Er stand einfach nur da. Konnte nicht denken. Konnte nicht sprechen. Konnte nicht fühlen. Wollte nicht fühlen. Er hätte den Schmerz nicht ertragen können. Eine einzelne Träne rann an seiner Wange hinunter und hinterließ eine glitzernde Spur auf seinem ausdruckslosen Gesicht.
„Es tut mir leid“, sagte David leise und wandte sich zum Gehen. Er konnte diesen Anblick nicht ertragen. Langsam quälte er sich in Richtung Tür. Mit jedem Schritt entfernte er sich weiter von ihm. Von seinem Lebensinhalt. Dem einzigen, was ihm wichtig war.
Er dachte an all die schönen Momente, die sie gemeinsam erlebt hatten, an all den Spaß, den sie hatten. Und das alles wollte er nun aufgeben wegen einem kleinen Funken Scham?
Er kam sich so lächerlich vor. Er konnte es nicht. Abrupt blieb er in der Tür stehen. War er noch da? Stand er noch am selben Ort wie gerade? Oder hatte er sich abgewendet? War er gegangen und hatte es so akzeptiert? Ein Schauer überlief ihn. Diese schreckliche Vorstellung machte ihm sehr zu schaffen. Er nahm alle Kraft zusammen und drehte sich langsam um.
Da stand er. Zitternd. Mit immer noch derselben ausdruckslosen Mimik. Doch David erkannte dahinter, was viele nicht zu sehen vermochten.
Er lief. Er lief zu ihm und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis er ihm um den Hals fiel.
Ryan hatte seine Umarmung instinktiv erwidert, aus Gewohnheit. Warum tat er das?
Hatte David es sich anders überlegt? Oder wollte er sich verabschieden?
„Ich kann nicht“, hauchte David in Ryans Ohr. „Das war so lächerlich von mir…“ Er kuschelte sich etwas mehr in die Umarmung. „Es tut mir so leid. Aber… mir ist gerade etwas klar geworden.“
Während er ihn im Arm hatte, ihn festhielt, seinen Worten lauschte und den Duft seiner Haare einatmete, wurde ihm zum wiederholten Mal bewusst, wie sehr er David brauchte. „Und zwar?“ Er versuchte, seine Stimme fröhlich klingen zu lassen, doch es gelang nicht wirklich.
„Ich… brauche dich… Du bist das Wichtigste in meinem Leben… Es wäre der größte Fehler in meinem Leben, ach was, überhaupt gewesen, was ich da gerade fast getan hätte…“
Er sah Ryan immer noch als seinen Beschützer, bei dem er sich verstecken und einkuscheln konnte. Er sah ihn auch als den, mit dem er über alles reden konnte. Und dann sah er ihn noch, als das was er war: Der wundervollste, liebste, witzigste, tollste Mensch den er je kennen gelernt hatte.
Ryan hatte sich merklich angespannt. Immer noch hielt er David fest in seinen Armen wie ein weinendes Kind. Diese Dinge, die er da gesagt hatte… Als könnte er in sein Herz schauen.
Er drückte ihn noch etwas fester an sich. Was kam jetzt?
David war sich nicht sicher. Was, wenn er es nicht… Daran mochte er gar nicht denken. Er hatte sowieso schon alles zerstört. Und doch spürte er, dass es an der Zeit war. Er richtete sich etwas auf und flüsterte in sein Ohr: „Ich liebe dich.“
Alles an ihm spannte sich an. Zum letzten Mal war er mit vier Jahren sprachlos gewesen. Nun war er es wieder. Sie waren schon seit zwei Jahren ein Paar, aber das hatte noch nie einer von beiden gesagt. Er wusste nicht ob er lachen oder weinen sollte.
„Ich… bin so glücklich!“, sagte er und sah ihm tief in die Augen. „Ich liebe dich auch.“, sagte er sanft und küsste ihn.
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2013
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