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ich freue mich auf zahlreiche Leser, Kommentare, Kritik und Anregung.


Lauwarmer Wind kam vom Landesinneren und wehte mir die Haare ins Gesicht. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und das Licht noch fahl. Fröstelnd stand ich auf dem Wellenbrecher und blickte aufs Meer. Weiße Schaumkronen schmückten die Wellen. Sanft aber kraftvoll brachen sie an den kühlen Steinen unter meinen nackten Füßen. Ich umschlang meinen schmalen Körper mit beiden Armen und drehte mich zum Strand um. Die Pferde standen dösend bei der verfallenen Hütte, Luìs schlief auch noch. Lächelnd wand ich mich ab und sprang ins Wasser. Es war eiskalt, doch ich tauchte so tief hinab, bis alle Luft aus meinen Lungen gewichen war. Erst als der Druck auf den Ohren unaushaltbar wurde, tauchte ich auf und atmete gierig die frische salzige Luft. Eine warme Strömung umspülte mich und ich spürte wie alle Lebensgeister in meinen Körper zurückkehrten. Lächelnd schwamm ich immer weiter hinaus, mit ruhigen kraftvollen Zügen. Weitaus langsamer kehrte ich schließlich zurück, kletterte aus dem Wasser und legte mich auf die flachen Steine. Die Sonne schien jetzt schon viel wärmer. Genießerisch schloss ich die Augen, fühlte wie sich mein rasender Atem langsam beruhigte und die Sonne begann heiß auf der Haut zu brennen. Ein Schatten fiel über mich, blinzelnd schlug ich die Augen auf - die Sonne blendete. 'Guten Morgen' meinte Luìs, grinste schief und warf mir das Handtuch zu. 'Du solltest dir was anziehen.'. 'Morgen' erwiderte ich, verdeckte meinen Körper und sprang auf, etwas zu übermütig vielleicht, denn in meinem Kopf drehte sich alles. Nachdem der Schwindel nachgelassen hatte, eilte ich Luìs nach, der schon wieder auf dem Weg zum Lagerplatz war. Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass er mich halb nackt gesehen hatte. Während ich den Pferden jeweils eine Handvoll Kraftfutter gab, entfachte er ein kleines Feuer und setzte Kaffee auf. 'Du warst schon schwimmen?' fragte er mit einem Seitenblick auf mein noch feuchtes Haar, das an meinen Schultern klebte. Ich nickte nur und wand mich dann wieder der Schimmelstute zu, die ihre Portion manierlich aus meinen hohlen Händen fraß. Wenig später stieg mir der Duft von frischem Kaffee und geröstetem Brot in die Nase. Jetzt erst bemerkte ich, dass ich vor Hunger ganz zittrig war. Ungeduldig wartete ich, dass auch der dunkle Wallach aufgefressen hatte, dann huschte ich zum Feuer, wischte die Hände am Handtuch ab und setzte mich zu Luìs. Er lächelte, als ich mich heftig am heißen Brot verbrannte. 'Langsam. Es ist genug da…' Ich bedachte ihn mit einem bösen Blick und versenkte das Gesicht in der Kaffeetasse. So frühstückten wir schweigend, während die Sonne langsam höher stieg. Dann ging ich hinüber zu den Sätteln, die bei einem Felsblock lagen. Ich wollte kontrollieren, ob ich beim überhasteten Aufbruch gestern an alles gedacht hatte. Viel hatte ich nicht mitnehmen können. Zwei Paar Satteltaschen, ein Plastikeimer, zwei Decken, eine Feldflasche. Ich setzte mich in den Sand und öffnete die Taschen, um zu sehen, mit was ich die nächsten Wochen auskommen musste. Das Angebot war recht übersichtlich: Jeans, 2 T-Shirts, Socken, Shampoo, Haarbürste, ein kleiner Spiegel, Handtuch, Hufkratzer, Striegel, Halfter, Strick, ein paar Lederriemen, Bandagen, Moskitospray, ein kleines Erste-Hilfe-Paket, ein Messer, ein dickes Bündel blassgrüner Geldscheine Dann hatte ich noch einen gut gefüllten Beutel mit Pferdefutter dabei, sowie einen Bund Karotten, einen Apfel und ein paar Schokoriegel. Aus meinen zahlreichen Wanderritten hatte ich gelernt, was auf einem längeren Ritt hilfreich war. Dennoch machte ich mir Sorgen, ob ich es schaffen würde. Unwillig schüttelte ich die dunkeln Gedanken ab, nahm die Tasche mit meinen Sachen und verzog mich noch einmal ans Meer. Ich wollte wenigstens einigermaßen ansehnlich ausschauen. Ein paar Minuten hatte ich meine Ruhe, aber als ich gerade meine Haare bürstete, hörte ich schon seine Schritte hinter mir. Schnell stopfte ich die Bürste in die Satteltaschen, schlüpfte in die Schuhe und lief ihm entgegen. 'Wir müssen weiter.' Ich antwortete nicht, sondern eilte an ihm vorbei zu den Pferden. Er hatte schon gesattelt, die Decken hinter den Sätteln verschnallt, die Feldflaschen baumelten vom Sattelhorn - ich brauchte nur aufzusteigen. Schon das ärgerte mich. Als er mir dann auch noch den Bügel halten wollte, wurde es mir zu viel. 'Lass das gefälligst!' fuhr ich ihn an, schlug seine Hand weg und schwang mich hoch. Energisch trieb ich das Pferd vorwärts. Der Wallach schnaubte und trat gehorsam an. Nach ein paar Metern riss ich ihn abrupt herum - ich hatte meine Satteltaschen vergessen. Luìs schwenkte sie in der Hand und dirigierte seine Stute geschickt um ein paar Steinbrocken. Ärgerlich brachte ich meinen Wallach nah an sie heran und nahm die Satteltaschen an mich. Ich nahm mir nicht die Zeit sie festzuschnallen, sondern wendete, schnalzte mit der Zunge und galoppierte los. Sein leises Lachen blieb rasch hinter uns zurück. Nach ein paar Metern ließ ich mein Pferd wieder in Schritt fallen, ich hatte Magenschmerzen. So viel Aufregung am frühen Morgen, dachte ich und ließ die Zügel fallen, um die Satteltaschen hinter dem Sattel zu befestigen. Als ich wieder nach vorn blickte, sah ich dass Luìs und seine Stute schon ein gutes Stück voraus waren. Ich seufzte. Es war wirklich eine doofe Idee gewesen, mich darauf einzulassen den Weg mit ihm gemeinsam zu machen. Mein Wallach verlängerte seine Tritte, die Stute war ihm zu weit weg. Ich ließ ihm seinen Willen.
Die nächsten Stunden ritten wir schweigend nebeneinander. Hin und wieder verjüngte sich der Weg und dann ließ ich ihm den Vortritt. Ich mochte seinen Blick in meinem Rücken nicht. Gegen Mittag hatten wir die Küste erklommen und ritten auf einer schmalen Straße hoch über dem Meer. Die Sonne brannte unbarmherzig auf uns herab und sehnsüchtig warf ich immer wieder einen Blick aufs Meer, das verführerisch glitzerte. Luìs war schweigsam, was mir nur Recht war. Mit einer Handbewegung gab er mir zu verstehen, dass wir weiter hinten an den knorrigen Bäumen Rast machen würden. Ich wollte schon aufbegehren, weil er allein entschieden hatte. Doch ich entschied mich dagegen, es hatte ja keinen Zweck. Wenn ich die Strecke bis zur Grenze schnellstmöglich hinter mich bringen wollte, war ich auf seine Führung angewiesen. Seufzend wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Ich hatte an alles gedacht, außer daran einen Hut mitzunehmen. Natürlich - irgendetwas musste ich ja vergessen haben. Die Pferde trotteten gelassen durch die Mittagshitze, das gleichmäßige Klappern der Hufe hallte laut in meinem Kopf. Endlich erreichten wir die Bäume. Sie spendeten nur leidlich Schatten, aber es war besser als nichts. Luìs spannte eine der Decken zwischen zwei nah beieinander stehenden Bäumen, sodass die Pferde ausreichend Schatten hatten. In tiefen Zügen tranken sie Wasser, was ich ihnen aus den Feldflaschen in den Eimer geschüttet hatte, eher lustlos begannen sie anschließend das verdorrte Gras auszurupfen. Rasch sattelte ich ab und bürstete über die verschwitzten Sattellagen, was die Beiden mit zufriedenem Schnauben dankten. Als Luís mit Feuerholz wiederkam, hatte ich schon Brot geschnitten und eine der Konservendosen mit Ravioli geöffnet, die Luìs in seinen Satteltaschen hatte. Schweigend warteten wir, dass das Essen heiß wurde. Auch wenn mir in dieser Hitze alles Warme zuwider war, brauchten wir die Stärkung. Heute Nachmittag hatten wir noch ein gutes Stück vor uns. Wir würden bis in den Abend reiten müssen, um die verlorene Zeit der Mittagsstunden aufzuholen, in denen es zu heiß zum Reiten war.Nach dem Essen gönnten wir uns ein paar wenige Schlucke Wasser (wir mussten sorgsam haushalten) und machten es uns so gut es eben ging auf dem Boden bequem. Es war zu warm zum Schlafen, aber zu heiß um sich zu bewegen. Ich lehnte an meinem Sattel und kaute auf einem Grashalm und blickte über verdorrtes Gras soweit das Auge reichte. Der Himmel war von einem so intensiven Blau, dass ich nicht länger als ein paar Sekunden hinaufschauen konnte. Grell schien die Sonne, die Hitze umschloss alles, verschluckte jeglichen Laut, das Licht flimmerte über den Hügeln. Ich stöhnte auf, wenn doch wenigstens ein Bisschen Wind da wäre. Unsere Pferde standen einträchtig nebeneinander, mit halbgeschlossenen Augen und entlasteten Hinterbeinen. Hin und wieder schlug eines mit dem Schweif oder schüttelte den Kopf, um die Fliegen zu vertreiben. Luís lag mit geschlossenen Augen flach im Gras, er atmete gleichmäßig und ruhig. Ich konnte nicht sagen ob er schlief oder nur so tat als ob. Ich betrachtete ihn in Gedanken versunken. Warum konnte ich ihn eigentlich nicht leiden? Wir kannten uns kaum, er war immer freundlich gewesen und er hatte mir ohne zu zögern seine Hilfe angeboten. Dennoch: irgendetwas an ihm war mir unheimlich. Er seufzte im Schlaf und runzelte die Stirn, was seinem ebenmäßigen Gesicht einen mürrischen Ausdruck verlieh und mir ein Lächeln entlockte. Innerlich beschloss ich mich ihm gegenüber nicht mehr ganz so feindselig zu verhalten, so lange es keinen triftigen Grund dafür gab.

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Etwas kitzelte meine rechte Wange. Unwillig drehte ich den Kopf zur anderen Seite, ich war noch nicht bereit aufzuwachen, aber schon war der Schlaf verflogen. Als ich die Augen aufschlug blickte ich direkt in ein dunkles Augenpaar. Ich brauchte einen Moment, um es Luìs zuzuordnen. Er lächelte. 'Sorry, aber wir müssen aufbrechen.' Sofort war ich auf den Beinen und nahm war, dass er diesmal nur sein Pferd gesattelt hatte. Ich hievte also den schweren iberischen Sattel auf den Rücken meines Wallachs Salvador, trenste ihn auf und verschnallte das Gepäck. Ich wusste, dass ich etwas zu lange brauchte, aber die Hitze schwächte mich mehr, als ich angenommen hatte. Luìs beobachtete mich schmunzelnd, verkniff sich aber einen Kommentar. Als ich endlich fertig war, saß er schon lange auf dem Rücken seiner Stute und wartete. Meinen bösen Blick ignorierte er vollkommen. 'Auf geht's Senorita, wir haben noch viel vor.' Sagte es, schnalzte mit der Zunge und ritt voraus. Ich spürte wieder die Wut in mir brodeln - seine arrogante Höflichkeit würde mich noch wahnsinnig machen. Salvador spürte meine Unruhe und beschloss ein paar Meter seitwärts zu tänzeln. Ärgerlich trieb ich ihn vorwärts, er verweigerte sich energisch und stieg. Er mochte es nicht hart angefasst zu werden. Nachdem ich ihn wieder herunter gebracht hatte, ließ ich die Zügel lang und streichelte ihn entschuldigend. Er drehte seinen schönen Kopf zu mir und schnaubte versöhnlich. Luìs, der seine Stute angehalten und zu uns hinüber gesehen hatte, verkniff sich freundlicherweise einen Kommentar. <bR>Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Die Landschaft war gleich bleibend öde, das Meer lag immer weit unten zu unserer Linken. Nach zwei Wochen hatten wir es fast geschafft. Die Grenze lag nur noch einen Tagesritt entfernt. Unsere Vorräte waren aufgebraucht und so langsam wurde auch das Pferdefutter knapp. Wir waren auf unserem Ritt niemandem begegnet, hatten uns fern von den Straßen und Dörfern gehalten. Doch jetzt mussten wir das Risiko eingehen. Luìs wusste von einem winzigen Dörfchen, ein paar Kilometer weit im Landesinneren, in das sich kaum jemand verirrte. Die meisten Menschen lebten dort noch, wie vor Jahren. Unsere Chancen nicht verraten zu werden waren also relativ hoch. Also ließen wir die Küste hinter uns und folgten einem staubigen Feldweg, der ins Nirgendwo zu führen schien. Das Gras wurde immer spärlicher und gelber, nackter Fels ragte hier und da aus dem Grund. 'Hinter der nächsten Kurve ist es' sagte Luìs schließlich. Wir hielten an und ich versuchte mich mit Hilfe meines kleinen Spiegels einigermaßen herzurichten. Es brauchte ja keiner wissen, dass wir seit zwei Wochen unterwegs waren. Als ich den Umständen entsprechend zufrieden war, reichte ich den Spiegel an Luìs weiter. Er warf einen flüchtigen Blick hinein, wischte sich ein Bisschen Dreck von der Wange und schüttelte den Kopf. Ich musste zugeben, dass er Recht hatte. Man sah ihm die Strapazen der letzten Tage kaum an und außer, dass sein Hemd verschwitzt war sah er aus wie immer. Neidisch verstaute ich den Spiegel und machte mich daran Salvadors Mähne zu entwirren. Nicht nur die eigene, auch die Pferdepflege war in den letzten Tagen zu kurz gekommen. Schließlich konnten wir aufbrechen. Wir hatten uns eine feine Geschichte ausgedacht, ritten nun nah bei einander und unterhielten uns auf Französisch. Das Dorf wirkte wie ausgestorben. Schließlich hielten wir vor einem Gemüseladen, eine alte Frau saß davor schlafend auf einem Schaukelstuhl.Die ganze Szene schien so unwirklich in der flimmernden Nachmittagshitze, dass ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Sie schreckte auf, als Luìs sie ansprach. Ich stand mit den Pferden auf der Straße und konnte nicht verstehen was er sagte. Aber die Alte schaute recht freundlich drein und musterte mich neugierig aus kleinen dunklen Augen. Ihre Haut schien aus Pergament zu bestehen und spannte stark über den Wangenknochen. Das schneeweiße Haar war straff nach hinten gekämmt und in einem Dutt im Nacken befestigt. Ich war mir sicher, dass kein Sturm auch nur eine Strähne hätte heraus zupfen können. Nach einem kurzen Gespräch warf Luìs mir noch einen Blick zu und legte den Finger an die Lippen. Genervt richtete ich die Augen gen Himmel. Für wie blöd hielt der mich? Mir war schon klar, dass die Geschichte der französischen Pilgerin auffliegen würde, sobald ich den Mund aufmachen würde. Er lächelte und folgte der Alten ins Haus. Salvador schnaubte mir in den Rücken. Ich streichelte seine weichen Nüstern. Mittlerweile wusste ich, dass er die richtige Wahl gewesen war. Beim Aufbruch vor zwei Wochen war ich mir nicht sicher gewesen, ob der nervige Wallach zuverlässig genug war. Es hatte sich jedoch herausgestellt, dass der Braune viel ausgeglichener war, als er sich auf dem Gestüt gezeigt hatte. Oder hatten wir nur einen besonderen Draht zueinander? Leicht zu Händeln war er jedenfalls nicht gewesen, als ich ihn das erste Mal unter dem Sattel des Bereiters gesehen hatte. Aber ich war sofort fasziniert von dem mächtigen Pferd. Und wahrlich; Salvador war ein Kraftpaket, hengstig und äußerst sensibel. Bis zu unserer Flucht hatte ich ihn nicht ein einziges Mal geritten, mich wohl aber mit ihm angefreundet, da er den Paddock neben meinem Bungalow bewohnte. Als ich ihn in der Nacht vom Paddock geholt und gesattelt hatte war er furchtbar aufgeregt und tänzelte die ganze Zeit auf der Stelle. Ich hatte schon Angst er würde das halbe Gestüt aufwecken, aber es blieb alles ruhig. Als ich es dann endlich geschaffte hatte ihn einigermaßen herzurichten, hatte er mich kaum aufsteigen lassen. Irgendwie hatte ich dann aber einen Fuß in den Bügel bekommen und er war losgerast. Glücklicherweise ritt ich seit ich denken konnte und zog mich in den Sattel. Erst nachdem Salvador wie ein Verrückter die Auffahrt hinab gestoben war, bekam ich ihn annähernd unter Kontrolle. Ein so mächtiges Pferd wie ihn hatte ich selten geritten. Als ich schließlich am Treffpunkt ankam, hatte Luìs beinahe einen Herzinfarkt bekommen. 'Ausgerechnet den!' Unwillkürlich lächelte ich bei der Erinnerung. 'Was grinst du denn so blöd?' zischte er mir zu. Ich schreckte auf, ich hatte ihn und die alte Frau gar nicht kommen hören. Verwirrt sah ich mich um. Luìs stopfte allerhand Zeug in unsere Satteltaschen, die Alte stand auf der Veranda und sah ihm zu. Ein junger Mann stand mittlerweile neben ihr. 'Ein außerordentlich schönes Pferd, was sie da haben.' sagte er zu mir. Ich lächelte und tat als hätte ich nicht verstanden. 'So ein Idiot' fauchte Luìs mir auf Französisch zu und dann wieder auf Spanisch zu dem Kerl: 'Danke, sie mag ihn auch sehr.' Aus dem Augenwinkel nahm ich war, wie der Mann nickte und dann wieder zu mir sah. Rasch drehte ich mich zu Salvador um. Er sollte nicht meinen, dass ich zum Flirten aufgelegt sei. 'So fertig.' Luìs reichte mir eine Plastikflasche mit Wasser. Gierig trank ich, besann mich aber schnell und holte den Eimer aus der Satteltasche. Luìs nahm ihn mir aus der Hand und machte ein paar Schritte auf die Veranda zu. Der junge Mann nahm ihm den Eimer aus der Hand. Wenig später kehrte er mit dem vollen Eimer zurück. Salvador weigerte sich dem Mann zu Nahe zu kommen. Er blähte die Nüstern und rollte mit den Augen, während er angespannt da stand, alle Muskeln gespannt, bereit jeden Moment loszupreschen. Ich führte ihn ein paar Meter weg und er beruhigte sich etwas. Aber ich merkte, dass mit dem Mann etwas nicht in Ordnung war. Salvador atmete immer noch schnell und sein Hals war schweißnass, was nicht an der Hitze lag. Luìs Stute Lotus trank ohne zu zögern, dann kam der Mann wieder in meine Richtung. Salvador neben mir blähte sich auf und schien immer größer und breiter zu werden, er nahm mich gar nicht mehr wahr. Luìs nahm dem Mann schließlich den Eimer ab und entschuldigte sich. Die beiden verschwanden zusammen im Haus, die alte Frau beobachtete mich und ich gab meinem Wallach zu trinken, der nun, wo der Mann weg war, ganz friedlich schien.<bR>Ungeduldig wartete ich in der Hitze. Wo blieb er nur? Und was zum Teufel hatte er mit dem fremden Mann zu reden? Und hatte diese Frau nichts Besseres zu tun, als mich unentwegt anzustarren? Ich hatte wohl oder übel die Pferde näher zum Haus geführt, weil das Dach der Veranda wenigstens Schatten spendete. Die Alte saß auf ihrem Schaukelstuhl und beobachtete jede meiner Bewegungen. Salvador schnaubte laut und begann wieder unruhig auf und ab zu tänzeln. Ein Zeichen dafür, dass der komische Mann nicht fern sein konnte. Und richtig: es öffnete sich die Tür und die beiden Männer kamen heraus. Luìs lächelte grimmig und schüttelte dem anderen die Hand. Dann eilte er auf mich zu. 'Verschwinden wir!' Ich wollte protestieren. Was meinte er wer er war, dass er mich erst ewig in der Hitze warten lassen und dann so rumscheuchen konnte? Doch als ich gerade zum Sprechen ansetzte, legte er mir energisch die Hand vor den Mund und sah mich eindringlich an. Ich war dermaßen überrascht, dass mir die Spucke wegblieb. Was für eine respektlose Geste! Alles in mir war in Aufruhr, meine Augen schossen Blitze. Ich wollte mich losreißen, doch er drückte mich mit dem ganzen Gewicht gegen Salvador, der unwillig die Ohren anlegte. 'Juliana, tu was ich dir sage!' Ich schlug die Augen nieder und nickte. Der Klang seiner Stimme war auf einmal so fremd, eine Gänsehaut lief meinen Rücken hinab. Ein zartes Lächeln huschte ganz kurz über sein Gesicht. Flüchtig strich seine raue Hand über meine Wange. 'Steig auf!' befahl er und wand sich seiner Stute zu. Ich wusste, dass es nun besser war zu gehorchen und schwang mich in den Sattel. Sofort sprang Salvador an. Bevor ich ihn zurückhalten konnte, rief Luìs mir ein 'lass ihn rennen' zu und schon war ich außer Hörweite. Ich gab dem Wallach die Zügel hin und er nahm das Angebot dankend an. In atemberaubender Geschwindigkeit preschte er den Feldweg entlang und schon bald sah ich die Biegung, an der wir auf dem Hinweg angehalten hatten. Vorsichtig nahm ich die Zügel auf und setzte mich probeweise tiefer in den Sattel. Und siehe da: Salvador gehorchte augenblicklich und fiel in Schritt. Lobend strich ich ihm über den schweißnassen Hals und drehte mich nach Luìs um. Er war nicht zu sehen. Unruhig ließ ich Salvador auf und ab gehen und endlich erblickte ich eine kleine Staubwolke am Horizont, die rasch größer wurde und sich in der Schimmelstute Lotus verwandelte. Luìs parierte zum Schritt durch und ritt einfach weiter. 'Komm schon.' Warf er mir über die Schulter zu. Das war zuviel. Ich hielt an und schrie ihm hinterher. 'Was glaubst du eigentlich wer du bist?' Er drehte sich im Sattel zu mir um. Überraschung zeichnete sein Gesicht. Ich bemerkte es nicht. 'Du meinst doch nicht im Ernst ich würde mir deine Respektlosigkeit gefallen lassen! Du kannst mich nicht so behandeln.' Sein Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Lächeln. Er ritt näher zu mir, gab Salvador einen Klaps, sodass er wieder antrat. 'Ach, kann ich nicht?' Ich konnte nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hatte. 'Nein! Kannst du nicht! Verdammt noch mal Luìs, warum tust du das?' Er schwieg. Hilf ihm nicht darüber hinweg befahl ich mir, auch wenn es mir schwer fiel nichts mehr zu sagen. Er seufzte und trieb Lotus in einen langsamen Galopp, Salvador spitze die Ohren, wartete aber bis ich ihm mit einem Schnalzen zu verstehen gab, dass er mitgehen sollte. Eine Weile galoppierten wir still nebeneinander her. Als die Pferde schließlich stark schwitzten parierten wir durch. Er sah mich nicht an, als er endlich auf meine Frage antwortete. 'Um dich zu beschützen.' Jegliche Arroganz war aus seiner Stimme verschwunden. Ungläubig starrte ich ihn an. Dann lachte ich. 'Du hast sie doch nicht mehr alle…' Er warf mir einen vernichtenden Blick zu und ich verstand, dass er die Wahrheit gesagt hatte. 'Schon mal dran gedacht, dass ich niemanden brauche, der mich beschützt?' fragte ich provozierend und wusste schon im nächsten Moment, dass ich zu weit gegangen war. Tonlos erwiderte er: 'Der Kerl, den wir in dem Dorf getroffen haben arbeitet für genau die Leute, denen du das bekloppte Pferd abgeluchst hast. Er hätte dich sofort mitnehmen können.' Ich konnte förmlich spüren wie alle Farbe aus meinem Gesicht wich. 'Oh Luìs… ich… ich hatte ja keine Ahnung. Es tut mir leid, wirklich…' Er winkte ab. 'Lass gut sein, ich werds verkraften. Ich bringe dich bis zur Grenze wie abgemacht und dann geht jeder seiner Wege. So war's doch abgemacht oder?' Nie hätte ich gedacht, dass diese Reise so aufregend werden würde. Ich hatte mir einen schönen Urlaub auf spanischen Pferden vorgestellt und was war daraus geworden? Ich ritt auf einem gestohlenen Pferd der Rasse Alter Real Richtung portugiesischer Grenze und hatte jede Menge Probleme am Hals. Und Luìs war nur eines davon.

Wir ritten bis spät in die Nacht. Ich wagte nicht den Vorschlag zu machen anzuhalten, auch wenn ich höllische Kopfschmerzen hatte und meine Kehle vor Durst brannte. Meine Feldflasche war schon seit einer guten Stunde leer.
Luìs ritt mit versteinertem Gesicht voran. Seine Lippen hatte er zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Er schien mir eine dieser bronzenen Reiterstatuen, so unbeweglich und gerade saß er im Sattel und das seit Stunden. Lotus ging wie immer in entspannter Halshaltung und locker pendelndem Schweif, dabei zügig mit gespitzten Ohren. Salvador hingegen hatte wie immer alle Muskeln gespannt und trug den Kopf hoch erhoben. Ich ignorierte seine gelegentlichen Hüpfer und Seitensprünge, nahm nur hin und wieder die Zügel etwas an, um ihm zu zeigen, dass ich noch da war. Er quittierte dies mit einem Schnauben, nahm kurzzeitig den Kopf hinab, nur um ihn wenig später wieder aufgeregt in die Höhe zu recken. Dieses Pferd schien einfach nicht müde werden zu wollen. Ganz im Gegensatz zu mir.

Endlich drehte sich Luìs im Sattel zu mir um. 'Wir werden dort drüben im Olivenhain übernachten.' Er deutet ins Dunkel vor uns. Erleichtert seufzte ich und ließ Salvador zu Lotus aufschließen. Die Schimmelstute brummelte dem Wallach freundlich zu, der Wallach zwickte ihr in den Hals. Ich war zu müde, um mich darüber zu amüsieren.
Luìs lenkte seine Stute vom Weg ab und zwischen die knorrigen Olivenbäume. Wir ritten einen Hügel hinauf und dort zwischen den alten Bäumen hielt Luìs endlich an und schwang sich elastisch aus dem Sattel. Mühsam tat ich es ihm nach.
Meine Beine gaben beim Kontakt mit der Erde nach und weigerten sich mich zu tragen. Erschrocken klammerte ich mich an Salvadors Vordergeschirr fest und atmete tief ein. Ich wartete bis ich sicher stand, dann machte ich mich ans Absatteln. Doch als ich den Sattel vom Rücken des großen Wallachs hob, gaben meine Beine erneut nach und unter dem Gewicht des schweren iberischen Sattels brach ich zusammen. Fluchend rappelte ich mich auf. Doch ehe ich es schaffte den Sattel vom Boden aufzuheben, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Sanft schob Luìs mich zur Seite, nahm den Sattel hoch und legte ihn unter einen der Bäume, wo schon der seiner Stute lag. Ich war zu erschöpft, um mich darüber aufzuregen und wendete mich Salvador zu, der begonnen hatte das trockene Gras auszurupfen. Nachlässig streifte ich ihm den Zaum ab, legte ihm das weiche Knotenhalfter an und band ihn neben Lotus lang an. Mühsam bürstete ich die beiden Pferde, die sichtlich erleichtert waren, die Last der Sättel los zu sein.
Wir waren fast 10 Stunden ununterbrochen geritten. Luìs kam mit einem Eimer voll Wasser und hängte den Pferden die Futtersäcke um. Erschöpft ließ ich mich neben meinem Sattel auf die Erde fallen und schloss die Augen. In meinem Kopf drehte sich alles, ich kämpfte nicht dagegen an. Gerade wollte ich in den Schlaf gleiten, als mich Luìs Stimme wie aus weiter Ferne erreichte. 'Was?' Mühsam schlug ich die Augen wieder auf. Er hielt mir die volle Feldflasche hin. 'Du solltest etwas trinken. Und gegessen haben wir heute auch noch nicht…' Ich stöhnte auf, wusste aber, dass er Recht hatte und dass meine Schwäche genau darauf zurück zu führen war.
Schweigend bereiteten wir also unser Nachtmahl zu, das um einiges üppiger ausfiel als die letzten Wochen, da wir ja bei der alten Frau unsere Vorräte aufgestockt hatten. Frisches duftendes Brot, Schafskäse, Pfirsiche, Äpfel, sogar zwei Fleischbällchen hatte Luìs gekauft. Meine Lebensgeister kehrten langsam zurück.
Als wir aufgegessen hatten lehnte ich mich zufrieden zurück, ich hatte gar nicht bemerkt wie hungrig ich gewesen war. Ich sah zu den Pferden hinüber, die ebenfalls aufgefressen hatten. Ich nahm einen Apfel, ging zu ihnen hinüber und nahm ihnen die Futtersäcke ab. Salvador schnoberte mir den Rücken entlang. Sein heißer Atem kitzelte im Nacken. 'Lass das' wehrte ich mich lachend und reichte ihm den Apfel. Gierig biss er hinein. Die andere Hälfte gab ich Lotus, die ihn um einiges manierlicher aus meiner Hand fraß, mich dann anschnaubte und mit Apfelschaum bespritze. 'Na toll' sagte ich und kraulte der hübschen Stute die Stirn.
Hinter mir raschelte es im hohen Gras. 'Magst du?' fragte seine Stimme, die mittlerweile wieder ihren vertrauten Klang angenommen hatte. Ich drehte mich um. Luìs stand etwa einen halben Meter entfernt und hatte eine Flasche Wein in der Hand. Er grinste schief. 'Zur Versöhnung?' Auch wenn ich ihm sein Verhalten eigentlich nicht so schnell hatte verzeihen wollen, konnte ich mich seinem Lächeln nicht entziehen. 'Wo hast du den denn her?' fragte ich. Er zuckte die Schultern. 'Hab ihn bei der Alten mitgehen lassen.' Ich lachte.Wir machten es uns bei unseren Sätteln bequem und genossen den Wein aus der Flasche, Gläser hatten wir ja keine. 'Warum hast du eigentlich dieses Pferd geklaut?' fragte er ohne mich anzusehen. Empört boxte ich ihn in die Seite. 'Ich hab ihn nicht geklaut! Ist schließlich keine Flasche Wein.' Er lachte leise, ich blickte nachdenklich zu Salvador hinüber, der friedlich graste.
Dann erzählte ich Luìs von dem Telefonat mit meinem Bruder Raul. Als ich von dem wundervollen, aber schwierigen Pferd erzählte, in das ich mich verguckt hatte, war er wie elektrisiert gewesen, hatte Einzelheiten wissen wollen. Ich erinnerte mich genau an seine Worte. 'Nimm dieses Pferd und bring es Heim!' Ich hatte meinen Ohren nicht trauen wollen. 'Du willst, dass ich ein Pferd stehle?' Doch Raul war nicht zu beirren gewesen und hatte mir am Ende das Versprechen abgerungen, den schönen Braunen zu entführen. Einzelheiten über das Warum hatte ich nicht, aber ich vertraute meinem Bruder und etwas in seiner Stimme hatte mir gesagt, dass es mit diesem Pferd etwas ganz Besonderes auf sich hatte. 'Den Rest kennst du ja' sagte ich am Ende. 'Ich habe den Hufschmied bestochen, damit er mich bis zur Grenze bringt.' Er lächelte, was ich in der Dunkelheit lediglich erahnen konnte. 'Gut, dass ich mich nicht alleine aufgemacht habe' fügte ich leise hinzu. Er atmete geräuschvoll aus und reichte mir die, mittlerweile fast geleerte, Weinflasche. Ich nahm einen Schluck und gab sie ihm zurück. Wir schwiegen und lauschten auf die Geräusche der Nacht. Grillen zirpten, es raschelte in den Blättern der Olivenbäume. Hin und wieder schrie ein Nachtvogel, eins der Pferde stampfte mit dem Huf auf. Ein kühler Wind bewegte die Luft, streichelte und kühlte meine heißen Wangen, ich spürte wie der Wein mir zu Kopf stieg. Der Wind frischte auf und zauberte mir eine Gänsehaut auf die nackten Arme. Mit halbgeschlossenen Augen sah ich zu Luìs hinüber, der zum Himmel auf blickte. Die Pferde schnaubten im Schlaf. Gerade trat der Mond hinter den Wolken hervor und tauchte den Olivenhain in sein silbriges Licht. Scharf zeichnete sich Luìs Profil gegen den Himmel ab. 'Sieh!' meinte er plötzlich und deutete zum Horizont. 'Eine Sternschnuppe!' Ich folgte seinem ausgestreckten Arm und konnte den Stern gerade noch verglühen sehen. 'Wünsch dir was' sagte ich mit einem Lächeln in der Stimme. 'Schon geschehen' antwortete er leise. Ich zog die Decke ein Bisschen höher und schaute wieder zum Himmel. Eine ganze Weile saßen wir schweigend da, die Flasche wechselte hin und wieder den Besitzer. 'Luìs?' fragte ich schließlich und stütze mich auf den Ellebogen. 'Hm' machte er. 'Was meinst du, was da wohl ist, auf der anderen Seite der Nacht?' Er drehte den Kopf und sah mich lächelnd an. 'Für mich?' Ich nickte. Ohne zu zögern antwortete er: 'Du.' Ich runzelte die Stirn. 'Das ist dein Ernst?' fragte ich und verfolgte mit großen Augen die Bewegung, mit der er die kurze Distanz zwischen uns überbrückte und seine Hand an meine Wange legte. Sie war trocken und warm, rau doch nicht unangenehm. Es lag wohl am Wein, dass ich nicht klar im Kopf war und diese Geste zuließ. Müde legte ich meinen Kopf an seine Schulter. 'Wir haben zu viel getrunken.' sagte ich leise lachend. Er lachte auch. 'Du hast Recht.' Prustend rutschte ich in eine bequemere Lage und zog die Decke hoch bis zum Kinn. 'Schläfst du?' fragte er heißer. 'Ja' sagte ich und wieder brachen wir in kindisches Gekicher aus.
Als wir uns wieder beruhigt hatten, lagen wir eine Weile schweigend da. Der Mond war wieder hinter den Wolken verschwunden und die Dunkelheit hüllte uns in ihr blauschwarzes Tuch aus Samt. Ich seufzte und schloss die Augen. 'Es könnte so eine schöne Nacht sein' meinte ich. Er streichelte mir über den Rücken. 'Ist sie doch.' Ich hörte das Lächeln in seiner Stimme und nahm gerade noch wahr wie er mir einen Kuss aufs Haar drückte. Den Kopf auf seiner Brust, war ich über das Geräusch seines ruhigen Herzschlages bald eingeschlafen.Er weckte mich beim ersten Morgengrauen. Verwirrt öffnete ich die Augen und brauchte einen Moment um zu realisieren, dass ich die ganze Nach mit dem Kopf an seiner Brust geschlafen hatte. Wie peinlich! Ihn schien das nicht weiter zu stören, er lächelte. 'Entschuldige, aber wir müssen weiter. Ich habe diesem Kerl eine Nacht abgerungen. Sie werden schon auf dem Weg sein, um dich einzufangen und ich habe keine große Lust ihnen zu begegnen.' Zu viel Information am frühen Morgen, dachte ich und setzte mich auf, strich mir das Haar aus dem Gesicht. Luìs war schon dabei die Pferde überzuputzen. Seufzend rappelte ich mich auf, jeder einzelne Muskel am Körper schmerzte und ich musste beim Laufen unheimlich komisch aussehen. Ich nahm unsere Feldflaschen und stapfte langsam zum Bach hinüber. Das Wasser war kühl und ich nutzte die Gelegenheit um mich notdürftig zu waschen. Mit nassen Haaren kehrte ich zu Luìs zurück, der Lotus bereits aufgesattelt und unsere Habseligkeiten in den Satteltaschen verstaut hatte. Etwas unsicher hob er Salvadors Sattel auf und sah zu mir hinüber. Unwillkürlich musste ich lachen. 'Mach nur, ich bin zu müde, um mich aufzuregen.' Er grinste und wuchtete den Sattel auf den Pferderücken. Salvador machte unwillig ein paar Schritte seitwärts und schlug mit dem Schweif. Ich trat zu ihm und streichelte seine Nüstern. Er beruhigte sich sofort und als Luìs den Sattelgurt festzog legte er nur kurz die Ohren an. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als wir den Olivenhain verließen.

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Luìs drängte zur Eile. Er hatte seit ein paar Minuten eine Staubwolke am Horizont hinter uns bemerkt. Unruhig drehte ich mich immer wieder um. Wie hatten sie es geschafft uns einzuholen?
In den letzten beiden Tagen waren wir fast ununterbrochen geritten, hatten uns und den Pferden nur wenige Pausen gegönnt. Um unsere Verfolger abzuhängen hatte Luìs die unbequemsten und steilsten Wege gewählt, fern ab der Straßen und Dörfer und jetzt waren wir nur noch wenige Kilometer von der portugiesischen Grenze entfernt.
Doch die Staubwolke rückte näher, langsam zwar - aber stetig. Mein Atem ging flach, auf einmal hatte ich unglaubliche Angst. Was wenn sie uns einholten? Was würden sie mit uns tun? Mit mir, die ich Salvador entwendet hatte? Und was erst mit Luìs, der meine Flucht durch seine Führung erst möglich gemacht hatte?
Nach Außen schien Luìs trotz der nahenden Gefahr ruhig, aber ich wusste, dass er innerlich genauso bebte wie ich. Ich sah das an seinen Augen, die gehetzt hin und her wanderten und an seiner Stute, die heute immer wieder unruhig mit dem Kopf schlug.
'Juliana!' sagte er plötzlich. 'Wir werden jetzt in die Schlucht da reiten und hoffen, dass sie uns nicht entdecken!' Er sagte das in seinem üblichen Befehlston, der mir immer noch nicht gefiel. Mürrisch lenkte ich Salvador hinter Lotus her und dann sah ich die Schlucht. -
Da runter? Auf diesem nicht mal einen halben Meter breiten Pfad? Mit den Pferden? Salvador stemmte die Hufe in den Boden und auch ich schüttelte den Kopf. 'Nein Luìs, es ist zu steil!' Er war schon abgestiegen und kontrollierte ob alle Riemen gut verschlossen waren. Er ließ die Zügel seiner Stute los und kam herüber. Ich weiß nicht wer die Augen weiter aufriss, beim Anblick des steil in die Tiefe führenden Pfades, ich oder mein Pferd. Luìs blieb kurz vor mir stehen und fixierte mich mit einem forschenden Blick. 'Es ist der einzige Ausweg Juliana!' Wieder schüttelte ich den Kopf. Er machte noch einen Schritt auf mich zu, streckte die Hand nach mir aus. Als sie meine Wange berührte schoss ein Blitz durch meinen Kopf und ich wich zurück. Ich wollte nicht, dass er mich berührte.
Zu frisch war noch die Erinnerung an die Nacht im Olivenhain, wo wir uns für meinen Geschmack viel zu nahe gekommen waren. Ich wollte nicht wissen, wie gut es tun würde, sich an ihm anzulehnen.
Sein Blick veränderte sich augenblicklich, es war als würde ein Vorhang zugezogen. Auch seine Stimme wurde hart. 'Entweder du kommst jetzt mit mir da runter oder ich steige wieder auf und mach mich auf den Weg nach Hause!' Tränen schossen mir in die Augen, ich schaffte es gerade noch sie zurückzuhalten. Wie konnte er mich so behandeln? Ich hasste ihn dafür.
Ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen, nahm er Lotus am Zügel und begann den Abstieg. Lotus tat vorsichtig, aber sicher einen Schritt nach dem anderen.
Mit rasendem Herzen stand ich am Rande der Schlucht und überlegte fieberhaft, was zu tun war. Es war nicht mehr weit bis zur Grenze, es dürfte kein allzu großes Problem sein allein den Weg zu finden. Ich warf einen Blick in den Abgrund und sah Luìs und Lotus wie sie sich langsam entfernten. Dann warf ich einen Blick über die Schulter und sah eine Reitergruppe, die sich rasch näherte. Noch hatten sie uns nicht bemerkt. Schon vom Weiten erkannte ich die hoch gewachsene Statur des jungen Mannes aus dem Dorf. Unsere Verfolger hatten uns also erreicht.
Jetzt hatte ich keine Wahl mehr. Ich sprang vom Pferd und führte Salvador an den Rand der Schlucht. Er wehrte sich, wollte diesen Pfad nicht betreten. 'Oh bitte Salvador!' flehte ich und blickte mich immer wieder nach den Männern um. 'Komm schon.' Und plötzlich machte der Wallach einen Satz, verlor den Halt und rutschte gut drei Meter in die Tiefe, mich hinter sich herschleifend.
Zum Glück waren die ersten Meter nicht ganz so steil, dass er rasch zum Stehen kam. Ich hatte mir die Arme übel aufgeschürft und einen Schlag gegen den Kopf erhalten. Mir auf die Lippen beißend, um mich nicht durch einen Schmerzeslaut zu verraten, rappelte ich mich auf. Salvador suchte meine Nähe und stupste mir in die Seite. Ich unterdrückte einen Schrei, es tat fürchterlich weh, vermutlich hatte ich mir die Rippen geprellt.
Dann packte ich Salvadors Zügel und ging voraus. Der große Braune hatte Angst. Ich merkte das, weil sein Hals schwarz von Schweiß wurde und er hektisch die Nüstern aufriss. Beruhigend redete ich auf ihn ein, ließ ihm Zeit sicheren Halt auf dem lockeren Geröll finden. Ein paar Mal rutschte er aus, konnte sich aber fangen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich hatte starke Schmerzen, doch ich versuchte dem nervösen Wallach Ruhe und Vertrauen zu vermitteln...
Fast hatten wir es geschafft. Am Grund der Schlucht stand Luìs und sah mit zufriedenem Lächeln zu uns hoch. Ich wusste, dass er von dem Sturz nichts mitbekommen hatte. Dennoch hatte ich eine unglaubliche Wut auf ihn.
Er war der Führer, er war verantwortlich, dass ich und das Pferd heil in Portugal ankamen. Dafür bezahlte ich ihn schließlich.
Endlich erreichten wir das Ende des Pfades, jemand schrie etwas Unverständliches. Salvador sprang zur Seite, ich verlor den Zügel und er rutschte die letzten Meter über das Geröllfeld hinab. Ich schrie auf, sah das schöne Pferd schon mit gebrochenen Beinen vor mir, und rannte so schnell ich konnte hinterher. Der Wallach hatte sich aber gleich wieder aufgerappelt und von Luìs einfangen lassen. Ihm schien nichts passiert zu sein. Wieder ertönte die Stimme. Luìs und ich richteten unsere Blicke nach oben. Die Männer hatten uns entdeckt und begannen mit dem Abstieg.
'Schnell!' schrie Luìs und schwang sich in den Sattel. Mühsam stieg auch ich auf, trotz der Schmerzen. Wir mussten hier weg! Unsere einzige Chance war es schnell einen Vorsprung heraus zu reiten, während die anderen in die Schlucht hinab stiegen.Im vollen Galopp rasten wir über den unebenen Untergrund. Es war unverantwortlich und gefährlich, aber die Angst trieb uns zu dem mörderischen Tempo. Dicht hinter einander galoppierten wir die Schlucht entlang. Sie verjüngte sich zusehends, mir schien es als ob die steilen Hänge rechts und links immer näher rückten. Doch ich hatte keine Zeit Angst zu haben, zu sehr war ich damit beschäftigt irgendwie den Weg im Auge zu behalten. Der scharfe Wind ließ meine Augen tränen, sodass ich kaum etwas erkennen konnte, außer Lotus weiß leuchtendes Fell. Plötzlich machte die Schimmelstute einen gewaltigen Satz. Bevor ich verstand, was los war, spürte ich schon wie sich Salvador kräftig vom Boden abdrückte und mitten in den Bach sprang. Ich hatte das Gewässer nicht gesehen, da ich zu dicht hinter Lotus geritten war. Salvador strauchelte bei der Landung, ich wurde heftig nach vorne geworfen. Vor Schmerz verlor ich fast das Bewusstsein, krallte mich aber geistesgegenwärtig am Vordergeschirr fest, während Salvador weiter raste. Immer wieder schlug ich mit dem Oberkörper gegen das Sattelhorn.
'Du musst dich wieder hinsetzten' beschwor ich mich selbst. In meiner linken Seite pochte es heftig und immer wieder durchzuckten mich heftige Schmerzen. Salvador galoppierte nun vollkommen unkontrolliert, rutschte immer wieder auf dem Geröll. Ich weiß nicht mehr, wie ich es schaffte mich in den Sattel zurück zu ziehen, aber nach unzähligen Versuchen und einigen Beinahe-Stürzen hatte ich es irgendwann geschafft und krallte mich nun am Sattel fest, um nicht hinunter zu fallen.
Ein ganzes Stück weiter vorn, sah ich Lotus hart bremsen, da die Schlucht vor einem schmalen Gebirgspfad endete, der in die Höhe führte. Die schlanke Stute rutschte dabei aus und prallte mit voller Wucht gegen die Felswand. Harsch sog ich die Luft ein und riss verzweifelt an den Zügeln. Salvador wurde irritiert langsamer und stieg. Ich war zu schwach um mich zu halten, hart schlug ich auf dem Boden auf. Trotz aller Schmerzen gelang es mir mich einigermaßen abzurollen und gleich wieder aufzurappeln. Alles drehte sich und ich suchte Halt an dem großen Wallach, der glücklicherweise stehen geblieben war. Als der Schwindel etwas nachgelassen hatte, sah ich zu Lotus hinüber. Die Stute stand schwer pumpend neben der Felswand. Luìs hing reglos im Sattel. So schnell ich konnte eilte ich hin.Ich sah, dass die Stute am ganzen Körper zitterte und sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Als ich sie erreicht hatte, knickte sie in den Knien ein. 'Luìs' rief ich, doch er rührte sich nicht. Erst als Lotus zu Boden stürzte, wachte er auf. Glücklichweise war die Stute nicht zur Seite gekippt. Mit zitternden Händen löste ich die Feldflasche vom Sattel und schüttete das Wasser über Lotus Hals und Flanken, die Stute schnaufte schwer. Luìs war mittlerweile zu sich gekommen und versuchte den schweren Sattel von der Stute zu ziehen, er hatte Tränen in den Augen. Gemeinsam schafften wir es schließlich die Weiße von dem Lederzeug zu befreien. Sie versuchte aufzustehen - es gelang ihr nicht. Mittlerweile weinte auch ich, es schien keine großen Hoffnungen für die Stute zu geben. Salvador wieherte plötzlich laut und warnend.
Wir sahen uns um. Unsere Verfolger waren bereits in Sichtweite. 'Scheiße!' entfuhr es Luìs. Dann reagierte er blitzschnell. 'Schnell, steig auf und mach, dass du weg kommst! Du musst nur dem Pfad folgen und dann links Richtung Wald reiten, dann siehst du die Grenze.' Ich wollte widersprechen, wollte ihn und die Stute nicht zurücklassen. Doch Luìs packte mich grob und zerrte mich zu Salvador. Ich wehrte mich unter Tränen. Da nahm er plötzlich mein Gesicht fest zwischen seine Hände und küsste mich heftig. Ich starrte ihn entsetzt an. Der Griff seiner Hände tat fast schon weh, ich konnte die Sache nicht einordnen. Dann riss er mich in die Realität zurück und brüllte mich dermaßen an, dass ich erschrocken zusammenzuckte. 'Tu verdammt noch mal was ich dir sage!' Alles in mir schrie, wie konnte er es wagen! Wütend starrte ich ihn an und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Ohne ihn noch einmal anzusehen, zog ich mich in den Sattel und ließ Salvador anspringen. 'Wir treffen uns am Meer'!' rief Luìs, doch ich wollte nichts hören.


Der Pfad war schmal, aber gut breitbar, sodass wir relativ rasch vorwärts kamen. Von unten hörte ich wie viele Stimmen wild durcheinander schreien, das Geräusch vieler Hufe, Gewieher. Und plötzlich ein Schuss!
Augenblicklich blieb Salvador stocksteif stehen, auch ich verharrte in der Bewegung. Ein eiskalter Schauer rann mir den Rücken hinab und auch Salvadors starker Körper zitterte. Ich widerstand der Versuchung und sah mich nicht um. Energisch legte ich die Beine an den warmen Pferdeleib und schnalzte mit der Zunge. 'Wir müssen weiter' flüsterte ich verzweifelt und trieb Salvador heftig an und trotz der starken Steigung setzte er sich in Galopp.
Mit aller Macht konzentrierte ich mich auf die kräftigen Muskeln des Pferdes, auf sein rhythmisches Schnauben. Ich wollte nichts anders hören, nichts anderes fühlen, nichts anderes denken. Ich wollte gar nicht wissen, was der Schuss zu bedeuten hatte.
Als wir schließlich die Hochebene erreicht hatten, brannten meine Augen vor Tränen. Um dem Wallach und mir eine kleine Pause zu gönnen, ließ ich ihn Schritt gehen. Das hohe, trockene Gras reichte ihm bis zur Brust und peitschte meine nackten Schenkel, die an den Innenseiten schon ganz wund gescheuert waren. Der Wald zeichnete sich scharf gegen das Blau des Himmels ab. Ich konnte es kaum erwarten in den Schatten der Korkeichen einzutauchen, aber noch mussten wir die Ebene überqueren. Hinter mir hörte ich erneut Stimmengewirr und Pferdehufe. Gehetzt drehte ich mich um und sah, dass die Reiter schnell aufschlossen. Ich schnalzte wieder mit der Zunge. Salvador sprang gehorsam an, aber seine Galoppsprünge waren mittlerweile schwerfällig. Ich strich ihm über den muskulösen Hals. 'Tut mir leid, mein Guter. Aber ein Stück musst du noch durchhalten.' Dann trieb ich ihn stärker an. Er legte die Ohren an und ich hatte schon Angst, er würde sich widersetzten und mich erneut abwerfen. Aber Salvador war ein kluges Pferd, er streckte seinen Körper und wurde schneller. Das Gras schnitt mir nun in die Beine und vor Schmerz konnte ich mich kaum im Sattel halten, aber der Wald rückte immer näher. Immer wieder drehte ich den Kopf und jedes Mal waren die Verfolger ein Stück näher gekommen. Verzweifelt trieb ich Salvador immer wieder an, aber der Wallach war müde geworden und schien keinerlei Reserven mehr zu haben. 'Nur noch ein kleines Stück! Du kannst es schaffen, du musst einfach!' schrie ich auf Portugiesisch in den Wind. Die Ohren des Braunen zuckten zu mir und er verlängerte seine Sprünge. Vollkommen perplex starrte ich seine Ohren an. Hatte er auf die Sprache reagiert? Mit Luìs hatte ich immer nur Spanisch gesprochen. Nein! Unmöglich! Oder nicht? Einen Versuch ist es wert, dachte ich und wiederholte meine Worte auf Spanisch. Nichts geschah. Ich versuchte es erneut auf Portugiesisch und wieder zuckten die Ohren und der Wallach mobilisierte die letzten Kräfte. Unglaublich! fuhr es mir durch den Kopf. Die Verfolger waren nun ganz nah, ich konnte sie hören. 'Halt an, dann passiert dir nichts!' Ich lachte trocken auf und lenkte Salvador zwischen die ersten Bäume. Am Ende des Weges sah ich die ehemaligen Grenzpfosten. 'Lauf! Lauf! Lauf Salvador!' schrie ich mit aller Kraft und Salvador lief! Er raste den anderen Pferden davon, raste an den rotweißen Pfosten vorbei und den weichen Waldweg entlang. Ich hörte die Flüche der Verfolger, hörte ihre Pferde schnauben, wusste, dass sie die Grenze nicht überschreiten würden. 'Brrr' machte ich und Salvador parierte hart zum Schritt durch. Überschwänglich lobte ich den Braunen, der fast so schnell atmete wie ich selbst. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er wieder normal atmete. Die Schmerzen, die ich zwanghaft verdrängt hatte, kehrten nun mit aller Macht zurück. Ich beschloss anzuhalten. Gerade noch so schaffte ich es Salvador abzusatteln, dann verlor ich das Bewusstsein. Den Aufschlag auf dem federnden Waldboden spürte ich schon nicht mehr.

Alles war dunkel, Lichtfunken wirbelten wild durcheinander, ich spürte einen warmen Luftzug. Mühsam öffnete ich die Augen. Das große braune Pferd vor mir stupste mich sanft mit den Nüstern an. Meine Beine waren taub vor Schmerz. Was war passiert? Das Pferd schnaubte und wand sich von mir ab. Ich folgte seinem Blick, sah den Korkeichenwald um mich herum, sah den Sattel mit dem Gepäck. Die Verfolger, die Flucht durch die Schlucht, loses Gestein, Panik, Hufschlag, Geschrei, ein Schuss! Die Bilder hasteten an meinem inneren Auge vorbei. Mit einem Schlag kehrte die Erinnerung zurück und ich seufzte erleichtert auf. Salvador und ich waren endlich in Sicherheit. Doch dann drängte sich das Bild dunkler Augen in meine Gedanken. Dunkle Augen, die mich leer anstarrten. 'Luìs!' entfuhr es mir und augenblicklich schossen mir die Tränen in die Augen. Verzweifelt presste ich mir die Hand auf den Mund. Kraftlos sackte ich wieder zu Boden. War es möglich? Hatte der Schuss ihm gegolten? Hatten sie ihn getroffen? Unruhig tänzelte Salvador um mich herum. Ihm gefiel nicht, wie ich da auf dem Boden lag und starr zum Himmel blickte. Ich hätte gerne geweint, aber es ging nicht.

-->´Natürlich muss ich an so einer 'spannenden' Stelle aufhören :D
Bitte lasst einfach kurz euer Feedback hören..


♥iLoveYou♥ Linaa

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Tag der Veröffentlichung: 25.10.2011

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