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Briefe aus New York




„…und schreib mir viele Briefe, ganz viele Brief!“, waren ihre letzten Worte bevor ich das Schiff betrat.


New York, 16. Mai 1930
Liebe Sophie,
die Seefahrt war schrecklich, kalt, nass und stürmisch. Ich weiß nicht wie viele überlebten. Sei glücklich, dass euch die Finanzkrise nicht in den Ruin getrieben hat. Mein armer Vater. Wie geht es ihm? Sitzt er immer noch im Gefängnis?
Ach wie wünschte ich bei dir zu sein, meine liebste Freundin. Im Winter Schlitten fahren, im Sommer durch die Blumen Wise hüpfen und mit den Jungs rumalbern...
New York ist so wahnsinnig groß, sogar größer als London und Greenwich zusammen!
Richte die besten und liebsten Grüße von mir und Mutti aus und sag, dass es uns gut geht...
Deine beste Freundin Daisy.


„Mary und Daisy Falcon?!“, fragte der Beamte. „Ja hier!“, rief meine Mutter und schob mich nach vorne. Der Beamte widmete uns keines Blickes, vielleicht weil wir unsere besten Kleider trugen und teures Parfum aufgetragen hatten und ja wir unterschieden uns SEHR von den anderen Einwanderern. Nicht nur weil wir reich waren, ich betone waren, denn mein Vater sitzt wegen angeblichen Steuerbetrug im Gefängnis und er hat uns fortgeschickt. Einfach so. Er meinte es sei besser nicht in England, sondern in Amerika bei entfernten Verwandten zu leben. Er wolle nachkommen, aber das bezweifle ich.
„Hm.“, schniefte der Beamte. Ich begutachtete ihn. Wie alt war wohl? 35, Frau, 2 Kinder in einer kleinen 2-raum Wohnung? Das passte zu ihm. Er fuhr fort: „ Ihre Tochter, ihr einziges Kind?“. „Ja Sir.“, erwiderte meine Mutter. „Name, Alter, Größe, Gewicht“, wollte er wissen und verzog eine Augenbraue. „Mary Emma F..“. „Nicht sie, ihre Tochter!“, schnauzte der Mann meine verwirrte Mutter an. Wir schauten uns an und sie nickte mir zu. Ich trat näher und sagte mit unsicherer Stimme: „Daisy Anna Falcon. 12, Sir. 4,9ft. 83 Pfund. Meine Mutter lächelte, denn ich war ihr ganzer Stolz.
Wir erreichten die Wohnung meiner Tante Clara spät am Abend. Sie war Tänzerin, Balletttänzerin. Mehr wusste ich auch nicht über sie. Meine Mutter war auch Tänzerin, bis sie einen schweren Unfall hatte und meinen Vater, den Arzt Michael Falcon kennenlernte. Sie gab mir jedoch nie Tanzunterricht, ich habe vermutlich auch mehr das „Talent“ meines Vaters.
Ich schwebe zu oft in Erinnerungen.
Tante Clara begrüßte uns freundlich, doch wohl fühlte ich mich keineswegs. Die Wohnung war viel zu eng für 3 Personen, sicher ich war anderes gewohnt, aber sie war dunkel, klein und lag in einem 12-stöckigen Haus, voller Iren in Brooklyn. Grauenhaft.


New York, 1. September 1930
Liebste Sophie,
Bald ist es ein halbe Jahr her das wir uns das letzte mal sahen. Du fehlst mir. Ihr habe ich noch nicht sehr viele Freunde gefunden, obwohl ich seit August zur Schule gehe. Ich würde so gerne Ballettstunden nehmen, ich glaube mit den Mädchen und Jungs dort - würde ich mich sehr gut verstehen, aber Mama meint ich bin nun zu alt dafür. Nun, in meiner Freizeit lese ich viel, viele französische Texte, Tante Clara gibt mir nämlich Französisch Nachhilfe. Ein Mädchen namens Alice, sie geht in meine Klasse, tanzt an der American Balet School. Ich beneide sie so. Sie soll sehr gut tanzen und ich habe sie auch schon öfters darüber ausgefragt, aber sie ist etwas schüchtern... . Aber ich gebe nicht auf!
Wüsch mir glück.
In Liebe, Daisy.


Es war ein verregneter Oktober Morgen. Überpünktlich saß ich auf der Schulbank und wartete das jemand kam. Alice betrat den Klassenraum. Mit großen Augen schaute ich sie an. Sie sah so wunderschön aus, mit ihren langen lockigen dunkelbraunen Haaren. Sie trug ein schwarz-weiß gepunktetes Kleid, rote Schuhe und einen roten Mantel. Sie kam aus rutem Hause. Ihr Vater war Offizier und ihre Mutter Sängerin. Unvorstellbar das ihre Mutter arbeitete. Meine geliebte Mama hat zu hause, in England, nie gearbeitet, sie war einfach Mutter. Aber das Frauen arbeiten kommt gerade in Mode. Meine Mutter sagte letztens: "So lange ich noch keinen Beruf gefunden habe, meine Liebe, müssen wir sparsam sein. Ich verspreche dir Daisy, dass es uns bald besser gehen wird. Bald können wir wieder schöne Mäntel kaufen und in einem Jahr vielleicht auch eine Wohnung!", aber davon träumten wir nur.
Nach Schulschluss fragte ich Alice ob sie mit mir ein Eis essen gehen wolle. "Tut mir leid Daisy. Sehr gerne, aber ich habe jetzt Ballett. Aber...komm doch mit wenn du willst.", sagte sie und lächelte mich an. "Oh...oh ja sehr gerne!", erwiederte ich mit einem noch größeren lächeln. Ihr Vater holte uns ab. Ich erzählte von meiner Mutter und meiner Tante die auch Tänzerinnen waren, das beeindruckte vielleicht Alice, aber nicht ihren Vater. er hielt mich für eine arme Engländerin die große Träume hatte doch keine Ziele. "Doch Sir! Ich möchte Primaballerina werden! Das ist meine Ziel.". Alice und ihr Vater lachten. "Daisy! Sei nicht dumm. Du bist 12. Ich tanze seit ich 3 bin. Und ich bin die Beste, also werde ich die nächste Primaballerina von New York sein!". Alice' Vater nickte und lachte und ich schaute erniedrigt auf den Boden.


New York, 14.Februar 1932
Sophie!
Hihi heute ist mein Geburstag Sophie! Du hast mir schon letztes Jahr nicht gratuliert, sicherlich bist du viel beschäftigt.
Ich habe gehört mein Vater ist aus dem Gefängnis entlassen wurden und er hat eine neue Frau? Stimmt das? Ich wusste das er nicht nachkommen wird...
Mutti arbeitet seit Anfang des Jahres als Sekräterin bei einem Herr Professor, der ihr ziemlich schöne Augen macht. Letztens waren sie im Theater und danach essen. Finde ich nicht so gut, aber sie verdient nicht schlecht, also beklage ich mich lieber nicht. E geht uns ja gut. Im Dezember letzen Jahres starb Tante Clara an einer Lungenentzündung. Ich hab sie sehr lieb gewonnen gehabt und nun ist sie fort. Wir haben ihre Wohnung etwas aufgehübscht und ich habe jetzt sogar mein eigenes Zimmer! Und stell dir vor, ich gehe jeden Tag mit Alice zum Ballett,ich tanze endlich Ballett. Oh ist das nich toll?! Keine sorge liebste Sophie, du bist und bleibst meine beste Freundin!
Viele Grüße, deine Daisy.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.12.2012

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