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„Stehen geblieben, du diebische Rotznase!“
„Ich denk nicht dran!“, brüllte Logan und raste die Straße weiter nach Norden. Verschreckte Passanten sprangen ihm aus dem Weg, während er durch die gefüllten Einkaufsstraßen New Yorks rannte.
„Haltet den Bengel!“, schrieen die Polizisten, die ihm nun schon eine geschlagene Stunde durch New York folgten. Inzwischen standen an allen möglichen Ecken ein paar Polizeiautos, doch Logan war geübter Verbrecher und noch nie einem Polizisten in die Arme gelaufen. Und heute würde er es auch nicht tun.
Eine Hand griff nach seinem Arm, doch der Junge wich geschickt aus. Was mischten sich die fremden Leute da ein? Das war eine Sache zwischen den Cops und ihm! Wenn die ihn nicht fingen, würde es keiner.
„Verdammt, stehen bleiben, oder ich schieße!“ Das kannte Logan nur zu gut. Einschüchtern wollten sie ihn. Das war so, als würde Mami einem mit Fernsehverbot drohen. Mami…
Logan wurde langsamer. Wie es seiner Mutter wohl gerade ging? Bestimmt saß sie gerade bei seinem Psycho-Vater am Tisch und sie aßen gemeinsam. Na ja, wohl eher er aß, seine Mutter würde später essen, wenn der vorm Fernseher hing und sich Horrorfilme reinzog.
„Jemand soll ihn festhalten, verdammt!“, schrie der Polizist und Logan registrierte seine Situation erst langsam wieder.
„Oh, Scheiße“, fluchte er, als er merkte, dass ihn die Bullen fast eingeholt hatten. Seine langen Beine trugen ihn weiter die Straße entlang und nervende Fußgänger versuchten vergeblich, ihren Beitrag zu leisten, indem sie sich ihm in den Weg stellten oder versuchten, ihn festzuhalten. Aber der schlanke Logan schlängelte sich gekonnt durch die Massen und verschwand dann in einem großen Einkaufszentrum.
„Wo ist er?!“, hörte er die Cops rufen. „Aufteilen!“
Keuchend flüchtete Logan in einen Klamottenladen und tauchte unter. Die vielen Menschen gaben ihm Deckung und so drehte er ein paar Runden in Sicherheit durch den Laden. Sollte er was klauen? Nein, lieber nicht. Sonst würde die Polizei wieder aufmerksam werden.
Da sah er einen Cop in den Laden kommen. Seine Adern füllten sich augenblicklich wieder mit Adrenalin und Logan sah zu, wie der Polizist mit einer Kassiererin redete. Die nickte einmal und deutete mit ihrem Finger zur Rolltreppe.
„Verdammt“, zischte Logan und versteckte sich hinter einer Säule. Der Polizist hopste die Rolltreppe hinauf und sah sich um. Dann lief er in die andere Richtung. Logan atmete erleichtert aus und machte sich auf zur Rolltreppe. Schnell flitzte er hinunter und hielt auf die Tür zu. Da schrie die Kassiererin: „Da! Da ist er!“
Logan fuhr herum und sah, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Er verstand und lief sofort los. Die Menge murmelte aufgeregt und einige versuchten wieder, ihn aufzuhalten. Aber auch dieses Mal schaffte er es unversehrt aus dem Laden.
Logan warf einen Blick auf die Uhr. Er sollte langsam zum Bus. Aber die Polizei würde ihn aufhalten.
Also holte er sein Handy aus der Hosentasche. Daniel würde ihn abholen.
Daniel war sein Freund aus Kindestagen und ein Jahr älter als er. Da er schon volljährig war, konnte er alles machen, was er wollte. Er war unabhängig seinen Eltern gegenüber und hatte Logan bei sich aufgenommen. Zusammen verdienten sie ihren Lebensunterhalt als Taschen- und Ladendiebe und waren ein gutes Team.
Schnell huschten Logans Finger über die kleinen Tasten. Schließlich legte er das Mobiltelefon an sein Ohr und lief in die nächste Straße.
„Hallo?“, tönte es aus dem Hörer.
„Hi, Dan, ich bin’s“, keuchte Logan in das kleine Telefon.
„Oh, verstehe, wo bist du?“
Logan begann, Daniel seinen Standpunkt zu beschreiben, und wo er als nächstes hinwollte. Daniel verstand und meinte, er würde sich sofort auf den Weg machen.


„Was hast du uns mitgebracht?“
Daniel schielte vom Fahrersitz hinüber zu Logan. Der grinste und griff in die Taschen seines Mantels. In seinen Händen hielt er zwei Portemonnaies und drei Kreditkarten.
„Ist das alles?“, fragte Daniel und runzelte die Stirn.
„Alles an Geld? Ja. Aber sieh Mal, ich hab noch was viel Besseres…“ Langsam griff er in seine andere Tasche und zog zwei Papierröhrchen, mit trockenen Kräutern gefüllt, heraus.
„Mann Logan! Du bist vielleicht ein Schweinehund!“, lachte Daniel. „Sind das wirklich zwei Joints?“
„Jep“, machte Logan nur und reichte Daniel seinen.
„Nein, heb ihn mir für zu Hause auf. Ich will uns doch nicht in den Tod fahren, während ich high bin, oder?“
„Nein, dafür ist unser Leben zu armselig…“, scherzte Logan und beide fingen wieder an zu lachen.
„Ach Logan … du bist vielleicht ein feiner Kerl“, seufzte der Fahrende und bog um eine Kurve. Logan zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück in seinen Sitz. Die Joints verstaute er wieder sicher in seinen Manteltaschen.
„Ich hab dir immer noch nicht verziehen, dass du das ganze Geld deines Vaters dazu verwendet hast, dir ein neues Auto zu kaufen…“
Daniel verdrehte die Augen. „Komm schon, diese Karosserie ist das krasseste Auto, das zu heutzutage kaufen kannst! Außerdem, so ohne Geld ist das Leben doch viel aufregender…“
„Ja, ja. Schon kapiert. Aber heute wäre ich um ein Haar in den Knast gewandert“, erwiderte Logan und formte mit seinen Fingern ein Gitter.
„Ach komm schon, wenn du in den Knast wanderst, bin ich Kaiser von China.“ Daniel sah Logan mit hochgezogenen Brauen an. „Du bist gut, Logan. Du wanderst nicht in den Knast.“
Logan grinste und drehte die Musik auf. Es war irgendeine Hard Rock Band.
„Was ist denn das für eine Kacke?“, fragte er, als ihm der schreckliche Gitarrenklang in die Ohren drang.
„Ey, das ist die geilste Band der Welt!“, rief Daniel und drehte die Musik noch lauter. Dann trat er auf das Gaspedal, dass es Logan in den Sitz drückte. Nun rasten sie die Straße hinunter.
Logan fand das nicht gut.
„Man Daniel! Langsamer! Fahr sofort langsamer!“
„Was?“, schrie Daniel durch die laute Musik.
„Du sollst sofort langsamer fahren!!“, kreischte Logan und versuchte, an den Knopf „Volume down“ heranzukommen, doch Daniel schlug seine Finger weg und schrie: „Lass das! Mein Auto, meine Musik!“
„Aber die Bullen werden uns verfolgen!“, explodierte Logan und warf einen panischen Blick nach hinten.
„Ach was!“
Daniel fuhr nicht langsamer. Mit überlauter Musik und mindestens 120 Sachen rasten sie nun über den Highway, und Logan warf immer wieder flüchtige Blicke durch alle Fenster. Seinem Fahrer schien die Gefahr, von der Polizei aufgefangen zu werden, wohl nichts auszumachen. Denn Daniel brüllte auch noch mit den Sängern der Band bei dem schrecklichen Lied mit. Während sich Logan sichtlich Sorgen machte.
Da sah er sie.
„DANIEL, SCHNELLER!!“
Daniel riss den Kopf nach hinten und fluchte laut.
Blaue Lichter waren durch alle Spiegel des Autos zu sehen.
„ICH HABS DIR DOCH GESAGT!!“, brüllte Logan, während Daniel weiter am Gas blieb. Mit quietschenden Reifen riss er den Wagen nach rechts, um einen Autofahrer zu überholen.
„Die nächste Abfahrt … wann kommt die nächste Abfahrt…“, murmelte er panisch und schlängelte sich geschickt zwischen den Highwayfahrern durch.
„DA!“, schrie Logan und deutete auf die Ausfahrt.
„Wo?!“
„JETZT BIST DU VORBEI, DU IDIOT!“, kreischte Logan und beugte sich zu Daniel.
„Logan, was – AAAH!“
Logan hatte das Lenkrad herumgekurbelt und fuhr kurz quer über die mehrspurige Autobahn, bis Daniel den Lenker in der Hand hatte und nun in die Gegenrichtung auf die Ausfahrt zuhielt.
Die Polizei kehrte ebenfalls um und Daniel fuhr schneller und schneller zwischen dem geschockten Gegenverkehr durch.
„WENN WIR ZUHAUSE SIND, BIST DU TOT!“, rief Logan wütend und kramte im Beifahrerfach. Er suchte etwas ganz Bestimmtes…
„Wehe!“, rief Daniel. „Wehe du benützt sie!“
„Und bleibt nichts anderes übrig … sie holen auf!“, murmelte Logan und schob seine Hand tiefer in den Papierkram, bis er Metall zu fühlen bekam.
„Da ist sie!“
„Niemanden erschießen, hörst du?!“, brüllte Daniel und riss den Wagen mit voller Wucht in die Ausfahrt. Nun war die Straße etwas leerer. Sie konnten schneller fahren. Aber leider konnte das die Polizei auch.
Logan beugte sich aus dem Fenster und feuerte einen Schuss auf den linken Reifen eines Polizeiautos ab. Getroffen! Der Wagen schleuderte und krachte gegen die Schutzwand am Rand der breiten Straße.
„Nur mehr acht andere!“, rief Logan und feuerte den zweiten und dritten Schuss ab. Ein Auto wich aus, der andere Wagen prallte in ein anderes Polizeiauto und riss den Wagen mit sich an den Rand der Straße.
„Rein, die schießen auch!“, rief Daniel und fuhr nach links, um den Schüssen zu entkommen. Logan schob sich schnell ins Auto zurück und schnallte sich wieder an. Dann griff er in das Fach und holte weitere Munition heraus. Schnell schob er das Geschoss in die Pistole und wartete auf eine leise Minute, in der die Polizei das Schussfeuer einstellte. Da. Schnell warf er sich aus dem Gurt und feuerte weitere fünf Schüsse ab.
„Getroffen?“, fragte Daniel und fuhr in die nächste Einfahrt.
„Drei“, antwortete Logan nur und warf wieder Kugeln ein.
Auf einmal klirrte es und Logan und Daniel zuckten zusammen.
„Verdammt, Scheibe hin!“, fluchte Daniel und sah auf die Scherben auf dem Rücksitz. „Ich seh’ fast nichts mehr!“
Logan beugte sich wieder aus dem Fenster und schoss.
„Achtung, von da unten kommen neue!“, rief er plötzlich, als er weitere drei Polizeiautos sah, die die Straße hinaufkurvten.
„Verflucht!“, zischte Daniel und schmiss sich nach unten. Schnell hatte auch er eine Pistole in der Hand und schoss rücklings aus dem Fenster. „Hab ich was erwischt?“
„Ja ein Auto!“, rief Daniel und schoss ebenfalls. „Die acht sind weg! Verschwinde von der Autobahn!“
„Yo!“, brüllte Daniel und kurvte in eine Ausfahrt. Sofort waren sie auf einer Nebenstraße. Eine Zeit lang erblickten sie nichts hinter sich. Freie Bahn. Logan entspannte sich wieder und Daniel drehte die Musik leiser.
„Schwein gehabt…“, seufzte er und ließ die Pistole wieder zu seinen Füßen fallen.
„Jep, das kannst du laut sagen!“, meinte Logan und atmete tief aus. Sein Puls war noch immer sehr erhöht und seine Hände hielten die Pistole noch immer fest umklammert.
Da drang wieder das schrille Geräusch der Sirenen in seine Ohren.
„Oh Shit!“, presste Daniel hervor und trat wieder aufs Gaspedal. Logan warf einen Blick aus dem Fenster und erblickte die Autos. Schnell feuerte er ein paar Schüsse auf weitere Reifen ab, bis die Polizisten kapiert hatten, dass sie es mit Bewaffneten zu tun hatten.
„Zwei sind weg. Nur mehr drei!“
„Gut!“

Da passierte es.

Viel zu schnell.

Ein Schuss ertönte.
Daniel warf gerade einen Blick in den Rückspiegel, als ihn die Kugel traf. Logan registrierte nicht, er dachte, es hätte nur die Windschutzscheibe getroffen. Er beugte sich ein weiteres Mal aus dem Fenster, um die Polizisten in die Flucht zu schlagen, da fiel ihm Daniels keuchender Körper in die Seite.

„DANIEL!“

„L…Logan … nimm da…das Lenkrad … fahr weiter … bring dich in Sicher…heit!“

„Scheiße, Scheiße, Scheiße…“, wimmerte Logan, während er eilig nach dem Lenkrad griff. Daniels Fuß lag zum Glück noch immer auf dem Gaspedal. Aber wie lange würde er noch Kraft haben? Wie lange würde er noch leben?
„Aaahr…“, stöhnte Daniel und krallte seine Finger auf seine Brust. Er ließ nach.
Schnell schob Logan Daniel zur Seite und quetschte sich auf den Fahrersitz. Dann drückte er Daniel auf die Beifahrerseite und übernahm das Steuer. Er konnte zwar nicht Autofahren, aber das war zurzeit das kleinste Problem. Sein Freund starb gerade!
„Dan … halte durch!“, murmelte Logan und riss das Lenkrad herum. Der Wagen ratterte auf eine einspurige Einfahrtstraße und im rechten Winkel konnte Logan nun auf seine Verfolger schießen. Drei Wagen von drei verweilten auf der Bahn und kamen schleudernd zum Halt. Alle waren außer Gefecht gesetzt.


„L…Logan…“
„Daniel, es tut mir so leid…“
„Mach’s gut Logan…“
„Nein, Daniel! Nein!“
„Machs gu…“
„Daniel!“


Drei Jahre ist das nun her. Und heute sitzt Logan hier auf einer Bank in Los Angeles und betrachtet die Sonne. New York … wie er es vermisst. Daniel … wie er ihn vermisst…
Damals hat er seinen Wagen verkauft und hunderttausende von Dollern dafür bekommen. Jetzt kann er sich ein riesiges Haus davon leisten und braucht nicht mehr dafür zu stehlen.
Aber ein bisschen vermisst er es schon … das herumwuseln durch die Mengen der Einkaufsstraßen, die Verfolgungsjagden und das gemeinsame Lachen mit Daniel, nachdem sie die Polizei wieder einmal ausgetrickst haben. Aber das Schicksal will es nun mal nicht so, dachte Logan und erhebt sich. Langsam schlendert er zwischen den Palmen am Straßenrand zu seinem Haus zurück.
Wie er es vermisst, New York.

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Tag der Veröffentlichung: 22.03.2009

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