Cover

(Irr)Wege

„Du siehst nicht so aus, als ob du hierher gehörst!“
„Ach, das kannst du beurteilen?“
Sie drehte sich zu ihm herum, sah ihn an und wusste nicht, was sie von ihm halten sollte.
Lange Haare, aber nicht ungepflegt, dunkle Augen, irgendwie traurig, sein Blick.
Er erwiderte ihren Blick ohne jedes Zögern, sah sie an, so intensiv, als ob es nichts anderes gäbe, was er ansehen könnte oder wollte.
„Ich bin nicht zum plaudern aufgelegt und ich denke, das sieht man oder?“
Er antwortete nicht, sah sie nur weiter an.
Kam auf sie zu und als er zum greifen nahe war, sprach er dann doch.
Leise, aber so deutlich,als ob nichts anderes die stille Nacht beherrschen würde.
„Nein, du bist sicher nicht hierher gekommen um zu plaudern, das ist mir klar. Du glaubst das zumindest. Aber mal ehrlich, wenn du wirklich wüsstest, warum du hier bist, hättest du mir gar nicht geantwortet. Oder?“
Das ganze mit einer Stimme, die ihr irgendwie vertraut war, obwohl sie ihn doch gar nicht kannte. Ihn nie gesehen hatte. Und doch war da etwas an ihm, was ihr das Gefühl gab, wie man es hat, wenn man jemand wieder trifft, der einem einmal nahe war, den man lange nicht gesehen hatte.
Sie fühlte sich momentan, als ob sie nicht selbst dort stehen würde, sondern eine andere junge Frau. Eine einsame Frau, die dort mit einem völlig Fremden, mitten in der Nacht sprach.
Ja, genau wie in diesen Filmen, in denen man sich selbst sieht, von oben beobachtet.
„Ist ja total bescheuert. Jetzt spinne ich wohl ganz.“
Er lächelte und es wurde ihr bewusst ... sie hatte laut gedacht.
Immer noch lächelnd nahm er ihre Hand und zog sie vom Brückengeländer herunter.
„Komm, du gehörst nicht hierher, ich weiß es und du weißt es hoffentlich jetzt auch.“
Ohne nachzudenken ließ sie sich von ihm führen.
Ein paar Schritte nur und sie stand auf der Kreuzung, die, trotz der späten Stunde, voller Leben schien. Lichter, Lachen, Musik, Autos.
Und sie mittendrin.
So, als ob sie immer schon dort gewesen wäre und auch dazu gehörte.
Er, ja, er war fort, als sie ihre ersten Schritte zurück ins Leben machte.
Es gab ihn, schon lange, ohne, dass sie ihn gesehen hatte.
Und er würde noch lange weiter existieren.
Irgendwo in ihr lebte der Glaube an ihn und damit das Leben weiter.
Das Leben, das so viele Wege bot.
Alle können besser sein, als der eine hinaus.

Impressum

Texte: alle Rechte am Text und Coverbild liegen bei der Autorin Bild: Saubrücke in Velbert
Tag der Veröffentlichung: 31.07.2011

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