen liefen über meine Wangen, die Luft um mich herum wurde zu dichtem Nebel. Je mehr ich schrie desto mehr nahm der Nebel zu, bis mir die Angst die Kehle zuschnürte.
Da huschten Gestalten im Nebel umher, aber sie waren zu schnell und der Nebel zu dicht. Erst jetzt merkte ich, dass meine Füße tief im Morast eingesunken waren. Ich versuchte wegzurennen, aber ich brachte mich nur tiefer in das Moor bis ich schließlich bis zu den Oberschenkeln im Morast versunken war. Panik überkam mich und jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Aber jetzt sah ich meinen Bruder wieder und mein Herz wurde leichter. Er würde mich retten, so wie er es immer getan hatte. Er galoppierte auf einem Schimmelhengst zu mir, aber das Pferd versank nicht im Moor. Erst jetzt sah ich, dass die Knochen durch das helle Fell durchschimmerten und auch mein Bruder strahlte ein bleiches Licht aus durch das man sein Skelett sehen konnte. Er stieg von seinem Pferd und ging hoch erhobenen Hauptes auf mich zu. Er sah mir in die Augen aber es war nicht mein Bruder der mich ansah. Es waren die roten Augen eines Dämons! Während ich in die roten Augen des Dämons starrte verschwamm sein Gesicht und wurde zu dem eines Engels. Seine Gesichtszüge waren wunderschön aber dann entblößte er einen Mund voller Spitzer Zähne und flüsterte
>Du bist verloren!<.
Er zog ein rotes Schwert und ließ es auf mich niedersausen.

Ich wachte mit einem Schrei auf. Mein Herz hämmerte in meiner Brust und ich rang verzweifelt nach Atem.
>Rhandira was ist los?<
Es war Cirdan und seine Stimme klang ganz nah. Instinktiv versuchte ich Abstand zu gewinnen aber er legte mich eine Hand auf die Schulter und der leichte aber bestimmte Druck lies ein wenig Anspannung weichen.
>Hast du schlecht geträumt?< fragte er nun etwas sanfter und lies sich neben mir aufs Bett nieder.
>Ja...es war nur ein Traum.< meine Stimme klang fern und fremd als wurde sie nicht zu mir gehören und meine Augen starrten weiterhin in die undurchdringliche Dunkelheit.
>Ich mache etwas Licht. In der Dunkelheit gaukeln uns unsere Sinne so manches vor.<
Er stand auf und plötzlich fehlte mich die Wärme seiner Hand auf meiner Schulter. Aber dann erhellte ein schwaches Licht den Raum und der Traum verlor einiges von seinem Schrecken. Cirdan lies sich wieder neben mir nieder und legte einen Arm um meine Schulter.
Es lag nichts sexuelles in dieser Geste, es war ein Zeichen unserer Freundschaft. Ich legte meinen Kopf an seine Brust, wie ich es so oft bei Fanor getan hatte und stumme Tränen rollten über meine Wangen.
Ich hasste mich für diese Schwäche aber ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten und Cirdan blieb einfach nur sitzen und streichelte über mein Haar bis ich irgendwann erschöpft von weinen in einen Traumlosen Schlaf glitt.


Kapitel 4

Als ich am nächsten Morgen aufwachte bekam ich einen Schock, weil ich in Cirdans Armen lag. Aber als ich mich an den Alptraum erinnerte war ich froh, dass er bei mir geblieben war.
Es fiel ein schwacher Lichtstrahl auf Cirdans Kopf und ließ seine unordentlichen schwarzen Haare glänzen. Mir war bis jetzt nicht aufgefallen, dass sein Gesicht schön war. Es war schmal geschnitten und seine Wangenknochen traten unter der ebenmäßigem Haut hervor. Seine Nase war schmal und gerade und führte zu einem schön geschnittenen Mund. Sein Gesicht hatte etwas geheimnisvolles an sich, dass man zu ergründen wünschte. Im gleichmäßigem Rhythmus hob und senkte sich seine Brust.
Ich stieg so leise wie möglich über ihn hinweg um ihn nicht zu wecken und ging in die Küche des sonderbarem Baumhauses. Dort angelangt fand ich Galatariel, die gerade Feuer unter dem Herd machte.
>Welch ein herrlicher Tag heute doch ist. Nicht wahr meine Liebe?< fragte mich Galatariel und schenkte mir ein liebevolles Lächeln.
>Ja es ist wirklich schön heute! Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?<
>Danke mein Liebes aber ich komme gut alleine zurecht. Der liebe Til holt gerade die Eier fürs Frühstück. Möchtest du vielleicht vorher noch zu dem kleinen See um dich zu waschen?<
>Ja gerne wo finde ich die?<
>Oh dein Pferd wird dich führen. Er war gestern schon dort und er ist dir treu ergeben. Du solltest ihm einen Namen geben, den er mit Stolz tragen kann, denn du brachst kein Zaumzeug um ihn zu reiten. Geh nun damit deine Eier nicht kalt sind!<
Ich ging aus dem Baum raus in die warme Morgensonne. Ein paar Meter weiter stand mein Pferd und graste genüsslich das frische grün. Als ich mich ihm näherte hob er den Kopf und trottete auf mich zu.
>Na mein Guter? Wie gefällts dir hier? Galatariel meinte du trägst mich zum kleinen See.<
Aber über ein Problem hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Der Hengst war über 1,70 groß, das war genauso groß wie ich und ich wurde nie ohne Steigbügel aufsitzen können! Ich blickte mich um und sah am Ende der Lichtung einen umgestürzten Baum liegen von ihm aus könnte ich auf den Rücken des Pferdes gelangen. Also ging ich zu dem Baum und stellte mich so, dass ich leicht auf den Pferderücken gelangen konnte. Zu meinem Erstaunen stellte der Hengst sich bereitwillig neben dem Stamm und ließ mich aufsitzen.
>Danke. Aber nun müssen wir zu dem See an der du gestern warst.<
Ich kam mir dumm vor so mit einem Tier zu sprechen aber der Hengst ging zielstrebig durch den Wald. Bald fing er an zu traben. Anfangs klammerte ich mich ängstlich an seiner schwarzen, vollen Mähne fest aber seine Tritte waren federnd und sanft, sodass ich mich bald wohl fühlte und meine Hände sich von seiner Mähne lösten.
Es war nicht weit bis zu einem kleinen Weiher mit einem kleinen Wasserfall, der leise vor sich hin plätscherte.
>Das hast du sehr gut gemacht!<
Ich streichelte ihm über den muskulösen Hals und der Hengst schnaubte zufrieden.
Während ich mich wusch sann ich über einen Namen nach, der einem solchen Pferd gebührte.
>Was meinst du? Ein Name für dich sollte über deine Kraft erzählen und die Feinde erzittern lassen! Ehrentanz? Rohdiamant? Schattenjagd, ist ein guter Name.<
Schattenjagd war ein guter Name für ein solches Pferd!
Als ich fertig war ritt ich auf Schattenjagd zurück zum Baumhaus, wo Galatariel gerade Eier briet und Cirdan ihr zuschaute.
Sie servierte uns Eier, Milch und Brot.
>Hast du einen Namen für dein Pferd gefunden?< fragte Galatariel.
>Ja. Schattenjagd!<
>Ja der Name klingt gut in meinen Ohren. Er erinnert mich an einen stolzen Schimmel der Schattenfell hieß, aber das ist schon lange her. Dein Pferd wird dir gute Dienste erweisen, wie auch Cirdans. Wie soll deiner heißen?< fragte Til.
>Ich hatte an Morgenstern gedacht. Wegen dem Stern auf seinem Kopf und dem schwarzem Fell.< entgegnete Cirdan, der sich weiterhin Ei in den Mund schaufelte.
>Ebenfalls eine gute Wahl.< meinte Galatariel.
Nach dem Frühstück halfen wir alle mit abräumen.
>Rhandira? Kann ich eben mit dir sprechen?< fragte Cirdan
>Natürlich. Worum geht es ?<
>Galatariel hat die seltene Gabe Dinge zu sehen die weit weg geschehen. Sie hat gesehen das die Häscher des Feindes ausgeritten sind um mich zu suchen. Es sind Zauberkundige und Dämonen. Für den Moment sind wir hier sicher aber wir können nicht auf das Glück hoffen unbemerkt auf der Straße zu wandern. Ich habe lange mit Til diskutiert und er meinte wir sollten es mit seiner Vorbereitung wagen durch den Dunkelwald zu gehen. Der Weg hat auch Vorteile, zum Beispiel würde niemand wagen uns dort zu verfolgen aber auf uns lauern viele unvorhergesehene Gefahren. Wirst du mit mir reisen, wenn ich auf diesem Weg zu den Alben wandere?<
Er blickte mich bittend aus seinen grünen Augen an und fuhr fort:
>Ich kann gut verstehen, wenn du den Weg nicht wagen willst, aber ich würde mich freuen dich an meiner Seite zu haben und ich werde alles Mögliche tun damit wir beide da wieder heil herauskommen!<
Ich hatte schon viele Geschichten von dem Dunkelwald gehört, er war das Herzstück des Waldes und es sollte dort so dunkel sein, dass man Tag von Nacht nicht voneinander unterscheiden konnte. Auch hieß es, dass jeder, der den Weg dahin gewagt hatte nicht wieder herauskam, weil viele unheimliche Geschöpfe dort lauerten. Das Risiko war also nicht gerade klein und die Häscher suchten schließlich nicht nach mir. Aber trotzdem...
>Ich werde dich begleiten!<
>Ich danke dir< Er lächelte über das ganze Gesicht und nahm mich in seine Arme. Eine schöne Geste.

Til- Tel-Toller Tellergrinde
eilt zu euch geschwinde
Til- Tel-Toller Tellergrinde
geschwind wird er euch lehren
gegen Unheil euch zu wehren
Til- Tel-Toller Tellergrinde
durch den Dunkelwald wollt ihr nun gehen
doch euren Feind müsst ihr erst noch verdstehn
Til- Tel-Toller Tellergrinde
folgt nun geschwinde
Til- Tel-Toller Tellergrinde

Es war erstaunlich wie froh einen sein Gesang machte. Til rannte über die Lichtung in den Wald und wir bemühten uns hinterherzueilen. Es wunderte mich immer noch wie ein so dicker Mensch so schnell und ausdauernd laufen konnte wohin gegen wir jetzt schon mit unseren Muskeln am kämpfen waren.
Bei einer alten hohen Eiche blieb er endlich stehen und wir rangen nach Atmen.
> Ihr müsst euren Körper stählern bevor ihr in den Dunkelwald geht! Ihr seid nicht in Form, vor allem du nicht Drachenreiter!< tadelte Til behielt aber sein lächeln bei, sodass wir uns nicht gekränkt fühlten.
>Ich bin hier um euch zu lehren, welchen Bäumen ihr trauen könnt und welchen nicht. Im Dunkelwald ist das Wissen um das Herz des Baumes unter welchen ihr schlaft von höchster Wichtigkeit. Wenn ihr unter einem Baum mit verdorbenem Herzen schlaft mag er euch in der Nacht erdrosseln oder euch gefangen nehmen also seit auf der Hut!<
Til hatte sich verändert aus dem lustigem Barden wurde jetzt ein Lehrer, der seine Aufgabe ernst nahm.
>Es braucht ein hohes Maß an Feingefühl um die Absichten eines Baumes zu erkennen. Legt eure Hände an diese Eiche. Sie ist noch jung und unbeeinflusst aber auch noch nicht so mächtig. Ihr müsst die Gefühle des Baumes von euren eigenen zu unterscheiden wissen.<
Wir legten die Hände auf die junge Eiche, die ich alleine hätte umfassen können.
>Versucht euren Geist zu befreien und lasst euch auf die Gefühle des Baumes ein.<
Ich schloss die Augen und versuchte all meine Gefühle und Gedanken zu verbannen. Nachdem ich sicherlich fünf Minuten lang versucht hatte die Gefühle des Baumes zu erkennen gab ich auf und löste mich.
>Ich glaube ich kann das nicht und ich weiß nicht was genau ich fühlen oder hören soll.< murmelte ich niedergeschlagen.
Cirdan stand immer noch an den Baum gelehnt und ließ sich von nichts ablenken.
Til nahm meine Hände in seine.
>Versuche meine Gefühle zu erkennen.< sagte er leise und lächelte warmherzig.
Wieder schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf Til.
Plötzlich wurde ich von anderen Gefühlen heimgesucht als den meinen. Ich spürte eine sehr alte Seele die von Trauer und Sorge aber auch von Glück und Zufriedenheit geprägt war. Ich spürte die Liebe zu den Bäumen und zu dem Wald aber auch die Verachtung von Maschinerie und Tod.
>Gut!< lobte Til und brach den Kontakt mit mir ab.
>Versuche es noch einmal!< forderte er auf und ich ging wieder zu der jungen Eiche.
Dieses mal hatte ich mehr Erfolg. Die Gefühle des Baumes waren ruhig und zurückhaltend aber er mochte unsere Berührung, doch sie hatte auch Angst vor der großen Eiche neben ihr, dass sie ihr irgendwann das ganze Licht stehlen würde und sie sterben würde, wie auch ihre Geschwister um die sie trauerte.
Ich löste mich von dem Baum und auch Cirdan hatte jetzt losgelassen.
>Es war unglaublich!< jauchzte ich.
>Wahrlich! Die Wurzeln der Bäume reichen tief. Ich hätte nie gedacht, das ein Baum eine solch komplexe Gefühlswelt durchlebt! Ich könnte ihm den ganzen Tag zuhören!< auch Cirdans Stimme sprühte vor Begeisterung.
Til schien glücklich über unseren Erfolg und bat uns das gleiche bei der alten Eiche zu tun.
Ich legte die Hände auf den Stamm und horchte auf die Gefühle der Eiche, aber es war viel schwerer. Sie schien sich uns entziehen zu wollen, doch schließlich spürte ich sie.
Ihre Gedanken waren nicht so gütig wie die der jungen Eiche. Sie hasste den Specht der sie pickte nur um in ihr zu wohnen und sie wollte das um jeden Preis verhindern. Ihr Plan war es den Vogel so lange gewähren zu lassen, bis er in ihr war, um dann die Rinde um ihn zu schließen. Uns trat sie mit kaum weniger Verachtung entgegen. Ihr Wunsch war es unsere Füße zu fesseln damit sie uns einen gehörigen Schrecken einjagte, sodass wie nie mehr wiederkommen würden.
Ich löste mich von ihr und schüttelte nur den Kopf, weil ich nicht verstehen konnte wie man nur so viel Hass auf das Leben haben konnte.
>Das ist also einer der Bäume unter denen wir nicht schlafen sollten.< murmelte Cirdan neben mir.
>Genau. Es gibt viele von ihnen im Dunkelwald und nur wenige sind freundlich und bereit euch gegen andere Bäume zu verteidigen.< sagte Til mit einem wehmütigem Lächeln.
>Früher waren ihre Herzen noch nicht so schwarz, aber seit einigen Jahren gibt es immer und immer mehr die denken wie diese alte Eiche. Galatariel und ich können uns nicht erklären wieso die Bäume so bösartig werden. Wenn wir nur wüssten wie man es aufhalten könnte, durch unseren Gesang erinnern wir manche Bäume an ein glückliches Leben, doch auch das heilt sie nicht.< Til betrachtete den Baum und jetzt war keine Spur eines Lächelns in seinem Gesicht, aus seinen Augen sprach eine Jahrhunderte alte Traurigkeit.
>Nun gut. Lasst uns zu Laurelin und Telperion zurückkehren. Am Nachmittag werdet ihr noch mit euren Pferden arbeiten müssen. Die Tiere sind jung, nicht mehr als Kinder, aber in dem Fell eines Erwachsenen.<
Der Rückweg war nicht minder anstrengend, wie der Hinweg und meine Beine schmerzten vor Anstrengung, aber das Mittagessen von Galatariel entschädigte alle Strapazen.
Til meinte eine Stunde Mittagspause sollte uns vergönnt sein und wir sollten uns bei dem schönen Wetter draußen erholen. So gingen Cirdan und ich nach draußen und ließen die Sonne auf unsere wohl gefüllten Bäuche scheinen.
>Wie sieht eigentlich dein Drache aus?< fragte ich nach einiger Zeit
>Mandra ist das schönste Wesen der Welt! Ihre Schuppen sind rot und glänzen in der Sonne leicht golden. An Kraft sind die Männchen ihr zwar deutlich überlegen aber dafür ist die um einiges Eleganter, viel schneller und wendiger. Ihre Augen sehen aus wie geschmolzenes Gold und in ihrer Mitte prangt ein schmaler Onyx.<
>Das hört sich wunderschön an. Wie groß ist sie denn?<
>Sie ist fast zwei Meter hoch und sechs Meter lang, aber sie wird noch wachsen. Sie ist erst acht.<
>Wann hast du sie denn bekommen?<
Cirdan kicherte leise.
>Ich war 20. Es war ein unglaubliches Gefühl als sie mich erkannte und die Eischale aufbrach. Wenn du in der Albenstadt Khelek Din eintriffst wirst du auf die gleiche Weise erprobt, wie ich einst und wenn du für gut befunden wirst wird dir ein Drachenei gegeben. Bei den meisten schlüpft der Drache nach einigen Tagen, aber bei manchen war die Verbindung nicht richtig und der Drache schlüpft nie. Wie du siehst es ist eine Wechselbeziehung zwischen Drache und Reiter. Anfangs sind es zwei verschiedene Seelen, mit der Zeit werden Drache und Reiter immer mehr zu einem Wesen. Paare mit besonders enger Bindung können sogar in Gedanken miteinander reden normalerweise hört man nur den Drachen und der Reiter muss trotzdem noch sprechen.<
>Es muss hart sein für dich so lange von ihr getrennt zu sein, aber gab es keine andere Möglichkeit? Hättest du nicht so lange bei ihr verweilen können?<
>Nein. So schwer es auch ist, aber der Auftrag war von höchster Dringlichkeit!<
>Was musstest du denn tun?<
>Es gab einen Verräter in unseren Reihen und er musste so unauffällig und schnell wie möglich außer Gefecht gesetzt werden. Er war einst ein Freund.<
Es musste hart sein einen Freund zu töten, auch wenn er ein Verräter war.
Cirdan sprach weiter.
>Ich war noch zu jung für den Auftrag aber ich wollte unbedingt wissen warum er das getan hatte. Wir waren früher wie Brüder und ich wollte nicht begreifen, dass diese Zeit vorbei war und mein Zögern brachte mich fast um. Ich gab ihm die Chance zurückzukehren, obwohl die anderen es niemals Geduldet hätten. Erst willigte er ein sich es erst einmal zu über legen. Er legte seinen Arm und meine Schultern und versuchte mich mit der anderen Hand zu erstechen. Es war ein harter Kampf.<
>Aber du hast gesiegt. Oder?<
>Ja. Am Ende schon, aber er hatte mir einige schwere Verletzungen zugefügt. Das ist auch der Grund warum ich im Kerker war.<
Er schluckte schwer und ich war mir sicher, dass er um Beherrschung rang. Er vertraute mir Dinge an, die er sicherlich nicht jedem erzählen würde. Auch wenn ich mit ihm litt freute ich mich doch über sein Vertrauen. Seine Hände lagen neben seinem Körper auf der Wiese. Ich brauchte nur meine Hand ein Stück weiter zu ihm bewegen und ich könnte ihm vielleicht ein wenig Trost spenden. Die Bewegung viel mir unendlich schwer aber ich gab mir einen Ruck und legte meine Hand auf seine. Wir verhakten unsere Finger und er begann wieder zu sprechen.
>Ich hatte Mandra nichts von meinem Auftrag erzählt und als sie merkte, dass ich weggegangen war hörte ich sie immer noch toben.< er lachte in sich hinein bevor er fort fuhr.
>Du musst wissen Drachen sind schon unausstehlich, wenn sie wütend sind, aber einer schwangeren Drachendame möchte man nicht gerne über den Weg laufen, wenn ihr etwas nicht passt! Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich am Leben lassen wird, wenn wir uns wiedersehen.
Sie war von Anfang an dagegen, dass ich Tristan verfolgen sollte. Ihrer Meinung nach war ich noch nicht weit genug. Sie zweifelte nicht an meiner Körperlichen Überlegenheit, aber zu recht beharrte sie darauf, dass ich nicht gegen Tristan kämpfen könnte. Man sollte immer auf seinen Drachen hören, er kennt einen meistens besser, als man wahrhaben will.<
Der Druck seiner Hand verstärkte sich und er atmete tief ein.
>Es tut mir Leid.< Mit diesen Worten stand er auf und ging ins Haus zurück.
>Nichts braucht dir Leid zu tun!< rief ich ihm hinterher.
Er zögerte einen Moment, nur um gleich darauf noch schneller auf das Haus zu zugehen.

Ich blieb noch auf der Wiese liegen und versuchte nicht allzu sehr über Cirdans Verhalten nachzudenken. In den weißen Wolken versuchte ich Tiere und Gegenstände zu erkennen, so wie ich es früher immer getan hatte und auch manchmal während meiner Sklavenzeit. Als ich den Gesang von Til hörte war ich in einer leicht melancholischen Stimmung und das änderte sich auch nicht, als ich sein ewig-strahlendes Gesicht sah.
Wie gingen zu den Pferden, sattelten und trensten sie. Ich verwechselte immer noch ein paar Riemen aber Schatten blieb geduldig und ließ die Prozedur über sich ergehen. Til brachte uns bei die Pferde anders zu reiten als gewöhnlich. Er zeigte uns wie wir nur mit unserem Gewicht die Richtung und das Tempo bestimmen konnten. Es war ein viel angenehmeres reiten ohne Sporen und Zügel, aber manchmal war es trotzdem nötig die Pferde mit eben solchen Mitteln zu Vernunft zu rufen. Viel Zuckerbrot und wenig Peitsche mahnte uns Til immer wieder und nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, Schattenjagd würde eher meine Gedanken lesen als meinen Befehlen zu folgen.
>Ließt er meine Gedanken? Er führt die Befehle schon aus, wenn ich nur daran denke!<
>Nein. Jetzt hast du ihn genau auf dich eingestellt. Du denkst zwar du hättest nur an den Befehl gedacht, aber deine Muskeln haben sich trotzdem ein wenig angespannt. Das sieht sehr gut aus! Ich denke ihr habt euch alle ein erfrischendes bad am kleinen Weiher verdient. Nun aber los!< forderte Til uns auf.
Wir lobten unsere Pferde und ritten gemütlich zum Weiher. Ich war froh, dass das Reiten so gut geklappt hatte. Til hatte uns viel über Pferde erzählt und wie man sie am besten behandelte, damit sie einem den größtmöglichen Dienst erwiesen.
Cirdan schien absichtlich einen großen Abstand zu halten. Er war der stärkere Reiter von uns beiden und hatte mehr Erfahrung, aber ihm fehlten ein wenig Feingefühl.
Am Weiher angelangt rutschte ich von meinem Pferd. Ich zog meine Sachen aus, bis ich nur noch im Unterkleid dastand. Ich sprang wieder auf Schattenjagd und ritt mit ihm so tief in den Weiher, bis er schwimmen musste. Das Wasser tat uns beiden gut aber Schattenjagd spielte bald im seichterem Wasser.
Cirdan wusch sich nur das Gesicht und ließ sein Pferd trinken.
Es war lächerlich wie es sich verhielt. Ich hatte ihn nicht dazu gedrängt mir etwas zu erzählen, was er lieber für sich behalten wollte!
>Du kannst mir ruhig sagen, wenn du möchtest, dass ich meine eigenen Wege gehen.<
fauchte ich ihn von Ufer her an. Er entgegnete mir nicht sondern trat nur verlegen vom einen Fuß auf dem anderen.
>Ich verspreche dir mein Dickschädel steht deinem in nichts nach!< Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging hoch erhobenen Kopfes in Richtung der zwei Bäume, in denen wir wieder die Nacht verbringen würden.
Nachdem ich ein paar Meter gegangen war hörte ich, wie nun auch Cirdan und Morgenstern ins Wasser gingen, aber ich drehte mich nicht um.


Kapitel 5

Der Streit mit Cirdan belastete mich zusehends. Beim Frühstück warf ich immer wieder verstohlene Blicke zu ihm, aber er blickte nicht von seinen Eiern auf und sprach auch sonst nicht.
Als Til uns am Vormittag in den Wald führte, um uns zuzeigen, was wir im Dunkelwald essen konnten und wie wir es zubereiten sollten, hatte ich das Gefühl gleich schreien oder weinen zu müssen. Til sang heiter wie eh und eh je, aber ich konnte seinem Gesang heute nicht viel abgewinnen und ballte anstatt dessen die Fäuste, während Cirdan mich vollkommen ignorierte.
Til zeigte uns verschiedene Insekten, die auch im Wald vorkommen sollten. Ich hielt gerade eine Finger große Larve in der Hand und beobachtete wie das Leben unter ihrer durchsichtigen Haut pulsierte, bei dem Gedanken sie zu essen wurde mir Übel. Glücklicherweise würden wir das nur tun müssen, wenn wir uns verliefen oder nicht schnell genug voran kommen würden.
Er ermahnte uns außerdem nur totes Holz für ein Lagerfeuer zu nehmen, damit wir nicht den Zorn der Bäume auf uns zogen.

Am Nachmittag trug Til Cirdan auf, mich im Schwertkampf zu unterweisen, während er und Galatariel im Wald nach Beeren suchen würden.
Ich saß auf der Wiese und spielte mit einer Strähne meiner Kastanienbraunen Haaren. Cirdan ließ sich wortlos neben mir nieder. Ich presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, denn mein Versprechen würde ich nicht so schnell brechen!
>Rhandira?<
Ich antwortete nicht, es musste ihm klar sein, dass ich zuhörte. Vor mir auf der Wiese stand ein Gänseblümchen, ich pflückte es und zog die Blütenblätter einzeln aus, um meine Hände zu beschäftigen. Am liebsten wäre ich ihm jetzt um den Hals gefallen und hätte darum gebettelt, dass er nicht sauer auf mich sein durfte.
>Ich hätte dir solche Sachen nicht anvertrauen dürfen. Mein Zorn war nicht für dich bestimmt. Ich war sauer auf mich selbst, aber du musstest darunter leiden. Du hast guten Grund mir jetzt zu sagen, dass du deiner eigenen Wege gehen willst. Es tut mir leid.<
Cirdan blickte auf seine Füße und biss sich auf die Unterlippe. Man konnte sehen wie er um seine Beherrschung rang. Ich hätte zu gerne gewusst, was er noch gesagt hätte, wenn ich weiter geschwiegen hätte, aber stattdessen stand ich auf und nahm mir ein Schwert.
>Dann bring mir mal bei, wie man mit so einem Ding kämpft!< forderte ich ihn auf und lächelte dabei.
>Am wichtigsten ist beim Übungskampf, dass dein Schwert auch sein Ziel findet. Das heißt du musst abblocken bevor das Schwert deinen Partner verletzen kann! Zunächst musst du ein Gefühl für die Waffe bekommen. Dein Schwert ist ein Anderthalbhänder. Du kannst es mit einer oder mit zwei Händen führen, das macht die Waffe gefährlich, hält sie jedoch flexibel.<
Er rammte einen Ast in den Boden, dieser war etwa armdick und hüfthoch. Ich sollte versuchen den Ast gezielt und kontrolliert zu Kleinholz verarbeiten. Anfangs hatte ich Probleme, denn man unterschätzte das Gewicht und die Eigentümlichkeit eines Schwertes, aber als von dem Ast nicht mehr viel übrig war hatte ich ein ganz gutes Gefühl für das Schwert bekommen.
Cirdan zeigte mir verschiedene Grundtechniken, die wir trocken ausführten und später auch gezielt uns abgesprochen gegeneinander richteten. Mit der Zeit führte ich den einstudierten Schlagabtausch immer schneller und sicherer durch, sodass wir bald eine Pause machten.
Ich schwitzte und auch meine Arme schmerzten und zitterten von der Anstrengung, aber ich verlor kein Wort darüber.
>Du machst das gut!< lobte mich Cirdan.
Ich schenkte ihm ein breites Lächeln und trank einen Schluck Wasser.
Wir übten noch lange weiter und ich lernte viele verschiedene Schläge auszuführen und zu parieren. Es machte mir erstaunlich viel Spaß, jedoch seufzte ich auf als Galatariel uns zum essen rief, denn ich hatte das Gefühl meine Arme müssten gleich abfallen.
Wir waren beide sehr erschöpft und gingen direkt nach dem Abendessen in unsere Betten.

Der nächste Morgen kam meiner Meinung nach viel zu früh, so saß ich noch im Halbschlaf beim Frühstück als Cirdan meinte:
>Ich denke es ist das beste, wenn wir am Morgen des dritten Tages aufbrechen. Ich möchte nicht in einen Sturm geraten, wenn wir zu Khelek Din gelangen.<
Til blickte ihn nachdenklich an.
>Ja du sprichst weise. Im Norden zieht der Herbst früher ein, aber trotzdem werdet ihr noch genügend Zeit haben, wenn das Wetter euch hold bleibt. Am Morgen des dritten Tages werde ich euch genügend Vorräte mitgeben damit ihr im Dunkelwald nicht hungern müsst. Hinter dem Dunkelwald liegt ein kleines Dorf, dort werdet ihr genügend Vorräte für die nächste Etappe eurer Reise kaufen können, außerdem ist der Wald dort mit Wild gesegnet.<
Cirdan und ich übten am Vormittag weiter und ich machte wirklich Fortschritte. Er hätte mich zwar jederzeit besiegen können, aber er meinte es gäbe Hoffnung, dass ich mal eine sehr gute Schwertkämpferin werden würde. Am Nachmittag lernte ich Bogenschießen. Das lag mir nicht halb so gut, wie der Schwertkampf, aber Cirdan meinte, dass ich Wild wohl kaum mit dem Schwert erlegen könnte.
Am Abend blieben wir noch lange wach und hörten Tils Geschichten zu, die von lang vergessenen Tagen handelten.
>Es gab einmal eine Zeit, wo die Magie noch nicht an die Drachen geknüpft war. Es war eine Zeit in der es wahre Zauberer gab. Sie waren unsterblich, besaßen große Macht und vollbrachten viele Wunder. Ihre Macht wurde gehütet und sie benutzten sie nicht ohne Grund. Sie waren auf Wissen erpicht, aber als ein dunkler Herrscher damit drohte die Macht an sich zu reißen wurde der Geist des Weißen und mächtigsten Zauberers vergiftet. Er besaß die Gabe in die Zukunft zu schauen und was er sah machte ihm Angst. So schloss er einen Packt mit dem dunklen Herrscher und verschwor sich mit ihm gegen die Menschen und den Rest der Zauberer. Er erschuf ein fürchterliches Wesen, die Orks. Sie waren von Grund auf böse und liebten Blut und Tod. Wenn man in ihre Fänge geriet wurde man so lange gequält uns verstümmelt, bis man nicht mehr bei Bewusstsein war und wurde dann gefressen. Er schickte eine zehntausend Orks gegen das Reitervolk der Menschen aus. Die Orks belagerten die Menschen sieben Tage lang und der Sieg schien für sie zum greifen nah, aber da eilte der Graue Zauberer mit einer Streitmacht heran, die die Orks niederschlug. Nach der siegreichen Schlacht ritt der Graue Zauberer zur Festung des Weißen. Er versuchte ihn zunächst auf seine Seite zu ziehen, denn er wäre ein mächtiger Verbündeter gewesen, doch der weiße Zauberer versuchte den Geist des Königs zu vergiften. Seine Stimme und seine Erscheinung soll so wundervoll gewesen sein, dass alle ihrem Zauber unterlagen, nur der Graue kannte seine Tücken und erschlug den Zauberer, doch seine Seele soll noch immer auf der Erde verweilen.<
Nach dieser Geschichte gingen wir in unsere Betten, aber ich konnte nicht schlafen, obwohl ich müde war. Die Geschichten, die Til uns sonst erzählte waren weitaus spannender und heldenreicher als die letzte. Ich hatte das Gefühl, dass er uns damit etwas mitteilen wollte, doch es war müßig darüber nachzugrübeln und so sank ich schließlich doch in einen unruhigen Schlaf.

Die letzte Nacht in Laurelin und Telperion, den beiden wundersamen Bäumen stand uns bevor.
Wir packten unsere Sachen und Til versprach die Vorräte morgen früh auf die Pferde zu laden und er riet uns, dass wir früh schlafen gehen sollten, damit wir schnell voran kämen. Er gab uns noch ein paar letzte Ratschläge für den Dunkelwald. Mir wurde schwer ums Herz, als ich an den Abschied dachte. Til und Galatariel waren mir sehr ans Herz gewachsen.


Kapitel 6

Seit drei Stunden ritten wir nun durch den Wald und die Veränderung war deutlich zu sehen und zu spüren. Das Unterholz verschwand zusehends und die Bäume wurden älter und verwitterter. Durch die dunklen Blätter der alten Eichen viel nur spärliches Licht und uns fiel es immer schwerer alles im Blick zuhalten. Cirdan schätzte, dass es noch etwa eine Stunde dauern würde bis um uns alles völlig dunkel sein würde.
Til hatte jedem von uns einen leuchtenden Stein mitgegeben, damit wir uns zurechtfanden. Er nannte sie Ancalima und schärfte uns ein sie nicht zu verlieren, denn es gab nur noch sehr wenige dieser Steine.
Cirdan begann ein bekanntes Wanderleid zu singen. Normalerweise hätte ich eingestimmt aber seine Stimme war so volltönend und schön, dass ich ihr den Glanz genommen hätte.
Der Wald wurde immer dunkler bis wir unsere Ancalimas herausholten und sie mit dem Wort galad zum leuchten brachten, aber selbst so konnten wir nur etwas sieben Schritt weit sehen. Ich konnte die Zeit nicht mehr einschätzen und bald ermüdeten meine Augen. Nach Tils Einschätzung sollten wir am Abend des dritten Tages wieder einen Himmel sehen können.
>Wir sollten Rast machen.< meinte Cirdan schließlich und ich war nur zu dankbar. Die Bäume engten mich ein und die Dunkelheit drückte auf unsere Stimmung. Nach einem kargem Mahl gingen wir weiter und mir schien es als wären es eher Tage als Stunden gewesen als wir unser Nachtlager aufschlugen. Es dauerte lange einen freundlich gesinnten Baum zu finden. Es erstaunte mich wie feindselig die Bäume uns gegenüber waren. Wir stellten keine Wache auf, denn wir waren uns einig, dass der Baum uns helfen würde. Als ich mich hinlegte schlief ich sofort ein, aber ich wurde von Alpträumen heimgesucht. Ich träumte von hässlichen Fratzen auf Bäumen und von Schattenhaften Wesen, die ich nie genau betrachten konnte mir aber einen kalten Schauer über den Rücken jagten.
>Rhandira!< es war Cirdans Stimme, doch ich wollte noch nicht aufwachen, noch nicht , ich war noch zu müde. Er schüttelte mich, bis ich die Augen aufmachte . Die Ancalimas waren bis auf ein Minimum gedämmt sodass ich sein besorgtes Gesicht sehen konnte.
>Du hast dich im Schlaf verkrampft.<
>Dieser Wald ist kein Ort für mich< murmelte ich und schlief wieder ein nur um wieder von Alpträumen geplagt zu werden.

Cirdan goss mir einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht und ich musste prusten, weil ich einiges davon verschluckt hatte. Das Lager war schon abgebrochen und die Pferde gesattelt. Er half mir auf die Beine und ich ging zu meinem Pferd. Ich lehnte mich kurz an seine feste warme Schulter und genoss die wärme und das trügerische Gefühl der Sicherheit. Ich stieg langsam auf und hielt mich am Sattelhorn fest. Der Wald schien mit all seiner Kraft auf mich zu drücken. Meine Glieder fühlten sich kalt an, obwohl es sicherlich warm genug war, meine Muskeln zitterten vor Übersäuerung, was ich nicht verstehen konnte und meine Augen fielen mir immer wieder zu.
Es war viel zu still hier im Wald. Keine Vögel sangen, kein Wild kam vorbei. Nichts. Bei jedem knacken fuhr ich zusammen und kalter Schweiß lief mir den Rücken hinab. Ich hatte das seltsame Gefühl beobachtet zu werden und zwar von sehr unfreundlichen Wesen.
Wir stiegen nicht ab um etwas zu essen sondern liefen in einem durch. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wünschte mir sehnlichst die Sonne oder die Sterne herbei. Ich summte ein altes Kinderlied und wankte dazu leicht hin und her, während Cirdan das Lager aufschlug.
Er nahm mich in seine Arme und die wärme tat gut. Seine Worte drangen wie durch Watte zu meinen Ohren. Es war viel zu anstrengend und so sang ich einfach weiter das Kinderlied.
Ich wusste nicht mehr ob ich schlief oder wach war. Wahrscheinlich etwas dazwischen. Ich hörte süßen, verheißungsvollen Gesang und er wurde immer lauter und kräftiger. Jetzt sah ich woher er kam. Junge Frauen und Männer liefen leichtfüßig durch den Wald. Sie schienen von innen heraus zu leuchten. Als sie näher kamen sah ich ihre schönen Gesichter und ihre Körper, die nur stellen weise von dünner Seide bedeckt wurde, aber doch mehr offenbarten als es üblich war.
Ich wurde ganz bezaubert von ihrem Gesang und ihrem Tanz.
>Komm mit uns. Wir werden dir alle Freuden des Lebens schenken!< rief eine junge Frau mit wallendem blondem Haar. Ich wünschte nur ich könnte auch so hübsch sein.
>Wir werden dich zur schönsten Frau der Welt machen! Nun komm!<
Sie streckte mir ihre Hand entgegen und ich gab ihr meine. Ich wurde sanft aus Cirdans Umarmung gezogen. Er schlief weiter, ich würde zurückkommen nur ein Tanz mit diesen wundervollen Geschöpfen. Nur einen Tanz. Sie nahm mich an den Händen und wir tanzten zu der wunderbar süßen Musik. Es wunderte mich, dass Cirdan immer noch schlief, aber dann würde ich eben alleine Spaß haben. Wir lachten, sangen und tranken zusammen. Der süße Apfelwein stieg mir zu Kopf aber dadurch fühlte ich mich nur noch unbeschwerter und jauchzte vor Glück. Sie kleideten mich in prachtvolle Gewänder und flochten meine Haare. Jemand steckte mir einen Armreif ums Handgelenk, doch als ich in mir ansehen wollte zogen sie an meinen Armen. Die Musik verstarb und auch die Geschöpfe hörten auf zu leuchten. Ich war wieder in der Dunkelheit des Waldes gefangen. Sie zogen weiter an meinen Handgelenken. Das waren keine Armreifen, das waren Handschellen!
Ich musste zurücktreten, bis ich mit dem Rücken an einen Baum stieß. Tränen rannen meine Wangen hinunter. Der Alkohol verstärkte all meine Gefühle. Verzweiflung und Angst stürzten auf mich ein. Eiskalte Schauer rannen meinen Rücken hinab und drohten mich zu zerreißen. Das Adrenalin schoss durch meine Blutbahn, aber ich konnte es gegen nichts richten. Ich war gefesselt und musste warten. Warten auf den Tod? Ich verlor meine Beherrschung und begann zu schreien.
Ich begehrte gegen meine Fesseln auf, aber nichts nützte.
Endlich sah ich eine Gestalt. Sie leuchtete von innen heraus, wie die anderen. Sie bewegte sich quälend langsam voran, aber ich versuchte meine Angst zu unterdrücken, was mir kaum gelang.
Es war ein Junge. So wunderschön, dass mir der Atem stockte und ich meine Angst fast vergas. Ich hob einen Finger und lies in sanft wie eine Feder über meine Wange, bis hinunter zum Schlüsselbein wandern. Ich sog scharf Luft ein und der Duft, der von ihm ausging war betörend. Meine Gedanken waren ein einziges Wirrwarr und ich hatte nicht mehr den Willen gegen mein Schicksal zu kämpfen. Er lächelte triumphierend und ich sah seine viel zu langen Eckzähne blitzen.
Es war nicht einmal unangenehm, als er die Zähne in meinen Hals schlug. Ich spürte nur, wie das Leben mit jedem Schluck, den er nahm mehr und mehr aus mir wich. Das letzte woran ich mich erinnern konnte, bevor ich in tiefe Dunkelheit sank, war ein gleißend heller Lichtstrahl.


Kapitel 7

Er trieb Morgenstern zu einem halsbrecherischem Galopp und Schattenjagd fegte hinterher. Sein Atem ging ruhig und kontrolliert. Zuversicht war eine Stärke und ein kühler Kopf vonnöten. Er konnte schon die weiße Gestalt sehen, wie sie das Leben aus Rhandira aussaugte.
Er hob beide Ancalimas hoch und rief:
>Aiya Eärendil Elenion Ancalima!<
Die Steine leuchteten so hell auf, dass er geblendet wurde. Der Vampir war verschwunden, aber wahrscheinlich nicht Tod. Er stürzte zu Rhandira. Blut quoll aus ihrem Hals, aber zum Glück lebte sie noch! Er legte einen Finger auf die Bisswunde und murmelte:
>Halla Linta.<
Schmerz zuckte durch seine Finger, während die Wunde sich vor seinen Augen schloss. Ihr Puls war schwach und ihre Lippen, die sonst die Farbe von Wein hatten unterschieden sich nicht von ihrer schneeweißen Haut. Doch immerhin atmete sie. Er schnitt die Fesseln durch und setzte sie vor sich auf Morgenstern. Die Hengste preschten voran, doch dann scheuten und stiegen sie. Cirdan konnte sich und Rhandira nur mit Mühe im Sattel halten.
Vor ihm stand der Vampir in einen schwarzen Mantel gehüllt um sich vor dem Licht der Ancalimas zu schützen.
>Willst du mir das Kind nicht überlassen?< hauchte der Vampir.
Cirdan zog sein Schwert.
>Eher sterbe ich!<
>Edle Worte! Nun solltest du bedenken, was sie wert ist. Nichts im Vergleich zu dir. Du bist ein großer und mächtiger Krieger, denke nur an deinen Drachen!<
Cirdan schluckte schwer. Er durfte sich nicht von seinen Worten entmutigen lassen, der Vampir mochte durch Rhandiras Blut stark sein, aber nicht stark genug! Er versuchte seinen Geist zu schließen. Vampire waren Meister darin die Gedanken ihrer Gegner zu lesen und zu vergiften.
>Weder ich noch Rhandira werden dir zum Opfer fallen!< brüllte Cirdan und wollte Morgenstern vortreiben. Seine Beine versagten ihm den Dienst. Er hatte die Kraft, die in Rhandira schlummerte unterschätzt und diese Kraft besaß nun auch der Vampir, auch wenn er sie nicht so vielfältig nutzen konnte.
>Du hast recht. Ihr Blut war stark. Es ist schon ein Jammer, sie hätte groß werden können und stark, stärker als die meisten.< säuselte der Vampir und kam langsam näher. Cirdans Schutzwall bröckelte immer mehr und drohte in sich zusammenzusstürzen.
>Ihre Haut ist so weiß wie Schnee, ihre Haare und ihre Augen sehen aus wie flüssige Bronze und Ihr Mund war rot wie Blut.<
Der Vampir beugte sich über Rhandira und küsste sie. Als Cirdan das sah, war er wieder bei sinnen. Ein so fürchterliches Geschöpf küsste den Mund nachdem er sich so sehnte. Mit einem Ruck richtete er sich auf und der Bann viel von ihm ab. Er hob sein Schwert und stieß es in den Rücken des Vampirs. Er schrie auf vor Schmerz und seine Kapuze viel von seinem Gesicht. Das Licht der Ancalimas verbrannte die haut und ließ ihn erblinden. Cirdan schlug die Sporen so feste ins Pferd, dass Morgenstern stieg und in Windeseile davon galoppierte.

Das Fell der Pferde glänzte vor Schweiß, als Cirdan von Morgenstern abstieg und sich mit Rhandira auf Schattenjagd setzte. Die Pferde würden das Tempo nicht mehr lange aushalten. Cirdan tätschelte dem Pferd den Hals und hoffte, dass sie bald aus dem Wald raussein würden. Er hielt seine Hand an Rhandiras Mund und stellte erleichtert fest, dass sie noch atmete. Schattenjagds Galopp war unglaublich weich und trotz der Anstrengung hielt er tapfer durch.
Zu seiner Erleichterung erreichten sie den Waldrand. Die Pferde gingen dankbar Schritt und schnaubten noch.
Es tat furchtbar gut die Sonne wiederzusehen, auch wenn die Bäume hier nur spärliches Licht durch ihr Blätterdach fallen ließen.
Rhandiras Gesicht sah jetzt friedlicher aus, mehr als würde sie schlafen und auch ihre Atemzüge waren tiefer. Er schallt sich einen Idioten, dass er nicht besser auf sie aufgepasst hatte. Die Anzeichen waren kaum zu übersehen! Die Vampire waren gerissen und schlichen sich in den Geist eines Menschen bevor sie sie verführten.
Er dachte an den Vampir. Nie hätte er sie so geküsst, wie es der Vampir getan hatte-zumindest nicht bewusstlos. Sie war anders als die meisten Frauen. Die meisten waren nicht mehr als eine Freude für eine Nacht, für die man sich so manches Mal schämte. Das war ein Vorzug, den man als Drachenreiter genoss, Ansehen und damit auch Frauen. Er fühlte sich schlecht dabei, wie er sie in seinen Armen hielt und gleichzeitig an die Frauen dachte, die im Grunde nicht viel mehr als Huren gewesen waren.
An einem kleinen Bach machten sie Halt und er ließ die Pferde trinken. Gerade hatte er Rhandira auf eine Decke gelegt und wollte sich gerade das Gesicht waschen, als er eine Stimme hörte.
>Bleibt sofort stehen Fremder! Ihr seid umzingelt! Wie lautet euer Name?< Die Stimme war forsch und bestimmt- ein Mann, der es gewohnt war Befehle zu geben.
>Ich bin ein Wanderer und werde euch mit Vergnügen meinen Namen sagen, wenn ihr mir euer Gesicht zeigt.<
Er hielt die Hände hoch und gab sich betont lässig. Aus dem Schatten trat ein großer Mann mit langem mittelblondem Haar und Bart. Er gab einen ordentlichen Krieger ab.
>Ich bin Cargon und bin der Jarl meines Dorfes. Was habt ihr hier zu suchen?<
Er hielt einen langen Anderthalbhänder auf ihn gerichtet.
>Ich bin Cirdan und bin im Dunkelwald überfallen worden und hoffe ein Gasthaus, in dem ich meine Schwester behandeln kann. Ihr geht es nicht gut.<
AuchCargon sah nun auf Rhandira hinab und steckte das Schwert in die Scheide.
>Verratet mir noch eins. Seit ihr es, die auf der Flucht vor den Häschern des Besessenen sind.<
Cirdan wurde blass.
>Häscher?<
>Ja dunkle Gestalten. Wirklich fürchterlich. Sie waren hier nicht willkommen ich halte nicht viel von unserem König.<
>Es ist möglich.< entgegnete Cirdan knapp. Er hätte nicht gedacht, dass sie noch in Gefahr sein könnten.
>Keine Sorgen. Unser Dorf ist klein, aber gut gerüstet und wir leben nicht nach den Gesetzen, die der König uns aufdrängen will. Kommt wir haben eine gute Heilerin. Sie soll sich um deine Schwester kümmern.<
Er sah Cirdan mit einem Wissenden Blick an. Dieser Mann besaß noch ein Gefühl von Ehre und Gerechtigkeit, dass bewunderte Cirdan.
Männer kamen hinter den Bäumen hervor und einer hob Rhandira auf und setzte sie auf sein Pferd. Cirdan versetzte es einen Stich, dass nicht er es war, der wieder mit ihr ritt. Aber er musste sich eingestehen, dass es besser für sie war. Sein Pferd war noch frisch und auch Cirdan spürte die Anstrengung der letzten Stunden in seinen Knochen.
> Bitte beeilt euch. Es steht nicht sonderlich gut um sie.< bat Cirdan.
Muranon nickte dem Mann knapp zu und dieser gab seinem Pferd die Sporen und Galoppierte davon.
Muranon legte ihm eine Hand auf die Schulter.
>Keine Sorge. Er ist glücklich verheiratet und mir treu ergeben. Er würde es nicht wagen.<
Bei dem Gedanken schmeckte Cirdan Galle und biss die Zähne zusammen. Er hoffte inständig, dass er Recht hatte.
Der ritt zu dem Dorf verlief ohne Zwischenfälle. Cirdan hatte nicht die beste Laune und er war froh, dass Cargon sich keinen Hehl daraus machte und sich anstatt seiner mit seinen Männern begnügte und über irgendwelche Ereignisse im Dorf sprach.
Das Dorf bestand aus fast zwei Dutzend Häusern und war von einem einfachen aber gutem Schutzwall umgeben. Ein etwa drei Schritt breiter und Zwei Schritt tiefer Graben war ausgehoben, dahinter erhob sich die aufgeschichtete Erde in dem gespitzte Äste steckten.
>Euer Schutzwall ist gut. Euer Dorf ist besser verteidigt, als so manche Stadt die ich gesehen habe.< lobte Cirdan.
>Ich sage euch. In dieser Gegend braucht man ihn auch. In letzter Zeit wurde es immer schlimmer.<
>Was wurde schlimmer?<
>Die Spitzel des Königs.< damit war das Gespräch eindeutig beendet und Cargon bedachte Cirdan mit einem Blick, der Verriet, dass den Spähern keine Gnade gewährt wurde.

In einem schönen kleinen Haus wurde ihm Met und ein deftiger Schweinebraten angeboten, den er genoss. Es war schon lange her, dass er wieder ein so gutes Essen gehabt hatte. Die Frau des Jarls, sie war eine hübsche Brünette, freute es sichtlich, dass es ihm so gut schmeckte.
Cargon wurde ihm immer symphatischer. Er erzählte von abenteuerlichen Wildschweinjagten und wie sie sich vor den Wesen des Dunkelwaldes verteidigt hatten.
>...und einmal haben sogar Vampire unser Dorf angegriffen. Du musst wissen sie haben übermenschliche Kräfte.< Cargon lallte schon ein wenig von dem schmackhaften Honigmet.
>Sie kamen in der Nacht, und damals waren noch keine Wachen aufgestellt. Meine liebste Karen und ich waren damals verlobt und der alte Teston war noch der Jarl. Und in dieser Nacht hatte ich fürchterliche Magenkrämpfe und dann bin ich aufgestanden und wollte ein bisschen frische Luft schnappen, denn es war eine laue Sommernacht. Ich kam an ihrem Haus vorbei und da sah ich eine schwarze Gestalt durch die Tür huschen. Ich verfluchte mich, weil ich keine Waffe dabei hatte. Ich muss gestehen, dass ich wirklich Angst hatte. Nicht vor der schwarzen Gestalt, aber wenn ich dort niemanden gefunden hätte und der alte Teston hätte mich mitten in der Nacht in ihrem Zimmer erwischt. Er hätte mich eigenhändig umgebracht, aber ich nahm all meinen Mut zusammen und schlich mich ins Haus. Natürlich wusste ich wo sie schlief.< ein unverkennbares Grinsen und ein Blick auf Karen, die sich gerade um das Met kümmerte ließ genau erkennen wieso.
>Nun ja. Ich bin also hoch in ihr Zimmer und da sah ich die schwarze Gestalt über ihr. Zuerst dachte ich noch es wäre ein Liebhaber und habe ihm deshalb hinterrücks eine Ohrfeige verpasst. Ich kann euch sagen sein Schädel war hart wie Stein und als er von ihr abfiel sah ich sein Gesicht und da jedes Kind weiß, dass Vampire weiße Haut haben und spitze Zähne, da war mir auch klar mit wem ich es zu tun hatte.
Schon früher war ich immer ein guter Ringkämpfer gewesen, aber bei dem Kerl war ich mir wirklich nicht sicher. Ich versuchte es trotzdem, schon um Karen wegen. Es war ein wirklich erbitterter Kampf und es ist schade, dass er so im verborgenen blieb. Doch schließlich brach ich ihm das Genick.
Natürlich stürzte ich sofort zu meiner lieben Karen, doch zum Glück lebte sie noch. Ich brachte sie sofort zu unserer Heilerin gebracht. Und zum Glück war sie nach wenigen Tagen wohlauf und den Kopf des Vampirs steckten wir auf einen Pfahl vor unserem Dorf. Seitdem wurden wir nie mehr von Vampiren belästigt!<
Cargon hob sein Trinkhorn und hielt es in die Höhe bevor er trank. Es war eine wahrlich gut erzählte Geschichte und Cirdan hoffte, dass die seine auch so gut enden mochte.
>Cargon ich weiß eure Gastfreundschaft in Ehren zu halten, aber dürfte ich bitten meine Schwester zu sehen. Ich bin wirklich sehr besorgt.< fragte Cirdan.
Cargon erhob sich und rülpste ungeniert bevor sie aus dem Haus gingen. Er legte einen Arm um Cirdans Schultern, wie es Männer untereinander taten und sagte:
>Mein lieber. Ich glaube ja nicht das du uns anlügst, was den König betriffst. Aber die kleine, die du halbtot mit dir rumgetragen hast, ist niemals deine Schwester! Ihr seht euch nicht nur kein bisschen ähnlich, es ist auch dein Verhalten ihr gegenüber. Ich möchte nur die Wahrheit wissen. Ich kann es auch für mich behalten.<
Cirdan seufzte schwer und überlegte wie es nun handeln sollte. Wenn er weiter an seiner Geschichte festhielt, dass Rhandira seine Schwester war, dann würde er ihn womöglich beleidigen und das war um jeden Preis zu vermeiden. Also würde er ihm die Wahrheit erzählen, vielleicht ein bisschen abgeändert.
>Du hast recht. Sie ist nicht meine Schwester, aber sie ist auch genauso wenig mein Weib.<
>Ich verstehe nicht warum du sie dann mitnimmst, sie wird dir kaum von nutzen sein. Und ein bisschen Spaß findet man auch an anderen Stellen.<
Die letzte Bemerkung traf ihn wie ein Hammerschlag. Wie konnte er Rhandira nur mit Huren vergleichen?!
>Sie ist keine Hure!< zischte Cirdan.
Cargon lachte auf.
>Was soll sie dann sein? Lässt sie dich etwa nicht?<
Jetzt wurde Cirdan wirklich wütend.
>Ich teile nicht mein Bett mit ihr!<
>Aber du würdest gerne.< Cargon kicherte und sprach dann im ersten Tonfall weiter.
>Ich bin zwar ein bisschen betrunken, aber ich besitze eine sehr gute Menschenkenntnisse mein Freund. Lass dir gesagt sein: Die Liebe kann gefährlich sein, aber sie ist trotzdem unvermeidbar. Behandle diese Frau immer gut und dir hängt mehr an ihr als du ahnst.<
Was für ein Quatsch! Er war doch nicht in sie verliebt und sie würde ihn auch niemals wollen, zumal es ihm verboten war zu Lieben. Drachenreiter durften nicht heiraten, es war strengstens verboten und die Gründe waren einleuchtend.
Um nicht den Unmut Cargons zu wecken sagte er:
>Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen.<
Anscheinend war es genau das war der Jarl hören wollte. Er schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte noch.
>Du bist ein edler Recke! Das kann ich dir sagen und die Weiber mögen das!<
Zum Glück begann er ein altes Trinklied zu summen, bis sie vor dem Haus der Heilerin standen.

Das kleine Haus war schon von außen mit zahlreichen Symbolen ausstaffiert und über dem Eingang hing ein vertrockneter Mistelzweig. Der Jarl klopfte an der mit Zeichen übersäten Holztür. Eine kleine, schlanke Frau, Mitte 20 und langem, blondem Haar öffnete.
>Ich grüße dich Selvana. Unser Gast wollte sie sehen.< sprach der Jarl.
Die Frau lächelte ihn warmherzig an und ihre kristallklaren Augen leuchtete.
>Aber natürlich! Tretet ein. Aber fast ja nichts an!<
Cirdan folgte ihr und merkte erst gar nicht, dass Cargon keine Anstalten machte ihm zu folgen. Er stand vor der Tür und trat von einen auf das andere Bein.
>Ähm... ich denke, dass Selvana dir heute Abend weiterhelfen wird. Meine Frau wartet auf mich.<
Ein spitzbübisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht bevor er in der Nacht verschwand.
Die Heilerin führte ihn durch vollgestopfte Regale und zum trocknen aufgehängten Kräutern zu einem Bett, indem Rhandira lag.
>Wie geht es ihr?< fragte Cirdan und nahm ihre kalte Hand in seine, aber ihr Puls war kräftig.
>Anfangs stand es nicht besonders gut. Ich bin froh, dass ich schon früher einen solchen Fall behandelt habe. Der Vampir hatte schon fast all ihre Lebenskraft aus ihren Adern gesogen, Drachenreiter.<
Cirdan sprang erschrocken auf die Beine und instinktiv legte sich seine Hand auf den Schwertgriff.
>Wieso nennst du mich so?< fragte er mit unverhohlenem Misstrauen in der Stimme.
Die Frau lachte und sie war dabei nicht einmal unattraktiv.
>Ruhig! Keine Sorge, ich werde es niemandem verraten. Sofern du es nicht willst. Und wenn wir zu deiner Frage kommen. Drachenreiter sind etwas besonderes. Ihre Aura ist ungleich stärker und komplizierte als die von Magiern. Ich bin nicht nur eine normale Kräuterhexe!<
Cirdan war nicht ganz beruhigt, dennoch setzte er sich wieder neben sie auf das Bett.
>Ich danke dir für deine Bemühungen. Wie konntest du ihr denn helfen?<
>Blut.< antwortete sie schlicht.
>Blut?!<
Die Hexe blieb vollkommen ruhig und schien sogar ein wenig gelangweilt.
>Es ist doch ganz logisch. Ihr Blut wurde genommen also habe ich ihr dafür meines gegeben. Das hat beim letzten Mal auch schon geholfen.<
>Ich weiß nicht wie ich dir je danken kann. Ich hätte mir nie verziehen, wenn der Vampir sein Werk vollbracht hätte.<
>Pass auf sie demnächst besser auf! Sie hat eine große Rolle in dieser Welt zu spielen!<
Im Grunde hatte Selvana recht, dachte Cirdan. Er hatte ihr damals versprochen sie sicher durch den Wald zu geleiten, aber das hatte er nicht vermocht. Außerdem besaß sie zwar große Kraft und Talent, doch das nützte ihr jetzt noch gar nichts, weil sie nicht damit umzugehen wusste.
>Du hast recht. Ich war nachlässig.<
>Jedem passieren Fehler. Das liegt in der Natur des Menschen. Ich brauche noch einige wichtige Kräuter, die man am besten in der Nacht pflückt. Willst du bei deiner...ähm...<
>Gefährtin bleiben. Ja ich bleibe hier und vielleicht werde ich auf dem Boden ein wenig schlafen, aber ich werde sie nicht alleine lassen.<
Selvana schien zufrieden und ging hinaus um ihre Kräuter zu holen.
Cirdan betrachtete das blasse, nur vom seichten Kerzenschein beleuchtete Gesicht. Sie sah nicht mehr so schwach aus. Ihre Wangen hatten wieder einen leichten rosa Ton angenommen und ihre Lippen waren nun auch wieder von ihrer früheren Farbe. Sie war wunderschön. Die Stirn war nicht von Sorgenfalten durchzogen, wie es oft bei ihr der Fall war. Er fragte sich was sie wohl träumte und obwohl er es sich selbst nicht eingestehen wollte, so wünschte er sich doch sehnlichst darin vorzukommen.
Er versuchte wach zu bleiben und auf ihre Atemzüge zu lauschen, aber nach einer Weile fielen ihm die Augenlieder vor Erschöpfung zu und er schlief ein.


Kapitel 8


Es war warm und ich fühlte mich so geborgen, dass ich mich erst nicht durchringen konnte die Augen zu öffnen, aber die Neugier war zu groß. Als ich mich umschaute erschrak ich zuerst. Die Hütte war vollgestopft mit allen möglichen Utensilien, vom banalen Stößel und Kräutern, bis zu eingelegten Fröschen und sonderbar aussehenden Geräten war alles vorhanden.
Jetzt bemerkte ich Cirdan, der den Kopf auf mein Bett gelegt hatte und schlief. Ich streckte die Hand aus, was mir unnatürlich schwer viel, und nahm eine Strähne seines schwarzen seidigen Haares zwischen meine Finger.
Während ich mit meinen Fingern durch seine Haare strich, kehrte die Erinnerung langsam zurück. Bei dem Gedanken an die Vampire stellten sich die feinen Haare auf meinem Arm auf, aber ich war viel zu erschöpft um Theorien zu überlegen, wie und wo genau ich hier war.
Ich war ganz auf das Licht vertieft, wie es sich auf Cirdans Haaren brach, als eine junge, hübsche Frau eintrat. Nachdem sie gesehen hatte, dass ich wach war, lächelte sie warmherzig und setzte sich ans Fußende meines Bettes.
>Guten Morgen Rhandira. Ich bin Selvana. Wie fühlst du dich?<
>Mir geht es gut. Ich fühle mich nur ein wenig schlapp und schläfrig.<
Ein wissendes Lächeln strich über ihr Gesicht bevor sie antwortete.
>Das ist normal. Du warst dem Tod näher als dem Leben, aber wie ich sehe hast du dich schon schnell erholt. Ruhe dich nur aus solange du willst. Ich werde dir ein Glas warme Milch besorgen, die wird dir gut tun.<
Selvana ging aus dem Haus und lies mich hier wieder allein. Ich mochte sie, auch wenn ich sie erst seit ein paar Minuten kannte.
Ich schloss die Augen und genoss es hier einfach nur liegen zu können, ohne irgendetwas tun zu müssen.
Schließlich musste ich wohl doch eingeschlafen sein. Als ich die Augen wieder öffnete saß Selvana mit einem dicken Buch in der Hand am Fenster und las. Ich räusperte mich leise und sie kam sofort auf mich zu.
>Es ist gut, dass du so viel schläfst, aber du musst auch viel trinken um den Blutverlust wieder auszugleichen.<
Sie hielt mir ein Glas Milch hin und ich nahm es dankend an. Sie schmeckte wunderbar und ich genoss, den Geschmack von frischer Milch in vollen Zügen.

Am Nachmittag lag ich immer noch im Bett. Cirdan war draußen um wahrscheinlich schrecklich wichtige Dinge mit dem Jarl zu besprechen, während ich zur strickten Bettruhe verdonnert worden war. Selvana war auch weg und ich hatte das Gefühl ich müsste vor Langeweile sterben. Trotzig stand ich vom Bett auf, zwar wurde mir schwindelig, aber auch das verging nach ein paar Minuten. Ich zog meinen Umhang über, denn trotz der warmen Luft fröstelte ich. Auf noch recht wackeligen Beinen stackste ich durch die Eingangstür. Die Sonne stand noch recht hoch und wärmte mein Gesicht. Ich ging zu einer kleinen Wiese und genoss die Sonnenstrahlen.
Plötzlich fühlte ich mich wieder müde. Der Blutverlust setzte mir anscheinend doch mehr zu als ich zuerst angenommen hatte. Ich würde nur kurz die Augen schließen und dann ...

Ich stand in einem alten Eichenwald und mir war kalt. Ich schlang die Arme um meinen Körper und ich konnte meinen Atmen in weißen Wolken aufsteigen sehen.
Ich begann zu gehen, aber egal in welche Richtung ich ging, umfing mich dichter Nebel. Zuerst umhüllte er nur meine Fußknöchel aber bald konnte ich noch nicht einmal meine Hand vor Augen sehen. Ich hörte das Getrappel von Pferden. Mein Verstand sagte mir ich solle mich verstecken aber meine Beine gehorchten nicht. Ich ging den Pferden langsam entgegen. Der Nebel verzog sich ein wenig und ich erkannte etwa ein Dutzend Pferde mit Reitern. An der Spitze war ein edler Schimmel mit einem Reiter der aussah wie ein Engel, die schrecklichen roten Augen und das Gesicht kamen mir bekannt vor, aber ich konnte mich nicht erinnern. Die Pferde und Reiter sahen auf beunruhigende weise fahl und blass aus und jetzt da ich näher hinsah konnte ich Knochen unter der durchsichtigen Haut erkennen. Mein Herz hämmerte wie wild und das Blut schoss mir in den Kopf. Ich wollte weglaufen aber meine Beine ließen sich nicht bewegen. Der Engel kam näher zu mir.
>Ich habe dir etwas mitgebracht.< raunte er mit zuckersüßer Stimme. Ein Schauer lief meinen Rücken hinunter.
Er hob die Hand und ein Reiter kam zu ihm und überreichte im einen Sack. Der Engel schaute mich weiterhin unverwand an, als er in den Sack griff. Ich konnte meinen Blick nicht von dem Sack abwenden. Zuerst sah ich nur schwarze Haare und dann das Gesicht von Cirdan.
>Es ist deine Schuld!<
Ich schrie vor Entsetzen.

Ich schrie immer noch. Cirdan! Ich musste zu Cirdan. Ich versuchte aufzuspringen, aber ein heftiger Schwindelanfall überfiel mich und ich stürzte zu Boden. Um mich herum wurde alles schwarz.

>Rhandira! Wach auf!<
Es war Cirdan! Es musste Cirdan sein! Ich schlug die Augen auf und sah sein Gesicht vor mir. Es war als würde ein großer Felsbrocken von meinem Herzen fallen und ich atmete erleichtert auf.
>Was ist passiert? Du hast geschrien als wäre Turgon persönlich hier gewesen!<
>Es tut mir Leid. Mir war so schrecklich langweilig und ich wollte die Sonne sehen. Na ja ich bin rausgegangen und hab mich hier hingelegt und dann bin ich eingeschlafen. Ich hatte einen fürchterlichen Alptraum...<
Ich biss mir auf die Lippe um ein Schluchzen zu unterdrücken.
>Komm wir gehen. Cargon hat ein Zimmer, in seinem Haus für und bereitmachen lassen.<
Er trug mich die Straße hinunter und ich schlang meine Arme fest um seinen Hals. Ich weinte stumme Tränen, für die ich mich hasste. Ich hasste mich dafür nicht stark genug zu sein.
Als er mich aufs Bett setzte und sich neben mich niederließ, hatte ich mich schon wieder einigermaßen gefasst.
>Willst du es mir erzählen?< fragte Cirdan leise und legte seine Hand auf meine Schulter.
Als ich nicht antwortete, sprach er weiter:
>Ich werde auch manchmal von Alpträumen geplagt. Es ist furchtbar. Wenn ich aufwache habe ich auch ...Angst.<
Er hatte mir gestanden, dass er Angst hatte- ein Drachenreiter!
>Das sagst du nur um mir Mut zu machen. Ich bin dir dankbar, dass du dich um mich kümmerst.< Ich schluckte schwer bevor ich weitersprach.
>Ich glaube es ist besser, wenn du mich alleine lässt. Ich will nicht, dass ich dir so zur Last falle. Nur wegen ... wegen einem Traum.<
Es soll nicht meine Schuld sein, wenn du stirbst. Du sollst gar nicht sterben. Fügte ich in Gedanken hinzu.
Seine Hand glitt schlaff von meiner Schulter. Er stand auf und schaute mir in die Augen.
>Es tut mir Leid, wenn ich dir das Gefühl gebe, du wärst eine Last für mich.<
Er drehte sich um und ging zielstrebig die Treppe hinunter.
Ich hatte mal wieder alles vermasselt. Wie lange hatte ich mir früher jemanden wie ihn gewünscht, jemand der sich um mich kümmert und mir hilft. Aber ich konnte natürlich nicht zulassen, dass mir jemand zu nahe kam. Ich würde alt und alleine enden. Bei dem Gedanken musste ich mich beherrschen nicht schon wieder zu heulen.

Der Tag neigte sich schleppend dem Ende. Karen, die Frau des Jarls brachte mir ab und zu etwas zu essen, aber auch sie blieb nie lange. Die Schuldgefühle, die ich Cirdan gegenüber hatte lagen wie ein schwerer Stein auf meiner Brust. Ich wäre zu gerne aufgestanden um ihn zu suchen und mich dann tränenreich bei ihm zu entschuldigen, aber ein wenig meiner Ehre sollte ich mir doch noch halten. Ich hätte es wahrscheinlich auch immer noch nicht geschafft, ohne wieder Ohnmächtig zu werden.
Ich schloss die Augen und glitt in einen friedlichen Tagtraum hinüber. Ich mahlte mir aus wie es sein könnte verheiratet zu sein, einen Hof zu haben und Kinder zu bekommen, obwohl ich mir dabei selbst dämlich vorkam. Aber wer aufgehört hat zu träumen lebt nicht mehr.

Der nächste morgen begann mit heftigen Kopfschmerzen und die wurden noch dadurch verstärkt, dass Selvana mit einem wenig mitleidig wirkendem Lächeln neben meinem Bett stand.
>Du schläfst wie ein Baby!< sagte sie und reichte mir ein warmes Getränk.
>Was ist das?< es roch würzig aber nicht unangenehm.
>Mein spezieller Trank damit du wieder zu Kräften kommst.< fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
Ich kostete und spürte wie meine Lebensgeister augenblicklich erweckt wurden und wie die Wärme durch meinen Körper strömte.
Aber auch der Trank konnte nichts gegen meine nagenden Schuldgefühle ausrichten. Ich wünschte ich könnte hier im Bett liegen bleiben und darauf warten bis etwas passieren würde, aber dann würde ich nie mehr zu Kräften kommen und die Langeweile würde mich umbringen.
Ich seufzte und nahm noch einen Schluck von dem heißen Getränk. Selvana sah mich mit ihren grünen Augen unverwandt an.
>Ist irgendetwas?<fragte ich schließlich vorsichtig.
>Ich frage mich schon die ganze Zeit in welcher Bezieheung du und Cirdan zueinander stehen.<
einen kurzen Moment war ich so geschockt, dass mir der Mund offenstand.
>Ähm...wir wandern zusammen und sind zusammen aus dem Gefängnis geflohen. Er hat mir schon einige male den Hals gerettet muss ich zugeben.<
>Aber er ist nicht dein Geliebter?< Erstaunen stand in ihren Augen.
>Nein. Es ist nie etwas dergleichen zwischen uns vorgefallen. Warum fragst du?<
>Er ist hübsch und ein Drachenreiter ist nicht die schlechteste Partie die man sich vorstellen kann.< sagte sie und ging mit einem Augenzwinkern aus dem Raum.
Im ersten Moment war ich geschockt, dann stand mir Angstschweiß auf der Stirn und zu guter Letzt wurde ich wütend. Wie konnte diese dahergelaufene Hexe sich so schamlos an ihn ranschmeißen? Andererseits hatte ich keinen Grund es nicht zu billigen, denn ich schien ja nicht in der Lage mir einzugestehen, dass diese Gefühle vielleicht doch einen Grund hatten.
Ich zog mich an, wusch mir das Gesicht und flocht meine Haare. Ich musste mit Cirdan reden.

Ich fand ihn mit dem Jarl und seiner Frau beim Frühstück.
>Guten Morgen.< sagte ich kleinlaut und klopfte am Türramen.
>Guten Morgen Rhandira! Wie geht es dir? Setzt dich doch zu uns!< rief der Wirt und deutete auf einen Platz neben Cirdan. Er sah mich nicht an sondern konzentrierte sich voll und ganz auf das Brot. Mein Mund wurde trocken.
>Danke. Ich fühle mich dank eurer und Selvanas pflege schon wieder gut.<
Ich ließ mich steif neben Cirdan nieder. Karen bot mir Brot und Käse an, welchen ich dankend annahm.
>Ich werde Selvana einen Besuch abstatten. Danke für das leckere Brot Karen.< sagte Cirdan und ignorierte mich immer noch während er aus dem Zimmer ging. Seine Worte umschlossen mein Herz wie eine Faust und das Blut schoss mir in den Kopf. Einen Augenblick hatte ich vor ihm hinterher zu laufen aber dann blieb ich doch sitzen und half Karen im Haushalt.
Nachdem alles abgewaschen und weggeräumt war beschloss ich nach den Pferden zu sehen. Ich genoss die wenigen warmen Sonnenstrahlen und fand mich aufeinmal an Selvanas Hütte wieder, aber niemand war da. Vielleicht waren sie spazieren. An den Pferdeställen angelangt stand nur Schattenjagd im Stall. Der braune Hengst begrüßte mich mit einem Wiehern und ließ sich bereitwillig den Hals tätscheln.
Ich ließ ihn hinaus gehen und suchte mir eine höher gelegene Stelle, an der ich aufsteigen konnte. Der Hengst folgte mir bereitwillig und stellte sich neben einem Holzklotz. Es war ein gutes Gefühl wieder zu reiten. Ich hielt mich immer in Sichtweite des Dorfes, so wie Karen mich gehießen hatte.
Am Waldrand sah ich Morgenstern und eine Fuchsstute beieinander stehen. Sie waren nicht angepflockt und Morgenstern versuchte die Stute zu besteigen, die ihn jedoch abwehrte. Ich sprang vom Pferd und versuchte Morgenstern zu packen. Als ich die Zügel zu packen bekam stieg er vor mir und ruderte mit den Vorderhufen. Erstaunlicher weise hatte ich keine Angst sondern blieb ganz ruhig.
>Guter Junge. Komm runter!< das Pferd lies sich wieder auf die Vorderhufe nieder aber trotzdem begann er sich aufzuplustern und piaffierte. Die Stute ging zum Glück ein paar Meter weiter weg und began zu grasen sodass der Hengst ein wenig ruhiger wurde.
Ich führte die Hengste ein Stück am Waldesrand vorbei um Cirdan zu suchen.
Ich spähte durch die Bäume als ich leises Lachen hörte, von einer Frau. Ich blieb stehen und band Morgenstern an einen Ast, damit er nicht mehr zu der Stute ging. Nach ein paar Schritten sah ich Cirdan und Selvana. Sie hielt einen Strauß Blumen in der Hand und tanzte zwischen den Bäumen.
>Aber das habt ihr doch nicht wirklich gesagt!< rief sie und lachte weiter. Cirdan hatte zu ihr aufgeschlossen und sie gingen neben einander. Sie blieb stehen und er drehte sich um, sodass sie sich in die Augen schauten. Dann küssten sie sich.
Ich musste mich an einem Baum festhalten um nicht umzukippen. Meine Ohren rauschten und ich lief zurück zu Schattenjagd. Ich fiel hin und schürfte mir Hände und Knie auf.
Der Hengst graste, doch als er mich sah hob er den Kopf und kam mir entgegen. Ich nahm Anlauf und sprang auf seinen Rücken.
>Lauf mein Junge. Lauf mit mir wohin der Wind auch wehen mag.<
Der Hengst stieg und ich krallte meine Finger in seine Mähne um nicht runterzufallen. Ich fühlte den Wind auf meinem Gesicht, aber meine Tränen verschleierten mir den Blick.
>RHANDIRA! Halt an!<
Erst jetzt wurde mir klar, dass ich nicht nur Schattenjagds Hufe hörte sondern auch Morgenstern holte auf.
> Willst du uns alle umbringen? Halt an ich kann es dir erklären!< schrie Cirdan.
Erklären?! Was gab es denn da noch zu erklären? Ich fühlte, wie die bekannte Wut in mir aufstieg.
>Halt Schattenjagd!< der Hengst parierte und Cirdan keuchte:
>Es war nicht so wie es aussah!<
Ich versuchte mich zu beherrschen, aber mein ganzer Körper zitterte und alles wurde in rot getaucht. Ich wollte es beherrschen, ich wollte ihm zeigen, dass man nicht mit mir spielte. Ihm eine Lektion erteilen. Aufeinmal wurde alles klar. Ich sah die Käfer im Gras und hörte den Herzschlag der Vögel. Ich nahm alles wahr. Mir wurde bewusst das ich tun konnte was ich wollte, meine Kraft war gewaltig.
>Wie war es denn?< die Stimme, die aus meinem Mund drang war nicht die meine, aber sie gefiel mir.
Der erschrockene Gesichtsausdruck auf Cirdans Gesicht entlockte mir ein Lächeln.
>W-wie k-kann das sein?< stotterte er.
Ich musste wieder lachen. Ich hatte Macht über ihn, er würde sich mir beugen müssen, wenn ich es wollte.
>Was? Du meinst das?<
ich streckte meine Kraft nach ihm aus und hob ihn hob seinem Pferd und lies ihn vor mir in der Luft schweben.
>Rhandira ich bitte dich! Ich habe sie nicht geküsst!<
>LÜGNER!< schrie ich.
>Bitte glaub mir ich empfinde nichts für sie! Sie hat mich einfach überrumpelt! Du kannst sie selbst fragen. Sie wird dir bestätigen, dass ich sie abgewiesen habe.<
Ich sah ihm in die eisblauen Augen und sah, dass er die Wahrheit sagte.
Ich schloss die Augen um meine Tränen zu verbergen und alle Wut verwandelte sich in Reue. Ich spürte wie meine Kraft ging. Als ich die Augen wieder öffnete lag Cirdan auf dem Boden und stöhnte. Ich hatte ihn fallen lassen! Sofort sprang ich vom Pferd und lies mich neben ihm nieder.
>Cirdan! Oh es tut mir so leid! Ich wollte das alles nicht! Ich war nur so schrecklich wütend.<
Tränen kullerten über mein Gesicht. Als ich den Mund wieder öffnete legte er mir einen Finger an die Lippen.
„Manchmal braucht man keine Worte!“ hauchte er und verschloss meinen Mund mit seinen Lippen.
Überrascht zog ich mich ein wenig zurück. Ich fühlte wie mein Herz hämmerte und obwohl ich es nicht wollte musste ich lächeln. Ein zufriedenes Grinsen trat auf Cirdans Gesicht und er küsste mich abermals. Seine Lippen verweilten länger auf meinem Mund und ich wollte in der Berührung versinken, aber er löste sich von mir und sah mir in die Augen.
Er räusperte sich.
>Vielleicht sollten wir besser zurückgehen.<

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Tag der Veröffentlichung: 05.04.2010

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