Augen aus Gold ... so rot wie Blut.
1. Nacht
Vielleicht mag es dem einen oder anderen nicht geheuer vorkommen. Vielleicht aber würden sich manche darüber freuen, aus welchem Grund auch immer ... Tatsache ist: ich freue mich definitiv nicht darüber. Warum? Tja, diese Frage ist relativ einfach zu beantworten ...
Ich bin nicht sonderlich scharf darauf, jede Nacht im Wald herumzuirren und nach kleinen - oder großen - Rehen Ausschau zu halten.
Jetzt wird sich der eine oder andere wahrscheinlich fragen, warum ich nach Rehen Ausschau halte. Nein, ich bin kein Jäger oder gar Wilderer.
Ich bin Vampir.
Jetzt wiederum werden sich manche von euch denken: "Ach was, der will mich doch nur über's Ohr hauen!"
Nur so zur Information, ich haue keine Menschen über's Ohr.
Ich trinke nur gelegentlich ihr Blut, das ist alles.
Zum Fürchten, nicht wahr? Wenn ihr die Frage jetzt mit "Nein" beantworten solltet, genau, ich bin ganz eurer Meinung. Warum sollte man sich vor Vampiren fürchten? Sie sind eh ganz zahm, ernähren sich höchstens von Tieren und lassen die Menschen in Ruhe. So ist es doch, oder?
Diese Frage muss ich euch leider auch mit "Nein" beantworten. Warum? Weil wenn ich sie rieche, selbst ich Menschen nur schwer in Ruhe lassen kann. Und, nein, ich widerspreche mir nicht. Ich habe gesagt, ich tränke gelegentlich ihr Blut. Es kommt halt nur darauf an, ob man in "gelegentlich" einen dehnbaren Begriff sieht ...
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1. Nacht
"Verdammter Mist ...", fluche ich und springe über den nächsten Busch. Diese blöden Viecher! Stehen bleiben können die wohl nicht! Mit leichten Schritten laufe ich hinter den nächsten Baum. Vorsichtig schiebe ich meinen Kopf zur Seite und spähe in den finsteren Wald. Ein gewöhnlicher Mensch dürfte eigentlich nichts sehen. Immerhin ist es halb eins in der Nacht und der Mond ist bedeckt. Aber zum Glück bin ich ja ein Vampir.
"Ha ha ...", lache ich sarkastisch und verfluche mich gleich danach wieder, weil ich das Reh-Vieh schon wieder einige Meter verscheucht habe.
Grausames Leben, denke ich mir und schleiche mich geräuschlos über den mit Laub bedeckten Waldboden. Mein überaus gutes Gehör verrät mir, dass das Reh ein paar Schritte in meine Richtung gemacht hat und sich nun wieder ans Fressen macht.
Gutes Tier, lächle ich und stehe nun fast vor ihm. Mit einem dreckigen Grinsend mache ich einen Satz und stürze mich auf das wehrlose Kitz. Dieses schreit noch einige Momente, doch ich beschließe, es schnell und schmerzlos zu machen und ramme meine gefletschten Zähne in den zarten Hals.
Manch einer würde jetzt denken: "Igitt!" oder "Wie brutal!"
Auf solche Gedanken kann ich nur lachen. Esst ihr denn keine Tiere? Zugegeben, ich fresse sie roh, beziehungsweise trinke ihr Blut, aber macht ihr es anders? Bei euch werden Kühe erschossen und auf grausamste Weise zerstückelt, nur damit ihr zu Mittag ein flaches Steak ohne Fettstreifen essen könnt ...
Das
ist grausam! Das grenzt ja schon fast an Kannibalismus ...
Mit meiner Handrückseite wische ich mir über meinen Mund, stehe auf und lasse das tote Tier in das Herbstlaub fallen. Die Raben werden sich freuen ...
Ich gähne einmal herzhaft und strecke meinen steifen Rücken. Von der Anspannung beim Jagen bekommt man ja schon fast Kreuzweh. Auf Dauer tut mir das nicht gut...!
Ich setze mich gerade in Bewegung, da vernehme ich auf einmal den Geruch von ...
... Wölfen ...
Meine gute Laune - falls man das als "gute Laune" bezeichnen kann - sinkt sofort in den Keller. Wenn dieser Idiot auch nur einen Fuß in mein Umfeld setzt, dann ...
"Hi Isaac!"
Idiot ...
"Sag Mal, warum bist du heute so mies drauf?", fragt Gabriel und sieht mich mit seinen Hundeaugen an. Sogar auf sieben Meter Entfernung nervt mich sein Hundeblick.
"Verschwinde, Wölfchen ...", erwidere ich nur schroff und wende mich zum Gehen. Wo auch immer ich hin will ...
"Hey! Isaac! Warte doch Mal!" Meine Güte, was für eine Nervensäge! Keine Nacht kann Mann Mal alleine sein ...!
"Verschwinde, du befindest dich in feindlichem Gebiet." Ich marschierte weiter.
"Mann Isaac! Sei kein Spielverderber!", schmollt Gabriel und läuft mir nach. Verflucht, was will der denn noch?
"Hör zu ...", ich drehe mich abrupt um und der Hund läuft mir fast hinein, "Wenn du mir weiter auf die Nerven gehen willst, super, aber wenn ich aggressiv werde, heul dich nicht bei deinen Hundeeltern aus, wenn du um drei Liter leichter bist!"
"Wann hast du das letzte Mal Menschenblut getrunken?"
Ich knurre ihn wütend an und laufe wieder in die andere Richtung los. Mann, der sieht mich an und weiß, was für Probleme ich habe. Ich mache einen Satz und springe über einen umgefallenen Baumstamm. Ich will keine Gesellschaft. Das wäre das Letzte, was ich jetzt noch brauchen kann.
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2. Nacht
Halb schlafend lehne ich an einer fetten Eiche und starre mit müden Augen in den Sternenhimmel. Wie langweilig das Leben doch ist ... nie passiert etwas. Den ganzen Tag schlafen, in der Nacht nur jagen, den Tieren beim Fressen zusehen, von Gabriel genervt werden, und das noch mehrere hundert Jahre! Ich weiß wirklich nicht, wie ich das durchstehen soll, ohne ein Trauma zu erleiden ...
Ich fasse an den Boden, greife nach einem Blatt und zerreibe das Laub mit den Fingern. Herbst ... ich mag diese Jahreszeit. Es ist kühl, aber nicht zu kalt. Als ob mir die Kälte etwas ausmachen würde.
Nachdenklich sehe ich zur Seite. Ich lausche den Geräuschen der Natur. Ein Vorteil des Vampir-Seins: mein gutes Gehör. Natürlich kann ich auch gut sehen, doch die Welt ist für mich schon lange nicht mehr so spannend anzusehen. Ich bin mehrmals drumherum gereist, in meinen fünfundneunzig Jahren. Aber langsam höre ich auf, mitzuzählen. Die Nächte vergehen, die Jahre verstreichen. Und ich bin gezwungen, mich bis zum Weltuntergang zu langweilen.
"Hey Isaac!"
Oh nein, warum Bestraft mich Gott auch noch mit diesem Leid ...? Habe ich nicht schon genug Qualen erlitten?
"Verschwinde ...", antworte ich kalt und drehe mich auf die andere Seite.
"Mann, jetzt sei doch nicht immer so gemein." Der zierliche Wolfsjunge setzt sich neben mich und sieht mich an. Seine Wolfsohren sind starr nach vorne gerichtet, sein grauer Schwanz liegt ruhig auf dem Boden. Diese Körperteile verraten einfach zu viel über seine Stimmung. Und gerade will er anscheinend meinen Problemen und Klagen lauschen. Nein, Mitleid kann ich zur Zeit am wenigsten gebrauchen, da soll er bei jemand anderem Kummertante spielen ...
"Isaac, du siehst nicht gut aus..."
"Ach, was du nicht sagst ... ich hab komischerweise seit drei Nächten nichts mehr gefressen, weil mich meine Ohren und Augen langsam im Stich lassen..."
"Das liegt am Menschenblut, oder?"
"Am Blutmangel, besser gesagt."
Gabriel sieht zu Boden. Er zeichnet mit dem Finger kleine Kreise in den Erdboden, den er zuerst vom Laub befreit hat.
"Kann ich dir irgendwie helfen?"
Ich schnaube.
"Wenn du mir aus dem Dorf eine Kuh mitnimmst wäre ich dir sehr dankbar..."
"Ich gehe nicht gern ins Dorf."
"Das war auch sarkastisch gemeint, du Idiot."
Gabriel schweigt. Ich seufze und will mich erheben. Das schaffe ich auch, doch plötzlich fangen meine Knie an zu zittern und ich spüre, wie sie nachgeben.
"Isaac!"
Fluchend lande ich wieder auf dem Boden und muss mich mit den Händen abstützen, damit ich nicht auch noch im sitzen umfalle.
"Verdammt!", zische ich und balle meine Hände zu Fäusten. Verfluchter Mist, ich brauche wirklich wieder Menschenblut!
"Isaac, du Trottel, warum bist du nicht schon früher ins Dorf gegangen?!", beschwert sich Gabriel, doch ich ignoriere ihn. Stattdessen überlege ich mir, wie ich noch einmal irgendeinen Hasen oder ähnliches fangen könnte, um mich mit letzter Kraft ins Dorf zu schleppen.
"Weißt du was, ich fang dir jetzt was, danach gehen wir ins Dorf und holen dir einen Menschen!"
Kann dieser Hohl-Hund etwa Gedanken lesen? Nein, sonst wäre er nicht auf die Schnapsidee gekommen, in der Mehrzahl zu reden oder mir etwas zu fangen. Als ob der jemals etwas Größeres als einen Rabe zwischen die Klauen bekommt ...
"Vergiss es, Hündchen, ich werde mich selbst auf die Lauer legen, vielleicht kommt irgendwann Mal ein Häschen vorbei-"
"Dann bist du tot, Vollchecker!"
Ich schnaube abermals. Tot ... dieser Begriff ist wahrlich unpassend. Als ob ich noch leben würde ...
"Hör zu. Lass mich einfach in Ruhe. Ich muss mich selbst um meine Probleme kümmern, und du um deine. Ob ich sterbe oder nicht kann dir egal sein."
"Ich will dir aber helfen!" Beleidigt sieht er mich mit seinen großen, grauen Augen an.
"Als ob du mir helfen könntest ..."
"Klar kann ich das! Ich werd's dir beweisen!"
Und weg war er. Kleiner Idiot, was bringt es ihm, mir zu beweisen, dass es auch größere Fische jagen kann? Ihm bringt es nichts. Mir hingegen schon. Ich krieg das Vieh immerhin nachher. Gut, jetzt kann ich mich nach dem Essen circa drei Stunden im Dorf aufhalten, das müsste reichen, um mir einen Menschen zu holen.
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3. Nacht (1/2)
Ich bin doch tatsächlich eingeschlafen! Gut, geschwächt vom Menschenblutmangel kann das schon passieren. Ich glaube, es war auch besser so, Gabriel ist nämlich immer noch nicht zurück! Dieser kleine Blöd-Hund. Jetzt hab ich wegen ihm so viel Zeit verplempert, ich hätte inzwischen zehn Rehe fangen können. Noch dazu bin ich jetzt noch schwächer. Schlau von ihm, schlau von mir. Man sollte halt doch keinen Werwölfen trauen ...
"Isaac ...!"
Wenn man vom Teufel spricht ...
Schnaufend schleppt sich ein erschöpfter Gabriel zu mir. Auf dem Rücken trägt er ... einen Hirsch?!
"Wolf, wie hast du den bis hierher tragen können?!", frage ich misstrauisch und Gabriel lässt das Tier neben mich auf den Boden fallen.
"Ich hab's betäubt, es lebt noch ...", keucht er und geht nicht weiter auf meine Frage ein. Immerhin kann er jetzt stolz auf sich sein.
Mein blick fällt auf den Hirsch. Sofort fangen meine Zähne zu jucken an, meine Augen werden immer größer und der Rest meiner noch verbliebenen Jagdinstinkte macht sich bemerkbar. Ich höre das schlagen seines Herzens, wie es das Blut durch die Adern pumpt ...
"Trink endlich! Sonst wacht er wieder auf." Gabriel lässt sich vor mir auf den Boden fallen und zieht den Hirsch am Geweih noch etwas näher.
"Wie du willst ...", murmle ich, spreize die Finger und werfe mich auf das wehrlose Tier. Ist so eine Angewohnheit. Ich reiße meinen Mund auf und beiße in den breiten Hals. Aaah ... tut das gut. Endlich wieder etwas Nahrung zwischen die Zähne zu bekommen ... und noch dazu ein so großer Hirsch.
Genüsslich sauge ich das letzte bisschen Blut aus ihm heraus und richte mich auf. Ich säubere mir den Mund und kann mich nun erheben.
"Geht's dir besser?", fragt Gabriel und sieht mich an.
"Es wird mir gleich besser gehen, ich gehe jetzt ins Dorf."
Gabriel sieht mich noch immer an. Was denn noch ...?
"Falls du jetzt ein 'Danke' hören willst, ich hab dich nicht darum gebeten, du wolltest es mir beweisen. Jetzt hast du's bewiesen, ich bin nicht mehr so durstig, und du kannst gehen."
Gabriel sieht zu Boden. Er hatte sich anscheinend wirklich erwartet, dass ich mich bedanke. Tja, so kann man sich täuschen.
Morgen ist Vollmond. Das wird ein schöner Tag werden. Ein Gabriel-freier-Tag. An Vollmond verwandelt er sich in einen Menschenwolf und läuft immer wie tollwütig durch den Wald. Auf die Idee, mich zu besuchen, kommt der in dem Zustand gar nicht ...
Ich springe vom Dach des Rathauses. Mmmh ... so viele Menschen, herrlich. Ich husche zur nächsten Hauswand. Ich höre das Atmen der Kinder. Eines ist es. Und die Eltern. Ah, und da ist noch eine alte Frau bei ihnen, perfekt! Die wird ihnen sicher nicht abgehen!
Ich springe hinauf, durch das offene Fenster. Dort liegen die Eltern. Ich gehe lautlos hinüber zur Tür, öffne diese und betrete den Gang. Ich lausche den Atemgeräuschen und entscheide mich für die übernächste Tür. Da wird mein Abendessen auf mich warten ...
Knarrend geht die Tür auf und ich schlüpfe in das kleine Zimmer. Dort liegt sie ... in dem Bett am Fenster. Langsam nähere ich mich ihr, drehe sie auf den Rücken, ziehe ihr die Bettdecke vom Hals und beuge mich zu ihr hinunter. Essen ... Essen ... Essen ... Essen!
Ein Schrei entfährt ihr. Ich sauge gierig das rote Blut aus ihrem Hals, während die Alte weiterschreit. Ich kümmere mich nicht darum, viel wichtiger ist mein Blut. Oh, wie lange ich jetzt schon darauf gewartet habe! So viele Nächte nur vom Blut eines Tieres ernähren, was für Qualen! Warum trinke ich eigentlich Tierblut? Das hier ist viel, viel besser!
"Mutter! Was - OH MEIN GOTT!"
Noch mehr Menschen betreten den Raum. Verschwindet, ich esse gerade!
"Schatz, was - Gütiger Himmel!" Auch der Vater gesellt sich zu uns. Geschockt stehen sie in der Tür und beobachten das Geschehen. Aber ich lasse nicht von der Frau ab, bis ich auch nur den letzten Tropfen Blut aus ihr gesogen habe!
"Mama, Papa, warum schreit Oma so?" Ein kleines Mädchen kommt durch die Tür. Als sie mich sieht, beginnt auch sie zu schreien.
//Vor ein paar Wochen fragte mich Gabriel einmal, warum meine Augen so schön golden seien. Ich ging zuerst nicht weiter auf die Frage ein, doch er schaffte es wie immer, mich zu überreden, es ihm zu erzählen.
"Meine Augen sind golden, weil ich so wenig Menschenblut trinke."
Gabriel fand das sehr interessant. Keine Ahnung warum. Zum Schluss würde er mich dann noch fragen, wieso meine Haare schwarz, meine Haut weiß, ich ein Mann und mein Bauch dünn war ...
"Was passiert, wenn du Menschenblut trinkst?"
"Das ist so für mich, wie das Fleisch für den Menschen. Es enthält wichtige Nährstoffe, die ich brauche. Wenn ich aber nur Tierblut trinken würde, wäre das so, als wäre ein Mensch ein Vegetarier. Er kann zwar leben, vielleicht schmeckt es auch gut, aber er braucht trotzdem die wichtigen Nährstoffe, die ihm halt nur das Fleisch geben kann."
"Was hat es mit dem Rote-Augen-Mythos auf sich?"
"Vampiraugen färben sich dann rot, wenn der Vampir in einen Blutrausch verfällt. Es gibt Legenden, da soll ein einziger Vampir eine ganze Stadt ausgerottet haben, sogar mehrere. Er gefährdet sehr viele Menschenleben. Das einzige, was ihn dann noch stoppen kann, ist der Tod."//
Inzwischen hat der Vater ein Gewehr geholt. Ich bin immer noch über die Dame gebeugt. Jetzt ist sie leer, all das Blut habe ich getrunken. Aah, ist das ein gutes Gefühl. Am besten, es würde für immer so bleiben ....!
Langsam erhebe ich mich, drehe mich um und blicke in die angsterfüllten Augen der Familie.
Und sie blicken zurück.
In die roten Augen eines wahnsinnigen Vampirs.
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3. Nacht (2/2)
"V-Verschwinde...", stammelt der Vater und hebt sein Gewehr.
"Warum sollte ich ...?", frage ich und lächle böse.
"Du h-hast meine Mutter schon ge-getötet! Lass und in F-Frieden!", wimmert das Weib und klammert sich an die zitternden Arme ihres Ehegatten.
"Warum sollte ich? Jetzt seid ihr alle schon gekommen, es wäre doch Verschwendung, euch wieder gehen zu lassen!" Ich bin immer lauter geworden und die Familie ist immer mehr zurückgewichen. Ich nähere mich ihnen und kann hören, wie der Vater verzweifelt seinen Finger auf den Auslöser legt.
"Ihr könnt mir nicht entkommen, ich bin unsterblich!", lache ich hysterisch und die Mutter läuft los, ihre Tochter an der Hand. Der Vater weicht zurück, drückt ab und ein Schuss ertönt.
// "Ich hab gedacht, Vampire können nicht sterben!", erwiderte Gabriel und sah mich neugierig an.
"Das stimmt schon. Messer oder Schwerter können ihnen nichts anhaben. Nicht Mal Pistolen. Entweder müssen sie von anderen Vampiren getötet werden, oder man setzt sie purem Sonnenlicht aus."
"Was passiert, wenn ein Vampir in die Sonne kommt?"
"Dann verbrennt er zu Asche."//
Die Kugel saust auf meine Schulter zu, prallt ab und fällt auf den Teppich. Das Gewehr fällt scheppernd zu Boden und der Vater läuft schreiend die Treppen hinunter. Ich folge ihm mit leichten Schritten und laufe aus dem Haus, ihnen nach. Mittlerweile sind schon mehrere Lichter angegangen, neugierige Menschen starren aus dem Fenster. Um die werde ich mich später noch kümmern!
Das Kind stürzt, die Mutter bleibt stehen, will es aufheben, doch ich bin schneller. Ich packe die Frau und das Kind und springe auf das nächste Dach. Schreiend versuchen sie sich zu befreien, doch ich bin schon wieder schneller. Gierig beiße ich zuerst der Mutter in den Hals, sauge ein bisschen Blut, dann kommt das Kind dran. Das hat schon längst aufgehört zu schreien.
Die halb ausgesaugten Leichen fallen vom Dach, und ich stürze mich ebenfalls hinunter. Unten hat sich schon eine Menschenmenge angesammelt. Schön für mich. Noch mehr Fressen!
Das Gemetzel beginnt. Verzweifelte Menschen flüchten vor mir, dem rotäugigen Wesen. Es wird geschossen, es wird mir Wasser oder Fackeln herumgewerkt, doch nichts kann mich vertreiben. Immer mehr Leute sterben, immer mehr Blut wird vergossen. Jetzt trinke ich schon fast nichts mehr, ich töte einfach. Was für ein wunderbares Gefühl.
Vor lauter Wahnsinn und Hysterie bemerkt keiner, dass schon langsam der Tag anbricht. Mich interessiert das auch herzlich wenig, da mir das hier viel mehr Spaß macht, als mich jetzt wieder in den einsamen Wald zurückzuziehen. Ich jage verzweifelten Dorfbewohnern hinterher, bis diese erschöpft zusammenbrechen und von mir grausamst umgebracht werden.
"Isaac ..."
Das Geschrei der Leute hallt in meinen Ohren.
"Isaac!"
Meine Augen sehen nur Blut, überall Blut.
"Isaac!!"
Mir wird richtig schlecht, von dem Gestank.
Plötzlich sehe ich rot. Aber nicht am Boden.
Am Himmel ...
Und ich sehe einen Jungen. Einen jugendlichen Jungen mit Ohren und einem Wolfsschwanz. Er kommt direkt auf mich zu gerannt.
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Tag
Die Sonne geht auf. Ich hebe meinen Blick und starre in das grelle Licht. Es schmerzt in meinen Augen, ich bekomme Ohrenweh und meine Nase brennt.
"Ahrg..."
"Isaac!! Du Idiot, was hast du getan?!"
Hände legen sich auf meine Schultern, rütteln mich durch, doch ich knurre mein gegenüber nur schwach an. Meine Arme ... sie werden taub ... meine Beine auch. Alles dreht sich.
"Schatten ..."
Ich habe meine Stimme wieder.
"Du elender Drecksack!", schreit Gabriel verzweifelt und schüttelt mich noch immer. Verdammt, der soll aufhören.
"Gabriel ... ich sterbe ... lass mich los, in Ruhe sterben ..."
"Was ... NEIN! Idiot! Nicht sterben!"
"Gabriel, ich bin schon halb tot ..."
Sein panischer Gesichtsausdruck wandelt sich um zum fest entschlossenen Retter. Sofort fängt er an, mich aus dem Dorf zu zerren.
"Gabriel ... lass das ... es ist zu spät ..."
"Aber deine Augen sind wieder golden!! Du kannst es noch schaffen!"
"Und was ist ... wenn ich das nicht will ...?"
Gabriel wird langsamer, bis er schließlich stehen bleibt. Sein Pelzschwanz hängt schlaff herunter und seine Ohren sind nach unten gerichtet.
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Die Nacht am Tag
Gabriel hat mich auf eine Lichtung im Wald geschleppt. Blumen wachsen überall, und ich rieche ein letztes Mal den wundervollen Duft. Das er mir nicht schon früher aufgefallen ist ... was für ein wunderbares Gefühl.
Die Sonne sticht vom Himmel, Gabriel sitzt neben mir und heult. Ich liege da und starre ihn an. Mir war es nicht aufgefallen, aber er ist mir in all den Jahren ziemlich ans Herz gewachsen.
"Uh..." Bald ist es so weit. Meine Haut ist schon mit Staub bedeckt und hat Risse bekommen.
"I-Isaac...", würgt Gabriel und kriecht nächer zu mir.
"Viel Glück noch Gabriel." Das sind meine letzten Worte.
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Noch klarzustellende Aussagen
Kommen wir noch einmal zu der Aussage: "Ich bin eurer Meinung, was das mit dem 'nicht fürchten' vor Vampiren angeht".
Ich habe meine Meinung geändert.
Man sollte sich vor Vampiren fürchten.
Denn meistens sind sie egoistisch, abweisend und unberechenbar.
Also brechen sie dir entweder das Herz oder töten dich.
Also, Finger weg von Vampiren, die sind nicht so knuffig wie in allen Kitsch-Romanen.
Sie sind definitiv nicht die Guten.
Nein,
sie sind die Bösen.
Ende.
Tag der Veröffentlichung: 22.05.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine kleine Schwester, die wahrscheinlich der größte Vampirfan der Welt ist.