Morgen, ja morgen...
Es war nicht so, dass ich es nicht versucht hätte.
Mehr als einmal in der letzten Zeit hatte ich den Weg angefangen zu gehen und dann doch wieder nicht bis zum Ende beschritten.
Und natürlich habe ich mich immer und immer wieder über mich selber geärgert.
Meine Unentschlossenheit, mein Aufgeben, meine Schwäche verflucht.
Hab die Schuld nie woanders gesucht, nein, dafür war ich dann doch zu ehrlich.
Und mal ehrlich, wen hätte ich denn verantwortlich machen sollen?
Hat mich irgendjemand gezwungen, mir die Pistole auf die Brust gesetzt?
Nein, das war und ist allein meine Entscheidung...schwach wie ich Weib nun mal war und bin.
Ablenken, ach ja, auch das war eine meiner Ideen.
Wenn schon nicht konsequent und mit sofortiger Wirkung den Plan umsetzen, vielleicht hilft das.
Schrittweise Annäherung an das Ziel und bei plötzlich aufkommender Schwäche eben ablenken.
Joggen gehen? Ach, gerade heute regnet es doch in Strömen, nicht dass ich etwa krank werde.
Das wäre möglich und dann?
Dann wäre ich meiner Schwäche noch hilfloser ausgeliefert, weil ich zuhause säße und nichts wirklich zeitraubendes zu tun hätte.
Gut, das mit dem joggen wäre also ad acta gelegt...
Bügeln, putzen,womöglich Fenster putzen...gut, da war ja der Regen.
Bleiben die Fenster also noch einen Tag länger schmutzig.
Zur Not, falls überraschend Besuch auftaucht...es gibt ja Rollos, die dekorativ die schmutzigen Scheiben bedecken.
Und bügeln bedeutet für mich quasi Folter im Höchstmaße.
So wild entschlossen war ich dann doch nicht, um mich dieser auszusetzen.
Außerdem kommt hinzu, dass es mich meistens abends überkommt, wenn ich sowieso schon leicht abgekämpft und eher gering motiviert auf der Couch sitze.
Genau dann, wenn sinnvolle Tätigkeiten entweder schon erledigt sind oder eben, wie schon erwähnt, geradezu unmöglich scheinen.
Man könnte es auch höhere Gewalt nennen, wenn man es denn wollte.
OK, ich will es jetzt so nennen.
Es zieht mich unweigerlich in die Richtung, die ich krampfhaft vermeiden wollte.
Aber morgen ist ja auch noch ein Tag.
Morgen, ja morgen lass ich die Schokolade und die Chips liegen, morgen widerstehe ich dieser Versuchung.
Vor allem weil...ja, weil morgen beides schon längst vernichtet ist...
Und dann, ja dann hätte ich Zeit joggen zu gehen, dem leicht ausufernden Hüftgürtel den Kampf anzusagen.
Der sich immer wieder mal in kleinere Kleidergrößen drücken lässt.
Seltsamerweise meist dann, wenn ich längere Zeit nicht einkaufen war.
Noch ist es nicht so weit, dass ich die Spiegel in meiner Wohnung aus Frust verhängt hätte, aber irgendwie scheint mich gerade der große im Flur manchmal vorwurfsvoll anzuschauen.
Der übrigens genau an dem Schrank hängt, in dem meine Sportschuhe stehen.
Aber den Blick kann er sich sparen, da ich die ja morgen endlich mal wieder aus dem Haus tragen werde
Falls der Himmel nicht ein Einsehen hat und mir Regen schickt...
Texte: alle Rechte am Text liegen
bei der Autorin
Coverbild:
©tokamuwi/pixelio
Quelle:
www.pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 08.08.2011
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