Das weite Land liegt vor mir. Um mich herum ist dichter Wald, aus dem ab und zu Geräusche von wilden Tieren zuhören sind. In der Ferne sehe ich ein kleines Bauernhaus. Deren Koppeln sind schon lange leer, keine Tiere sind dort zu sehen. Es ist wunderschön ruhig und dennoch angenehm laut.
In dem Haus ist kein Licht mehr an. Der Weg auf dem ich gehe, ist uneben, wie Landwege halt sind. Ich brauche nicht lange, bis ich den Hof erreiche und auch nicht lange, bis ich in dem kleinen Haus bin, in dem einige Zimmer vermietet werden. Ebenso schnell habe ich das Zimmer ausfindig gemacht, zu dem ich will. Lautlos öffne und schließe ich die Tür zu dem kleinen Raum, im dem ein Doppelbett, ein Tisch mit zwei Stühlen und ein großer, rustikaler Kleiderschrank stehen. Damit ist das Zimmer auch schon voll. Der Hund, der auf dem Boden liegt, hebt den Kopf, stellt die Rückenhaare auf und fängt ängstlich an zu knurren.
„Psst.“ flüstere ich ruhig. Ich kann ihm nicht verübeln, dass er knurrt.
„Schlaf weiter.“ und schon legt der Hund seinen Kopf nieder, schließt die Augen und fällt in einen ruhigen, tiefen Schlaf. Ich gehe zu dem Bett, in dem zwei Personen schlafen. Ich kenne sie. Sie, die einen Arm um ihn legt.
„So wolltest du nie mit mir schlafen.“ flüstere ich leise, gehe um das Bett herum, drehe sie von ihm weg, lege den Hals frei und ramme meine wunderschön im Nachtlicht leuchtenden Zähne in ihn. Schnell füllt dickflüssiges, warmes Blut meinen Mund. Der Herzschlag der Frau geht erst aufgeregt, wird aber mit jedem tiefen Schluck den ich nehme, langsamer. Nach nicht einmal einer Minute lasse ich von ihr ab. Der Druck des Blutes hat nachgelassen, sodass ich anfangen musste zu saugen. Etwas an Blut soll ihr noch bleiben, denn sie soll noch leben. Die kleinen Einstichlöcher beginnen sich sofort zu schließen, nachdem ich die Lippen von ihrer Haut entferne.
Ich lecke mir über die Lippen und merke, dass ihr Blut meinen Magen fast vollständig gefüllt hat. Ich beschließe deshalb, meinen Plan noch nicht sofort umzusetzen, sondern noch etwas zu warten, bis das Blut wenigstens teilweise verdaut ist. Außerdem kann ich ihm so noch etwas beim schlafen zusehen.
Bevor ich mich zum Verdauen hinsetzte, lege ich meine Hände auf die Schläfen der Frau und verbinde ihren Geist mit meinem. So halte ich sie noch etwas am Leben. Ihr Körper kann so von meinem, der durch ihr Blut voll Energie ist, am Leben gehalten werden.
Er beginnt sich zu bewegen, dreht sich aber nur auf die andere Seite und schläft gleich wieder ein. Er merkt meine Präsenz, aber sie ist nicht stark genug, um ihn aus seinem tiefen Schlaf zu wecken. Leise nehme ich mir einen Stuhl und setzte mich auf seine Seite.
Ich weiß nicht, wie lang ich da saß und ihm beim schlafen beobachtet habe, als ich merke, dass nun immer mehr leben aus der Frau verschwindet. Bis ihr Körper stirbt und damit die Verbindung unterbricht, dauert es nicht mehr lang. Aber ich werde ihr kein Gutes tun und sie schnell erlösen. Soll sie einen langsamen Tod haben.
Nach einer Weile dreht er sich zu ihr um und legt einen Arm um sie. Im Halbschlaf bemerkt er, dass sie unnatürlich kalt und starr ist. Langsam kehren seine Sinne in die Realität zurück. Er setzt sich auf und blickt sich im Raum um. Er kann nichts erkennen, aber er spürt meine Anwesenheit jetzt ganz deutlich. Das was er im Schlaf gespürt hat, war für ihn nur ein unangenehmer Traum. Ich spüre seine wachsende Angst vor dem Unbekannten, stehe lächelnd auf, gehe zum Fenster und entzünde die Kerze, die dort auf der Fensterbank steht. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er auf die Kerze, dann auf mich.
„Was machst du hier?“ flüstert er und ich weiß genau, dass ihm tausend Fragen im Kopf rumschwirren, er aber nur diese eine rausbekommt.
„Ich wünsche dir auch eine wunderschöne Nacht!“ sage ich sarkastisch.
„Und warum ich hier bin? Ich habe dir beim Schlafen zugesehen.“
„Du darfst gar nicht…“ beginnt er laut.
„Du darfst gar nicht hier sein. Wie hast du uns gefunden?“ flüstert er nun.
„Du brauchst nicht zu flüstern, sie kann dich nicht hören. Was meinst du mit uns?“ frage ich gespielt unwissend.
„Ich habe dich gefunden. Sie interessiert mich nicht, wie du siehst.“
„Was ist mir ihr?“ er dreht sie zu sich um und erschreckt vor ihren verdrehten halb geschlossen Augen.
„Sie ist so gut wie tot.“ sage ich trocken und stehe immer noch gemütlich an die Fensterbank gelehnt im Kerzenlicht.
„Und ja, das war ich, um deine nächste Frage schon zu beantworten. Sie hat viel Blut verloren.“ je normaler ich rede, um so mehr spüre ich seine Angst. Er starrt sie einfach nur an, weiß nicht wohin mit seiner Angst, Trauer, Wut und Unwissenheit.
„Ich hab eine Verbindung zu ihr aufgebaut, solange ich diese aufrecht erhalte, außer ihr Körper stirbt, wird sie leben. Dadurch hört sie, wenn sie überhaupt was hört, nur mich.“ erkläre ich. Er springt auf und beugt sich über sie.
„Lass es sein, es bringt nichts.“ ich gehe zu ihm und fasse ihn vorsichtig an den Arm. Er schlägt meine Hand weg und versucht sie wiederzubeleben. Ich setzte mich zurück auf meinen Stuhl und unterbreche die Verbindung. Erschöpft lehne ich mich zurück und atme schwer aus.
„Ich wollte sie eigentlich in ein anderes Zimmer schicken, damit sie uns nicht mit ihrem sterben ablenkt, aber ich war zu gierig.“ gebe ich ruhig zu und setzte mich zu ihm aufs Bett. Noch immer versucht er sie wach zu kriegen.
„Versuche es nicht weiter, sie ist bereits tot.“ er dreht sich rum zu mir, völlig durcheinander.
„Was willst du hier?“ er ist sauer, er versucht mich zu hassen. Warum weiß er nicht. Sein Gehirn kann alles nicht so schnell verarbeiten, seine Gefühle überschlagen sich. Wahrscheinlich denkt er, er wäre in einem Alptraum gefangen.
„Wie ich schon sagte, ich wollte sie beim schlafen zusehen.“
„Warum?“
„Ich hatte Langweile und Hunger.“
„Warum tust du mir das an?“ Warum?“ fragt er darauf los.
„Diese Frage habe ich dir auch gestellt, weißt du noch? Ich habe bis jetzt keine Antwort von dir bekommen. Im Gegensatz zu dir, habe ich einen Grund, der bleibt aber meiner.“ antworte ich.
„Weißt du, es hat sich viel verändert in der Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben. Sagen wir so, ich bin erwachsen geworden. Ich bin frei. Ich habe sogar einen Mann kennengelernt, dem ich ewige Treue geschworen habe, so wie er mir. Genau dieses möchte ich auch bei uns beiden erreichen. Ewige Treue. So wie mein Meister es getan hat und es mir gelehrt hat, werde ich dich fragen, aber egal, wie du antwortest, ich habe für dich schon entschieden.“ er sieht mich mit einer Mischung aus Angst, Wut, Hass und dennoch Neugier an.
„Um die jetzt die ganze Geschichte zu erzählen, fehlt mir… fehlt uns die Zeit. Es wird bald hell und wir müssen bald los. Also frage ich dich, bevor mein Meister mich mit einer Hand in der Luft zerreißt: Willst du mir ewige Treue schwören, so wie ich sie dir schwören werde?“
„Was hast du vor?“ fragt er verängstigt und rutscht von mir weg.
„Was denkst du? Ganz ehrlich.“ frage ich ruhig.
„Ich weiß es nicht, dass gleiche wie mit ihr?“ er kann nicht nachdenken, soviel Panik und Angst ist in ihm.
„Beantworte mir die Frage, dann wirst du es sehen.“ ich rutsche ein Stück zu ihm. Es dauert nicht mehr lang, bis die Sonne aufgeht.
„Was hast du vor?“ fragt er wieder.
„Weißt du was mich wundert?“ ich lächele und rücke ein Stück näher.
„Normalerweise fragen Menschen an dieser Stelle, was ich bin. Aber du hast diese Frage noch nicht einmal gedacht. Du kennst die Antwort auf die Frage, deswegen weißt du auch, was ich mit dir machen werde. Also beantworte doch einfach meine Frage.“ ich lächle wieder, diesmal zeige ich jedoch meine Zähne. Er sieht mich entgeistert an, als er meine ausgefahrenen Zähne sieht und rutscht in lauter Panik noch weiter weg von mir.
„So, jetzt hast du Gewissheit, dass du mit deiner Vermutung recht hast, also beantworte nun meine Frage.“ er schüttelt langsam den Kopf.
„Soll das nein heißen?“ frage ich nach.
„Wie kann das sein? Das ist alles nur ein Traum!“ seine Stimme zittert, er ist kurz davor einen Panikanfall zubekommen.
„Wenn es ein Traum wäre, meinst du, du wärst nicht schon längst aufgewacht?“ ich lächel wieder.
Noch nie hab ich ihn so außer Fassung gesehen.
„Kannst du dich noch an unseren vielen Gespräche erinnern? Wir sind immer zu dem Schluss gekommen, dass es Übernatürliches gibt und ich bin nun der lebende Beweis dafür.“
„Ich verstehe nicht. Ich verstehe das alles nicht.“ er zweifelt an seinem eigenen Verstand.
„Komm her, dann lasse ich dich verstehen.“ sage ich freundlich und winke ihn zu mir ran. Er rührt sich nicht vom Fleck.
„Dann muss ich mich bewegen.“ kaum hab ich das ausgesprochen, springe ich zu ihm und drücke ihn in die Matratze.
„Es tut nicht weh. Sein ganz ruhig, hab keine Angst.“ flüstere ich beruhigend. Die Worte wirken, dennoch halten ich mit meinen Beinen seine Arme fest an seinen Oberkörper gedrückt. Vorsichtig drehe ich seinen Kopf zu Seite, sodass sein Hals freiliegt. Voller Vorfreude lecke ich mir die Lippen und versenke meine Zähne in seinen Hals. In tiefen Schlucken nehme ich erstmal so viel von ihm, wie mein Körper braucht. Dann verlangsame ich meine Schlucke, lege ihm meine Hände auf die Schläfen und stelle eine tiefe Verbindung zu ihm her. Es wird nun nicht mehr lange dauern, bis er anfängt, stärker zu werden und versuchen wird, von mit zu trinken.
Als ich merke, wie seine Kraft unter mir wächst, lasse ich von ihm ab und ziehe mich zurück. Ich stelle mich vor das Fenster und mache mich auf einen Kampf bereit. Doch er macht nichts. Er bleibt ruhig liegen, atmet schwer und bewegt weder Glied noch Muskel.
„Danke.“ keucht er.
„Wofür bedankst du dich?“ ich bin verwirrt, habe ich etwas falsch gemacht?
„Für all das, was du für mich getan hast und noch immer tust.“ ich blicke aus dem Fenster. Wenn er so weiter macht, muss ich ihn umbringen, um lebend aus der ganzen Sache zu kommen.
„Wir müssen los, es wird bald hell.“ noch immer bewegt er sich nicht.
„Lass mich einfach liegen und sterben.“ sagt er. Er weiß nicht so recht, was mit ihm passiert.
„Wie willst du sterben? Du kannst nicht einfach so sterben.“ sage ich kurz. Er fährt mit der Zunge über seine nun vor Hunger ausgefahrenen Zähne und hebt den Kopf.
„Du brauchst nicht fragen, was das ist. Du weißt es. Ich habe gesagt, ich lasse dich verstehen. Versuche es zu sehen und du wirst verstehen.“ fordere ich ihn auf. Langsam lasse ich mich neben dem noch immer schlafenden Hund nieder und kraule ihm hinter den Ohren.
„Sie lassen wir hier, sie wird ein gutes zu Hause finden.“ sage ich und wecke den Hund aus seinem tiefen Schlaf.
„Wohin gehen wir?“ langsam scheint er zu verstehen.
„Nach draußen in die Welt. Du brauchst Nahrung, du wirst schwächer.“ nicht nur er wird schwächer, auch ich. Er lebt solange von mir, bis die notwendige Verbindung getrennt ist. Und wenn er überleben soll, kann ich die erst nach seiner ersten Mahlzeit trennen.
„Lass uns gehen“ sage ich und gehe zur Tür. Er ist inzwischen aufgestanden. Nun folgt er mir. Wir verlassen das Zimmer und das Haus. Im angrenzenden Kuhstall brennt Licht. Ich gebe ihm ein Zeichen.
„Sie wird dir Kraft geben. Ich zeige dir, wie du das machst.“
Wir gehen im Schatten zum Stall, wo eine junge Frau gerade die Kühe füttert.
„Du bleibst hier und lernst.“ fordere ich auf und laufe lautlos zu ihr.
„Verzeihung?“ sie schreckt zusammen, fährt rum und steht genau vor mir. Sie blickt mich ängstlich an.
„Es passiert nichts.“ sage ich und versetzte sie in Trance.
„Komm her.“ er kommt aus seinem Versteck zu mir.
„Iss dich satt, wir müssen los.“ ich gebe der schlaffen Frau einen Schubs, er fängt sie auf und vergräbt sofort seine Zähne in ihren Hals.
Als sie fast leer getrunken ist, unterbreche ich die Verbindung zu ihm und wir bette sie im Heu. Gemeinsam verlassen wir den kleinen Bauernhof und damit unsere Vergangenheit. Bis zum dunklen, schützenden Wald bewegen wir uns schneller als das das menschliche Auge es wahrnehmen kann.
Dort angekommen, verlangsamen wir unsere Schritte und genießen noch die letzten dunklen Stunden an der frischen Luft, bevor wir uns eine Bleibe für den hellen Tag suchen.
Texte: Text und Foto fallen unter mein Copyright!
© Lily Turner
Tag der Veröffentlichung: 12.02.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für einen besonderen Menschen,
der mir sehr viel Leid gebracht,
aber auch wundervolle Tage geschenkt hat.