Cover

Inhaltsverzeichnis



Vorwort (?)


- Bitte Lächeln!

Das Lachen: Ursache – Wirkung – Anwendung


- Lachst du mich an, oder was!?
- Wie kommt das Lachen aus dem Rachen?
- Sterben oder ins Hotel
- Endorphin statt Aspirin
- Verordneter Frohsinn
- Die Scherbe in der Hasenpfote

Komik, Humor und Witz


- Ist mein Humor kaputt?
- Deutscher Humor – langsam aber sicher
- Der beste Witz der Welt
- Eine Reise unter die Gürtellinie

Der Komiker und seine Lebenseinstellung

- Die Mona-Lisa-Strategie – maßvoll lustig sein
- Beifall statt Kniefall
- Mach doch mal nen Witz! – Komiker im Bereitschaftsdienst
- Herpes ist Einstellungssache

Lachen mal anders


- Geschichtsstunde – Freitags wird nicht gelacht
- Höllisches Gelächter – wenn aus Lachen Auslachen wird
- Vom Clownfisch und der Grinsekatze
- Schluss mit lustig



Vorwort (?)




Bitte Lächeln!




Wie toll ist das, wenn einen auf der ersten Seite eines Buches ein freundliches Lächeln statt eines öden Vorwortes erwartet!? Nicht nur, dass man dadurch Zeit spart, dieses Lächeln bereitet auch viel besser auf den Inhalt des Buches vor, als Worte dies könnten. Mein Lächeln wünscht Ihnen nun viel Spaß beim Lesen und wer weiß? – vielleicht lässt sich Ihres ja auch ab und zu mal blicken!



Das Lachen:
Ursache – Wirkung – Anwendung




Lachst du mich an, oder was!?



So ähnlich wurde ich mal von einem Türsteher angepöbelt. Aber wirklich nur so ähnlich, ich habe nämlich gar nicht gelacht. Ich war betrunken und habe laut rumgegrölt, dann bin ich ihm aus Versehen in die riesigen Arme gestolpert. Ich kann verstehen, dass er wütend war. Wer wäre das nicht? Wer lässt sich schon gerne von einem Betrunkenen anrempeln? Noch dazu, wenn der einem dann seinen Mageninhalt auf den Schuhen verteilt.
Also der Türsteher hat natürlich nicht gefragt „lachst du mich an?!“, sondern „machst

du mich an?!“, aber ich habe das alles auch nicht mehr so richtig mitbekommen. Ich weiß nur noch, dass ich am nächsten Morgen mit dickem Kopf und blauem Auge aufwachte. Ich fragte mich ernsthaft, was ich falsch gemacht hatte.
Gut, zunächst einmal hätte ich nach der neunten Runde Bier aussteigen sollen. Aber die Stimmung war gut und ich fühlte mich wohl. Außerdem bekomme ich normalerweise das Dutzend ohne Probleme voll. Na ja, diesmal hat das Dutzend mich wohl voll bekommen. Und auch die Warnungen meines Körpers hatte ich leider vollkommen ignoriert:
Erstens, das Dehnen aller Vokale und Halbvokale in Kombination mit langen Sprechpausen. Zweitens, das Interesse an mehr Frauen im Raum als noch zu Beginn des Abends. Und drittens – und da hätte ich die Notbremse wirklich ziehen müssen – der Kachelabdruck auf meiner Stirn, als ich vom Klo kam.
Dennoch bereue ich den Abend nicht, denn wir haben viel gelacht. Und ist das nicht das Wichtigste überhaupt im Leben? Der weitere Verlauf dieser Geschichte und überhaupt dieses ganze Buch ist mein persönliches Plädoyer dafür.
Wo stünden wir Menschen heute, wenn wir nicht gelernt hätten zu lachen? Vermutlich nicht mit Freunden am Stehtisch. Das Anstoßen auf die guten alten Zeiten hätte keinen Sinn, genauso wenig wie das Anstoßen auf eine glorreiche Zukunft. Überhaupt hätte kaum noch etwas einen Sinn. Natürlich kann man auch ohne Spaß Alkohol haben, aber auf Dauer kommt das weder Körper noch Geist zugute. Außerdem arbeitet die Leber nur gut, wenn das Herz lacht. Das ist zwar keine allzu bekannte Volksweisheit, aber jeder Mediziner würde das unterschreiben. Denn Körper und Geist sind voneinander abhängig. Für den Moment, in dem wir Lachen, bilden sie eine Einheit.
An diesem Abend kam das schönste Lachen von einer jungen Frau an der Theke. Mir wurde zwar erzählt, dass auch die Goldzähne des Türstehers wie Sterne gefunkelt haben sollen, aber sein Lachen habe ich – wie schon gesagt – nicht mitbekommen, weil ich bereits rücklings auf dem Bordstein lag. Jedenfalls hatte diese Frau mich angelächelt, als ich noch stand. Es ist schwer zu beschreiben, was in einem vorgeht, wenn ein anderer Mensch einem ein Lächeln schenkt. Es ist eine wärmende Geste, eine Botschaft der Sympathie und Nächstenliebe – in einer Kneipe heißt es außerdem: „Komm doch mal rüber, Mann!“
Ich ließ mich nicht lange bitten, denn Julie sah wirklich gut aus. Obwohl ich ihr Lächeln richtig gedeutet hatte, war die Verständigung darüber hinaus nicht so einfach. Zu der lauten Musik kam eine kleine französisch-deutsche Sprachbarriere, denn Julie kam aus der Provence.
Wir einigten uns auf Englisch, um dem Flirt eine Chance zu geben. Obwohl ich befürchtete, dass sie mich, wenn sie das nächste Mal ihre strahlendweißen Zähne zeigen sollte, auslachen würde, lief es sehr gut. Die Chemie zwischen meinem mageren Wortschatz und ihrem phantasievollen Satzbau stimmte. Nach ca. 20 Minuten war jedes Gefühl von Scham verschwunden, weil wir erkannten, dass keiner den anderen in Sachen Englisch tadeln konnte. Wenn ein Mensch seine Schwächen kennt und sie akzeptiert, kann er auch darüber Lachen. Wenn zwei Menschen das zusammen tun, macht es sogar richtig Spaß.
Auch wenn ich die meisten Aussagen von Julie irgendwie

deuten konnte, bekam ich die wichtigsten Informationen nicht über Worte, sondern durch ihre Körpersprache. Laut dem, was aus ihrem Mund kam, ging sie nämlich vier verschiedenen Berufen nach und besaß eine Katze namens „Blessur“ – woraus ich schloss, dass ich wahrscheinlich nicht alles richtig verstand. Laut dem, wie sie ihren Mund formte, gefiel Julie unsere Unterhaltung allerdings sehr und das war das Wichtigste. Egal welche Sprache wir auch sprechen und wie groß die kulturellen Unterschiede zwischen zwei Menschen sind, das Lachen als Zeichen der Freude und Zuneigung versteht man überall auf der Welt.
In Griechenland kann es passieren, dass man zu tief ins Glas schaut, weil der Kellner nicht mehr aufhört Ouzo*1 nachzukippen. Denn bei den Griechen bedeutet Kopfschütteln Zustimmung. Ein Nigerianer könnte sich bei einem „Daumen hoch“ ziemlich gekränkt fühlen und weglaufen, weil dies in seinem Land bedeutet „hau ab!“. Eine Geste jedoch führt immer zu zwischenmenschlichem Erfolg – nicht nur beim Anbaggern von schönen Französinnen – und das ist eben ein echtes Lachen, das von Herzen kommt.
Ich denke diese Tatsache hätte mich auch vor dem „schlagartigen“ Ende des Abends bewahrt. Als ich nämlich später den Laden verließ, hätte ich den Herrn in schwarz besser einfach angelacht statt angerempelt. Denn die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr gering, dass man sich dadurch Ärger einhandelt.
Letzten Endes hat mich an diesem Abend zwar keine schöne Französin, sondern nur die Faust eines Türstehers geküsst und auch mein Schädel hatte sich am Morgen danach schon mal besser angefühlt. Trotzdem hatte ich eine wichtige Sache fürs Leben gelernt: Lachen ist Trumpf. Julie, die mir Frühstück machte, konnte dem nur zustimmen...


*1: Ouzo

: Auch bekannt als „Griechenplörre“. Ein Glas kann dir den Abend versüßen. Fünf Gläser machen die Nacht zum Tage. Nach zehn Gläsern tanzt man auf dem Tisch und singt bis in den Morgen Lieder von Udo Jürgens.


Wie kommt das Lachen aus dem Rachen?


Was ist eigentlich dieses Lachen

? Warum gibt es das? Wann passiert es? Und wieso lachen manche Menschen so witzig, dass man selber vom Zusehen lachen muss?
Dies sind keine einfachen Fragen – zugegeben. Um sie zu beantworten, hat sich sogar ein eigener Wissenschaftszweig aufgetan: Die Gelotologie*1.
Ein Gelotologe beschäftigt sich also mit den Ursachen, dem Vorgang und der Wirkung des Lachens. Er ist zudem einer der wenigen Wissenschaftler, bei dem man es gutheißen kann, wenn er seinen Beruf mit vielen Fremdwörtern erklärt. Schließlich ist es schwierig, jemanden ernstzunehmen, der sich als „Lachforscher“ vorstellt.
Damit wir selber aber dem Mysterium des Lachens einen Schritt näher kommen, sollten wir uns zunächst fragen, was genau dabei mit unserem Körper passiert. Wir schauen uns also zunächst den physiologischen Aspekt des Lachens an:
Lachen ist im Normalfall ein Reflex unseres Körpers auf einen bestimmten Reiz. Dieser kommt meistens von Außen, zum Beispiel in Form eines guten Witzes. Ein Lachreiz kann aber neben den Ohren auch durch weitere Sinnesorgane aufgenommen werden. Beispielsweise über die Haut, wenn uns jemand unter den Füßen kitzelt oder über die Augen, wenn wir etwas Erheiterndes sehen. (Lustige Gerüche sind mir bis jetzt noch nicht begegnet, jedoch wollte ich schon immer mal an einem Clown riechen.)
Woher auch immer der Lachreiz kommt, so wie alle anderen Reize auch, macht er sich zunächst über die Nervenbahnen auf den Weg in unser Gehirn. Hier wird überhaupt erst entschieden, ob das soeben Wahrgenommene etwas Lustiges ist. Bei dem Großteil der Reize, die uns im Alltag begegnen, ist dies nicht der Fall. Zwischen dem Klingeln des Weckers am Morgen, über die Currywurst mit Pommes am Mittag bis hin zu den Zwanzig-Uhr-Nachrichten auf dem heimischen Sofa, kann es uns passieren, dass uns rein gar nichts Witziges widerfährt. Die Arbeitskollegen erzählen nichts Witziges, sie machen nichts Witziges und sie fühlen sich auch nicht besonders witzig an. Das alles klingt sehr ermüdend, aber wenn man unser Gehirn fragt, sind langweilige Alltagsreize wie Schreibmaschinentippen und Zischen von Sprudelwasserflaschen das Tollste, das es gibt. Solche Reize kann unser rosa Schwamm super verarbeiten und abhaken. Er kann sie in beschriftete Aktenordner einsortieren und abheften. Solche Reize sind beliebt bei unserem Gehirn, denn sie machen keine Umstände.
Doch was ist, wenn plötzlich eine Frau beim Arzt kommt? Was ist, wenn der sonst so langweilige Typ am Schreibtisch gegenüber aus heiterem Himmel den besten Schenkelklopfer aller Zeiten raushaut? Zugegeben, das ist sehr unwahrscheinlich, aber es reicht ja auch schon, wenn er mal wieder eine Strickjacke von Oma mit seinem liebsten Goofy-T-Shirt kombiniert hat. Auch das ist ein Reiz. Ein ziemlich heftiger sogar, wenn man mich fragt. Und so etwas gefällt unserem Gehirn überhaupt nicht, denn dies kann es nicht so leicht abhaken.
Reize mit einer solchen hohen Humoristischen Energie*2 belasten unser Gehirn. Sie müssen irgendwie schnell abgebaut werden, damit unser Schädel nicht vor Heiterkeit explodiert. Um sich davor zu schützen, bedient sich unser Gehirn seiner etwas weniger kompliziert gestrickten Kollegen – den Muskeln. Diese wissen nämlich genau, was sie mit der überschüssigen Energie machen können. Sie verwenden die HE um mal so richtig abzuzappeln. Wurde also ein Lachreiz als ein solcher ausgemacht, wird dieser auf die Nervenursprünge von verschiedensten Muskeln übertragen, die daraufhin in Kontraktion versetzt werden. Hierbei werden beispielsweise die Augenbrauen gehoben, die Nasenlöcher geweitet, die Mundwinkel durch den Jochbeinmuskel nach oben gezogen, die Augen zu schlitzen verengt und – als wenn das noch nicht genug wäre – wird im Zuge einer beschleunigten Atmung Luft mit bis zu 100 km/h durch unsere Lungen geschossen.
Man kann also sagen, wenn wir lachen, findet in unserem Gesicht eine echte Party statt. Ganze 17 Muskeln sorgen hier für Kartoffelchips und gute Laune, wenn man so will. Innerhalb unseres ganzen Körpers ist die Party sogar noch um ein vielfaches größer. Hier sind ganze 80 Muskeln eingeladen und machen Stimmung.
Übrigens kann die Feierlaune leicht auf andere übergreifen und zu einer endlosen Partymeile ausarten. Man muss sich nur einmal vor Augen halten, wie witzig viele Menschen aussehen, wenn 80 Muskeln an ihrem Körper kontrahieren – also wenn sie lachen. Das sorgt wieder für neue Lachreize bei den Menschen, die eigentlich nicht über den Witz lachen mussten und so kann man sich leicht gegenseitig mit Frohsinn anstecken.
Für die Beschallung haben die Veranstalter der Lachparade übrigens auch gesorgt: Der Schall männlichen Gelächters hat mindestens 280 Schwingungen pro Sekunde, bei Frauen sind es sogar 500. Alles aber kein Problem solange die Stimmbänder nicht reißen und die Nachbarn sich nicht beschweren. Im Rhythmus dieser heiteren Melodie bewegt sich auch unser Zwerchfell – als „Private Dancer“ sozusagen.
Auf welche Art und Weise wir auch versuchen, das Lachen eines Menschen zu beschreiben, am Ende braucht es keine wissenschaftliche Untersuchung, um es zu erkennen. Schon als Kinder lernen wir sehr schnell, was es heißt zu lachen. Wir wissen ganz genau wie es aussieht und wie es sich anhört und wir wissen, dass es am schönsten ist, wenn man mitlachen kann.
Trotz diesem Wissen, das jeder Mensch in sich trägt und trotz der stillen Übereinkunft, das Lachen überall auf der Welt ein Ausdruck von Freude ist, wollen die Menschen es natürlich genau wissen. Und nicht nur unter Gelotologen wird heiß diskutiert, wie man das Phänomen des Lachens am besten definiert. Auch auf diversen Internetplattformen, wie zum Beispiel Wikipedia*3 findet ein reger Austausch über das Thema statt.
Folgende Kritik eines Wikipedia-Autors über den Definitionsversuch eines Kollegen, sagt, finde ich, mehr als jedes Lexikon:


Zitat aus Wikipedia (Diskussion zum Artikel „Lachen“)
„Was ist denn bitte dieser Abschnitt: >Lachen ist das Ausstoßen gleichartiger Laute, also zum Beispiel ‚hihihihi’ oder ‚hohohoho’, aber nicht ‚hihohiho’.


*1: Gelotologie

: Die Lehre vom Lachen. (Sie sollte nicht verwechselt werden mit der Geologie. Ein Geologe beschäftigt sich mit der Zusammensetzung und dem Aufbau der Erde. Er verbringt seine Zeit hauptsächlich in Erdlöchern, um verschiedene Steinsorten zu sichten und hat dementsprechend eher wenig zu lachen.)

*2: Humoristische Energie

: Das gibt es leider gar nicht. Noch nicht jedenfalls. Wenn man mich fragt, soll die HE aber angeben, wie sehr etwas zum Lachen ist. Bitte helfen Sie mir diesen höchst sinnvollen wissenschaftlichen Begriff zu etablieren! Einheit der HE ist Lachzibel.
(Ein Lachzibel entspricht dem Lachen, das aufkommt, wenn man den Witz mit „Lachzibel“ versteht).


*3: Wikipedia

: Ein Wühltisch des Wissens. Jeder kann in dieser freien Online-Enzyklopädie sein Wissen (und Unwissen) zu einem Thema preisgeben. Dadurch, dass jeder hier einen Lexikoneintrag veröffentlichen oder korrigieren kann, ergänzt sich das Wissen aller Benutzer gegenseitig. Dadurch, dass manche Benutzer aber gar nicht über Wissen verfügen, steht hier auch oft ziemlich viel Wurst drin.


Sterben oder ins Hotel


Man sagt ja, lachen ist gesund. Folgendes Beispiel ist ein Indiz dafür, dass an dieser Volksweißheit tatsächlich etwas dran sein könnte.
Vor einigen Jahren unternahm der amerikanische Journalist Norman Cousins eine längere Auslandsreise. Als er wieder zurückkehrte, war Cousins körperlich und psychisch am Ende seiner Kräfte. Dies ist erst mal nicht so ungewöhnlich. Jedem ist geläufig, dass man sich nach einem Urlaub zunächst erholen muss.
Bei Norman Cousins war es jedoch nicht mit einem Besuch in der Sauna und einer Fußmassage getan. Sein Zustand von Schwäche und allgemeinem Unwohlsein nahm überhand. Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass Cousins an einer schweren Kollagenerkrankung litt. Diese faserige Erkrankung der Grundsubstanz des Bindegewebes war – wie man sich vorstellen kann – keineswegs ein Spaziergang. Vielmehr sorgte sie dafür, dass Cousins die nächsten Jahre gerade auf das Spazierengehen verzichten musste, da er seine Gelenke nur noch mühsam und unter großen Schmerzen bewegen konnte.
Doch wie ging es weiter mit ihm? Die erste Zeit nach der Prognose seiner Krankheit war Cousins mit aller Wahrscheinlichkeit sehr niedergeschlagen. Vielleicht war er auch wütend – auf Gott, auf die Ärzte, auf das Reisebüro. Jedenfalls war der damalige Herausgeber einer amerikanischen Zeitschrift ein armer Tropf. Doch statt selber am Tropf zu hängen und sich aufzugeben, wollte Norman Cousins der Krankheit auf seine Weise die Stirn bieten. Er entschied sich dazu, sein Leben nicht vollständig in die Hände der Halbgötter in weiß zu legen und beschloss in Eigenregie um seine Gesundheit zu kämpfen.
Seine mächtigste Waffe in diesem Kampf: Sein Humor. Der lebensfrohe Mann lies sich zunächst alles beschaffen, was es an Literatur zu seiner Krankheit gab. Immer wieder stieß er dabei auf den Hinweis, dass ein positiver Gemütszustand zur Stärkung des Körpers und der Immunabwehr beiträgt. Im Gegenzug wurde in allen Texten davon berichtet, dass sich Niedergeschlagenheit negativ auf das Immunsystem auswirkt. Cousins hielt diese immer wieder auftauchenden Hinweise keineswegs für einen Running-Gag der Ärztekammer. Er sah die Wirkung, die seine eigene geistige Verfassung auf seinen Körper haben konnte, als Chance und führte fortan seine persönliche Lachtherapie durch. Mit lustigen Filmen gelang es ihm, sich fast rund um die Uhr bei Laune zu halten. Gleichzeitig misslang ihm dies leider bei den Krankenschwestern, da diese nun ständig die Videokassetten*1 wechseln mussten. Doch nicht nur das war sein Problem. Überhaupt galt damals nicht anders als heute noch oft die ungeschriebene Regel: „Im Krankenhaus lacht man nicht“. Auf kurz oder lang führte das Gelächter des Schwerkranken dazu, dass sich sowohl das Personal als auch die Patienten gestört fühlten, was eigentlich schade ist. Wenn ich an meine persönlichen Krankenhausaufenthalte denke, dann empfand ich viel weniger mich selbst als die sterile und gedrückte Atmosphäre dort als nicht gesund. Von Patienten wie Norman Cousins sollten sich daher nicht nur die Chirurgen eine Scheibe abschneiden.
Jedenfalls musste Cousins das Krankenhaus verlassen und zog in ein nahegelegenes Hotel, wo er sein Selbsthilfeprogramm fortsetzte. Hier waren dann wohl die Wände dicker und die Menschen toleranter. Vielleicht gab es auch einfach einen Dollar Trinkgeld fürs Zurückspulen. Jedenfalls beschwerten sich weder das Zimmermädchen noch die anderen Hotelgäste, weshalb Cousins seine Therapie bis zum Ende fortsetzen konnte – bis zu seiner vollständigen Heilung.
Norman Cousins’ Krankheits- und Gesundheitsbericht, der 1977 im angesehenen „New England Journal of Medicine“ erschien, gilt heute als der Startschuss für die Ausbreitung der Lachtherapie. Ich habe den Bericht selbst nicht einsehen können, aber ich gehe davon aus, dass er informativ (und sehr lustig) ist. Das Wichtigste ist aber, dass durch Cousins’ Geschichte endlich Fröhlichkeit in die Krankenhäuser einziehen konnte. Gerade in den USA hat sich eine Behandlung etabliert, die auf Humor statt auf Pillen setzt. Seit Norman Cousins’ Erfolgsgeschichte sagt wohl keine nervlich überstrapazierte Krankenschwester mehr zu uns: „Entweder Sie sterben jetzt oder sie gehen ins Hotel!“


*1 Videokassette

(Information für die jüngeren Leser): Ich weiß, unter einem alten und minderwertigen Trägermedium für Filme, versteht ihr die DVD. Ich gebe ja auch zu, ich bin selbst fast vollständig im digitalen Zeitalter aufgewachsen. Und ich weiß auch, während ich dies hier tippe, ist Blu-ray wahrscheinlich schon wieder auf einem absteigenden Ast. Aber eins sollte man wissen: Lange Zeit haben die Menschen sich Filme auf einer Videokassette angesehen – und da lebten sie nicht mehr in Höhlen! Man hatte sogar sehr lange das Gefühl, ein Videorekorder wäre etwas Fortschrittliches, etwas Zukunftsweisendes, ein Freund, der einem auf Ewig treu bleiben würde. Leider hat man sich da geirrt. Videofilme gelten mittlerweile schon nicht mehr als „überholt“, sondern als „antik“. Das wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, als ich mich mit einem zwölfjährigen Jungen über Filme unterhielt. Er erzählte mir, wie gut es ihm neulich im 3D-Kino gefallen habe und dass er sich den Film zum Geburtstag als Blu-ray wünsche. Auf die Frage, ob er denn jemals einen Film auf Videokassette gesehen hat, sagte er mir nur: „Ich kann kein Latein.“
Doch wir wollen auch ehrlich sein und dem Fortschritt seine Berechtigung zusprechen. Die Tatsache, dass man einen Film immer

erst zurückspulen musste, wenn man ihn in der Videothek ausgeliehen hatte, war natürlich auf Dauer etwas nervig.
Andererseits hat gerade diese Wartezeit die Spannung beim Zuschauer geschürt. Darüber hinaus war dann in dem schwarzen rechteckigen Ding wirklich nur der Film, den man sehen wollte, drin und nicht noch „ganze 12 Minuten“ unveröffentlichter Szenen, ein Blick hinter die Kulissen sowie Audiokommentare vom Regisseur, den Schauspielern und allen Kabelträgern am Set.


Endorphin statt Aspirin



Schon Aristoteles sagte, dass Lachen die beste Medizin sei. Natürlich hatte der gute Philosoph zu seiner Zeit noch kein Aspirin im Nachttisch, aber auch wir kennen den Ausspruch bis heute. Die Frage ist nun aber, handelt es sich bei Norman Cousins’ Geschichte um einen Einzelfall? Verdankte er seine Genesung nur einem glücklichen Zufall, der sich auch unabhängig von seinen Lachorgien ereignet hätte? Was sagt die heutige Forschung dazu?
Diese Frage ist einfach beantwortet. Sie sagt: „Prost!“ Man hat wissenschaftlich festgestellt, dass unser Gehirn bei einem ausgiebigem Lachanfall zum spendablen Barkeeper mutiert und uns einen Hormoncocktail vorsetzt, der den Göttertrank Ambrosia aussehen lässt, wie eine halbleere Dose Mezzo-Mix, die in der Sonne stand. Bei Zubereitung dieses „Hormonakolada“ besteht sicherlich kein Erklärungsbedarf mehr. Man muss weder Schütteln noch Rühren – von mir aus kann ein Schirmchen rein – die Hauptsache ist, man lacht laut los. Dann fließt es in Strömen. Doch was wird bei der Hormonspritze genau verabreicht? Ist sie nicht vielleicht sogar verschreibungspflichtig?

Zum Glück ist sie das nicht. Ihr Hauptbestandteil ist frei in der Großhirnrinde erhältlich. Es handelt sich dabei um die Endorphine, die sogenannten Glückshormone. Wenn diese im Körper freigesetzt werden, geht es rund. Es entsteht ein Euphoriegefühl, das schon mal die ein oder andere Lebenskrise beiseite drängt. Man fühlt sich stark und man fühlt sich frei. Und das aller Beste an dieser Droge: Man muss sie nicht ins Gebüsch werfen, wenn die Polizei kommt!
Des Weiteren werden vom Gehirn hinter der Theke heimlich Enkephaline in unser Getränk gemischt. Eigentlich ja nicht die feine englische Art, aber in diesem Fall wollen wir dem Wirt noch einmal verzeihen. Das Enkephalin gleicht in seiner Wirkung nämlich dem Morphium und setzt somit unsere Schmerzgrenze nach oben. Aus diesem Grund war es unserem Pechvogel Norman Cousins auch möglich für einige Stunden am Tag völlig schmerzfrei zu sein.
Paul McGhee, ein Pionier der Lachforschung, hat Versuchspersonen in einem Experiment bewusst Schmerzen zugefügt, während diese sich einen lustigen Film ansehen mussten. (Das wiederum gibt Stoff für einen Horrorfilm, wie ich finde, aber darum geht es gerade nicht.) Das Experiment belegte, dass die Probanden, die den Film wirklich lustig fanden, tatsächlich weniger Schmerzen erlitten (die anderen tun mir übrigens leid).
Nimmt man die aus diesem Versuch gewonnenen Erkenntnisse ernst und bemüht sich um eine Umsetzung in der Praxis, so sollten alle Operationssäle in Krankenhäusern mit einem Fernseher ausgestattet werden. Bei minderschweren Eingriffen könnten so Narkosemittel gespart werden. Statt einer blöden Spritze, die sowieso niemand leiden kann, gäbe es die neueste Hollywood-Komödie. Weiter gedacht würde diese Umrüstung in den Krankenhäusern jedoch dazu führen, dass man die Anästhesisten umschulen müsste. Statt die Vitalzeichen des Patienten zu überwachen, müssten sie nun im Notfall den Film wechseln. Auch der standardmäßige Vorab-Fragebogen zur körperlichen Verfassung müsste erneuert werden. Fragen wie „haben sie Allergien?“ würden nun ersetzt werden durch „mögen sie Kabarett?“.
Zusammengefasst wissen wir jetzt, dass Lachen glücklich und resistent gegen Schmerzen macht. Doch davon wird ja noch niemand von einem schweren Leiden erlöst. In unserem Hormoncocktail muss sich also noch eine dritte geheime Zutat befinden: Das sind die sogenannten Katecholamine.
Man kann sagen, die Katecholamine setzen dem ganzen die Krone auf. Sie sind das Salz in der Suppe. Mit ihrer Hilfe hat es Cousins durch seine Selbsttherapie wieder zu einem vollkommen gesunden Mann gebracht, denn die Katecholamine haben eine entzündungshemmende Wirkung. Für Cousins’ entzündeten und steifen Gelenke wirkten diese Hormone wie eine Ölung und sie befreiten ihn auf Dauer von seiner Qual.
Das hört sich doch wunderbar an. Lachen aktiviert also komplizierte neurologische Vorgänge und das freut nicht nur jeden Chemiker. Durch die Hormonausschüttung werden wir fröhlich, wenn wir traurig sind und wir werden im Bestfall sogar gesund, wenn wir krank sind. Doch einen letzten Effekt des Lachcocktails möchte ich noch erwähnen, bevor jeder nachschauen kann, ob noch Eiswürfel im Kühlfach sind.
Es geht mir um die berüchtigten „Killer-Zellen“. Was sich scheinbar anhört wie der Aufenthaltsort verurteilter Mörder, ist in Wirklichkeit eine raffinierte Erfindung der Natur, die den Menschen vor Krankheiten bewahrt. Schauen wir hierzu auf ein Experiment von Dr. Lee S. Berk. Der Lachforscher aus Kalifornien überprüfte bei einer Gruppe von ungefähr hundert gesunden Menschen, ob sich Lachen auf ihr Immunsystem auswirkt. Der einen Hälfte der Testpersonen entnahm er eine Blutprobe, nachdem diese einen lustigen Film gesehen hatten. Die andere Hälfte wurde unter Normalbedingungen getestet. Das Ergebnis war erstaunlich. Nicht nur, dass die letzteren Testpersonen sauer waren, weil sie nicht mitreden konnten, die Aktivität ihrer körpereigenen Killer-Zellen war auch weitaus geringer als die der anderen Testpersonen. Doch was macht so eine Killer-Zelle überhaupt den lieben langen Tag? Klar, wahrscheinlich irgendwas killen. Das klingt erst mal nicht so gut, aber diese mikroskopischen Kampfmaschinen gehen glücklicherweise bei ihrer Arbeit sehr gezielt vor. Sie eliminieren lediglich andere Zellen, die von einer Virus-Infektion geschädigt wurden und verhindern so die Ausbreitung einer Krankheit im Körper. Auch Tumor-Zellen werden durch die Mini-Rambos entdeckt und vernichtet. Ich bin sogar ausnahmsweise bereit, mich von meiner allgemeinen Weltanschauung zu lösen und zu sagen, auf diesem Niveau der Auseinandersetzung ist Gewalt eine Lösung.
Was lernen wir nun daraus? Ein guter Barkeeper hat neben einer Flasche Whisky auch stets ein paar Hormone unterm Tresen parat. Oder anders formuliert: Lachen ist wirklich gesund. Neben den oben erwähnten drei Zutaten wird unser Cocktail sogar noch mit allerlei anderem verfeinert. Die Wissenschaft ist jedoch immer noch auf der Suche nach dem vollständigen Rezept. Vielleicht macht aber gerade dieser letzte Rest Ungewissheit den Reiz aus, einen kräftigen Schluck vom Lachtrunk zu nehmen.
Übrigens gibt es neben dem Lachen auch andere Wege, um den Hormonhaushalt aufzuwerten. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, doch sexuelle Aktivität steht ganz oben auf der Glückshormon-Lieferanten-Liste. Für echte Lachmuffel ist das dennoch kein Grund zum Aufatmen. Denn wer nicht in regelmäßigen Abständen ein Lächeln über die Lippen bekommt, der bekommt auch nur unregelmäßig ein Mädchen über die Türschwelle. Nicht umsonst kennt man(n) ja den Ausspruch: „Wer die Frauen bringt zum Lachen, bringt sie auch zu anderen Sachen.“ Prost!


Verordneter Frohsinn



Lachen ist etwas Gutes, deswegen bemühen wir uns darum, es immer mal wieder zu tun. Viele müssen sich dazu nur mit ihren Freunden treffen. Es gibt sogar Menschen, die am meisten an ihrem Partner schätzen, dass sie mit ihm lachen können bzw. dass er sie zum Lachen bringt. Aber auch, wer weder einen Lebenspartner, noch allzu lustige Freunde besitzt, kann seine Lachmuskeln trainieren. Die moderne Unterhaltungsindustrie bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten: Man könnte zum Beispiel ins Theater gehen und sich eine Komödie ansehen. Oder man besucht den Zirkus, in dem Clowns ihrem erheiternden Tagesgeschäft nachgehen. Mir persönlich reicht es sogar völlig aus, mich irgendwo in die Fußgängerzone zu setzen und die Leute zu beobachten. Dort sieht man oft menschliche Kuriositäten, die sind lustiger als Theater und Zirkus zusammen – noch dazu kostenlos. Wer des Ausgehens jedoch müde ist, kann sich den Humor natürlich auch direkt nach Hause holen. Entweder man leiht sich ein paar Liebeskomödien in der Videothek aus oder man setzt sich am Comedy-Dienstag gleich vor die Glotze. Auch hier befürworte ich jedoch wieder die Sendungen, die offiziell gar nicht komisch sein sollen, sondern ernst gemeint sind. Wer einmal mittags den Fernseher eingeschaltet hat, weiß wovon ich spreche. Wobei es sich hier dann wieder ähnlich verhält wie beim Theater: Komödie und Tragödie sind oft in einem Stück vereint. Die bekannteste Tragikomödie des deutschen Fernsehens ist wohl „Bauer sucht Frau“.
Letztendlich hat jeder so seine eigene Methode sich aufzuheitern und manch einer ist noch auf der Suche, nach dem perfekten Grund, um lachen zu können. Es gibt jedoch auch Menschen, die auf einen solchen Grund einfach pfeifen. Menschen, die sich sagen: Wieso soll ich darauf warten, dass jemand auf der Bananenschale ausrutscht? – Ich lach einfach über die Banane selbst! Das klingt komisch, ist aber wahr. Der Mumbai Dr. Madan Kataria beweißt, dass es geht. Vor einigen Jahren rief er die Bewegung des „Lach-Yoga“ ins Leben, die sich mittlerweile in über 6000 Lachclubs weltweit manifestiert hat. Und man kann es sich schon denken: Kein sterbender Schwan, kein Kopf hinters Knie – anders als beim traditionellen Yoga sind die einzigen Muskeln, die sich biegen und knoten, diejenigen, die für das Lachen zuständig sind. Ab und zu begleitet von lockerem Schütteln und Springen, aber stets mit der Versicherung, dass man seinen Körper auch so zurückbekommt, wie man ihn abgegeben hat.
Bei so einer Lach-Yoga-Party treffen sich also möglichst viele Leute und ohne, dass einem auch nur die Spur eines Witzes über die Lippen kommt, fangen sie an zu Glucksen und zu Kichern. Oft ist der Yogi-Meister derjenige, der das Lachen einleitet, indem er selbst einfach damit anfängt. Bei fortgeschrittenen Schülern reicht wahrscheinlich auch ein Fingerschnipsen, um das Gelächter zu entfachen.
Für viele klingt dieses „Lachen aus Spaß“ kaum vorstellbar. Man kann beispielsweise gut nachvollziehen, wie schwer es für Schauspieler sein muss, auf Kommando zu weinen oder zu lachen. Aber die alltägliche Erfahrung zeigt auch etwas anderes: Anfangen zu lachen ist wirklich nicht immer leicht, aber Aufhören ist oft noch schwieriger. Wenn man sich unter seinen Mitmenschen wohl fühlt und unbefangen ist, dann kann es passieren, dass das Lachen eine Eigendynamik entwickelt. Wenn man mit Freunden mehrere Minuten durchlacht, bis der eine nach Luft schnappt und dem anderen die Tränen kommen, dann weiß oft keiner mehr, worüber man eigentlich genau lacht – und trotzdem ist es schön. Diese Tatsache nutzen auch die Yogi-Brüder und -Schwestern für sich, weshalb Lach-Yoga eine sinnvolle Sache ist. Ich persönlich hätte nur die Befürchtung, dass man zu sehr sensibilisiert wird. Wenn man schon anfangen muss zu lachen, wenn jemand schnippst, wie lustig ist es dann erst, wenn er niesen muss?
Ein weiteres Beispiel für Lachen um des Lachens Willen ist der Weltlachtag*1. Auch er ging 1998 aus Katarias Bewegung hervor. Um Punkt 14:00 Uhr deutscher Zeit wird an diesem Tag gemeinsam für 3 Minuten gelacht. Ob man gerade ausgeraubt wird oder bemerkt hat, dass der geliebte Goldfisch rücklings auf der Wasseroberfläche treibt, spielt für Anhänger von Katarias Lach-Religion keine Rolle. Durch das gemeinsame Gelächter, das den ganzen Planeten erfüllt, soll ein Zeichen der globalen Freundschaft und Brüderlichkeit gesetzt werden. Nach den drei Minuten darf Goldi dann auch standesgemäß per Klospülung bestattet werden.
Meiner Meinung nach sollte man sich jeden Tag mindestens drei Minuten Zeit zum Lachen nehmen. Und die drei Minuten dürfte man sich dann auch selbst einteilen. Meinetwegen – im Sinne eines jeden Apothekers – eine morgens, eine mittags und eine abends. Denn auch wenn der Weltlachtag eine gelungene Aktion ist, war Lachen auf Knopfdruck noch nie mein Ding.
Wir Rheinländer können davon ein Lied singen. Auch im Kölner Karneval*2 wird am 11.11 um 11.11 Uhr der Frohsinn zur Bürgerpflicht. Da heißt es dann, ab jetzt biste jot drup, sonst kriegste einen drup.
Nicht selten höre ich noch Anfang Februar Bekannte von mir klagen, sie seien noch gar nicht in „Karnevalsstimmung“. Nicht-Rheinländer kennen dieses Phänomen vielleicht von Weihnachten. Man muss noch am 23. Dezember arbeiten, man ackert die Liste der Geschenke ab, die man besorgen muss und so richtig in Weihnachtsstimmung kommt man dabei nicht. Was macht man bei solchem Weihnachtsstress? Innehalten – Plätzchenbacken. Das Wichtigste ist durchzuatmen und sich zu besinnen, worauf es beim Fest der Liebe wirklich ankommt.
Ich verfahre da mit dem Karneval ähnlich. Oft sitze ich noch eine Woche vor Rosenmontag ungeschminkt am Schreibtisch und frage mich, wie ich es fertig bringen soll, die kommende Woche tanzend und schunkelnd von einer Kostümsitzung zur nächsten zu hüpfen. Die fünfte Jahreszeit passt einem nämlich nicht immer perfekt in den Kalender.
Andererseits muss Heiterkeit auch ab und zu organisiert werden. Würden wir in einer Welt Leben, in der jeder seinen eigenen Lachtag hätte, in der sich jeder selbst zum Karnevalsprinzen ernennt, dann würden wir zwar auch lachen – aber niemals gemeinsam.
Kurz vor der entscheidenden Karnevalswoche kann es also sogar einem echten Kölner passieren, dass er irgendwie noch keine richtige Lust verspürt. Bei einer solchen Jecken-Depression ist das ganz ähnlich wie beim Weihnachtsstress. Hier heißt es aber dann: Innehalten – Kölsch trinken.


*1: Weltlachtag

: Dieser aus Indien stammende Feiertag verbucht bereits einen Weltrekord auf seinem Konto: Als am 9. Januar 2000 auf dem Kopenhagener Rathausplatz mehr als 10.000 lachende Menschen zusammenkamen, war auch der Herr Guinness mit seinem Rekordebuch anwesend und machte einen Eintrag. Selbst Weihnachten und Ostern haben nichts derartiges vorzuweisen.

*2: Kölner Karneval

: Schönstes Volksfest unter Gottes Sonne. Wird auch gerne einfach „der

Karneval“ oder „einzig wahrer Karneval“ genannt.


Die Scherbe in der Hasenpfote



Und nun ein kurzer Schwenk aus meiner bisherigen Jecken-Karriere: Wer schon mal am Straßenkarneval teilgenommen hat, kennt das Problem – es ist kalt. Trotz Erderwärmung ist das Wetter im Februar meist alles andere als narrenfreundlich. Bei der Kostümwahl sollte man dies Bedenken. Surferboy oder Badenixe sind mit Sicherheit reizvolle Kostüme, wirken aber mit verschränkten Armen und Eiszapfen am Kinn nicht gerade authentisch. Übrigens, es wäre ein fataler Fehler, auf die Idee zu kommen, deshalb gar kein Kostüm anzuziehen. Sich an Karneval in Köln ohne Kostüm zu zeigen, ist keineswegs ein Kavaliersdelikt und es kann passieren, dass man dem Nubbel*1 auf dem Scheiterhaufen Gesellschaft leisten muss.
An Weiberfastnacht*2 vor einigen Jahren wollten mein bester Freund und ich alles richtig machen. Einige Tage zuvor machten wir uns bereits Gedanken über unser Kostüm. Obwohl wir im Jahr zuvor noch einen Friseurgutschein im Rahmen eines Kostümwettbewerbes gewannen – womit unsere Kreativität außer Frage steht – ist es nicht immer einfach für jeden Karnevalstag ein angemessenes Kostüm zu finden. Aus Zeit- und Geldnot entschieden wir uns für ein klassisches Ganzkörperkostüm. Diese Stoffkostüme sind meist in einer recht preiswerten Variante erhältlich und man kann sich darunter so warm anziehen, dass man selbst ohne Alkohol nicht frieren müsste. Darüber hinaus stellt man in der Regel dann irgendein Tier dar, was von den meisten Frauen als niedlich angesehen wird. Um diesen Niedlichkeits-Faktor voll auszuschöpfen wurden wir beide Häschen. Derart verkleidet und unter Mithilfe des Alkohols im Blut der Damen erhofften wir uns eine hohe Anzahl von Bützjer*3 zu erhalten.

Gegen 8.00 Uhr morgens fanden wir uns dann am Bahnhof von Rommerskirchen ein und die ersten Feiglinge waren bereits in unsere Münder geflohen. Wer um diese Zeit in den Regionalexpress zum HBF Köln einsteigt, darf keine Angst vor Nähe (oder Schweinegrippe) haben. In den, aus allen Nähten platzenden, Regionalexpress quetschen sich neben uns noch ungefähr 20 weitere Leute hinein. Und während man umgeben von Fröschen, Cowboys und Eisbären versuchte sich am Kinn zu kratzen, hörte man das erste von vielen noch folgenden „Da-simma-Dabeis“. Soviel also zum Thema „das Leben in vollen Zügen genießen“.
Als wir um ca. 8:20 Uhr in Köln ankamen, war das bunte Treiben natürlich schon im vollen Gange. Die närrische Masse schwemmte uns aus dem Zug bis vor den Dom. Ab hier kann jeder selbst entscheiden, wie er vorgeht: Heumarkt, Neumarkt oder Supermarkt – die ganze Stadt ist ein Fest.
Traditionell trafen wir uns mit unseren Freunden in der Passage vor dem Früh-Kölsch-Brauhaus. Von da an sind meine Erinnerungen jedoch etwas verschwommen. Der Tag kam mir vor, wie ein nicht-enden-wollendes „Alaaf“. Ich weiß nicht, ob man zuviel Alkohol trinkt oder zu viele Menschen trifft, aber es ist unmöglich sich im Nachhinein an alles zu erinnern, was man getan oder gesagt hat. OK, wahrscheinlich ist es der Alkohol, aber auch das Biertrinken gehört zur närrischen Tradition.
Jedenfalls haben mein Freund und ich uns relativ schnell aus den Augen verloren. Als einsamer Hase hoppelte nun jeder für sich durch die bunten Gassen der Stadt. Und ich weiß nicht ob es Zufall war oder doch die närrische Hand Gottes, jedenfalls hatte meinen Hasenpartner und mich in der verrückten Stadt dasselbe Schicksal ereilt. Abgesehen davon, dass unser beider Plan, gebützt zu werden, voll und ganz aufgegangen war – wie man an verschiedenen Rottönen in unserem Gesicht erkennen konnte – verband uns noch etwas. Wir beide trugen einen Verband um die rechte Hand (bzw. Pfote). Anscheinend waren wir beide im Eifer des Gefechtes gestürzt. Und wenn man an Karneval stürzt, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man landet in Glasscherben oder in Erbrochenem. Glücklicherweise war es bei uns beiden ersteres. So wachten wir zwar am nächsten Tag mit einer Schnittwunde auf, aber immerhin ohne Herpes. Außerdem bringen Scherben bekanntlich Glück und Hasenpfoten ja auch. Deshalb beschlossen wir, dass eine Scherbe in der Hasenpfote das Beste ist, was einem passieren kann – und so hatten wir trotz unserer Blessuren wieder einen Grund anzustoßen.
Natürlich kann man auf eine solche Geschichte nur in Maßen stolz sein. Aber eines ist sicher, an Karneval herrschen andere Gesetze. Und solange das Absolut-Trinken absolute Ausnahme bleibt, komme ich damit zurecht. Wer erfahrene Karneval-Profis befragt, wird sicher ab und an auch von unschönen Geschichten hören, doch jede Medaille hat ihre Kehrseite. Grundsätzlich ist der Karneval mit all seinen Sitzungen und Umzügen, mit seiner Musik und den Kostümen, mit all seinen Närrinnen und Narren ein Fest der Freude und des Lachens.
Und so endete das Karnevalsfest für mich wie jedes Jahr mit schönen Erinnerungen und einer aufgefrischten Tetanus-Impfung.


*1: Nubbel

: Eine Stoff- oder Strohpuppe, die am Aschermittwoch verbrannt wird. Sie soll für alle Sünden büßen, die im Karneval begannen wurden – zurecht wird mancherorts deshalb gleich eine ganze Nubbel-Familie gegrillt.

*2: Weiberfastnacht

: Einer der wichtigsten und ereignisreichsten Tage der Karnevals-Session. Falsche Bezeichnungen für diesen Tag wie „Altweiber“ werden von echten Kölnern nicht geduldet. Noch schlimmer ist es aber, den Karneval selbst als „Fasching“ zu bezeichnen... argh!

*3: Bützje

: Zu Hochdeutsch „Küsschen“. Werden an Karneval gerne verteilt. Nicht unbedingt als Ausdruck sexuellen Begehrens, sondern als Zeichen der Freude und des Frohsinns. Vorzugsweise werden sie auf der Wange, dem Mund oder der Stirn platziert. Es kommen aber auch andere Stellen vor...


Komik, Humor und Witz



Ist mein Humor kaputt?



Wundern Sie sich eigentlich, dass dies angeblich ein komisches Buch ist, Sie aber noch kein einziges Mal lauthals losgelacht haben? Nun, das kann mehrere Gründe haben. Eine Möglichkeit wäre natürlich, dass Sie einfach keinen Humor haben. Andererseits könnte dies auch auf mich zutreffen und dieses Buch ist einfach nicht zum Lachen. Die dritte und meiner Meinung nach diplomatischste Lösung ist aber folgende: Dass Sie bisher beim Lesen dieses Textes höchstens mal schmunzeln mussten (und das sogar nur bei den leicht anstößigen Stellen) liegt weder an Ihrem Humor noch an diesem Text als solches. Das Problem liegt in den Grundvorrausetzungen der Komik, die durch ein geschriebenes Buch nicht erfüllt werden können:
Im wahrscheinlichsten Fall sitzen oder liegen Sie gerade irgendwo alleine und lesen in Ruhe diesen Text. Möglicherweise befindet sich auch noch Jemand bei Ihnen. Vielleicht ihr Partner, der ebenfalls ein Buch liest, dass ihn nicht zum Lachen bringt. Doch warum ist das so? Die Antwort auf diese Frage lautet: Kollektivität

.
Das Lachen, das sich ja aus dem Zähnefletschen unserer Vorfahren entwickelte, war in uralter Zeit eng verbunden mit dem Kampf und der Jagd. Und so wie man nur erfolgreich im Rudel jagen konnte, so funktioniert das „Zähne-Zeigen von heute“ auch nicht richtig, wenn keiner da ist um mitzumachen. Wir kennen Bilder von Wölfen, die sich ihrer Beute langsam von allen Seiten nähern (hoffentlich nur aus dem Fernsehen). Und während die Tiere dies tun, wird gemeinsam heftig geknurrt und mit den Beißern posiert. Auch der Mensch verhält sich so. Zwar reißen wir mit unseren Freunden in der Regel kein verletztes Kalb, aber trotzdem ist unser Humor ein Rudeltier. Das Lachen hat sich lediglich in seiner Bedeutung verändert, nicht aber in seiner Funktion als Kommunikationsmittel. Wenn unsere Zähne jedoch damals die Nachricht sendeten „ich zerfleische dich jetzt“, so sagen sie heute in der Regel nur „ich freue mich sehr darüber“. Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf geblieben und mit herzhaftem Lachen sendet er dem Wolfsrudel: „Ich habe den Witz verstanden – er war gut.“ Auch auf diese Art und Weise werden heutzutage Rangkämpfe ausgetragen, denn wer laut lacht, gibt auch den Ton an. Wer hingegen nichts checkt und stumm in der Ecke sitzt, wird nie zum Alphatier. Und wer sich von seinem Rudel entfernt (und alleine ein Buch ließt), der hat keinen Grund die Zähne zu fletschen.

Natürlich könnte es auch sein, dass Sie sich während des Lesens gerade in der Bahn befinden. Um das Rudel-Prinzip zu testen, könnte der Versuch gewagt werden, den Text laut vorzutragen. Doch auch das würde nicht funktionieren. Zwar sind die meisten Bahnen stets gut gefüllt und viele Wölfe (die wahrscheinlich einfach nur zur Arbeit wollen) könnten ihr Zähnefletschen sehen, doch eine weitere Bedingung für Komik würde ignoriert werden: Die eigene Unbefangenheit

.
Leider ist es so, dass wir nur herzhaft lachen können, wenn es uns bereits einigermaßen gut geht. Man lacht nicht besser in Gesellschaft, sondern nur in guter Gesellschaft. Wenn wir uns unwohl fühlen, wenn wir skeptisch sind, dann kommt Humor höchstens an zweiter Stelle. In unserem Bahnbeispiel würden sich die Passagiere im Wagon nur fragen „was soll das?“ oder „wieso lesen Sie nicht leise?“ – und im schlimmsten Fall würde jemand die Notbremse ziehen. Denn Personen, die sich nicht kennen, fällt es schwer gemeinsam zu lachen. Noch komplizierter wird es bei Personen, die sich nicht mögen. Hier stehen die Zeichen dann auf Sturm und nicht auf Pustekuchen. Das Lachen wird in so einem Fall höchstens als Waffe eingesetzt, um den anderen zu deklassieren.
Doch auch mit Freunden ist nicht immer Gutkirschenessen. Es kommt darauf an, wie es uns geht und was uns beschäftigt. Wer sich gerade den Kopf über eine anstehende Prüfung zerbricht, der reagiert auch nicht auf die beste Grönemeyer-Parodie. Auch Mitleid kann ein hemmender Faktor sein, indem es an die Stelle tritt, wo einst die Schadenfreude gethront hatte. So erhält unser Gesicht oft schneller den Befehl, die Mundwinkel hängen zu lassen, als uns lieb ist.
Belastende Gedanken sind wie eiserne Ketten, die sich um unseren Sinn für Humor legen wollen und nur wer sich davon lösen kann, ist imstande unbeschwert und von Herzen zu lachen. Nicht selten erlebt man Menschen, deren Humor scheinbar vollkommen in Ketten gelegt, kurz vor seinem Ende zu stehen scheint. Wer die Kunst des Aufheiterns wirklich beherrscht, weiß, dass es nun nicht das Ziel sein kann, die Person zwanghaft zum Lachen zu bringen. Es geht viel mehr darum, langsam und Schritt für Schritt den Humor von seinen Ketten zu befreien.

Wir stellen uns also vor, wir sitzen gerade gemütlich mit guten Freunden zusammen, niemand ist in Ketten gelegt und alle sind gut drauf. Es ist Freitag Abend und gleichzeitig der Erste des Monats, weshalb weder Stress noch finanzielle Not einen runter ziehen könnten. Nun machen wir einen Witz, aber keiner lacht – wütend würden wir uns fragen: „Was bitte fehlt denn jetzt noch?!“
Die dritte und letzte Säule der Komik ist die Überraschung

. Komisch ist für uns niemals das Gewöhnliche oder Alltägliche. Ein Clown, der in der Manege steht und Geschirr spült ist nicht lustiger als eine Spülmaschine mit Partyhut. Um sein Publikum zu erheitern, müsste sich der Komiker schon etwas mehr einfallen lassen. Beispielsweise könnte ihm in regelmäßigen Abständen ein Stück aus seinem Meissner Porzellanset zu Bruch gehen. Das wäre zwar eine Schande für jeden Liebhaber, aber immerhin für manche Leute ein Grund zum Lachen.
Der schottische Philosoph James Beattie führt an: „Lachen ergibt sich aus der Beobachtung von zwei oder mehreren (...) unpassenden (...) Sachverhalten (...), von denen man annimmt, dass sie innerhalb eines komplexen Ganzen vereinigt sind (...).“ Wie zu sehen ist, habe ich diese These bereits etwas vereinfacht, doch würde ich es mit eigenen Worten in folgender Kürze formulieren: Wir lachen, weil irgendetwas nicht stimmt.
Treffend ist hier für mich auch, was der Philosoph Immanuel Kant einst sagte. Er beschrieb das Lachen als einen Affekt, der „aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung ins Nichts“ entspringt. In diesem Moment schrubbt der Clown noch das Teeservice und im nächsten sind seine Hände leer. Hier wäre es wohl noch besser zu sagen, dass die gespannte Erwartung zer

springt.
Damit wäre jetzt also die Manege voller Scherben und wir wüssten grob auf welchen drei Standbeinen die Komik fußt. Die Befürchtungen um Ihren oder meinen Humor als solches, wären damit also „ins Nichts entsprungen“.


Der deutsche Humor – langsam aber sicher



Wir wissen jetzt also, wie das in unserem Körper abläuft: Man ist gut gelaunt in guter Gesellschaft, hört einen gelungenen Witz und los geht die Sause. Doch so einfach ist das leider nicht. So ein kleiner Kalauer hat einen beschwerlichen Weg vor sich, bis er in hallendes Gelächter ausartet. Unser Gehirn ist da nämlich ziemlich streng mit ihm und bevor eine Aussage wirklich als witzig gilt, muss sie erst mal gründlich überprüft werden.
Der Bayrische Rundfunk hat zu diesem Thema einmal folgendes in einem Artikel veröffentlicht:

„Anders als etwa beim Kitzeln, wird bei einem Witz das Sprachzentrum eingeschaltet. Der erzählte Witz gelangt zunächst über das Ohr ins Hörzentrum, von da geht es weiter in das Zentrum für Sprachverständnis, wo er analysiert wird. Jetzt wird er von der linken in die rechte Hirnhälfte geschleust, dabei wird abgeglichen, ob sich Emotion und Inhalt entsprechen. Stimmen Emotion und Inhalt nicht überein, findet das Gehirn den Witz witzig (...).“



Das Erstaunlichste für mich ist hierbei, dass unser Gehirn einen Witz witzig finden kann, obwohl es ja anscheinend eine gefühlte halbe Stunde auf ihm herumreitet. Es schiebt ihn von einer Instanz in die nächste und jedes Mal ist die Pointe dieselbe.
Aber vielleicht hat der Artikel auch gar nicht auf alle Gehirne der Welt Bezug nehmen wollen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es sich bei dieser Witz-Prüferei nur um eine typisch deutsche Hirnaktivität handelt. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass den Deutschen seit jeher eine gewisse Humorlosigkeit nachgesagt wird.
Also eins muss ich an dieser Stelle klar stellen. Wir Deutschen haben schon Humor. Dieser ist nur einfach ziemlich gründlich. Er möchte nichts übersehen. Unser Gehirn ist da eben – so wie wir – ein Bürokrat und so einen Witz, den kann man halt nicht immer direkt komisch finden. Den muss man erst prüfen und gegenprüfen lassen. Deswegen kommt es auch gerade uns Deutschen zugute, dass unser Gehirn in zwei Hälften geteilt ist. Die eine Seite stellt den Antrag und die andere Seite hat den amtlichen Stempel. Und wenn wir dann Abends nach Hause kommen und uns ins Bett legen, dann wird uns langsam klar: Der Witz heute Morgen beim Frühstück, den wir im Radio gehört haben – der war

witzig.

In der Weltöffentlichkeit werden wir durch diese Eigenschaft übrigens in allen Bereichen des Lebens sehr ernst genommen. Nur beim Thema Humor leider nicht. Ich verstehe das aber auch. Was sollen beispielsweise unsere Freunde aus Italien denken? Ein Italiener benutzt, selbst wenn er sich ganz normal unterhält und nicht lacht, mehr als 80 Muskeln seines Körpers. Während einer gewöhnlichen Unterhaltung über die Herstellung von Teebeuteln, strahlt er mehr Freude aus, als viele Deutsche beim Sex. Hören wir nun beispielsweise im Urlaub beim Mittagessen an der Riviera einen Witz über Nudelgerichte, so bringen wir es nach reiflicher Überlegung vielleicht zu einem schmalen Lächeln. Ein Südländer interpretiert diese scheinbar angeborene Zurückhaltung natürlich falsch. Er denkt, uns schmeckt es nicht.

Dabei hat der durchschnittliche Deutsche in den letzten Jahren nicht nur in Sachen Körpergewicht, sondern auch im Bezug auf seinen Humor kräftig zugelegt. Laut einer Studie des „Laughlab“*1 sind wir Deutschen sogar die humorvollsten Menschen auf der Welt. Der britische Forscher Richard Wiseman prüfte im Jahr 2001 per Internetumfrage nicht nur unseren Sinn für Humor, sondern auch den von weiteren 69 Ländern. Was dabei raus kam, ist zum einen der beste Witz der Welt (mehr dazu im Kapitel „Der beste Witz der Welt“) und zum anderen eben das bereits erwähnte, überraschende Ergebnis: Niemand lacht so viel wie die Deutschen.
Kann das sein? Wie passt dieses Ergebnis denn zu unseren Erkenntnissen über den neuronalen Papierkram, der entsteht, wenn man uns einen Witz erzählt? Hierzu muss man sich vor Augen halten, wie das Experiment von Wiseman genau ablief:
Auf der Internetseite des Laughlab wurden ab September 2001 Witze gesammelt, die man als Besucher der Seite bewerten sollte. Zudem war es auch möglich, der Sammlung seinen eigenen Lieblingswitz hinzuzufügen. Auf diese Art und Weise wurden über 40.000 Witze mit einer Punktzahl von 1 bis 5 bewertet. Die Deutschen waren nun diejenigen, die insgesamt die höchsten Punktwerte vergaben.
Für mich ist das Ganze einleuchtend. Wie eben schon erklärt, haben wir ja Humor. Unser Prozessor ist nur ein bisschen träge und es dauert manchmal ein Weilchen bis die Pointe greift. Im Falle dieses Experimentes war das aber kein Problem. Da konnten die Probanden die Witze ja zweimal oder dreimal lesen. Für die deutschen Testpersonen war das natürlich optimal. Diese haben dann solange am PC gesessen, bis sie den Witz geschnallt hatten und vor Freude gab es dann natürlich gerne mal ein oder zwei Belohnungspünktchen für den braven Witz.

Vielleicht sollte man sich aber auch davor hüten, den deutschen Humor ins Lächerliche zu ziehen. Vielleicht ist es ja wirklich so, das unser Gehirn in Bezug auf Humor zwar langsam arbeitet, aber dafür auch sehr effektiv. Möglicherweise ist gerade das Urteil eines deutschen Gehirns ein Gütesiegel für echte Lustigkeit.
Spätestens seit Mario Barths Weltrekord*2 im Jahr 2008 müsste dem Rest der Welt eins klar geworden sein: Wir Deutschen müssen uns in Sachen Humor nicht mehr verstecken.
Zum Lachen geht man heute bei uns nicht mehr in den Keller, sondern mit 70.000 anderen Menschen ins Olympiastadion.


*1 Laughlab

: Das Laughlab oder zu deutsch „Lachlabor“ ist die Erfindung des verrückten Wissenschaftlers Richard Wiseman. Hier werden Menschen in Ketten gelegt, an merkwürdige Maschinen angeschlossen und solange unter den Füßen gekitzelt, bis sie vor Lachen selbst verrückt werden.
OK, das stimmt so nicht ganz. Vielmehr ist Richard Wiseman ein anerkannter britischer Psychologe der neben Humor, auch Glück, Täuschung und insbesondere das Paranormale erforscht hat. Das Laughlab ist ein Projekt unter seiner Leitung, bei dem der Humor von Internetnutzern aus über 70 Ländern erforscht wurde.

*2 Comedy-Weltrekord

: Am 12.07.2008 gelang dem Comedian Mario Barth ein bisher einmaliger Rekord. Mit seinem Programm „Männer sind primitiv, aber glücklich!“ versammelte Barth rund 70.000 humorbegeisterte Menschen. Damit vervielfachte er mit Hilfe seiner ausgeprägten Berliner Schnauze sogar die alte Bestmarke von US-Comedian Chris Rock. Dieser brachte bei einem Auftritt in London „gerade mal“ 15.900 Besucher zum Lachen.
In Sachen Fastfood sind die Amis uns zwar immer noch eindeutig überlegen, aber wenn es um den schnellen Lacher für zwischendurch geht, dann kommt das XXL-Format aus Deutschland!
Schade finde ich nur eines. Mario Barth wird zuhauf von Kritikern zerrissen, die sich selbst sehr gerne auf einer hochintellektuelle Schiene rangieren sehen. Für mich bewegen sich solche Selbstdarsteller eher auf dem Abstellgleis. In einem Spiegel-Artikel wird Barth beispielsweise betitelt als „Die Dauerwurst, die jedem schmeckt“.
Es heißt weiter „sein Programm ist die stete Wiederholung des Immergleichen.“
Es wird also kritisiert, dass Barth sich zu viel und zu lange mit dem ewigen Unverständnis zwischen Mann und Frau beschäftigt. Ich frage mich hier ernsthaft: Wie kann man sich zu lange mit dem ewigen Unverständnis der Geschlechter beschäftigen? Viel mehr sollten wir froh sein, dass es einen ehemaligen Elektrotechniker gibt, der aufgehört hat Glühbirnen einzuschrauben, weil er erkannt hat, dass er auf eine ganz andere Weise Licht in unser Leben bringen kann.

Auch auf Focus.de gab es nach dem erfolgreichen Weltrekord heftige Diskussionen um Barths Niveau. Meine persönliche Übereinstimmung war am größten mit diesem Beitrag.

Coyotenlady (14.11.2008 07:36)

Olympiastadion
Also ich fand seinen Auftritt im Olympiastadion einfach spitze....wer soviele Menschen zum Lachen bringt kann nicht so primitiv sein wie die ganzen Lachmuffel hier behaupten.


Ich denke, die Coyotenlady hat recht (Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage). Und selbst, wenn es nicht so ist. Eins sollte klar sein. Auch wenn Mario Barth primitiv ist, er ist und bleibt dabei glücklich.


Der beste Witz der Welt


Gibt es ihn wirklich, den ultimativen Witz, der jeden zum Lachen bringt? Gibt es den einen Schenkelklopfer, bei dem man einfach nicht anders kann, als sich vor Lachen in die Hose zu machen? Haben die Götter uns mit einer Wortkombination gesegnet, die der Schlüssel zum heiligen Gral des Humors ist?

Nein. Leider haben sie das nicht. Es gibt da diesen einen Witz, den die Mehrheit von Leuten – bei immerhin 1,5 Millionen abgegebenen Stimmen – per Internetabstimmung zum sogenannten besten Witz der Welt gekürt hat. Aber was sagt das überhaupt aus? Damit sich jeder selbst ein Bild machen kann, folgt nun zunächst der benannte Witz, der im Projekt „Laughlap“ das Rennen machte:

Zwei Jäger gehen auf die Jagd und wandern durch den Wald. Plötzlich greift sich der eine an die Kehle und stürzt zu Boden. Der andere Jäger gerät in Panik und ruft den Notarzt an: „Ich glaube mein Freund ist tot, was jetzt?“ Der Arzt sagt: „Beruhigen Sie sich! Zunächst einmal müssen Sie sicher gehen, dass Ihr Freund wirklich tot ist.“ Kurze Pause, dann ein Schuss. Dann kommt er wieder ans Telefon. „OK, erledigt, und was jetzt?“



Wer jetzt immer noch auf seinem Stuhl sitzt und nicht mit Tränen in den Augen auf dem Boden rollt, muss sich keine Sorgen machen. Erstens tummeln sich auf dem Boden möglicherweise gefährliche Keime – was auch nicht lustig ist – und zweitens geht es vielen Leuten so, dass sie eher gähnen statt lachen müssen, wenn sie den Witz hören.
Der Grund dafür? Zunächst einmal schnellt unsere Erwartungshaltung in unvorstellbare Höhe, wenn wir hören, „jetzt folgt der beste Witz der Welt“. Das ist so, als wenn es irgendwo angeblich den besten Hamburger oder die beste Currywurst der Welt gebe. Egal, ob mit oder ohne Pommes, die Messlatte hängt dann so hoch, dass wir nach dem ersten Bissen wünschen, wir hätten uns Zuhause ein Brot geschmiert.
Ein Witz, der sich zum König der Scherze krönen lässt, hat aber noch ein weiteres Problem: Er muss massetauglich sein. Bei einer solchen weltweiten Umfrage hat ein Witz keine Chance, wenn er beispielsweise sehr frech und lustig ist, aber andererseits auch als beleidigend empfunden wird. Denn so oft einer auch am Computer sitzt und sich kringelig lacht, so oft sitzt in irgendeinem anderen Land (wahrscheinlich in Frankreich) jemand und ruft: „Sacrebleu!“. Weiterhin darf Ihre Majestät auch nicht zu raffiniert und anspruchsvoll sein. Denn während die einen es lieben, um die Ecke zu denken, rennen die anderen dabei gegen die Wand. Mit anderen Worten, was für die einen ein „Ha!“ ist für die anderen ein „Hä?“ und wo sich die Brünette freut, bricht die Blondine in Tränen aus.
Der oben genannte Jäger-Witz setzt da auf die goldene Mitte. Mit dem Thema Jagd können alle Nationen etwas anfangen. Auch das Thema Tod ist ja meines Wissens grenzübergreifend und der sogenannte Schwarze Humor hat sich deshalb überall mehr oder weniger durchgesetzt.
Die Wenigsten finden den Witz also super toll, aber die Meisten können irgendwie damit leben und so hat er sich bei der Wahl eben durchgesetzt – viele Politiker können davon ein Lied singen.


Eine Reise unter die Gürtellinie



Es gibt Lehrerwitze, es gibt Dickenwitze und es gibt Blondinenwitze. Und die sind auch alle lustig, außer man ist eine dicke blonde Lehrerin. Über die Fragen „Was darf Humor?“ oder „Ab wann, ist etwas nicht mehr witzig?“, lässt sich sicherlich streiten. Man kann die Menge aller Witze und Sketche auf der Welt nicht in gut und böse einteilen. Ob etwas noch witzig ist oder schon als geschmacklos gilt, hängt vor allem von der Situation ab.
Zunächst einmal kommt es auf das Publikum oder die Hörer des Witzes an. Im Kindergarten oder im Altenheim sind Sex-Witze eher schlecht, denn sie werden noch nicht so gut (inhaltlich) bzw. nicht mehr so gut (akustisch) verstanden. Außerdem ist der Geschlechtsverkehr sowieso ein „anstößiges“ Thema, das mit Vorsicht zu behandeln ist. Was sich auch nicht anbietet, sind Schwulen-Witze in einer Kneipe namens „Zum Hintertürchen“ oder Scherze über die durchschnittliche Intelligenz von Fußballfans in der Arena auf Schalke.
Es kommt immer darauf an, wo man sich befindet und mit wem man es zu tun hat (und ob es Fluchtmöglichkeiten gibt). Trotzdem gibt es einen Faktor, der die Toleranzschwelle erheblich anheben kann: der Redner selbst.
Ein afroamerikanischer Mensch könnte sich auf eine Bühne stellen und damit angeben, dass er noch nie auf der Sonnenbank war. Ein Übergewichtiger könnte sich damit rühmen, dass er noch nie auf der Waage war. Und ein Türke könnte ohne Gefahr laut rufen: „Döner ist scheiße!“
Allgemein gesprochen kommt es also darauf an, wer man selbst ist und was man darstellt. Solange man jemanden von oben herab verspottet, wird ein Witz als böswilliger Angriff wahrgenommen. Gehört man aber selber zu einer gewissen Gruppe, so ist es kein Problem diese durch den Kakao zu ziehen, besonders weil man sich selbst gleich mitnimmt.
Demnach haben wir alle also einen Freifahrtsschein dafür, den Menschen als solches zu verspotten, weil wir uns dann stets mit einschließen. Weiterhin bewegt man sich auch auf sicherem Terrain, wenn man allgemein über Männer und Frauen herzieht. Hier ist es sogar akzeptabel, wenn wir Männer uns die Frauen zur Brust nehmen oder umgekehrt (umgekehrt und im wörtlichen Sinne ist uns hierbei natürlich am liebsten).
Denn wie sehr wir den Frauen auch auf den Schlips treten, am Ende werden sie uns verzeihen und mitlachen, weil sie wissen, dass wir sie so brauchen wie sie uns.
Knöpft man sich allerdings in Sachen Humor speziellere Typen von Menschen vor, so sollten das entweder solche sein, die eh keiner leiden kann (Betrüger, Verbrecher, Beamte) oder man muss sich selbst mit ihnen identifizieren können.
Man achtet also stets darauf, mit Humor niemanden zu beleidigen oder zu verletzen. Andererseits dürfen wir auch den altbekannten Grundsatz nicht vergessen, der besagt „Schadenfreude ist die schönste Freude“. Manchmal finden wir gerade die gemeinsten und fiesesten Dinge am unterhaltsamsten. Denn unser Humor ist so gestrickt, dass wir Freude empfinden, wenn uns die Fehler anderer aufgezeigt werden und wir uns selbst erhaben fühlen können. Schon Aristoteles vertrat die Theorie, dass die Wahrnehmung von Defekten, Deformierungen oder auch nur von Hässlichkeit einen Mitmenschen zum Lachen anregt.
Problematisch wird es für den Humor aber, wenn man versucht, sich in die Lage des Verspotteten hineinzuversetzen, denn dann kommt Mitleid auf und einem vergeht das Lachen sehr schnell.
Der goldene Pfad zu einem gesunden Humor besteht meines Wissens darin, nicht jeden Witz zu hinterfragen und ihn in die Realität hineinzuzwängen, sondern ihn wirklich als Witz – also als etwas nicht ernstes oder ernst gemeintes – zu akzeptieren.
Nichtsdestotrotz steht man gerade als Komiker in der Verpflichtung, seine Kunst so einzusetzen, dass sie möglichst viele Menschen erfreut, ohne dabei andere Menschen zu verletzen. Wie gefährlich es ist, die Moral zugunsten eines guten Lachers zu ignorieren, merkte ich schon am eigenen Leib:
Als Schüler hatte ich die besondere Aufgabe, auf einem Schulfest eine kurze Spottrede zu halten. Das Thema hatte ich zwar mit Bedacht, aber ohne allzu viel Kreativität gewählt: Männer und Frauen.
Ziemlich aufgeregt, aber dennoch zufrieden, manövrierte ich mich durch meinen ersten Auftritt vor einem großen Publikum. Den größten Stoff für meine Tiraden bot mir damals meine Schwester und ihre tragende Wand aus Schuhen, die unser Haus in seinen Grundfesten hielt – Danke Sarah!
Ein gewisser Witz jedoch, der mir, nach dem tosenden Applaus und Gelächter zu urteilen, besonders gelungen zu sein schien, sorgte im Nachhinein noch für Aufruhr: Auf die Frage, was denn Frauen und Klausuren gemeinsam haben, ließ ich die Pointe „Man kann beide mal verhauen“ folgen.
Dem großen Auftritt folgte dann ein längeres Gespräch mit meiner stark emanzipierten Geschichtslehrerin – nennen wir sie Frau Female. Frau Female rief mich am nächsten Schultag zu sich ins Lehrerzimmer, um mich erstens über meine Zeugnisnote aufzuklären (mangelhaft) und um mir zweitens mitzuteilen, wie sie meinen Auftritt fand (ungenügend).
Sie machte mir sehr deutlich, dass es eben Leute gibt, die einen Witz unter dem Was-wäre-wenn-Aspekt betrachten, womit seine ganze Witzigkeit plötzlich ins Gegenteil umschlagen kann. Nach einem Vortrag über das häufige Auftreten von häuslicher Gewalt in Beziehungen, was ich auch nicht abtun möchte, bekam ich die Chance mich zu äußern (Nicht zu der Zeugnisnote, da gab es keine Diskussion, aber zu der anderen Sache).
Glücklicherweise machte ich nicht den Fehler und wagte einen Rechtfertigungsversuch, obwohl ich darauf brannte. Denn was meine liebe Geschichtslehrerin in den falschen Hals bekam, war, dass ich selbst beim „Verhauen“ keineswegs einen Akt roher Gewalt vor Augen hatte, sondern vielmehr ein sexuelles Vergnügen – also kein Schlag ins Gesicht sondern ein Klaps auf den Hintern. Man halte davon, was man möchte, aber es entschärft die Sache gewaltig. Wie gesagt, erklärte ich es Frau Female nicht und bot ihr auch keine Demonstration an, da ich mein Abitur ja noch nicht bestanden hatte.
Ich sagte etwas – und das kann man ruhig als Geistesblitz betrachten – was man(n) am besten immer bei hitzigen Diskussionen mit dem weiblichen Geschlecht sagt: Ich sagte: „Sie haben Recht.“
Danach verließ ich scheinbar beschämt den Raum und lies die Schultern hängen. Als ich jedoch aus dem Lehrerzimmer hinaus gegangen war, über den Flur in die Pausenhalle und durch die Türe auf den Schulhof und als ich sicher war, dass mich kein Lehrer mehr hören konnte, da begann ich lauthals zu singen, frei nach Harpe Kerkeling: „Witzigkeit kennt keine Grenzen, Witzigkeit kennt kein Pardon (...)“ - und das ist die Wahrheit.


Der Komiker und seine Lebenseinstellung




Die Mona-Lisa-Strategie – maßvoll lustig sein



Ganz allgemein ist ein Komiker jemand, der Menschen mithilfe einer bestimmten Technik zum Lachen bringt. Wenn wir im Alltag das Wort „Komiker“ hören, denken wir in erster Linie an Bart, Nuhr und Co. – also an die Berufskomiker. Ich möchte an dieser Stelle jedoch mit „Komiker“ nicht nur diejenigen ansprechen, die mit ihren Witzen in die Massenproduktion gegangen sind und im Rampenlicht stehen. Der Begriff umfasst auch diejenigen, die einem „richtigen“ Beruf nachgehen und auf der Arbeit oder im Privatleben als Spaßvögel gelten. Es geht mir ganz einfach um den Komiker in jedem von uns.
Kein Mensch kann behaupten, dass er nicht gerne lacht oder dass er andere Menschen ungern zum Lachen bringt. In jedem von uns steckt also ein kleiner Komiker. Der Unterschied liegt lediglich im Maß seiner Beschäftigung.
Es gibt Menschen, die haben ihren Komiker vor langer Zeit an die Leine genommen. Solchen Leuten geht es meist darum, sehr sachlich und seriös zu wirken. Oft wird auch das Witze-Machen, bzw. das Über-Witze-Lachen als peinlich oder kindisch angesehen. Einen netten Abend mit solchen Spaßbremsen zu verbringen, ist nicht immer leicht. Da muss der eigene Komiker oft Überstunden machen, damit überhaupt Stimmung aufkommt. Egal wie sehr man sich auch bemüht, man schafft es nicht, ein Lächeln auf die Lippen des Gegenübers zu zaubern.
Andererseits gibt es Personen, die werden vollkommen von ihrem Komiker beherrscht. Egal worum es geht, egal wie ernst das Thema ist – es wird krampfhaft versucht, einen Witz zu reißen. Wie ein Fußballspieler, der aus jeder Position heraus aufs Tor schießt, wird alles, was man sagt als „Vorlage“ aufgefasst. Natürlich gelingt dann – wie im Fußball – ab und zu mal ein Treffer und es gibt Applaus, doch stehen solche Witze-Bolzer meistens im Abseits.
Am liebsten ist mir da die goldene Mitte – oder wie ich sie gerne nenne, die „Mona-Lisa-Strategie“. Leonardo da Vincis Mona Lisa ist nicht zuletzt deswegen so berühmt, weil die gute Frau ein Lächeln auf den Lippen trägt, dass sich genau zwischen zwei Stimmungen bewegt. Es hält sich die Waage zwischen Euphorie und Zurückhaltung. Niemand weiß, ob Mona Lisa nach dieser Momentaufnahme in lautes Gelächter ausbrach oder andächtig den Kopf senkte um zu beten. Wahrscheinlich ist sie einfach totmüde ins Bett gefallen, weil sie vier Stunden für ein Portrait stramm stehen musste, doch der Punkt ist, dass man mit einem Mona-Lisa-Lächeln nichts falsch machen kann.

Ein Mona-Lisa-Typ als solches ist also grundsätzlich an Heiterkeit und Frohsinn interessiert. Er weiß jedoch auch, dass man dies nicht erzwingen kann. Seine Strategie besteht darin, dass er einfach aufmerksam ist und abwartet. Wenn die Zeit reif ist, einen Witz zu machen, wird sich sein innerer Komiker schon melden. Wenn ein Gesprächspartner wiederum etwas Amüsantes sagt, verschließt er sich auch nicht davor, sondern schenkt ihm zumindest ein Lächeln. Mit einer solchen Einstellung ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man weder als Witzbold noch als Miesepeter abgetan wird.
Während ich mich selbst beobachtete, stellte ich fest, dass meine persönliche Witz-Frequenz vollständig durch meinen eigenen Humor geregelt wird. Und ich denke – und so geht es den meisten – wenn man selbst etwas witzig findet, dann möchte man es den anderen mitteilen. So bringt man im Zweifelsfall zumindest sich selbst zum Lachen. Liegt einem aber etwas daran, dass die Mitmenschen nicht verstummen, sobald man einen Witz macht, so hilft oft eine Sekunde des Innehaltens.
In dieser einen Sekunde, die auch als „das Nachdenken vor dem Sprechen“ bekannt ist, kommen plötzlich Faktoren ins Spiel, die in einem spontanen Humor-Ausbruch manchmal gar nicht bedacht werden können. Auf einmal wird einem klar, dass auch Kinder am Tisch sitzen oder dass Frauen im Raum sind und man überdenkt noch einmal seine Worte. Es ist dann so, als ob unser innerer Komiker – der grade energisch zur Tat schreiten wollte, sagen wir während eines gemütlichen Pärchenabends – von einer inneren Stimme der Vernunft ermahnt würde: „Hör mal, es ist wirklich lustig, was du da jetzt zum Thema Frauen und Autofahren sagen willst und ich stimme dir voll und ganz zu. Aber du hast getrunken – und deine Freundin hat den Autoschlüssel!“
Es gibt natürlich Spaßvögel, die sich daraufhin denken, „das ist es wert“ oder „meine Freundin versteht Spaß“. Allgemein kann ich aber sagen, wer in Sachen Humor nicht sofort drauflos prescht, sondern sich am Lächeln der Mona-Lisa orientiert, der erspart sich viel Ärger und teure Taxifahrten.


Beifall statt Kniefall



Ich finde man kann Comedy mit Kirche vergleichen. In beiden Fällen steht einer vorne und predigt irgendetwas, das nicht immer alle verstehen. Dennoch gibt es ein paar Unterschiede:
Anders als einem Pastor geht es einem Komiker bei seiner Arbeit um Qualität. Man stelle sich vor, man kommt gerade aus der heiligen Oster-Mette. Was wird die Tante Inge, die nicht mitkommen konnte, fragen? Sie wird fragen, ob es voll war. Hätte die gute Tante aber den Besuch einer Comedy-Show verpasst, würde sie fragen, ob es gut

war.
Der Priester hat also schon einen guten Job gemacht, wenn er das Wort Gottes nicht an leere Kirchenbänke richtet. Sobald die Kirche voll ist, hat er den schwierigsten Teil seiner Arbeit verrichtet. Was er jetzt sagt, ist im Grunde egal, denn die Antwort ist eh immer die gleiche: Amen. Der Komiker hingegen hat es da schwerer. Er muss sein Publikum begeistern können. In seiner Branche gibt es kein verbindliches „Das Lachen sei mit dir“, das alle irgendwie halblaut mitmurmeln müssen. Der Komiker muss die Menschen mitreißen.
Ein Maßstab dafür, ob er es geschafft hat, ist der Applaus. Am Ende seines Vortrags und im Idealfall auch Zwischendurch wird er mit dem Geräusch klatschender Handflächen belohnt. So formuliert, klingt das gar nicht sehr erstrebenswert. Wenn man es aber erst mal geschafft hat, einen ganzen Saal mit Freude zu erfüllen, dann breiten sich die einzelnen abgehackten Klatscher schnell zu einer Welle der Euphorie aus. Dies klingt dann nicht mehr wie Handflächen, die aufeinanderprallen, sondern wie das Rauschen des Meeres.
In der Kirche hält man hingegen lieber am Schweigegelübde fest. Keine Euphorie, kein Meeresrauschen. Klatschen darf man nur in der letzten Strophe von „Laudato si“.
Überhaupt wirkt so eine Messe manchmal eher wie ein Aerobic-Kurs. Man steht, man sitzt, man kniet, man steht, man sitzt und man steht wieder. Komisch ist da, dass man gerade bei Stand-Up-Comedy die meiste Zeit sitzen bleibt.
Doch was ist der Größte Unterschied zwischen Kirche und Comedy? Was unterscheidet das Abendmahl vom Abendprogramm? Was trennt den Pfarrer vom Clown?
Also die Kleidung kann es nicht sein, wie der Bischof von Trier hier beweist (siehe Abbildung unten). Auch die rote Nase gehört bei vielen Geistlichen, die ja von Berufswegen her intensive Weintrinker sind, zum Standart.
Der Unterschied ist genauso simpel wie auch erschreckend: Es ist das Lachen.
Folgendes Zitat liefert die Begründung:

„Autorität bedarf zu ihrer Erhaltung und Sicherung des Respekts entweder vor der Person oder dem Amt. Ihr gefährlichster Gegner ist nicht Feindschaft, sondern Verachtung, und was sie am sichersten unterminiert ist das Lachen.“


Hannah Arendt

Die Gelehrte und Philosophin Arendt hat mit dieser Aussage den Nagel auf den Kopf getroffen. Man kennt das ja vom eigenen Arbeitsplatz. Der Chef ist immer ein Ekel. Und warum? Er muss seine Autorität sichern. Wenn der seltene Fall eintritt, dass unser Arbeitgeber auf Kumpeltyp macht, dann zieht das gleich die Arbeitsmoral runter: Der Papierkram stapelt sich, die Leute kommen und gehen, wann sie wollen und der Chef bekommt kalten Kaffee vorgesetzt. Am schlimmsten wird es aber, wenn der Chef gemeinsam mit den Angestellten lacht, denn Lachen stellt jede Art von Autorität in Frage. Tritt dieser Fall ein, dann steht ein Unternehmen kurz vor dem Ruin: Kaffee kommt dann gar nicht mehr, die Leute auch nicht und der Papierkram kratzt an der Bürodecke.
Ein gewissenhafter Chef tut also gut daran, jeden Drang zur Heiterkeit im Keim zu ersticken, um seinen Macht zu sichern. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb in Gotteshäusern seit jeher das Lachen strengstens untersagt ist. Wenn Lachen nämlich Autorität untergräbt, dann ist auch das Unternehmen Kirche und dessen Chef davon bedroht. Wahrscheinlich gilt deshalb während der Messe auch schon immer das Motto: „Mund zu – Handy aus“. Aber muss denn Gott wirklich um sein Amt fürchten?
Ein Komiker hat da eine ganz andere Einstellung zu dem Thema. Das Lachen ist für ihn noch mehr wert als der Applaus. Aus Mitleid und Nächstenliebe spenden Menschen nicht nur Geld für dir Kirche, sondern auch Applaus für die Narren. Ob ein Komiker wirklich

gut war, erkennt er nur am Lachen der Menschen, denn nur das Lachen kommt aus tiefster Seele (und Kehle).
Meine Empfehlung ist es nicht, die Sonntagsmesse zum Quatsch-Comdey-Club zu machen. Aber die ein oder andere Predigt könnte doch ein bisschen mehr Würze erhalten. Vielleicht wäre es nicht schlecht, in der Messe etwas weniger Kniefall, aber dafür mehr Beifall zu verlangen. Das ist erstens besser für die Gelenke und zweitens für das Gemeinschaftsgefühl. Denn wer nur stumm nebeneinander steht und einmal pro Woche per Handschlag ein lustloses „Der Friede sei mit dir“ wünscht, der erfüllt den christlichen Auftrag der Nächstenliebe wohl kaum.
Wer hingegen mit anderen lacht und Freude am Leben hat, der ist auch mit seinem Nächsten viel enger verbunden. Wenn die Kirche ihre Melancholie etwas zurückschrauben würde, dann würde sich auch ihr Wunsch nach einem größeren Publikum erfüllen können. Und auch wenn Lachen die Autorität angreift, den Respekt vor dem Schöpfer allen Lebens verliert man so schnell nicht. Dazu gehörten schon ein Lustreise-Skandal oder ein paar Prostituierte auf Petrus’ Schoß. Und außerdem, wenn das Lachen doch bestehende Rangordnungen verwirft, bringt es uns dann nicht näher zu Gott als alles andere?
Ich bin kein Priester, ich habe nicht Theologie studiert und nach Genesis habe ich die Bibel wieder zugemacht, aber in einem bin ich mir sehr sicher: Mein Gott ist lieber ein Kumpeltyp als ein Arschloch-Chef.



Der Bischof von Trier – wie ernst kann ein Mensch
mit intaktem Sehvermögen ihn nehmen?




Mach doch mal nen Witz! – Komiker im Bereitschaftsdienst


Ein großes Problem ist, dass die meisten Leute denken, Komiker seien immer

witzig. Und mit immer meine ich immer. Und zwar von morgens bis abends, 365 Tage im Jahr. Das ist aber natürlich nicht so. Auch ein Komiker braucht mal eine Pause. Auch er hat irgendwann Feierabend und muss sich vom Lustig-Sein erholen. Und dafür darf man ihn auch nicht verurteilen. Ein Bäcker hat schließlich auch keine frischen Brötchen dabei, wenn man ihn nachmittags im Baumarkt trifft. Und ein Metzger läuft auch nicht nach Feierabend mit dem Hackebeil rum und geht auf die Nachbarskatze los (zumindest nicht grundlos). Und so muss sich auch ein Komiker ab und zu mal von seiner Arbeit distanzieren können. Er muss hin und wieder mal das „Backblech des Humors“ aus der Hand legen und Dinge tun, die ganz und gar nichts mit seinem Handwerk zu tun haben. Dinge, die einfach nicht zum Lachen sind. Als Beispiel würde mir hier spontan ein Essen mit den Schwiegereltern einfallen oder – vielleicht für viele angenehmer – ein Besuch beim Zahnarzt. So etwas reinigt nicht nur den Mundraum, sondern auch den Geist.

Und egal, welchen Beruf man nun hat, es ist nie verkehrt, einen Ausgleich zu seiner Arbeit zu haben. Sport ist da vielleicht ein gutes Beispiel. Dabei bekommen viele Menschen den Kopf erst mal so richtig frei. Wenn ich laufe, geht mein Geist spazieren – so sagt man doch und ich finde, da ist etwas dran.
Michael Schumacher beispielsweise spielt immer Fußball, um den Kopf freizukriegen, manchmal sogar in aller Öffentlichkeit. Es sieht zwar nicht besonders schön aus, aber es hilft ihm abzuschalten. Und am nächsten Arbeitstag kann er dann wieder Gas geben. Und darum geht es doch nicht nur im Rennsport, sondern im ganzen Leben: Erst tankt man auf und dann gibt man Vollgas.
Insgesamt nenne ich diesen großen Vorteil, den man durch einen Ausgleich zu seinem Beruf erreichen kann, den „Kaffeebohnen-Effekt“. Auf diese treffende Bezeichnung hat mich meine Schwester gebracht. Ihres Zeichens Kosmetikerin bietet sie den Kunden im Salon auch Parfüm an und wie bei jeder anderen Ware, will der Kunde natürlich genau wissen, wofür er sein Geld ausgibt. Schließlich will ja niemand die Jette Joop im Sack kaufen. Deswegen heißt es beim Parfümkauf erst mal kräftig schnuppern. Problem hierbei ist nur, dass die Nase irgendwann überlastet ist und die Riechsinneszellen dem Gehirn den Unterschied zwischen Calvin Klein und Gucci nicht mehr klarmachen können. Hier entscheidet die geschulte Verkäuferin dann: „Kaffeebohnen-Alarm“. Der Kunde bekommt nun ein Paar Kaffeebohnen vor die Nase gehalten, denn diese haben eine neutralisierende Duftwirkung. Ein tiefer Zug von den braunen Bohnen und man ist wieder empfänglich jede Art der nasalen Verführung.
Das Wundermittel Kaffee macht also auch hier wie so oft fit für neue Aufgaben und man merkt eines: Niemand kann auf Kaffee und auf den großartigen Kaffeebohnen-Effekt verzichten. Schon gar kein Komiker, denn auch er hat irgendwann mal vom Lustigsein die Nase voll.

Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Komiker – lange nach Feierabend – darum gebeten werden, einen Witz zu machen. Diese unbezahlten Überstunden gehören leider wie in vielen anderen Branchen, in denen die Gewerkschaft nichts zu sagen hat, zur harten Realität. Auch ich habe dies beim Schreiben dieses Buches immer wieder zu spüren bekommen. Sobald ich jemanden kennen lernte und diese Person von meinem „Lach-doch-Mal-Projekt“ erfuhr, hatte ich ihr gegenüber plötzlich eine Bringschuld. Denn nach einem kurzen ungläubigen Aufschrei, der lediglich wiederholte, was ich zuvor selbst sagte („Was, du

schreibst ein Buch über das Lachen!?“) folgte in der Regel die stringente Aufforderung: „Dann mach doch mal nen Witz!“
Eingegangen bin ich darauf selten. So spontan, aus der Luft gegriffen, einfach mal einen Schenkelklopfer raushauen – das ist nicht meine Art. Zumindest sagte ich das so. Dem interessierten neuen Bekannten erklärte ich dann, dass für mich nach wie vor der Grundsatz gilt: Ein Komiker macht keine „Witze“. Vielmehr geht es darum, vor dem Publikum eine humorvolle Geschichte auszubreiten. Es geht darum, amüsante Wahrheiten zu benennen, die jedem bekannt sind, aber über die sich niemand im alltäglichen Leben Gedanken macht. Aufgabe des Komikers ist es, den Menschen einen anderen Blickwinkel auf die Dinge zu geben, von dem aus alles etwas bunter, etwas größer und vor allem etwas lustiger aussieht – irgendwann fragten die Leute dann immer seltener nach einem Witz. Und obwohl ich diesen Umstand zunächst sehr begrüßte, erkannte ich, dass sich daran wieder etwas ändern musste, weil man mich wohl ansonsten als humorvollen Autor nicht ernstnehmen würde .
Ich versuchte selbst noch einmal meine Sichtweise auf die Sache zu ändern. Vielleicht ist es ja die Pflicht eines Komikers immer einen guten Witz parat zu haben. Vielleicht zeichnet gerade diese Spontanität einen großen Komiker aus.
Aus Angst um meine Zukunft in der Welt des geschriebenen Wortes, versuchte ich nun zu jeder Tages- und Nachtzeit, egal an welchem Ort ich mich befand, auf Anforderung Witze zu machen. Für eine solche Schlagfertigkeit musste ich in der Lage sein, allein mit dem, was ich vor Augen hatte, als Vorlage, auszukommen. Mit ein bisschen Übung gelang mir dies schließlich auch. Auf die Frage, ob ich mal einen Witz machen könnte, erfolgte dann meist ein situationsgerechter Schabernack.
In dieser wilden Witze-Zeit entstanden viele Ideen, die ich in den Kapiteln dieses Buches verwenden konnte. Besonders glücklich bin ich über einen sehr spontanen Einfall von mir, der erzwungen wurde, als ich im Kölner Nachtleben unterwegs war:
Während ich auf der Männertoilette die Blase von Bier und Whiskey-Cola befreite, kam es doch tatsächlich dazu, dass mich das Pissoirs neben mir ansprach (womit man genaugenommen in Köln auch rechnen muss). Der Ende-Zwanziger meinte: „Hür ens, der eine meinte, du bist so ne Jeck, verzäll doch ens ne Witz!“
Bei mir klingelten sofort die Alarmglocken. Jetzt hieß es spontan sein. Jetzt war es wichtig frisch und witzig zu sein und nicht auf irgendwelche Gesetzmäßigkeiten in der Komik-Theorie zu verweisen (und ihn dennoch gerade zu halten).
Obwohl das ja eigentlich verboten ist, war ich nun gezwungen mich während des Pinkelns umzuschauen. Ich musste ja schließlich die Vorlagen, die mir meine Umgebung gab, ausnützen. Einen sehr guten Ansatz, gab mir der fragende Kollege selbst. Ich schaute zuerst ihn an und dann schaute ich ihn

an und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich sagte zu ihm (also zum Besitzer) auf Kölsch: „Wenn du jet ze Laache han wills, dann luur op dinge Pillemann!“
Ich glaube wirklich, für diese Pointe auf dem Klo hätte ich eine Menge Applaus bekommen, aber leider hatte niemand die Hände frei.

Zusammengefasst kann ich also sagen: Eine offensive Aufforderung einem Komiker gegenüber ziemt sich einfach nicht. Es mag vielleicht auch solche geben, die das anders sehen. Vielleicht auch Spaßvögel, die gerade danach lechzen, auf einer Herrentoilette angesprochen zu werden. Ich aber gehöre keinesfalls dazu. Erstens, weil ich glücklich mit meiner Partnerin bin und zweites, weil ich denke, das Gegenüber sollte meine arbeitsfreie Zeit, auch als arbeitsfrei akzeptieren.
Bevor nun aber diverse Kritiker auf den Plan treten und sagen „Komiker ist kein Beruf, sondern eine Berufung“, möchte ich noch folgendes erläutern:
Die bösen Zungen mögen Recht haben. Die Menschen zum Lachen zu bringen ist auch für mich etwas Allgegenwärtiges. Es ist regelrecht ein innerer Drang, den man abzuschalten nicht im Stande ist. Es ist dieses Gefühl, sagen zu wollen „ja, dann spül es doch im Klo runter!“, wenn jemand vor mir steht und sagt „das Leben ist scheiße!“.
In Bezug auf Verpflichtung und Privilegien vergleiche ich einen Komiker am liebsten mit einem Arzt. Auch der Arzt kennt den Feierabend. Auch der Arzt tauscht irgendwann am Abend Kittel gegen Jogginghose, Stethoskop gegen Fernbedienung und Schwester gegen Ehefrau. Aber eine Sache ist von äußerster Bedeutung: Der Arzt hat einen Eid geschworen, den Menschen zu helfen, wann immer sie seine Hilfe brauchen. Er hat mehr oder weniger sein ganzes Leben lang Bereitschaft und muss, wenn es von ihm erwartet wird, entsprechend reagieren.
In einer solchen Pflicht sehe ich den Komiker auch. Man kann im Restaurant nicht rüber zum Onkel Doktor gehen und sagen „eine Thorax-Drenage bitte“, aber man kann damit rechnen, dass er zur Stelle ist, falls einem die Fischplatte nicht bekommt. Auch von einem Komiker darf man nicht erwarten, dass er einem mit dem Steakmesser die Brust öffnet, aber falls die Meeresfrüchte wirklich schon überreif waren und man grün anläuft, fällt ihm bestimmt ein guter Witz dazu ein.



Herpes ist Einstellungssache


Keine Angst, es wird jetzt nur mäßig eklig: Ungefähr jeder zweite Mensch leidet in regelmäßigen Abständen an Ausbrüchen der sogenannten Herpes-Simplex-Infektion. In der Regel tritt diese an Mund oder Nase auf. Die Ursache der unangenehmen Hautkrankheit ist ein spezielles Virus, das nach einer oft symptomlosen Erstinfektion, lebenslang im Organismus verbleibt. So etwas bezeichnet man auch als persistierende Infektion*1. Man kann davon ausgehen, dass der Großteil der Weltbevölkerung, sich diese Infektion irgendwann einmal eingefangen hat, da sie bereits im normalen Familienbetrieb übertragen wird, wenn man zum Beispiel am Tisch die Gläser vertauscht hat (oder sich bespuckt). Nichtsdestotrotz zeigen sich viele infizierte Körper vollkommen unbeeindruckt und geben dem Virus niemals die Chance sich der Welt zu präsentieren. Andere Menschen wiederum – wie ich – halten ab und an plötzlich inne und denken: „Verdammt, es fängt an zu jucken!“
Warum erzähle ich das überhaupt? Ich meine, beim Thema Herpes ist wohl den Wenigsten zum Lachen zu mute. Habe ich vielleicht ein heimliches Steckenpferd namens Virologie? Wurde ich möglicherweise durch ein Buch der Autorin Charlotte Roche inspiriert*2? Weder noch, die Antwort ist eine ganz andere: Der Herpes hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, positiv zu denken!
Obwohl ich bereits viele Witze in diesem Buch niedergeschrieben habe, soll klar sein, dass dies keiner ist. Die unangenehmen, juckenden Blässchen an meinem Mund, für die man gerne Spott erntet, haben mich in gewisser Weise verändert. Nicht nur, dass ich sehr auf Mundraumpflege achte, es hat auch etwas mit meiner Einstellung zu tun.
Wer selbst ein Herpes-Kandidat ist, sollte sich fragen, wann genau ein Krankheitsausbruch auftritt. Nämlich immer dann, wenn man schmerzhaften Ausschlag ganz und gar nicht gebrauchen kann. Gute Beispiele für das schlechte Timing des Herpes sind kurz vor einer wichtigen Präsentation, kurz vor einem Date oder wenn man gerade krank war und es einem langsam wieder besser zu gehen scheint...
Tja, der Schein trügt dann und man fragt sich ernsthaft: „Macht der (der Herpes) das eigentlich extra?“ Nun, darüber lässt sich sicherlich streiten, aber eins muss man sich unbedingt vor Augen halten: Wir geben unserem widerwärtigen Zeitgenossen leider selber die Vorlagen. Ein Virus wie das Herpes-Simplex wartet nämlich seelenruhig auf den Augenblick unserer Schwäche. Der Hauptgrund seiner Ausbreitung auf der Haut ist nämlich meistens Stress. Schlechte Laune und Stress, die sich unmittelbar auf unser Immunsystem auswirken, geben dem Herpes Auftrieb und daher kommt es eben dazu, dass wir einen Ausschlag bekommen, wenn wir uns sowieso schon mies fühlen. Danach fühlt sich ein Betroffener in der Regel noch schlechter, denn abgesehen davon, dass es am Mund brennt, zieht und spannt, hat man auch das Gefühl, der Herpes lenkt die Mitmenschen von allem ab, was man im eigenen Gesicht für einigermaßen ansehnlich hielt.
Zum Glück fährt die Pharmaindustrie in solchen Momenten ihre Geschütze auf und man kann mit diversen Cremes verhindern, dass der eine Herpes mit dem anderen eine Familie gründet. Und so hat man es zunächst einmal geschafft, diesen Plaque-Teufelskreis zu durchbrechen. Trotzdem befindet sich das nächste Virus schon wieder in Lauerstellung.
Mein persönlicher Ratschlag ist, das Problem direkt an der Wurzel zu packen. Besser als jede Herpes-Creme (und ich kenn sie leider alle) wirkt die eigene Lebenseinstellung. (Jetzt ist der Moment gekommen, wo dieses Kapitel versucht den Absprung zu schaffen von einer Ode an den Ausschlag zu einer echten Lebensweisheit.) Es bietet sich nicht nur in Bezug auf die Herpes-Bekämpfung an, seinen Geist und damit auch seinen Körper zu stärken. Wir fahren allgemein besser damit, uns wenn möglich nicht stressen zu lassen. Wer sich einredet, dass er nichts zu Stande bringt und wer sich einer Herausforderung nicht gewachsen sieht, der scheitert auch in den meisten Fällen. Und wer sich einredet, dass er wieder Herpes bekommt, nur weil es grad an der Nase gejuckt hat, der kann davon ausgehen, dass er morgenfrüh mit eitrigen Blässchen aufwacht.
Natürlich kann man dem alltäglichen Stress und der eigenen Niedergeschlagenheit nicht immer entgehen. In solchen Fällen vergisst unser Immunsystem dann wohl vor lauter Stress die Türe abzuschließen, sodass der Herpes ausbricht. Doch selbst dann ist nicht die Zeit gekommen, sich zu bemitleiden und sich unter der Bettdecke zu verkriechen. Ich persönlich habe mir für den Fall der Fälle folgende Argumentation zurechtgelegt: „Hallo Herpes, alter Freund. Lang nicht mehr gesehen. Wie geht’s denn so? Du blühst ja prächtiger als die Tulpen in Nachbars Garten. Aber jetzt hör mal. Du tust zwar weh und siehst eklig aus, aber ich lasse mich nicht von dir fertigmachen!“
Weiter ginge es dann mit diversen Beschimpfungen und der Androhung einer operativen Entfernung bis das Virus dann irgendwann kleinbei gibt. Und wenn ich manchmal so darüber nachdenke, wie nervig eine Herpes-Simplex-Infektion auch ist und wie sehr ich wünschte zu den Glücklichen zu gehören, die dagegen immun sind – jeder Ausbruch dieses Virus’ ist für mich eine Mahnung sich besser besser

zu fühlen. Und ich begreife, dass so etwas und viele andere Dinge, die uns im Leben belasten, oft nur Lappalien sind im Vergleich zu den Lasten, die von anderen Menschen getragen werden.
Wer sich jetzt immer noch fragt, wie eine kleine Krankheit namens Herpes einen zu einer gesunden Lebenseinstellung führen kann, der sollte sich einfach beim nächsten Auftreten von Lippenherpes darüber informieren, an welchen Stellen des Körpers das Virus außerdem hätte ausbrechen können. Und dann wird einem schnell klar:

Es hätte noch schlimmer kommen können!


*1: Erregerpersistenz

: Es gibt Krankheitserreger die bringen viel Geduld mit. Ihr einziges Daseinsziel ist es, einen Wirt zu finden und in ihm sesshaft zu werden. Wenn sie einen gefunden haben, dann suchen sie sich ein ruhiges Plätzchen und wagen ab und an den Versuch sich zu vermehren oder sich über verschiedenste Symptome der Welt mitzuteilen. Ein persistenter Erreger bleibt also im Wirt bis zu dessen Tod.
Es ist doch wirklich eine Wonne zu wissen, das es in unserer heutigen Zeit noch Viren gibt, die Wert auf Monogamie legen. Scheidung kommt für sie nicht infrage – höchsten zu Ausscheidungen kommt es ab und an...

*2: Feuchtgebiete

: Charlotte Roche erzählt in ihrem Roman „Feuchtgebiete“ die Geschichte eines pubertierenden Mädchens, dass ihren Körper entdeckt und dabei keine Details ausspart.
Ein besonderes Buch, aber nichts für Menschen, die oft Herpes bekommen.



Lachen mal anders




Geschichtsstunde: Freitags wird nicht gelacht



In einer Sache ist sich die Forschung heute einig: Lachen konnten die Menschen bereits, als sie noch in Höhlen gelebt und auf Wände gemalt haben. Gut, auf Wände malen viele Menschen heute noch, aber die Leben dann nicht in Höhlen, sondern die meiste Zeit im Jugendknast. Es gab jedoch auch eine Zeit, in der nicht die Verunreinigung von Gebäuden ein Verbrechen war, sondern auch das Lachen selbst!
Befänden wir uns nun im Mittelalter, läge dieses Buch wahrscheinlich (zusammen mit mir) auf einem Scheiterhaufen, umgeben von einem tobenden Mob mit Heugabeln. In der frühchristlichen Kirche galt nämlich der Grundsatz, dass Lachen eine Sünde sei, weil Jesus Christus auf Erden nie gelacht habe. Ich kann dazu leider nicht viel sagen, da ich zwar katholisch, aber nicht allzu bibelfest bin. Jedoch kann ich mir schon vorstellen, dass Jesus nicht gerade ein Spaßvogel war. Schließlich war es ihm ja mit dieser ganzen Gott-Geschichte ziemlich ernst.
Wie dem auch sei, die Menschen im Mittelalter wurden jedenfalls viel stärker von der Kirche beeinflusst als die heutige Gesellschaft. Denn weil es noch keine Arbeitslosenhilfe oder gesetzlichen Krankenkassen gab, lag die gesamte soziale Verantwortung im Schoße des Papstes und seinen Pappenheimern. Auch Arbeitsverträge wurden nicht abgeschlossen und so etwas wie „Urlaub“ war der hartarbeitenden Bevölkerung völlig fremd. Frei hatte man nur an kirchlichen Feiertagen und so ist gut nachvollziehbar, wie gern früher noch alle Menschen in die Kirche gegangen sind.
Lachen war aber nach wie vor tabu, weil Jesus eben nicht gelacht hat und Ziel jedes frommen Christen ist und war es natürlich, nach Jesu Vorbild zu leben. Besonders zu kämpfen hatten damit die Mönche, denn diese waren einerseits ja in besonderer Weise zu Tugendhaftigkeit verpflichtet, andererseits standen sie in den Klöstern unter ständiger Beobachtung. Und zu einem vorbildlichen Mönchdasein gehörte weitaus mehr, als einfach ständig mit hängenden Mundwinkeln herumzulaufen. Da gab es zum Beispiel das Versprechen, sein ganzes Leben an einem Ort zu verbringen und jenes, seinem Abt gegenüber gehorsam zu sein. Dazu kam dann noch ein Eigentumsverzicht nach dem Motto „was mein ist, ist auch dein“. Klingt ja ganz schön, aber so völlig ohne Ausnahmen, vor allem bezogen auf meinen Kulturbeutel, wäre das nichts für mich. Zudem verstärkte sich der „Druck“ auf den Mönch auch noch durch ein Keuschheitsgebot. Zusammengefasst war ein mittelalterlicher Mönch also ein insolventes Ein-Mann-Unternehmen, in dem der Mönch selbst aber nur Angestellter war – und das alles ohne Sex. Von daher könnte man zu dem Entschluss kommen, dass das Nicht-Lachen den meisten gar nicht so schwer fiel.
Sollte es jedoch tatsächlich einmal dazu gekommen sein, dass der Mönch sein eigenes Leid, das Leid der Welt und das Leid Jesu Christi vergaß – und Gott sei Dank kam es ab und an dazu – so handelte es sich bei einem ausgiebigen Lachanfall um kein geringes Vergehen.
In den ersten Mönchsregeln aus dem 5. Jahrhundert war als Unterparagraph des Schweigegelübdes festgehalten, nie und nimmer zu lachen. Denn sein Schweigen durch Lachen zu brechen, galt als die „schlimmste und unanständigste Form“ – angeblich noch schlimmer als Rülpsen oder Pupsen.
Die Menschen des Mittelalters hielten also im Fall der Fälle ihr Lachen besser zurück, um keine Gotteslästerung zu betreiben oder verkrochen sich in einen dunklen Keller. Erlösung kam für all diese anonymen Komiker aus der Wissenschaft. Den Gelehrten gelang es eine Trennung zwischen gutem und verwerflichen Lachen durchzusetzen und so durfte ab dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts bereits über manches gelacht werden.
Dennoch tat man sich vielerorts noch schwer diese neue Freiheit für sich auszukosten und so gab es eine Zeit des ernst-heiteren Übergangs. Der französische König Ludwig IX, ein strenggläubiger Christ, behalf sich beispielsweise damit, dass er Freitags grundsätzlich nicht lachte.
Ich persönlich hätte ja den Montag als Nicht-Lach-Tag ausgewählt und nicht den Tag, der einem als Sprungbrett zum Wochenende dient, jedoch hatte Ludwig wohl ebenso seine Argumente. Würde er jedoch heute leben, würde er wahrscheinlich über seine eigene Verordnung lachen müssen – und das wäre auch gut so. Denn egal, ob Montag oder Freitag, ob Werktag oder Wochenende, ob Weihnachten oder Chanukkah, wir wissen mittlerweile:

„Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag.“


Charlie Chaplin


Höllisches Gelächter – wenn aus Lachen Auslachen wird



Bisher haben wir das Lachen als ein rein positives Phänomen betrachtet, doch seine negative Seite lässt sich nicht verleugnen: Lachen wird nicht selten als Waffe gebraucht. So sehr es eine Gruppe bindet, wenn gemeinsam gelacht wird, so groß ist auch die Ausgrenzung, die derjenige erfährt, der nicht mitlachen kann. Noch schlimmer wird es, wenn man selbst sogar den Grund für das Gelächter darstellt. Im Klartext: Lachen kann Menschen verletzen. Und so wurde es schon seit Urzeiten als mächtige Waffe eingesetzt. Nach Ansicht einiger Forscher ist das Lachen, wie wir es heute in geselliger Runde gerne wahrnehmen, ein Relikt aus der Raubtierära des Menschen. Unsere ältesten Vorfahren bedienten sich, wie viele Tiere heute noch, des Zähnefletschens, um ihren Feinden klarzumachen, wer der Chef im Urwald ist. Die Nummer zieht mittlerweile natürlich nicht mehr. Wer einem Gegner heutzutage bei einer Schlägerei energisch sein Gebiss präsentiert, der ist entweder ein Vampir oder ziemlich scharf auf Zahnlücken.
Nichtsdestotrotz war das Zur-Schau-Stellen der Beißer damals der Hit. Der Feind wusste dann, worauf er sich einließ, wenn er nicht sofort das Weite suchte. Im Laufe der Menschheitsgeschichte wurde das Beißen des Gegners aber immer stärker (als Mädchen-Kampfstil) verpönt und so wurde die Bedeutung des Zähnefletschens entschärft. Auseinandersetzungen fanden nun auch wörtlich statt und es war (meistens) nicht mehr angebracht seine Zähne in das Fleisch des Gegenübers zu rammen. Das Zähnefletschen hatte sich zu einer Geste entwickelt, die ganz allgemein ein lustvolles Gefühl der Überlegenheit demonstrierte. Einst war es sogar Sitte bei den Eskimos von Grönland, öffentlich Spottduelle auszutragen, in denen es darum ging, den Gegner durch das Gelächter der Zuschauer zu erniedrigen. Statt eine Auseinandersetzung mit Waffen auszutragen, beleidigte man sich gegenseitig – ganz nach dem Motto „Mein Iglu ist größer als deins!“.
Diese aggressive Seite des Lachens hat sich bis heute erhalten, wobei man hier das harmlose Lächeln (ohne Zähne) vom echten, frenetischen Lachen unterscheiden muss, das stets etwas Bedrohliches hat. Und man hält sich auch vor Augen: Die schlimmsten und fiesesten Schurken der Filmgeschichte haben mindesten einen Auftritt der in hallendem Gelächter endet. Und es ist auch kein Zufall, dass viele Teufels-Darstellungen den Fürst der Finsternis mit einem breiten Grinsen im Gesicht zeigen. Der Schriftsteller Arthur Koestler weist außerdem darauf hin, dass es im Alten Testament neunundzwanzig Hinweise auf das Lachen gibt, von denen ganze dreizehn mit Geringschätzung, Hohn, Spott oder Verachtung verbunden sind. Lediglich zweimal komme das Lachen „aus wirklich fröhlichem Herzen“.
Und auch in der alltäglichen Erfahrung zeigt sich, jemanden grimmig anglotzen ist nicht halb so wirkungsvoll, wie ihn einfach nicht ernst zu nehmen, ihn zu verspotten.
Friedrich Nietzsche sagt hierzu treffend: „Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man.“


Es scheint also, als könne man die gesamte positive Energie, die sich aus dem Lachen gewinnen lässt, auch für feindseliges Handeln missbrauchen. Und eines ist Fakt: Von Kindesbeinen an hat jeder Mensch Angst davor ausgelacht zu werden. Erst auf dem Schulhof, weil man kein I-Phone hat, später im Büro, weil man kein Rückgrat hat und dann sogar im Altersheim, weil man keinen Stuhlgang mehr hat. Die Menschen finden immer irgendetwas, womit sie andere lächerlich machen können. Die Frage ist nur, wie man als Betroffener damit umgeht.
Eine Schocktherapie bestünde meines Erachtens darin, bei einem wichtigen gesellschaftlichen Ereignis, beispielsweise bei der eigenen Hochzeit, plötzlich seine Hose zu verlieren. Das entstehende Gelächter würde wohl für den Rest der Lebenszeit resistent machen gegen jede Form des Auslachens.
Nein, wenn wir ehrlich sind, dann gibt es kein Patentrezept dafür, mit peinlichen oder verletzenden Situationen umzugehen. Gut tut man daran, wenn man versucht mitzulachen, denn eine gesunde Portion Selbstironie macht einen sympathisch und selbstbewusst.
Wer ständig versucht, nicht zum Gespött der Leute zu werden, lebt unter Stress und Anspannung und bemerkt nicht, dass manch einer sogar um diese Art der Aufmerksamkeit kämpft. Wer fehlerlos erscheinen will, der wird irgendwann zum Opfer erklärt. Und wenn man nicht über sich selbst lachen kann, können andere das dafür umso lauter.
Ich denke der Trick ist, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen – vorm Altar wäre außerdem ein Gürtel empfehlenswert.


Vom Clownfisch und der Grinsekatze


Ein Feldversuch: Ich wollte wissen, ob Tiere auch lachen können, also bin ich an einem Samstag mit meiner Freundin und einer Tasche voller Scherzartikel in den Zoo gegangen. Wie es sich für einen richtigen Forscher gehört, beschränkte ich mich zunächst aufs Beobachten. Hierbei machte ich schon einige erstaunliche Entdeckungen.

1.Die Warnung „Löwe spritzt Urin durchs Gitter“ ist zurecht angebracht.
2.Männer stammen eher vom Affen ab als Frauen.
3.Seehunde sind nur süß, wenn man taub ist.
4.Wenn zwei Flamingo-Männchen sich gegenüber stehen und mit ihren Hälsen ein Herz bilden (und sie machen es oft!) bestätigen sie damit ihr Image.
5.Kamele haben zwei, einen oder sogar null Höcker – außerdem rauchen sie gar nicht*1.

Nach dem Gewinn dieser Erkenntnisse war ich zwar erschöpft und etwas „angepisst“, aber dennoch motiviert, nun selbst aktiver zu werden. Denn obwohl ich den Zoobesuch bereits als Erfolg verbuchte, vermisste ich noch den Pausenclown im wilden Klassenzimmer.
Hohes Potential in Sachen Humor schienen für mich die Pinguine zu besitzen. Stets in guter Gesellschaft watscheln diese vergnügt umher oder rutschen auf dem Bauch übers Eis. Es schien mir, als wären es Tiere, die garantiert Spaß verstehen.
Für mein Experiment mit den potentiellen Spaßvögeln wartete ich bis zur Fütterungszeit und bat den zuständigen Tierpfleger, einen guten Freund von mir, um seine Hilfe. Die Pinguine, die bereits sehnsüchtig auf ihren frischen Fisch warteten, sollten diesmal eine lustige Überraschung erleben. Statt ihre Heringe, wie sonst auf dem Silbertablett serviert zu bekommen, gab es sie heute eingefroren in großen Eisklötzen. Wer futtern wollte, musste also irgendwie durch die Zentimeter dicke Eisschicht kommen.
Zunächst etwas skeptisch über die neue „Zubereitungsart“ entwickelten die Frackträger zunehmend Interesse für ihr gefrorenes Mittagessen. Während die Tiere so die Eisklötze hin und her schoben und gelegentlich darauf einpickten, wurde mir etwas bewusst. Witzig war das vor allem für die Menschen, die sich das Schauspiel von Außen ansahen.
Als die Pinguine nach ca. 20 Minuten immer noch mit ihrem Mittagessen Eishockey spielten, fühlte ich mich etwas schuldig. Schließlich gefiele es uns auch nicht, wenn die Tiefkühlpizza direkt aus der Tiefkühltruhe auf den Tisch käme. Mein schlechtes Gewissen wurde glücklicherweise durch den Pfleger entlastet, der mir erklärte, dass durch solche „kleinen Herausforderungen“ der Spieltrieb und die Kreativität der Tiere geweckt wird.
Aber – wie ich mir überlegte – weckte es vor allem den Hunger. Als ich die ersten Fische dann doch im Schnabel der watschelnden Vögel verschwinden sah, war ich beruhigt. Nachdem ich noch einigen anderen Tieren mit meinen Scherzen den Tag versüßt hatte und die Zooleitung langsam auf mich aufmerksam wurde, stellte ich meine Experimente jedoch ein. Auch meinen Plan, mit einem überdimensionalen Furzkissen das Elefantenhaus aufzusuchen, lies ich erstmal fallen.
Ich beschränkte mich nun wieder auf Literaturforschung und DVD-Gucken und fand zum Thema „lachende Tiere“ verschiedenste Thesen: Der Philosoph Aristoteles war seinerzeit zu der Erkenntnis gekommen, dass die Fähigkeit zu Lachen den Menschen vom Tier unterscheidet. Dieser Grundsatz galt über Jahrhunderte als unantastbar. Irgendwann jedoch traf Alice im Wunderland auf die Grinsekatze und ein Clownfisch namens „Nemo“ erlangte weltweite animierte Berühmtheit – und man begann zu zweifeln. Der Mensch stellte sich selbst als erhabene Spezies infrage und hinterfragte mehr und mehr die Talente anderer Lebewesen.
Der US-Psychologe Jaak Panksepp verweist beispielsweise in einer Ausgabe von "Science“*2 auf neue Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Charles Darwin*3 mit seinem Hinweis auf die enge Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier auch im Bereich der Emotionen Recht hatte. In seinem Beitrag führt Panksepp Affen und Ratten an, bei denen man beim Spielen eine Art von freudigem Glucksen und Zirpen wahrnehmen könne.
Bären wiederum verwehrt die Natur anscheinend jede Chance zum Lustigsein. Denn diesen pelzigen Artgenossen fehlen die Muskeln im Gesicht, welche die Mimik ausmachen. Zu seinem Glück ist der Bär ansonsten ja ziemlich großzügig mit Muskeln bestückt, doch ob das einen über das Honigdieb-Image hinweg tröstet, ist fraglich.
Letztendlich ist es schwer zu sagen, ob und welche Tierarten wirklich lachen können und was dieses Lachen wirklich bedeutet. Fest steht auf jeden Fall eines:
Ganz egal, ob Tiere nun selbst lachen können oder nicht, in jedem Fall können sie uns Menschen zum Lachen bringen. Ihr Charme und ihr Witz liegt in ihrer tierischen Unschuld. Und manchmal irgendwie auch in ihrer tierischen Dummheit – wie bei der weltberühmten „Propeller-Katze“...

Unbedingt googlen!


*1: Kamele

: Unterliegen keiner Zwei-Höcker-Vorschrift, wie viele Leute denken. Denn zur Familie der Kamele gehören, neben dem zweihöckrigen Trampeltier und dem einhöckrigen Dromedar, auch deren höckerlose südamerikanische Verwandte Vikunja, Guanako, Lama und Alpaka. Sollte das Kamel jedoch Höcker besitzen, so wird in diesen kein Tabak – wie eine Zigarettenmarke uns glauben lassen möchte – sondern Fett gespeichert. In dieser Hinsicht würden Kamele wohl viel besser Werbung für Fast-Food statt Zigaretten machen.

*2: Das Wissenschaftsmagazin „Science“

: Ein Yps-Heft für Anspruchsvolle. Hier wird erklärt, wie die Welt wirklich funktioniert. Sicherlich manchmal schwere Kost, aber stets sehr nahrhaft.

*3: Charles Darwin

: Hat der Kirche etwas vor den Kopf gestoßen, als er meinte, dass Adam und Eva Affen waren. Mittlerweile gibt es auch gläubige Christen, die Darwins Evolutionstheorie als Gottes Werk unterstützen. Aus dem Apfel der Sünde eine Banane machen, wollte aber noch niemand.


Schluss mit Lustig


Dieses letzte Kapitel des Buches hat etwa den Stellenwert, wie der vierte Teil, der eine bestehende Filmtrilogie ergänzt. Unter dem Motto „wie alles begann“ ist so ein Teil Vier meistens unnötig und lediglich Geldmacherei der Produktionsfirma, für echte Fans der Serie aber manchmal interessant. Da Sie, lieber Leser, anscheinend die ersten 17 Kapitel gelesen haben, gehe ich mal davon aus, dass auch bei Ihnen ein gewisses Interesse vorhanden ist. Ich kann zwar nicht erzählen, wie Wolverine seinen Adamantiumpanzer bekam, aber wenigstens wie ich auf die Idee kam, ein Buch über das Lachen zu schreiben. Was mich zunächst antrieb einen solchen Text zu verfassen, war weder Langeweile noch Geldnot, sondern es waren sieben Minuten peinlicher Stille:
Vor zwei Jahren hatte ich regelmäßig die Chance auf kleineren gesellschaftlichen Anlässen einen zum Besten zu geben. Es begann ganz langsam mit kurzen Reden innerhalb der Familie oder des Bekanntenkreises, doch mit der Zeit wurde ich von Menschen „engagiert“, die mich nicht persönlich kannten. So schlug ich mich als Amateur-Komiker von Hochzeit zu Hochzeit durch, bis mir eines Tages ein heftiger Dämpfer versetzt wurde.
Eine ganz spezielle Hochzeitsfeier hat sich damals in mein Gedächtnis gebrannt. Eine zukünftige Trauzeugin hatte mich auf dem Jubiläum des örtlichen Tischtennisvereins entdeckt, als ich gerade ein paar Worte zum Thema „runde Dinger, die hin und her springen“ verlor. Begeistert lud sie mich ein, auf der Hochzeit ihrer Cousine gegen ein kleines Honorar etwas vorzutragen. Obwohl ich selbst nicht verheiratet bin, hatte ich durch meine Eltern erfahren, was Ehe eigentlich bedeutet und warum man sich besser davon fernhält. Also sagte ich entschlossen zu. Bis zum Abend vor der Hochzeit gab es keine Komplikationen. Dann erhielt ich jedoch, eine Sms, die aussagte, dass mein Auftritt „vielleicht doch keine so gute Idee“ wäre. Ich wurde gewarnt vor den hohen Ansprüchen, welche die beiden Familien der Zukünftigen nicht an den Humor eines Menschen, sondern an Moral und öffentliches Ansehen stellten. Als aufstrebender Komiker, vom Ruf der Bühne gelockt, ließ ich mich davon jedoch nicht abschrecken. Ich antwortete, dass, egal wie groß der Stock in ihren Hintern auch sei, ich ihn rausziehen würde. In dieser Hinsicht waren mir jedoch – wie sich später herausstellte – die Hände gebunden.
Gegen null Uhr Mitternacht, waren für mich ca. 20 Minuten veranschlagt worden, um die Hochzeitsgesellschaft noch einmal so richtig wach zu rütteln. Als gerade die letzte Rede über die Familienehre gehalten war, stellte ich mich, mit einem Mikrofon bewaffnet, vor den gähnenden Haufen von ca. 50 Personen. Da ich bereits auf einigen Hochzeiten war, hatte ich so langsam ein pauschales Hochzeitsprogramm, dass immer irgendwie passte. An diesem Abend leider nicht. Ganze sieben Minuten versuchte ich das Publikum zu erheitern. Ich erzählte beispielsweise davon, wie es wäre, wenn Günther Jauch eine Trauung vollziehen würde*1 oder wie sich im Laufe der Ehe die Einstellung des Mannes ändert*2. Und obwohl es das Altbewehrte war, zog es überhaupt nicht. Mit Schweißperlen auf der Stirn verbrachte ich die längsten sieben Minuten meines Lebens – während die Gäste ihre Mimik und Gestik für einen Trauergottesdienst trainierten. Die einzige Reaktion meines Publikums kam in Form eines unscheinbaren Lächeln von einer jungen Frau, als ich nach zwei Minuten spontan fragte, ob das Mikrofon kaputt sei. Als die Frau jedoch bemerkte, dass ihre Tischnachbarn sie böse anstarrten, versteinerte sich auch ihre Miene wieder.
Natürlich brach ich irgendwann mein Programm ab, weil ich einsah, dass man keine tote Kuh melken kann, doch dieses Erlebnis verfolgte mich noch lange. Für mich war erst mal schluss mit lustig. Ich fragte mich, was ich falsch gemacht hatte und ob mein sechster Sinn doch nicht mein Sinn für Humor war und so begann ich nachzuforschen. Die Ergebnisse schrieb ich nieder und es entstand dieses Werk, von dem ich nicht sagen kann, ob es ein witziges Sachbuch oder eher ein sachliches Witzbuch ist. Natürlich könnte ich auch mein stillschweigendes Brautpaar fragen, aber die würden mir wahrscheinlich sagen, dass es einfach ein „scheiß Buch“ ist.
So komme ich zu dem Fazit, dass „Mensch, lach doch mal!“ ein Appell ist, den man ernst nehmen sollte, dem man aber nicht immer nachkommen kann. Humor ist relativ und wir werden ständig von vielen Faktoren des Lebens beeinflusst. Man kann niemanden zum Lachen zwingen, weder sich selbst noch andere, doch wer bis hierhin gelesen hat, der wird wohl erkannt haben, dass Lachen zu einem glücklichen Leben dazugehört.

Weil ich ja noch 13 Minuten übrig hatte, ging ich an das Buffet, damit sich der Abend wenigstens für meinen Magen lohnte. Während ich vor Frust den Garnelensalat in mich hineinschaufelte und bemerkte, dass fast alle Mies

muscheln gegessen wurden – was einiges erklärte – fiel mein Blick auf das Gästebuch der Hochzeit. Als ich so durch die Sprüche und Glückwünsche aller Anwesenden blätterte, fiel mir eine Aussage besonders auf:

Gibt dir das Leben einen Knuff,
So weine keine Träne,
Lach dir nen Ast und setz dich druff
Und baumel mit die Bene.

Alles Liebe, Rainer
Ps. Tut mir Leid, dass ich so früh los musste.
Es ist bestimmt noch lustig geworden...




*1: Günther Jauch als Priester

: Würde neben A: „Ja, ich will“ noch drei weitere Antwortmöglichkeiten anbieten. Auch stünden die altbekannten Joker zu Verfügung, wie 50 – 50 oder die Befragung des Publikums. Als Telefonjoker würde Jauch eine Leitung zu Gott aufbauen und so stünde der richtigen Antwort wohl nichts mehr im Wege.

*2: Männer im Laufe der Ehe

: Zunächst engagiert und zuvorkommend halten sie der Gattin stets die Türe auf. Nach einigen Jahren jedoch passiert es häufig, dass die Tür zugehalten wird. Auch bringen gute Exemplare am Anfang noch regelmäßig Frühstück ans Bett, mit der Zeit bedeutet aber ein morgendliches „Überraschung, Schatz“ nur, dass sie gerade gepupst haben und mit der Bettdecke wedeln.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.03.2011

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