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Plötzlich waren es nur noch Worte. Als wäre es nicht schon schlimm genug, versuchte ich sie zu greifen, zu packen, zu verstehen. Doch ich verstand nichts.
Damals, im November war es leicht zu lächeln. Das ich zu lügen begann, lag nicht an ihm. Bestimmt nicht. Damals musste ich nicht lächeln, es gab keinen Grund zu lügen. Ich war schon glücklich und er doch auch.
Wie es in uns glühte wenn wir uns begegneten, nicht zu übersehen. Unerwartet wurde es heiß und das Feuer in uns verbrannte die Ängste die die Vernunft mit sich brachte. Oft berührte ich seinen Mund und liebkoste ihn mit der puren Hingabe meines Empfindens um die Einzigartigkeit seiner Seele zu erkunden.
Er war doch glücklich und ich auch. Damals war es einfach zu lächeln.
Mit dem Dezember zogen jedoch Regen, Schnell und Eis in das Land. Auch in unsere Herzen. Wie oft erfrieren sie aus Hass. Natürlich gab es auch warme Tage. An diesen Tagen spielten wir Sommer. Wir sahen glücklich aus, hatten wir auch Kenntnis von der Lüge. Jeder für sich.
Doch zu warm dürfte es nicht werden. Wir verboten uns die Gewohnheit, die eines Tages stark genug sein würde um sich in Sehnsucht zu verwandeln. Bald herrschte Schweigen. Es war jedoch nicht diese Art von Schweigen, welchen einen angenehmen Schauer der Vertrautheit über Dich ablegt und Dir somit Schutz und Beistand verspricht. Nein, es war eher ein von Unbehagen und Unmut gekreuztes Schweigen, welches Dir dazu rät Dich umzudrehen, Dich zu verabschieden.
Zu schwach um zu atmen schlichen wir uns an unseren Gedankensbissen vorbei. Manchmal lächelten wir. Manchmal auch füreinander.
Im Januar standen wir still. Jeder für sich. Ich lächelte nur noch für ihn. Vielleicht lüge ich ja auch. Die Worte die gedacht wurden, waren deutlich hörbar. Sie wurden lauter. Gesagtes wurde vergessen. Ich stellte mir oft vor, wie es sein würde, wenn wir November hätten. Die Erinnerungen wärmten mich, doch schafften wir es nicht, sie wieder neu zu beleben.
Ich nahm mir vor ihn öfter zu berühren, ihn öfter zu streicheln. Stunden vergingen, auch das Glühen im Hofe seiner Seelenfenster, nur das Schweigen nicht.
Das er mich nicht lieben konnte, war offensichtlich. Lüge. Der Nachdruck in meinen Worten verringerte sich. Auch ich bestritt die Aussage, ich würde lieben. Lieben. Lächerlich. So lächerlich, dass ich nicht mehr lächeln konnte. Ich begann zu lügen.
Es war leicht, auch wenn die Stille und die Unsicherheit die ich damit zu überspielen versuchte, nicht von unserer Seite wichen.
Das er glücklich war, war auch eine Lüge. Doch es half mir, nicht alleine zu sein. Schließlich warteten wir gemeinsam auf den Sommer. Auf die Natur die uns das Feuer zurückbringen sollte. Es war eine Art des Wartens, die uns nicht unbekannt, doch so fremd wie wir uns selbst waren, entgegentrat.
Die Regentropfen die man uns schickte, glichen meinen Tränen. Nicht nass, nicht zerstörend, nicht überschwemmend. Angebracht. Trocknend.
Auch er musste manchmal weinen, doch wir weinten nicht zusammen. Wahrscheinlich wäre es falsch gewesen. Lüge.
Ich versteckte mich oft, doch wollte ich nicht alleine sein. Ich wünschte immer, er würde mich finden, doch suchte er mich nicht. Die Tage zogen an uns vorbei, als würden wir nur auf den November warten. Wir hatten ihn ja schon, unseren Frühling.
Mit dem Sommer kamen die Worte wieder. Es waren nicht viele Worte. Es waren auch nicht die Worte deren Inhalt von Bedeutung war. Es waren die Worte, die auch ohne Sinn einen Sinn ergaben. Oftmals sprach er laut. Er sprach so laut, dass es nicht zu überhören war und dann wiederholte er Gesagtes. Es war sein Weg. Zumindest lächelte er wieder.
Auch ich gab mir Mühe. Ich hatte es mit der Zeit gelernt. Doch während ich in meinem Lächeln ertrank, empfand ich Reue. Nein, vielleicht nicht Reue, vielleicht war es Trauer. Bestimmt war es das. Es schmerzte nicht mehr. Es war normal. Es war so normal wie es sein musste, um nicht mehr schmerzen zu können. Lüge. Wir lächelten, wie logen, wir warfen die Angst, das Ungewisse, die Sehnsucht von uns und alles was ich tat, war ihn zu lieben. Noch mehr wenn er mich liebte. Es war ganz einfach. Bestimmt war es das. Also liebten wir uns. Jede Nacht. Ohne Liebe.
Wir sprachen nicht über uns. Warum auch, es wäre gelogen gewesen. Vielleicht auch nicht. Und plötzlich war es nur noch die Auswahl der Worte, die uns ermöglichte nicht von Liebe zu sprechen. Wir sprachen einfach von Genuss, von der Leidenschaft und vom Glücklich sein. Bis wir wieder lächelten.
Ich sah ihm zu. Ich sah ihm oft zu. Eigentlich sah ich ihm immer zu. Es machte ihn nicht zu einem besseren Menschen, dass er noch bei mir war. Nein, das bestimmt nicht. Doch es veränderte mein Gefühl, auch wenn ich abends weinen musste und der Himmel seinen Zorn durch azurblaue, schon leicht schwarz schattierte Wolken, die mit mir weinten, immer wieder zum Ausdruck brachte. Ich weinte nicht mehr um uns. Ich weinte um mich. So wie ich auch für mich lächelte und für mich log. Es war ja nicht die Gewohnheit die uns zusammenhielt.


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Tag der Veröffentlichung: 15.11.2009

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