»Schon wieder Stromausfall…« Verärgert griff Franziska zu der Streichholzschachtel, die sie immer sicher auf der Kommode wusste. Das leise Zischen beim Anzünden des Streichholzes kam ihr in letzter Zeit viel zu bekannt vor. Während sie die Flamme an den Docht einer Kerze hielt, dachte sie angestrengt darüber nach, bei wem sie endlich Beschwerde einreichen könnte. Das hatte sie sich vorgenommen, seit Stromausfälle zur Regelmäßigkeit wurden.
Sie platzierte die Kerze auf dem Tisch und beugte sich wieder über die Bilder, die am Tatort ihres aktuellen Falls gemacht wurden. Seit sie vor drei Monaten nach Dortmund versetzt wurde, war dieser erst ihr vierter Fall. Allerdings war es der erste, der ihr schon beim Betrachten der Bilder Kopfschmerzen bereitete. Normalerweise hatte sie immer sofort einen Verdacht, der meistens sogar richtig war. Doch diesmal… Sie schreckte auf als mit einem Flackern das Licht wieder anging.
Franziska stand auf, blies die Kerze aus und begab sich in die Küche. Es war noch etwas von dem Tee da, den sie sich vor ein paar Stunden gekocht hatte. Er war natürlich schon kalt, doch das störte sie nicht. Die Kommissarin war es gewohnt, denn auf dem Präsidium gab es selten frischen Kaffee.
Wie um eine weitere Ausrede finden zu wollen, nicht am Fall weiterarbeiten zu müssen, setze sie sich an den Computer und schaute in ihr E-Mail-Postfach.
»31 ungelesene Nachrichten…«, murmelte sie leise vor sich hin. »Was die immer alle wollen!«
Sie nahm einen Schluck Tee und löschte kurzerhand alle Nachrichten, die ihr unwichtig erschienen.
Den Rest überflog sie kurz. Doch an einer Nachricht blieb Franziskas Blick haften. Sie kam von ihrem Kollegen Alexander Berger. Die Beiden kannten sich erst knapp zwei Wochen, doch Berger war jemand, der nicht schrieb, wenn es nicht wirklich wichtig war.
Sie öffnete die Mail und las:
»Sie denken, ich sei Berger. Bin ich nicht. Ich kenne sie. Aber sie mich nicht. Sie sind neu hier. Drei Wochen. Sie denken, sie hätten schon alles gesehen. Haben sie nicht. Das weiß ich. Was wissen sie?«
Franziska schauderte. Wollte ihr Kollege sie hereinlegen? Nein, das passte nicht zu ihm. Jemand hatte seinen E-Mail-Account gehackt und ihr geschrieben. Aber was wollte er damit bezwecken? War es eine Warnung? Eine Drohung?
Sie beschloss, darüber morgen mit Berger zu sprechen und jetzt erst einmal schlafen zu gehen.
Während sie schon im Halbschlaf in ihrem neuen Bett lag, dachte sie noch einmal über ihren Fall nach. Da war eine Frau, ermordet, erstochen. Aber es war keine einzige Spur des Täters zu finden. Sogar die Tatwaffe hatte er liegen gelassen, aber auch sie war wie neu. Nicht einmal Fußabdrücke oder Spuren eines Kampfes waren am Tatort gefunden worden. Also keine Affekthandlung, sondern alles genauestens durchgeplant. Solche Täter hatte sie ja am liebsten…
Natürlich hatte sie schon in Erwägung gezogen, dass der Mord an einem anderen Ort stattgefunden hatte. Aber allein zum Fundort gelaufen war die Leiche sicher nicht.
Mit diesem doch eher unschönen Gedanken im Hinterkopf schlief sie ein.
Am nächsten Morgen wurde Franziska durch eine ohrenbetäubende Mischung aus dem Klingeln des Weckers und ihres Handys geweckt.
Sie schlug auf gut Glück irgendwo auf ihren Nachttisch und traf auch den Wecker.
Dann ging sie an ihr Handy.
»Was?«, brummte sie.
»Wo bleibst du?«, tönte die aufgeregte Stimme ihres Kollegen.
»Ich bin zuhause im Bett und stehe jetzt auf, um dann pünktlich in einer halben Stunde im Präsidium zu sein!«, rief sie verärgert.
Berger seufzte. »Beeil dich wenigstens.« Dann legte er auf.
Verwirrt und verärgert zugleich stieg sie aus dem Bett.
Die morgendliche Hygiene kam etwas kurz, da sie wusste, dass es besser war, Bergers Anweisung zu folgen und sich zu beeilen.
Am Präsidium angekommen wurde sie schon von ihrem Kollegen empfangen, der ihr mit einer schroffen Geste bedeutete, sich wieder ins Auto zu setzen und ihm zu folgen.
Während der Fahrt fragte Franziska sich, was hier überhaupt los war. Doch als sie um die nächste Biegung fuhren, sollte diese Frage schlagartig geklärt werden.
Schon von weitem sah sie die Polizeiautos, die Absperrungen und all das, was an einem Tatort immer zu finden war.
Sie parkte, und als sie ausstieg kam ihr Berger entgegen.
»Mord. Da hinten.«, sagte er knapp und deutete auf einen Punkt zwischen den Bergen aus Sand und Erde, die hier auf der Baustelle aufgehäuft wurden. Was auch sonst; ohne einen Mord wäre sie nicht hier.
Tag der Veröffentlichung: 16.02.2013
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Widmung:
Für alle, die Krimis lieben