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Niemand

Immer schon war Julia eine gute Schülerin gewesen, besonders die Naturwissenschaften hatten es ihr angetan.Es reizte sie einfach, alles erklären zu können. Zumindest war das wiederum ihre Erklärung der Wissenschaften, für sich und alle anderen. So war es auch kein Wunder, dass sie nach dem Abitur eine Laufbahn in eben diesem Bereich einschlug.
„Prof. Dr. der Physik, Dr. der Biologie“ , so stand es auf ihrem Diplom, welches sie stolz zuhause hinter Glas aufbewahrte.
Dort hing es auch heute noch, nachdem sie inzwischen schon so lange keinen Hörsaal mehr betreten hatte.Nachdem ein Labor zwar der Ort war, nach dem sie sich immer noch sehnte, den sie aber seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Geschweige, dass sie darin hätte arbeiten können.
In ihren Träumen, da erschienen beide Orte, dort lief sie glücklich darauf zu, griff schon nach der Tür ihres geliebten Hörsaals, doch löste sich alles auf, bevor sie es erreichte.

Es war nur eine falsche Ahnung, eine Täuschung gewesen.
Wie passend, war doch das Thema, das als Grundlage ihrer Doktorarbeit der Physik diente, einmal der Begriff der Fata Morgana gewesen.
Jene Luftspiegelung, die zu Wahrnehmungen führten, die der Realität nicht entsprachen.
Jenes Aufeinandertreffen kalter und heißer Luftschichten, das für scheinbar verzerrte Konturen führte, zu Luftspiegelungen.
Streng genommen, keine Halluzination, das hatte sie wieder und wieder versucht zu erklären.
Früher im Hörsaal mit wissenschaftlich fundierten Fakten.
„Nein, eine Fata Morgana ist keine visuelle Wahrnehmungstäuschung, es ist keine optische Täuschung.
Sie ist eine Luftspiegelung, die bei der Ablenkung des Lichtes an unterschiedlich warmen Luftschichten entsteht. Basierend auf dem fermatschen Prinzip.

Somit, liebe Studenten, ist die Fata Morgana zwar ein optischer Effekt, aber grundlegend ein physikalisches Phänomen.
Und damit dürfte klar sein, warum sie von mir, in eben diesem Kurs behandelt wird.“
So begann sie stets die neuen Semester.
Lange her, ja,sehr lange.
Ihrem Ehemann versuchte sie damit nicht zu kommen, er hatte von Anfang an klargemacht, dass ihn ihre wissenschaftlichen Spinnereien nicht interessieren würde. Mit dem Unsinn sei Schluss, jetzt sei sie Mutter und Ehefrau.
Da würde es reichen, man weiß wie man den Herd einschaltet, den Strom müsse sie nicht erklären. Das ganze mit diesem Unterton, den sie anfangs als männlich, als angenehm bestimmend empfand.
Mit der Zeit konnte sie ihn nur noch als süffisant und ekelerregend einstufen.
Fata Morgana, uninteressant, das gibt es nicht, also wozu damit beschäftigen, so war und blieb seine Meinung.


Dass seine Frau auch immer weniger existent für ihn wurde, das begann sich schon früh abzuzeichnen, durch Affären, Beleidigungen und letztlich auch Schläge.
„Du bist ein Nichts ohne mich, ein absolut unwichtiger Niemand, genau wie deine dämliche Fata Morgana.“, hörte sie so oft, dass sie es beinahe selbst glaubte.
Bis der Tag kam, an dem er auch ihre Kinder schlug... Das ganze war zwei Wochen her.
Als die Nachbarn die Polizei verständigten, weil der seltsame,faulige Geruch nicht mehr ignoriert werden konnte, wurde seine Leiche im Keller entdeckt.
Auf die Frage, was geschehen sei, begann sie, mit einem fiebrigen Glanz in den Augen...
„Nein, eine Fata Morgana ist keine visuelle Wahrnehmungstäuschung, es ist keine optische Täuschung....“
Der hinzugerufene Polizeipsychologe konnte nicht viel mehr aus ihr herausbekommen, als:
„Er starb durch NIEMAND. Die Fata Morgana hat sich gerächt.“

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Texte: Coverbild: ©GerdAltmann/pixelio.de Quelle: www.pixelio.de alle Rechte am Text liegen beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2011

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