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Mords Spaß


Ich kniete nun vor ihrem leblosen Körper, aus dem auch das letzte Bisschen Blut geronnen zu sein schien.
-Schöne Sauerei-, war alles was ich denken konnte.
Aber was für ein Gefühl!
Ihr Leben glitt durch meine Hände und ich fühlte mich so irrsinnig lebendig! Atemberaubend, für sie in jedem Fall.
Und dann setzte mein Verstand ein – sei er genauso verdammt wie mein Herz!
Jetzt sollte ich wohl die Leiche meiner Mutter wegschaffen, hunderte Male hatte ich es mir ausgemalt. Einen Stein an ihre Füße gebunden und ab damit in den nächsten See. Schöne Idee und absolut unmöglich. Wie an den Nachbarn vorbeikommen? Wie zum See gelangen? Ohne Führerschein! Öffentliche Verkehrsmittel Kamen wohl nicht in Betracht?
Ich musste lachen.
Lachte in ihr starres, bleiches Gesicht, ihre triefenden Wunden, ihre kalten toten Augen! Das hast du dir so gedacht. Verwest hier auf meinem billigen Laminatboden! Nein!
Gut, bleibt weiter die Frage: wohin mit dem Kadaver? In einem Film hatte ich gesehen, wie ein Mafiaboss seine Opfer an Schweine verfütterte. Oder mit Säure in die Wanne?
-Noch größere Sauerei-

Hätte ich damals gewusst, wie wenig Zeit mir blieb, ich wäre wohl zügiger vorgegangen. Doch da ich es nicht gewusst hatte erzählte ich meiner toten Mutter jede meiner wahnwitzigen Ideen und machte mich darüber lustig. Ein paar davon fand sie auch witzig, da war ich mir ganz sicher.

Ich beschloss sie noch eine Nacht dort liegen zu lassen um mich am nächsten Morgen bei meinem Kaffee und der ersten Zigarette an ihrem Anblick erfreuen zu können.
So tat ich es auch. Ich begrüßte sie mit einem verschlafenen „Guten morgen, Mama.“, während ich an ihr vorbei durch das Wohnzimmer zum Bad hin schlurfte.
„Aber eins sag ich dir“, kam ich mit der Zahnbürste im Mund zurück, „wenn du anfängst zu stinken, fliegst du raus!“

Aber nach ein paar Tagen hatte ich mich auch an den Gestank gewöhnt, der Anblick war längst Alltag geworden. Irgendwie war Mutters Leiche zu einem viel geliebten Accessoire in meiner Wohnung geworden.


Mein Anwalt plädierte später auf Unzurechnungsfähigkeit. Kein normal denkender Mensch – so sagte er – hätte eine Party in der Wohnung gegeben, in der immer noch die Leiche des von ihm vermeintlich ermordeten Opfers gelegen hatte. Mitten im Wohnzimmer!
Die Gesichter der Gäste waren Gold wert gewesen. Alles Kollegen meiner Mutter aus dem Finanzamt.

Im Grunde kann ich mich nicht beschweren. Mein neues Zimmer ist geräumig, wenn auch etwas steril. Ich werde endlich nicht mehr von den äußeren Umständen gezwungen mich komplett anzuziehen und dafür dass ich meine Ruhe habe sorge ich in regelmäßigen Abständen selbst. Wenn einer der Pfleger kommt um mich zu Therapiestunden zu überreden knurre ich ihn an oder bewerfe ihn mit meinen Kleidern.
Nicht halb so witzig wie der Mord an meiner Mutter, aber doch ebenso effektiv.

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Tag der Veröffentlichung: 19.01.2009

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