Verkannte Liebe
Ich erwachte in einem kleinen, dreckigen Raum. Das winzige, mit Gittern verzierte Fenster lag unterhalb einer Gasse und ließ nur wenig Licht auf den Boden fallen. Am Tage war es ruhig auf den Straßen, ein Murmeln ein kurzes ‚Salut’, mehr nicht. Doch nachts wurde es laut. Schnelle, hastige Schritte, ein Schrei, ein Schuss. Ruhe.
Hier unten eingesperrt hatte ich paradoxerweise das Gefühl sicher zu sein, doch fühlte ich mich schwach. Als sie, die mich täglich besuchenden Männer bemerkten, dass ich mich ihrer Sprache annehmen konnte und begriffen, dass ich sie verstand, gab es kein Wasser und auch kein Brot mehr. Sie ließen mich hungern und versuchten somit mich und meinen Widerstand zu brechen. Doch soweit sie auch gingen, ich ließ es nicht zu, dass sie meinen Schmerz sahen. Ich war nicht allein. Das Jammern gefühlter Hunderter anderer Frauen ertönte, gemeinsam mit ihren qualvollen, bitteren, dumpfen Lauten, vom Gang her. Oftmals vernahm ich ein beratendes Flüstern, dann einen Schrei, dann einen Schuss. Dann herrschte Stille. Ruhe. Sie nannten es ‚verkannte Liebe’.
In dieser arg hellhörigen Zelle, welche mit einer zerfledderten Ausgabe des hierzulande gelesenen Religionsbuches, einem Stuhl und einer defekten sanitären Anlage ausgestattet war, erlosch mein Mut bereits nach wenigen Wochen. Das Lächeln, das mir einst so leicht auf den Lippen lag, erstarrte. Ich fühlte mich dreckig. Ich stank.
Jedes einzelne, noch so unbedeutende, wenn auch unfreundliche Wort des Wächters und auch die wenigen Gespräche, die von der Straße her zu vernehmen waren, ließen mich hoffen. Doch wenn sie mich aus der Zelle holten und mein Aussehen, mein zersaustes, ungepflegtes Haar, meinen vergeblichen Widerstand bewunderten, zerbrach nicht nur meine Hoffnung, sondern auch mein Protest. Es war nicht mehr wichtig, es war gleichgültig. Es änderte nichts. Sie nahmen sich was sie suchten, etwas Spaß, meinen Körper. Eine Berührung glich einem Schlag ins Leere, kein Gefühl. Nichts. Nur Tränen. Und wenn es ihnen kam und sie mich fragten, ob es gut gewesen sei, so nickte ich, stets in dem Glauben es wäre bald vorbei.
Vor acht Tagen gebar ich ein Kind. Ich wusste nicht wer es mir gemacht hatte. Ich konnte und wollte es nicht wissen. Gleich nach der Geburt nahmen sie es mir weg. Erst gestern dürfte ich es in die Arme schließen. Sie überreichten es mir mit dem Worten: „Nr. 781 darf heute, einmalig, eine Stunde unter ihrer Obhut verbringen“. Es war ein Mädchen. Ich nannte sie Maria und als sie mich mit ihren wunderschönen Augen, die das Leuchten eines Sternes in sich versteckten, anschaute, hatte ich kurz das Gefühl, dass sie wusste wer ich war. Ich hielt sie auf meinen Armen. Ich sang für sie, bis sie schlief und dann drückte ich ihren Hals. Sie wachte nicht mehr auf.
Als die Männer das bemerkten, reagierten sie zornig, wütend und gereizt. Sie schrieen mich an, schlugen und beschimpften mich. Ich nenne es ‚verkannte Liebe’.
Es herrscht Stille auf den Gängen.
Ruhe.
Stern
Der Wind weht meine Unschuld fort.
Meine Gedanken ziehen von Ort zu Ort.
Du bleibst.
Du bleibst und siehst mein Herz bluten.
Was kann ein Wesen einem anderen zumuten, wenn es liebt?
Mein Bauch tut weh,
die Erinnerung naht.
Wie ich fühlte an jenem Tag als Du noch bei mir warst?
War ich nicht froh, gar verliebt?
War ich nicht glücklich, dass es Dich gibt?
Was kann ein Wesen einem anderen zumuten, wenn es liebt?
Engel
Mein Engel, ich habe gebetet für Dich heut Nacht,
mit der Hand auf meinem Bauch, habe ich über Dich gewacht.
Dann lächelte ich, nur für Dich,
und dann sang ich,
Dein Lieblingslied, falls es das gibt.
Dazu tanzte ich mit Dir,
tanzte mit Dir, ganz weit fort von hier
und alles was noch zählte waren wir.
Nur das ich weinen musste, das erzählte ich Dir nicht,
denn schließlich verweigerte ich Dir das Licht.
Ich gab Dir Gedanken in der Dunkelheit
Und träumte nur leise den Traum von einem Leben zu zweit.
Ich kann Dich noch spüren, unsere Herzen berühren sich,
in diesem anderen, entfernten Licht, das niemals bricht.
Es tut mir weh, ich wusste nicht wie es geht,
allein der Mut, er kam zu spät.
Und nun schleiche ich allein durch die Nacht,
so viele Momente werden Dir zugedacht.
Einen schönen Morgen kann es nicht geben,
denn dafür müsstest Du noch leben.
Es tut mir leid, ich war noch nicht soweit.
Sehnsucht
Eben stand ich noch an Deinem Grab,
nein, ich habe mich nicht gefragt warum ich Dich gehen lassen habe,
doch wünscht ich in deiner Nähe zu sein.
Ich vermisse Dich.
Ich bin allein
Ich habe für Dich dass Jenseits entschieden,
hier bin ich zurück geblieben,
trage Blumen an deine Ruhestelle,
wie gering ist doch die Schwelle,
dass ich Dir folge.
Dem kleinen Moment,
dem ein schlechter Traum vorausgeht,
besteht aus der Sehnsucht nach Dir.
Ich vermisse Dich.
Du bist nicht hier.
Auch morgen werde ich wieder Blumen an dein Grabe bringen,
wie so oft, werden die Lerchen singen.
Auch morgen, werde ich an deinem Bettchen stehen
und meine Gedanken werden sich um dein Wesen drehen.
und meine Tränen werden deinen Blumen Wasser geben,
denn sie brauchen es, sie brauchen es zum Leben.
© bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 10.10.2010
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