Alle Namen mit einem * wurden geändert.Lest bitte bevor ihr urteilt.
Mein Leben... Alles begann am 17. Februar 1995 um 16:01 Uhr in der Rems-Murr-Klinik Backnang. Schon damals konnte ich mich nicht zu 100% dafür entscheiden auf diese Welt zu kommen.. Ich kam 2 Wochen zu spät, dann wiederum zwei Tage zu früh als geplant. Als ich dann endlich geboren wurde, schien erst mal alles gut zu sein. Wir, also mein Vater, meine Mutter und ich, waren die perfekte junge Familie aus der Werbung. Lange hielt das nicht.. die Familie meines Vater hatte nicht gewollt, dass er eine Beziehung zu meiner Mutter hat. Da die beiden in einem kleinen Dorf lebten verbreiteten sich Gerüchte schnell.. ich wäre nicht das Kind meines Vater. Ein halbes Jahr lang hielt meine Mutter das aus.. dann entschloss sie sich meinen Vater zu heiraten, obwohl sie das niemals wollte. Wegen ihm hatte sie ihr Studium nicht begonnen und durch die Heirat verlor sie ihrer Meinung nach den letzten Rest Freiheit und Selbstständigkeit. Ich war dabei als sich meine Eltern am 31.10.1996 das Ja-Wort gaben. Meiner Meinung nach begann an diesem Tag der Bruch in unserer Familie. Ein halbes Jahr später war meine Mutter am Boden zerstört. Im 4. Monat verlor sie meinen kleinen Bruder.. aber sie hatte keine Zeit um zu trauern. Ihre einzige Tochter, ich, erkrankte lebensgefährlich. Ein halbes Jahr kämpften die Ärzte um mich. Sie wussten nicht ob ich überleben würde. Jeden Tag war meine Mutter im Krankenhaus, das ich schon lange nicht mehr verlassen durfte. Als sie mich endlich wieder mit nach Hause nehmen durfte war ich so geschwächt und abgemagert, dass ich das Laufen neu lernen musste. Beide waren froh dass wenigstens ich noch am Leben war. Am 27.09.1998 kam dann im selben Krankenhaus meine kleine Schwester Jessie (*) zur Welt. Einen Monat zu früh, die Nabelschnur dreimal um den Hals. Von Anfang an brauchte sie viel Fürsorge und Beachtung. Während ich ein stilles Baby war das kaum schrie, schrie meine Schwester nächtelang durch, weigerte sich zu essen.. ihr erstes Weihnachten verbrachte sie in der Klinik. Auch sie war krank geworden und ihre Lebenschancen standen schlechter als meine damals. Und.. wie ein Wunder überlebte auch sie. Kurz danach, 1999, entschlossen sich meine Eltern umzuziehen in eine größere Wohnung. Ich war damals vier Jahre alt und sollte in den Kindergarten kommen. Was meine Eltern nicht bemerkten war, dass ich mir schon selbst das Lesen beigebracht hatte. Die Kindergärtnerin sagte dann meiner Mutter das es sinnlos wäre mich weiterhin im Kindergarten zu lassen, ich wäre zu reif für mein Alter. Um mich aber mit 5 Jahren einzuschulen mussten meine Eltern einen IQ-Test machen lassen. Das Ergebnis : 136,5 . Und deshalb kam ich im September 2000 in die Grundschule . In diesem Jahr , 2000, dem Milleniumsjahr, geschah noch etwas. Etwas was mein Leben meiner Meinung nach nachhaltig prägte. Meine Großmutter, die Mutter meiner Mutter, starb. Sie war.. sie war eine ganz besondere Frau. Ich verbrachte jedes Wochenende bei ihr, ich hatte zu meiner Oma eigentlich eine tiefere Bindung als zu meiner Mutter. Kurz vor meinem 5.Geburtstag durfte ich sie dann nicht mehr sehen, ihr Haar war ausgefallen, der Krebs griff immer mehr ihrer Organe an.. sie war nicht mehr sie selbst. Ich erinnere mich noch an meinen vorletzten Besuch bei ihr. Damals hatte ich das Gefühl meine Eltern würden sich mit meiner Schwester ein schönes Wochenende machen während sie mich zu Oma abschoben.. Nicht falsch verstehen! Ich liebte meine Oma. Aber ich fand es ungerecht abgeschoben zu werden und bekam dieses Mal auch sehr schnell Heimweh nach meiner Mutter. Deshalb fing ich an zu weinen.. solange bis meine Oma meine Eltern anrief und sie bat mich abzuholen weil ich so traurig wäre. Mein Vater kam alleine.. bei meiner Oma war er noch sehr freundlich, aber sobald wir aus dem Mietshaus draußen waren und im Auto saßen fing er an mich anzuschreien.. die ganze Fahrt lang, die eine Stunde dauerte. Ich war 4. Ich hatte keine Ahnung was ich eigentlich gemacht haben sollte. Zu Hause packte er mich am Arm, schleifte mich aus dem Auto ins Haus, die Treppe hoch, bis in mein Zimmer. Dort schlug er mich das erste , leider nicht letzte Mal, in meinem Leben und ließ mich weinend auf dem Zimmerboden liegen. Dann schloss er mich ein. Bis zum Abend.
An meiner Einschulung kam meine Oma.. es war ihr letzter Wunsch gewesen. Ich war so glücklich.. und traurig als sie plötzlich ohne Abschied weg war. Eine Woche später starb sie.. und für mich brach eine Welt zusammen. Ich weinte viel und schon in dieser Zeit verschlechterte sich das Verhältnis zu meinem Vater. Er kam besser mit meiner Schwester klar. Zu meiner Trauer um meinem Oma kam das Mobbing in meiner Klasse.. ich war die Jüngste, allerdings die Klassenbeste, einfach weil mir der Stoff der 1. und 2. Klasse unglaublich leicht fiel. Dabei tat ich nicht einmal was dafür. Schnell wurde es Alltag, dass ich nie ohne blutende Wunden und blaue Flecken nach Hause kam.. jeden Tag erwischte mich irgendjemand. Im Unterricht schlug irgendjemand von hinten meinen Kopf auf die Tischplatte und brach mir die Nase an. Die Lehrerin sagte nur ich hätte keinerlei soziale Fähigkeiten. Entweder ich würde zurückschlagen oder ich solle mich nicht beschweren. Zu dieser Zeit redete ich kaum noch. Oft fragte ich meine Mutter wieso ich eigentlich leben müsse. Ich sagte ich würde lieber tot sein als in einer so bösen Welt zu leben. Meine Mutter sah mich sprachlos an und weinte. Mein Vater war ihr da keine große Hilfe und die Tatsache, dass meine Schwester sich mit 4 Jahren selbst vom Kindergarten abmeldete machte es ihr in meiner Tiefphase noch schwerer sich um mich zu kümmern. Ich fing an mir jede Nacht die Arme auf zu kratzen und aufzuschneiden.. ja ritzen. Und ja ich war 5 bzw. 6. Ich wusste mir keinen anderen Ausweg. Meiner Meinung nach war ich schuld an der Situation. Das wurde mir ja auch überall gesagt. Die Lehrer in der Schule sagten das, genauso wie mein Vater zu Hause. Meine Mutter sprach irgendwann beim Jugendamt vor. Was sie machen solle. Sie hatte wirklich Angst ihre Tochter würde sich umbringen. Mit 6. Die Frau beim Jugendamt erklärte ihr, sie könne nichts machen bevor ich nicht einen Selbstmordversuch hinter mir hätte. Ungefähr eine Woche später versuchte ich aus dem Fenster im 5. Stock zu springen. Im letzten Moment hielt mich meine Mutter fest. Sie war fix und fertig.. wegen mir. Schließlich durfte ich dann die zweite Hälfte der 2. Klasse überspringen und kam in die 3. Dort hörte die körperliche Gewalt auf. Allerdings weil ich dafür "bezahlte".. mein Wissen gegen Freundlichkeit. Tatsächlich wusste ich genug um diesen Handel abzuschließen. Trotz allem sanken meine Leistungen rapide. Ich hatte jede Lebensfreude verloren. Meine Mutter sah das.. aber was hätte sie tun sollen? Mit meinem Vater redete sie darüber nicht mehr.. tat sie es schlug er zur Strafe dass ich ihr Kummer bereitete mich. Er hielt mir meine Schwester vor, das Gegenteil von mir. Ein hübsches, sehr aktives Mädchen, immer gut gelaunt und vor allem.. der Meinung das Papa der Größte ist. Dieser Meinung war ich auch mal, irgendwann mit 2 .. doch ich lernte schnell dass dem nicht so ist. Tatsächlich schaffte ich es aufs Gymnasium, sogar mit guten Noten.. ich hatte die Hoffnung dort würde alles besser werden.. Naja ich erspare euch jetzt die 5. bis 9. Klasse .. es war eben Alltag.. nicht sonderlich toll aber auch nicht der Tiefpunkt meiner Geschichte.. denn der beginnt jetzt. Mit der Zeit hatte mein Vater immer mehr Probleme.. wir hatten kaum Geld und er gab sich daran die Schuld. Egal ob es seine Schuld war oder nicht, die Wut auf sich lies er an seiner Tochter aus. Nicht an Jessie , die war immer noch seine Prinzessin. An mir. Ich war sowieso missraten. Freunde hatte ich kaum welche einfach weil ich von kleinauf lernte mich nicht zu öffnen, niemandem zu erzählen was bei uns zu Hause abging (wenn ich das nicht befolgte gab es eben eine Ohrfeige oder zwei).. ich hatte immer Angst etwas falsch zu machen und eben dadurch machte ich tatsächlich so gut wie alles falsch. In der 9. Klasse trat übrigens auch eine Person in mein Leben die erst später sehr wichtig werden wird.. Vehab (*). Er war sitzen geblieben und kam damals mit drei anderen in die 9 b, meine damalige Klasse. Als er damals mit Maria (*),Nadine (*) und Murat (*) vor uns stand.. ich wusste von Anfang an, dass er etwas Besonderes ist.Er faszinierte mich von Anfang an.. und er war wohl der einzige der merkte wie kaputt ich mit der Zeit wurde.. Ich war fest davon überzeugt einfach nur Müll zu sein.. ich hatte schlechte Noten, meine Mutter weinte oft wegen mir. Meiner Meinung nach war ich selbst Schuld an der Gewalt meines Vaters. Damals dachte ich, würde ich wie meine Schwester würde alles gut sein.Sie war beliebt, hübsch, dünn, Papas Liebling. So begann ich zu hungern. Mit der Zeit wurde ich dünner und dünner.. es fiel niemandem auf. An Silvester 2007/2008 war ich dann mit einer Körpergröße von 1.67 m auf ein Gewicht von 40 kg runter. Das entspricht einem BMI von 14. Ich war damals in Hamburg, ich wollte mit Freunden feiern. Eines Abends zog ich mich aus, in diesem Moment kam Michelle (*) rein, eine Freundin. Sie schrie mich an, fragte das denn solle.. Danach folgte eine Diskussion an der sich alle beteiligten.. dass ich sterben würde, wenn ich nicht endlich anfangen würde zu essen. An diesem Abend besoff ich mich ziemlich.. Aber an meiner Einstellung zum Essen änderte niemand etwas.Natürlich änderte sich nichts, es wurde nur schlimmer.Durch das Hungern wurde ich gereizt, sah alle als meine Feinde, selbst meine Mutter. Tatsächlich denke ich im Nachhinein dass es mir zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr darum ging "dünn" zu sein. Ich denke dass ich damals wirklich Selbstmord auf Raten betrieb. Ich wollte mich weg hungern. Einfach leise verschwinden, ohne dass es jemand merkte. Ich war sowieso kaum noch ich selbst. Ich war mehr eine Hülle als ein Mensch. Wer dem Hungern dann ein Ende machte und mir damit das Leben rettete war tatsächlich mein Vater. Er stellte mich vor die Wahl : Essen oder Psychiatrische Klinik. Vor der Klinik hatte ich eine Riesenangst.. und so entschied ich mich für das Essen.. Es fiel mir schwer. Sehr schwer. Aß ich mehr als ein paar Bissen wurde mir schlecht, ich erbrach mich ohne mir auch nur den Finger in den Hals zu stecken. Aber ich aß. Und nahm zu. Und hasste mich. Im Februar dann, kurz nach meinem Geburtstag ,kratzte ich mir das erste Mal im Schlaf die Arme auf.. kurze Zeit später hatte ich dort Verbrennungen. Die Narben habe ich bis heute. Ich zeigte die entzündeten Wunden damals meiner Mutter.. die ahnte was los war.. sie sagte es auch. Da kam mein Vater : "Ach was, sie hat nur den Arm aus versehen an die heiße Lampe gedrückt, nicht wahr, Yasmin (*)?" Ich mache ihm daraus keinen Vorwurf.. er war überfordert mit der Situation. Das ist er bis heute. Verdrängen ist nun mal die einfachste Methode.. ich würde nie von ihm Verlangen, sich mit mir auseinanderzusetzen. Zu dieser Zeit fingen die Streitereien zwischen uns an extrem zu werden. Ich rede nicht von den Schlägen. Die wurden für mich Alltag. Ich rede von den verbalen Attacken.. "Es wäre besser du wärst abgetrieben worden." "Du bist doch sowieso eine Nutte und gehst auf den Strich." "Du bist nichts wert, du machst jedem nur Probleme." "Wieso lebst du überhaupt." Nur zur Erinnerung. Ich war damals vielleicht 12 oder 13 Jahre alt. Das sind Sätze die mir in Erinnerung geblieben sind.. die ich heute noch hören kann wenn ich die Augen schließe. Und deshalb ritzte ich mich zum ersten Mal bewusst. Mit einer stumpfen Schere übrigens.. Es dauerte eine halbe Stunde bis Blut floss. Später schnitt ich mit Messern, Rasierklingen und ähnlichem.. Natürlich vielen diese Schnitte auf.. ein Mädchen aus meiner Klasse (ich werde ihren Namen nicht nennen weil es egal ist wer es war) sprach mich darauf an.Sie sagte sie würde mir helfen wenn ich reden wolle. Ich lernte schnell mich dort zu ritzen wo niemand es sah. Aber irgendwann war ich total fertig und sprach mit ihr.. sie sagte daraufhin: "Du bist krank. Hau ab." Kurz darauf wussten Menschen die ich gar nicht kannte, dass ich an SVV litt.. Zu diesem Zeitpunkt halfen mir übrigens drei Menschen aus meiner Klasse.. Zum einen Kiara (*) und Gabriela (*).. im Sommer 2008 sprachen sie mich darauf an. Und egal was jetzt zwischen uns ist, damals habt ihr mir sehr geholfen, und dafür bin ich euch beiden dankbar. Sehr dankbar. Einfach weil ihr mich nicht verurteilt habt. Der dritte war Vehab. Er wusste es damals nicht. Naja, er hatte sicher die Gerüchte gehört, aber er glaubte es nicht. Er hatte nur gesehen dass ich herumlief wie eine Leiche, niemanden an mich heranließ und eigentlich keine Gefühle mehr hatte oder zeigte. Er reagierte auf seine eigene Art. Er fühlte anscheinend, in welchen Momenten es mir besonders dreckig ging. Dann lächelte er mich an, zog Grimassen.. bis ich nicht anders konnte und lachte. Diese stille Anteilnahme gab mir damals viel.. Ich erinnere mich noch an ein Englisch-Referat, dass ich in der 10. Klasse halten musste. Vehab,Murat und René (*) saßen in der ersten Reihe. Alle drei grinsten solange bis ich auch lachen musste.. die Aufregung war verflogen. Und im Oktober 2008 ritzte ich mich für lange Zeit das letzte Mal. Übrigens wegen meinem Vater.. wir hatten wieder Streit zu Hause .. er brachte die ganze Familie dazu mich eine Woche lang zu ignorieren.. ich hielt das nicht aus.. das erste Mal brach ich in der Öffentlichkeit zusammen. Vor dem Geschichtsunterricht bei Herr Buschke fing ich an hemmungslos zu weinen.. Gabriela blieb damals bei mir .. wie gesagt danke. Und danke an Vehab.. du hast es gesehen aber gewartet bis ich freiwillig erzählt hab.. du hast mich nie gedrängt irgendwas zu erzählen. Ich weiß noch was du damals gesagt hattest.. ich sagte : „ Für wie verrückt hältst du mich jetzt wohl?“ Und du sagtest einfach: „Naja, du bist eben was Besonderes.“ Ich fragte: „Ist das negativ oder positiv?“ Und deine Antwort brachte mich für Tage zum Grinsen: „Bei dir auf jeden Fall positiv, Kleine!“ In den Sommerferien 2008 lernte ich jemanden kennen der mein Leben bis heute des öfteren auf
den Kopf stellt. Er heißt Mike (*). .und ich wundere mich bis heute dass er überhaupt weiter mit mir in Kontakt blieb als erfuhr dass ich mich ritzte (das tat ich zu diesem Zeitpunkt noch). Damals, in den Ferien, wurde das Ritzen extrem. Meine Erinnerungen bleiben an einem Morgen hängen.. ich wollte mich mit einer Freundin zum Shoppen treffen, meine Eltern waren nicht zu Hause, nur meine Schwester saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Ich war im Bad, sah in den Spiegel, nahm mir eine Rasierklinge und zog sie immer wieder über meine beiden Arme. Ich spürte keinen Schmerz, ich sah kein Blut. Ich spürte nur Befreiung. Irgendwann schaute ich hinab. Das Blut tropfte ins Waschbecken, meine Arme waren kreuz und quer mit Schnitten bedeckt. In diesem Moment hatte ich wirklich Angst zu sterben, mir wurde bewusst, wie viele Schnitte ich mir eigentlich zugefügt hatte. Aber dann zeigte das Ritzen erneut seine Wirkung. Ich wurde total ruhig, nahm nasse Tücher, reinigte meine Arme, legte mir dann frische Tücher über die Arme und zog Armstulpen an, nahm meine Tasche und traf meine Freundin. Am Abend klebten die Tücher an meinen Armen fest. Als ich sie abriss, fingen meine Arme wieder an zu bluten.. Aber wie gesagt.. Mike blieb in Kontakt mit mir.. und rettete mir in den Sommerferien das Leben.. auch wenn ich natürlich nicht weiß ob er das heute nicht bereut, aber ich denke nicht.. damals wollte ich mein Leben beenden.. schnitt mir die Pulsadern auf und wartete .. mir wurde schwindlig und plötzlich sah ich ihn und andre Menschen die mir viel bedeuten.. ich stellte mir sein Lachen vor, seine Stimme, unsre Telefonate, wenn er mir vorsang. Und plötzlich wusste ich dass ich leben musste. Er hätte das nicht gewollt. Plötzlich hörte ich ihn mit mir schimpfen, hörte, wie er fragte ob ich eigentlich noch ganz dicht wäre.Und schon damals war ich sehr auf ihn fixiert. Danke Mike. Danke für alles.. In diesem Jahr , 2008, lernte ich auch Vehab besser kennen.. er öffnete sich mir irgendwann, sprach mit mir über seine Probleme.Das hat mich eigentlich sehr überrascht. Er munterte mich zwar immer auf und mich mochte er wohl in der 10. bis auf Murat und René am meisten. Aber wir sprachen nie wirklich über persönliche Dinge. Ich hab' viele gute Erinnerungen an dich. Ich musste nachsitzen, wir warteten zusammen auf die 7. Stunde. Ich hörte Musik und du lerntest Mathe, weil du in der 7. die Arbeit nachschreiben musstest. „Willst du auch was essen?“ Erstaunt nahm ich die Kopfhörer aus dem Ohr: „Schon, aber ich hab kein Geld.“ Du hast nur gegrinst und standest plötzlich vor mir : „Komm mit!“ Also folgte ich dir zum Bäcker. Dort stand ich dann recht ratlos, du kauftest eine Brezel und eine Rosinenschnecke. Zurück in der Schule teiltest du dann beides mit mir. Und später hast du Ethik geschwänzt.. und ich Religion. Wir gingen essen, wo mir mal wieder auffiel das Jungs wirklich viel mehr in der selben Geschwindigkeit essen können.. Ich aß einen Cheeseburger, du aßt einen Cheeseburger und zwei Chickenburger. Und wir waren gleichzeitig fertig. Irgendwann liefen wir mal wieder nebeneinander her.. und du fingst an zu erzählen. Von dir selbst, wieso du so bist wie du bist.. in ICQ schrieben wir oft länger, einmal hast du zwei Stunden gewartet, weil du mich irgendwas Fragen wolltest. Ein Jahr lang schien alles besser zu werden, wenn man von meiner Situation zu Hause absah.. Ein besonderes Jahr für mich war 2009.. letztes Jahr.. Anfang des Jahres meldete sich Ana bei mir zurück mit all meinen Komplexen.. ich hungerte wieder. Diesmal wollte ich die perfekte Figur. Und wieder ging ich zu weit. Und wieder rettete mir mein bester Freund das Leben. Mit der Wahl "Anorexie oder Ich" schrieb er mich an..ich weiß nicht ob ihm bewusst war, dass er mich verloren hätte, wenn er das später gesagt hätte. Ich saß weinend vor dem Laptop und dachte nach.. ich wusste eigentlich, dass es nur eine richtige Möglichkeit gab. Aber ich wusste auch, dass ich nicht die Kraft hatte, allein von Ana los zu kommen. Trotzdem war diese Frage das einzig Richtige .. anders hätte ich nicht gehört.. er versprach mir zu helfen.. und tatsächlich kam ich wieder etwas aus diesem Sumpf raus.. geblieben ist mir von Ana viel. Meine Komplexe sind ziemlich stark geworden, mein Körper leidet bis heute.. meine Kreislaufstörung ist zu einem großen Teil Ana zu verdanken, genauso meine schlechten Blutwerte, meine Mangelerscheinungen und meine halb kaputte Niere.. aber wie gesagt, er schaffte es. Im Sommer 2009 zog Vehab weg... er war zum zweiten Mal sitzen geblieben , genauso wie Murat.. somit war unsre "Schwänzergruppe" so ziemlich zerschlagen.. ich gab nicht zu wie sehr ich Vehab vermisste.. Aber der letzte Schultag in der 10. Klasse war schrecklich für mich. Vehab war schon tagelang nicht mehr in der Schule gewesen. Er hatte sich nicht verabschiedet. Er schrieb mir dann, dass er nach Wiesbaden gezogen wäre, weil er dort weiterhin die Schule besuchen konnte, was in Heilbronn nicht möglich gewesen wäre. In der 11. kam dann Nezad (*) zu uns. Und am 2. Schultag grüßte er mich von Vehab. Ich saß geschockt da und war erst mal sprachlos. Ich wunderte mich.. mir war nicht bewusst, dass er sich überhaupt noch an mich erinnern würde. Aber er tat es. Ich sagte niemandem, dass mir die alte Zeit fehlte. Allerdings stand ich zitternd und mit Tränen in den Augen in der Eingangshalle des THG's als er sein Versprechen hielt und kurz vor Weihnachten vor mir stand. Ich sah ihn nur an, wollte ihn umarmen. Aber ich stand still da, bis er mich ansprach. Ich war so verdammt glücklich, ihn zu sehen. Meinen „großen Bruder“.Zu diesem Zeitpunkt ging mir mal wieder mies .. auch wegen einem Psychologen, bei dem ich ein mal war. Er sagte mir ich würde nicht älter als 25 werden, weil ich zu schwach und zu naiv wäre, mein Selbsthass zu groß. Wenn ich erst einmal allein wohnen würde, würde ich mich entweder umbringen oder zu Tode hungern.. tolle Aussichten, hmm? Diagnose: Depressionen, Borderline und Ana.. Der größte Grund dafür war ein etwa 50jähriger Mann in den Weinbergen .. ich war dort joggen .. und er versuchte mich zu vergewaltigen.. ich war geschockt, auch wenn nichts passiert war. Silvester verbrachte ich bei Mike.. egal was er jetzt darüber denkt, für mich war es trotzdem wunderschön.Ich schenkte ihm mein 1. Mal, aus Liebe und Vertrauen. Ich hatte immer Angst es würde total schmerzhaft werden.. viele hatten mir erzählt, dass die Jungs total rücksichtslos gewesen wären. So war er nicht. Dafür bin ich dankbar. Naja.. danach hatten wir Stress, wegen mir. Ich hatte mich in ihn verliebt, was nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich bekam dadurch echt schlechte Laune, war ungerecht gegenüber Mike.. was mir leid tut. Letztendlich hatte er sogar Angst, mir von dem Mädchen zu erzählen, in das er sich verliebt hatte. Weil ich das letzte Mal sehr aggressiv war. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar wie egoistisch mein Verhalten eigentlich war. Ich entschloss mich, ihm nie wieder Stress wegen einem Mädchen zu machen. Es war sein Leben nicht meines. Ich bekam Sex, keine Liebe. Das war für mich o.k. .Kurz nach Silvester passierte wieder etwas, was mein Leben sehr prägte. Im SchülerVZ erschien eine Nachricht von einem Jungen aus meiner Parallelklasse die sehr depressiv klang.. und wie ich eben bin machte ich mir Sorgen und schrieb diesen Jungen, er heißt Dennis (*), in ICQ an. So kamen wir ins Gespräch.. ich glaubte wie redeten bis 4 Uhr morgens oder so.. und das war der Beginn einer Freundschaft. Wir verstanden uns einfach, mussten uns nicht lang erklären wie das gemeint war das der jeweils andere sagte. Er half mir auch meinen Streit mit Mike beizulegen. Am Anfang half er wohl nur aus Mitleid und weil er selbst in einer ähnlichen Situation war.. inzwischen wohl einfach weil ich vielleicht doch nicht ein ganz so bescheuerter Mensch bin wie ich denke.. Auf jedenfall hast du, Dennis, mein Leben wieder verändert. Ich bin positiver geworden. Etwas lebensfroher. Inzwischen bedeutest du mir wirklich total viel. Ich verstehe eigentlich nicht, wieso wir uns nicht früher kennengelernt haben. Jeden Morgen habe ich mich gefreut, wenn der Bus ankam, und du auf mich zukamst.Ich vermisse das. Genauso verändert hat mein Leben der Umzug Ende Januar 2010. Wir zogen um, was das Beste war, was mir je passierte. Am Anfang hatte ich eine Riesenangst vor dem Schulwechsel.. das stellte sich als unnötig heraus. Meine Klasse nahm mich freundlich auf, ich lernte zum ersten Mal was eine Gemeinschaft ist. Schnell bekam ich neue Freunde. In Biologie war ich ein Jahr hinterher. Sofort erklärten sich Janine (*) und Chantal (*) dazu bereit, mir Nachhilfe zu geben. So lernte ich sie besser kennen, und durch die beiden Niklas(*),Sophie (*),Dorothea (*),Rick (*),Daraios (*) und Tamara (*). Freunde. Wir verstehen uns einfach, verbringen gerne Zeit miteinander, wollen in den Ferien zusammen nach Italien fahren. Auch Lukas (*), Altin (*) und Daniel (*) halfen mir am Anfang. Alle drei erklärten mir die Schule, zeigten mir die Stadt, Lukas fuhr extra eine Straßenbahn später, um mit mir nach Hause fahren zu können.Ich bin wirklich glücklich in meiner Klasse. Vehab ruft mich jetzt jeden Freitag an. Er ist mein großer Bruder geworden.. Er hat sich auch ziemlich verändert.. er will nicht mehr das Arschloch sein. Er will „Vehab“ sein. Er fragte mich sogar in Beziehungssachen um Rat.. weil er niemals eine ernsthafte Beziehung hatte. Wir lachen viel miteinander. Und wir wollen uns in den Ferien treffen.. ich soll ihm die Stadt zeigen (wobei ich so tue als hätte ich einen Orientierungssinn und er so tut als würde er glauben wir würden uns nicht verirren).. und ich bekomme seine Jacke. Die ich im Winter eigentlich sowieso das ganze Jahr über trug, weil mir immer so kalt war, und du keine Lust hattest, dir dauernd mit anzusehen, wie ich zitternd im Klassenzimmer saß. In den Osterferien passierte
etwas, was ich eigentlich immer noch nicht ganz verdrängt habe.. ich war Schauspielern für das Rebound-Projekt.. ungefähr um 22.30 Uhr hielt der Bus an der Kirche.. es sind nur ein paar Minuten nach Hause. Aber an einer Straße passierte es.. wieder versuchte ein Mann mich zu vergewaltigen.. ob er es geschafft hat? Naja.. nennt man es auch Vergewaltigung wenn der Mann dem Mädchen den Penis in den Mund rammt ? Dann.. ja. Seitdem kann ich schlecht schlafen.. wobei ich nie die Szene vor mir sehe. Ich spüre das Gefühl.. ich höre alles, aber ich sehe die Situation nie. Obwohl das passiert ist, geht es mir besser als früher . Seltsamerweise ist genau jetzt, wo ich eigentlich glücklicher bin als früher, Ana wieder mehr in meinem Kopf.Sie ist nicht mehr so stark wie die vorhergehenden Jahre. Aber sie ist anwesend. Bringt mich dazu eine Tafel Schokolade zu kaufen und sie unberührt in den Mülleimer zu schmeißen. Fettreduzierte Waren zu kaufen und zu Hause zu verstecken damit meine Mutter nichts merkt.. trotzdem leb ich immer noch fast normal, auch wenn der Drang abzunehmen unendlich groß ist. Wenn ein Mensch in meinem Umfeld das Wort „fett“ in den Mund nimmt, bin ich sofort davon überzeugt, dass dieser Mensch mich meinte. Obwohl ich mit 58 kg sicher kein Übergewicht habe. Manchmal schaue ich mich morgens im Spiegel an und denke nur : „Naja, so schlimm sehe ich eigentlich gar nicht aus. Ganz hübsch.Gute Figur.“ Aber das ist leider die Ausnahme.. Meistens denke ich genau das Gegenteil..Aber größer noch als all meine Komplexe ist die Angst diese drei Menschen zu verlieren.. Mike,Dennis und Vehab.. ich habe mir vorgenommen alles zu tun um den drei zurückzugeben was sie für mich taten.. und ich hoffe ich werde das irgendwann schaffen.. Vor ein paar Tagen habe ich mich wieder geritzt.. Ich hatte zu viele Tabletten geschluckt.. ich hatte wirklich Schmerzen aber die Dosierung war total übertrieben.. ich spürte keinen Schmerz, als ich in meine Hand schnitt. In der Nacht spürte ich, wie mein Herz kurz stehen blieb.. ob es von den Tabletten kam weiß ich nicht, es ist wahrscheinlich. Irgendwie klingt das wie der Anfang.. aber das ist nicht der Anfang.. zumindest hoffe ich, dass es nicht der Anfang ist.. ich hoffe, dass das das Ende dieser Zeit ist. Und dass ich bald wieder lächeln kann und lachen.
"Warum fallen wir?" - "Damit wir lernen wieder aufzustehen!"
Tag der Veröffentlichung: 02.05.2010
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