Cover

„Hallo, ich bin wieder zu Hause!“, rief ich, als ich die Tür aufgeschlossen hatte. Meine Mutter antwortete mir sofort und es hörte sich an als ob es aus der Küche kam:„Hallo Hase, wie war die Schule?“ „Ganz okay, naja außer des Lateinunterrichts Herr Kellermann hat heute schon wieder an mir und meiner mündlichen Leistung gemeckert! Ich mag ihn nicht und ich glaube, dass er mich nur nicht mag, weil er auch in Russee wohnt!“ Inzwischen war ich durch unseren kurzen Flur in unsere Küche gelangt und schaute meiner Mutter über die Schulter. „Mom, was kochst du da? Das sieht ungenießbar aus!“ Meine Mutter zog die Unterlippe zu einem Schmollmund vor und antwortete traurig: „Das sieht auch kein bisschen so aus wie in diesem neuen chinesischen Kochbuch.“ Ich schaute auf das Bild, auf das sie zeigte und schüttelte mit dem Kopf. Meine Mutter bekam so etwas einfach nicht hin, was dass betraf war ich ihr um Meilen voraus. Oft kochte ich zu Hause, aber in der letzten Zeit hatte ich kaum noch Zeit dazu, da ich sehr oft bis in den Nachmittag hinein Unterricht hatte und erst gegen halb vier wieder zu Hause war. Meine Mutter kochte also eigentlich nur für sich alleine, doch heute hatte ich früher Schulschluss gehabt und deswegen wollte sie zur Feier des Tages für uns beide kochen.
Endlich war das Essen fertig geworden und meine Mutter füllte es in eine Schüssel um, um es auf unsren Estisch zu stellen. Währendessen hatte ich zwei Teller aus dem Schrank neben dem Geschirrspüler und zwei Paar Stäbchen aus dem darüber liegenden Schublade geholt, damit ich den Tisch decken konnte. Als wir endlich saßen, bemerkte ich erst, dass meine Mutter mich von oben bis unten musterte. Ich schluckte einen Bissen hinunter und schaute sie genauso an wie sie mich ansah, bis sie endlich das Schweigen brach und mir genau das erzählte was ihr auf dem Herzen lag: „Charlotte“, ich hasste es wenn sie mich Charlotte nannte „ Du bist doch ein großes Mädchen.“ Dies war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ja, Mom, das bin ich.“ „Und du würdest jedes Problem wie eine Erwachsene behandeln, oder?“ Dieses Mal war es eine Frage, doch ich konnte nicht antworten, deswegen schaute ich sie verständnislos an. „Hase? Ist alles okay bei dir?“, fragte meine Mutter panisch „Du bist so blass! Charly, ich rede mit dir! Ist dir schlecht?“ Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden. „Ja, alles okay“, antwortete ich nüchtern „Aber komm bitte auf den Punkt.“ Mir schwirrte immer noch der Kopf, ich hatte eine leise Ahnung, weshalb sie mich fragte, ob ich mit Problemen wie eine Erwachsene umgehen könne und nun bestätigte meine Mutter sie auch noch: „Charly, ich werde mich von deinem Vater scheiden lassen.“ Ich starrte sie nur ungläubig an.
In letzter Zeit hatten sich meine Eltern sehr häufig gestritten. Meistens jedoch abends, wenn sie dachten, dass ich schliefe. So manches Mal konnte ich wegen dieser Streitereien konnte ich so manches Mal die Augen nicht zu machen und weinte bis Tief in die Nacht hinein. Doch bisher versöhnten sich die beiden nach jedem Streit wieder, trotzdem wusste ich, dass meine Eltern nicht mehr lange verheiratet sein würden und dass mit jedem Streit ein Stückchen mehr von ihrer Ehe zu Bruch ging.
Als nun meine Mutter mir erzählte, dass sie sich von meinem Vater scheiden lassen wolle, brach für mich endgültig eine Welt zusammen, meine perfekte Märchenwelt, in der es nur meine Mutter, meinen Vater und mich gab, in der die Liebe regierte und in der ich gerne lebte.
Vor den Augen meiner Mutter fiel ich vom Stuhl und blieb auf dem Fußboden liegen. Mir liefen in ganzen Sturzbächen die Tränen an meinen Wangen hinunter und ich wollte nicht mehr aufhören zu weinen, egal wer in mein Leben trat oder was passierte. Durch den Schleier meiner Tränen sah ich, wie meine Mutter auf mich zukam und kurz darauf spürte ich, wie mich jemand hochhob und in mein Zimmer trug. Ich wehrte mich nicht, ich bewegte mich nicht, ich spürte nur den stechenden Schmerz in meiner Brust, es fühlte sich an, als ob jemand mein Herz in tausend Stücke zerriss und die Fetzten so klein waren, dass sie nie wieder zusammen wachsen können. Ich wollte es nicht wahr haben, ich wollte meine perfekte Welt zurück, in der ich mich so wohl gefühlt hatte und in der nichts kaputt gehen konnte. Ich fragte mich ununterbrochen, ob ich in irgendeiner Weise Schuld an dieser Trennung sein könnte oder ob ich irgendetwas daran ändern könnte. Doch ich war nicht Schuld an der Trennung und ich konnte sie auch nicht verhindern, egal was ich machte, meine Eltern machten jeden Plan zu Nichte. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Ich traf mich kaum noch mit Freunden und wurde immer schlechter in der Schule. Irgendwann wurde meine Mutter zum Schulleiter gerufen, da ich nur noch fünfen und sechsen schrieb. Die Schulleitung meinte, wenn ich nicht besser werde würde, würde ich sitzen bleiben oder vom Gymnasium auf eine Realschule wechseln müssen. Meine Mutter entschuldigte sich für mein Leistungstief und erklärte dem Direx die momentane Situation und sagte, dass ich auch zu Hause nicht anders wäre. „Sie leidet sehr unter, der bevorstehenden Scheidung von meinem Mann und mir. Ich weiß nur leider nicht wie ich es ihr leichter machen soll, sie redet nicht mehr mit mir, schon seit Wochen nicht mehr. Sie will es einfach nicht wahr haben!“, schluchzte meine Mutter. Der Rektor konnte ihr jedoch auch nicht helfen, also ging sie zur Schulpsychologin und erklärte mein Problem. Nach einem ausführlichem Gespräch über mich und meine Umgebung, riet die Psychologin meiner Mutter, mich in ein Internat zu schicken, je weiter es von meinem gewohnten Umfeld entfernt wäre, desto besser für meine seelische Genesung.
Und nun sind wir in der Gegenwart angelangt in der nichts so läuft wie es sollte. Ich sitze im Zug Richtung München und ich langweile mich. Zug fahren hat mir noch nie richtig Spaß gemacht, wieso sollte es mir also jetzt Spaß machen? Das einzig interessante ist der Junge neben mir, der sieht nämlich sehr gut aus, er hat blonde Haare, blaue Augen und sieht aus, als wäre er direkt aus dem Urlaub gekommen, so braun ist er. Er schaut mich schon die ganze Fahrt lang an und immer, wenn sich unsere Blicke treffen, werde ich rot und schaue ganz schnell in eine andere Richtung. Ich trau mich einfach nicht in seine wunderschönen und ozeanblauen Augen zu schauen, ich bin zum ersten Mal richtig schüchtern. Nie zuvor hatte ich so ein Gefühl, es war heftig und es machte mich glücklich. Es fühlt sich an als hätte man Millionen von Schmetterlingen oder Flugzeugen im Bauch und zum ersten Mal seit langen, kann ich wieder lächeln. Alle meine Sorgen von der Scheidung meiner Eltern, die nun schon zwei Wochen her ist, sind vergessen und meine Gedanken sind voll mit Bildern von diesem Jungen. Ich denke die ganze Zeit nur an diesen wunderschönen Jungen.
Plötzlich reißt mich eine unwiderstehliche Stimme aus meinen Träumereien: „Wo fährst du denn hin?“ Vollkommen verdutzt blicke ich auf und schaue in die schönsten Augen die ich je gesehen habe „Nach München und dann nach Kempten in das dortige Internat“, antwortete ich reflexartig. „Ach ne, das ist ja schön, dann brauche ich nicht alleine fahren. Ich bin übrigens David, aber alle nennen mich Dave.“ Ich grinse ihn an. „Ich heiße Charlotte aber eigentlich werde ich Charly genannt. Wie ist das Internat denn so? Gibt es irgendetwas, das ich im Voraus wissen sollte?“, fragte ich ihn. „Charly passt zu dir und deinen braunen Haaren und Augen“, sagte er einfach nur, doch es hörte sich ein bisschen träumerisch an. „Und Dave passt zu deinen ozeanblauen Augen!“, rutschte es mir heraus und ich lief wieder rot an. Ich hatte es eher aus Reflex gesagt, aber es stimmte nun einmal und dafür muss ich mich wirklich nicht schämen. „Danke für das reizende Kompliment! Ich werde es bei Gelegenheit wieder gut machen.“, grinste er mich an „Und wie ist nun mit dem Internat so?“, drängelte ich ungeduldig um ihn abzulenken. Ich überlege, ob das Internat so schlimm sein kann, wenn ein Junge wie der, der gerade vor mir sitzt, dorthin geht. „Mit Herrn Glaser musst du dich anfreunden, sonst hat man sehr schlechte Karten bei ihm. Frau Habeck ist eine sehr ruhige Lehrerin, doch sie ist immer nett, zu allen aus der Klasse. Mit den Sportlehrern ist das so eine Sache, sie bevorzugen immer die Jungs und die Mädchen werden, dann immer so ein bisschen an den Rand gestellt und gucken uns Jungen eigentlich nur beim Sport zu. Doch wenn du sportlich bist, dann kann es sein, dass du auch richtig am Sportunterricht teilnehmen kannst. Und der Rest der Lehrer ist unkompliziert, mit denen solltest du eigentlich keine Probleme haben.“, antwortete er mit einem Lächeln auf den Lippen und einem in der Stimme. Ich glaube er mag mich und ich weiß, dass ich in ihn verliebt bin. Wer weiß, vielleicht bin ich irgendwann einmal mit ihm zusammen. Und schon fing ich an Tagträume zu träumen, in denen es nur um ihn und mich geht, in dem einen küssen wir uns, in einem anderen laufen wir Händchen haltend an der Kieler Hörn entlang und in wieder einem anderen Tagtraum haben wir einen Sohn der genauso blaue Augen hat, wie Dave. Wieder schreckt mich Dave mich aus meinen Tagträumereien: „Wieso kommst du denn erst in der Mitte des ersten Halbjahres in unser Internat? Bist du von der Schule suspendiert? Oder welchen Grund hast du?“ Ich sah ihm einmal in seine Augen und konnte nicht anders, als ihm den wahren Grund für meinen plötzlichen Schulwechsel zu erzählen. Als ich endlich fertig war merkte ich, dass mir Tränen in den Augen standen, ich wischte sie betreten aus meinen Augenwinkeln. Dave schaute mich verständnisvoll an und im nächsten Moment geschah etwas, das ich nie erwartet hätte. ER nahm mich in seine Arme, um mich besser trösten zu können. „Alles okay, alles wird wieder gut!“, versuchte er mich zu trösten „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Ich war viel zu aufgelöst, um ihm richtig zuhören zu können, doch der Klang seiner einzigartigen Stimme beruhigte mich mehr, als alle anderen Stimmen zusammen. Meine Tränen, die zwischenzeitig wieder zu Sturzbächen geworden waren, wurden immer weniger, bis sie endlich versiegten. Nun sah ich ihn aus verquollenen Augen an „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich gerade fühle?“, fragte ich nun mit einem aggressiven Unterton. „Ja, ich habe nicht gerade von viel eine Ahnung, aber das weiß ich ganz genau!“, antwortete er mir in einem sehr ruhigen Ton. „Auch ich habe eine ähnliche Situation miterlebt und musste sie ganz alleine durchstehen, aber du wirst nicht alleine da stehen, denn wenn du Probleme hast, kannst du einfach zu mir kommen und ich werde dir dann helfen. Was sagst du zu dieser Idee?“ „Danke, aber… ich will dir mit meinen Gefühlen nicht… auf die Nerven gehen“, nuschelte ich, doch er verstand jedes einzelne Wort „Ich mache das nur für dich, damit du nicht ganz alleine dastehst mit deinem Gefühlschaos! Es ist sehr schwer sich von schrecklichen und traurigen Erinnerungen ablenken zu lassen, es hört sich nahe zu unmöglich an,“ Ich horchte auf, denn es war genauso, wie er es sagte, ich konnte diese schreckliche Erinnerung einfach nicht vergessen und dachte ununterbrochen an diesen Tag an dem mir meine Mutter mir all das erzählt hatte. „Doch Hauptsache ist, dass du dich nicht unterkriegen lässt und dich nicht in irgendeiner Ecke versteckst.“ Ich löste mich aus seiner Umarmung um ihm richtig in sein Gesicht zu sehen. Er sah nun wirklich so aus, als wüsste er genau, wovon er spräche. „Woher kennst du denn dieses Gefühl?“, fragte ich ihn mit noch leicht stockender Stimme. „Mein Vater ist vor einem halben Jahr gestorben, bei einem Verkehrsunfall mit dem Motorrad.“, seine Stimme fing an zu stocken „Der Autofahrer hinter ihm, hat fürchterlich gedrängelt und ist meinem Vater immer näher gekommen, irgendwann hat er wohl nicht aufgepasst, auf jeden Fall hat er meinen Vater gerammt. Mein Vater flog vom Motorrad und fiel einem anderen Autofahrer vors Auto. Er wurde mehrfach überrollt und starb noch am Unfallort. Seine letzten Worte waren, dass er mich und meine Mutter über alles liebe und das wir einfach wie vorher weiter leben sollten, wie vorher, auch wenn er nicht mehr da ist.“ Daves Stimme versagte und nun brach er in Tränen aus. Hätte ich vorher nicht schon alle meine Tränen aufgebraucht, hätte ich jetzt mitgeweint. Als ich ihn nun da so bitterlich weinen sah, konnte ich nicht anders, als ihn in meine Arme zu nehmen und ihm leise beruhigende Worte in sein Ohr zu flüstern, wie er es vorher mit mir gemacht hatte.
Manchmal passieren schon komische Dinge, es war als ob Dave und ich Seelenverwandte wären oder irgendetwas anderes in diese Richtung. Auf eine komische Art und Weise fühlte ich mich zu ihm hingezogen, nicht nur, dass ich in ihn verliebt war, sondern auch noch, dass ich ihm einfach Alles erzählen konnte. Von Anfang an hatte ich ihm alle meine Gefühle anvertraut und er nun mir auch seine. Wir beide waren für einander geschaffen, seit ich ihn sehe habe ich viel bessere Laune und ich bin nicht mehr so Gefühllos wie zuvor.
Als Dave sich endlich wieder beruhigt hatte, fing er ziemlich schnell wieder an mir Fragen zu stellen und ich kam mir vor, als würde ich auf einem Polizeirevier sitzen und mitten in einem Verhör stecken. „Wie alt bist du?“, war seine erste Frage. Natürlich antwortete ich: „Ich bin vierzehn, aber ich werde im Dezember fünfzehn. Und du?“ „An welchem Tag hast du denn geburtstagt?“ -„Am 11. Dezember. Aber gib mir bitte eine Antwort auf meine Fragen!“ –„Nachher bist du dran mit fragen, doch im Moment bin ich noch an der Reihe. Je wenigre du mich unterbrichst, desto schneller bin ich fertig.“ –„Okay.“ „Welches Fach ist dein Lieblings- und welches dein Hassfach?“ –„Ich liebe den Sportunterricht, da ich dort meistens alle Aggressionen rauslassen kann und Mathe ist mein Hassfach, doch das ändert sich meistens dann, wenn die Lehrer gewechselt werden.“ Dave starrte mich gebannt an. „Was für eine Schulempfelung hattest du bei deiner Umschulung?“ –„Ich hatte eine Realschulempfelung, doch meine Lehrerin meinte, dass ich das Gymnasium locker schaffen würde. Sie hat immer sehr stark an mich geglaubt und sie hat mir die Kraft gegeben, auch einmal an mich selbst zu glauben und mich nicht von anderen beeinflussen zu lassen. Sie hat immer zu mir gesagt: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!“ „Wie heißt deine beste Freundin?“ –„Greta“ „Und seit wann seid ihr beide beste Freundinnen?“ –„Ich kenne sie, seit ihrer Geburt und wir haben immer miteinander gespielt, als wir noch klein waren.“ „Wo wohnst du im Moment?“ „In Russee.“ „Hast du dort schon immer gewohnt?“ „Nein früher, als ich noch klein war habe ich in Dietrichsdorf gewohnt, doch als ich fünf war, sind wir umgezogen.“ „Interessant.“, nuschelte er. „Bin ich jetzt dran mit fragen stellen?“, fragte ich verunsichert. „Warte kurz.“ Er überlegte kurz und dann sah ich an seinen Augen, dass er einen Entschluss gefasst hatte, mir irgendetwas zu erzählen. „Du kannst dich anscheinend nicht mehr an mich erinnern.“, sagte er schlicht und einfach. Nun verstand ich rein gar nichts mehr. „Wir kennen uns? Woher?“, ich war total perplex. „Wir konnten damals noch nicht reden, denn es war in der Krabbelgruppe in Dietrichsdorf. Wir wurden immer das kleine Ehepaar genannt, denn wir haben uns immer in einer Ecke geküsst. Hat deine Mama dir das noch nie erzählt? Es standen in jeder Ecke zwei Sofas und die waren genauso weit von einander entfernt, dass wir beide da nach einander durch passten und dann haben wir uns immer geküsst. Am Ende der Krabbelgruppenzeit mussten unsere Eltern uns immer suchen.“, er grinste und bei diesem Grinsen wurde mir ganz warm ums Herz. „Meine Mutter erzählt mir diese Geschichte immer und immer wieder.“ Nun fiel es mir wieder ein! „Du bist der Knutschkönig David?“, fragte ich entgeistert und wurde rot, bei dem Gedanken ihn schon einmal geküsst zu haben. „Ja, so wurde ich immer genannt, bis ich in die Grundschule kam.“, gab er zu. Und nach einer kurzen Zeit sprach er weiter: „Es ist irgendwie gut zu wissen, dass das Mädchen das mir meinen ersten Kuss gegeben hat so schön geworden ist.“ Nun wurden wir beide rot im Gesicht „Danke, ich kann das gleiche nur zurückgeben.“ Während unseres Gesprächs waren sich unsere Gesichter sich immer näher gekommen, doch ohne dass wir es bemerkt hatten, nun schloss Dave seine Augen, ich tat es ihm nach und wir küssten uns. Genauso wie in meinem Tagtraum. Mein Herz bummerte und es fühlte sich an, als ob die Schmetterlinge in meinem Bauch noch mehr geworden waren. Eine Flutwelle von Glücksgefühlen überrollte mich und ich entflog in den siebten Himmel. Nach etwa einer Stunde, zumindest kam es mir so vor, war der schönste Kuss der Welt vorbei, doch ich wurde immer wieder von meinen Glücksgefühlen überrollt. Auf einmal hatte mein Leben wieder einen Sinn. Nur eines zählte, es zählte nur, dass Dave und ich für immer zusammen waren. Auf einmal sagte Dave: „Ich weiß nicht mehr, wie du damals geküsst hast, aber ich weiß dass du mich durcheinander bringst und ich schon ziemlich vernarrt in dich bin.“ Und wir küssten uns schon wieder, doch dieser Kuss hatte Versrechungen, auf eine lang anhaltende und glückliche Beziehung. Ich wollte, dass es nie endete.
Plötzlich sprang Dave auf und schrie hysterisch: „Wir müssen hier raus, das ist der Bahnhof der Schule!“ Wir sprangen auf, rannten in das Gepäckabteil und hievten unsere Koffer aus dem Zug. „Nun müssen wir an den Nächsten zwei Kreuzungen links abbiegen, durch den Wald und dann den Berg dort hinten hinauf, dann sind wir endlich da.“, in seiner Stimme schwang ein wenig Vorfreude mit, doch ich wollte nicht nachfragen. Also machten wir uns auf den Weg. Im Wald war es sehr dunkel, obwohl es noch gar nicht spät war, wohl ungefähr um ein Uhr nachmittags. Ich gruselte mich und immer wenn es irgendwo knackte zuckte ich zusammen. Dave nahm mich in seine Arme und dann gingen wir eng umschlungen weiter. Als wir aus dem Wald kamen atmete ich erleichtert aus. Nun konnte ich deutlich sehen, wie steil der Berg war, den wir gleich hinauf mussten und mein Atem wurde wieder schneller. „Was hast du denn Charly?“, Dave schaute mich entsetzt an. „Ich habe Höhenangst! Ich kann da nicht hoch, sonst kriege ich Panikattacken!“, ich war kurz davor zu weinen. Wie immer, wenn ich etwas nicht wollte, blieb ich ohne dass ich es merkte stehen. Dave versuchte mich weiter zu ziehen, doch ich stand da, als hätte mich jemand in die Erde eingegraben. Schließlich gab er es auf mich zu ziehen und kam zurück zu mir. „Charly, meine liebe Charly!“, begann er mit mir zu zuflüstern „Alles wird gut, du schließt jetzt die Augen und ich führe dich. Du musst mir nur vertrauen, dann wird alles gut!“ Ich schloss meine Augen und entspannte mich automatisch, wie im Schlaf. Dave nahm meinen Arm und langsam gingen wir vorwärts, Schritt für Schritt, Stück für Stück, Meter für Meter den Berg hinauf. Es kam mir vor als wären wir sechs Stunden unterwegs gewesen, als Dave mir endlich sagte, ich könne meine Augen nun wieder aufmachen.
Als ich die Augen geöffnet hatte, sah ich ein riesiges Haus, oder besser gesagt ein riesiges Schloss. Um das Schloss herum war ein Zaun, der aussah, als wollte er jeden, der versuchte zu fliehen, mit seinen langen Eisenstäben aufspießte. Doch das schloss selber war in einem creméfarbenem Ton gestrichen und durch die großen Fenster, konnte man hohe weiße Räume mit roten Vorhängen sehen. „Das ist unser schönes Internat! Willkommen und fühl’ dich wie zu Hause!“, rief Dave, der schon nicht mehr neben mir stand, sondern schon auf den Haupteingang zuging. Ich rannte ihm nach, zumindest versuchte ich es, denn meine Tasche war sehr schwer und sie schliff auf dem Erdboden. Nachdem ich ihn eingeholt hatte, öffnete er mir die Tür und ließ mich zuerst eintreten. Oben auf der Treppe stand eine Frau, die wie Mitte fünfzig aussah. Sie war mir auf den ersten Blick sympathisch, was nicht häufig vorkam. Ihre Haare waren braun, nur im Ansatz wurden sie schon grau. Sie hatte eine gute Figur und sie zeigte sie auch. Sie trug ein sehr Figur betonendes Oberteil, einen knie-langen Rock und ein Paar Stiefeletten. Insgesamt war sie sehr hübsch für ihr Alter. Dave sprang, immer zwei Treppenstufen auf einmal, die Treppe hinauf und umarmte diese Frau. Ich war verwirrt. Nun sprach die Frau endlich und ihre Stimme erinnerte mich an meine Kindheit zurück. „Dave, woher kennst du denn Charlotte?“ „Eigentlich kennen wir uns seit der Krabbelgruppe. Weißt du nicht mehr Mama? Dies ist Charlotte Bootsmann.“ Nun war ich geschockt, jetzt verstand ich, warum sich Dave so auf die Schule gefreut hatte, er sah seine Mutter wahrscheinlich zum ersten Mal seit den Ferien. Daves Mutter wandte sich nun mir zu: „Schön das du angekommen bist Charlotte. Ich bin deine Direktorin und hoffe, dass die Zugfahrt angenehm war“, bei diesem Satz schaute sie Dave mit einem strengen Blick an „und, dass du dich auf eine neue Situation freust.“ Sie drückte sich sehr formell aus und ich versuchte mich so nett wie möglich zu antworten: „Mein Fahrt war sehr angenehm und ich bin froh hier zu sein zu Hause habe ich das Gefühl, total zerdrückt zu werden.“ Meine Gedanken überschlugen sich. Wie konnte so ein gut aussehender Junge der Sohn einer Direktorin sein? Und wie konnte eine So normal aussehende Frau Direktorin eines Internats sein? Ich hatte noch ein paar mehr Fragen, die mir durch den Kopf gingen, doch an die kann ich mich nicht richtig erinnern.
„Ich zeige dir nun dein Zimmer, dass du dir mit einer anderen Mitschülerin teilen wirst“, sagte Frau Buchner, so heißt die Direktorin übrigen, Helene Buchner.
Ich folgte ihr, bis wir im dritten Stock vor einer weißen Tür standen. „Dieser Raum wird dein Schlaf-, Umkleide- und Ruhezimmer sein. Und noch etwas. In die Mädchenzimmer dürfen keine Jungen und du als Mädchen, darfst auch nicht in eines der Jungenzimmer. Hast du sonst noch fragen?“ „Ja, wann gibt es die Mahlzeiten?“ Frau Buchner antwortete sofort: „Um sieben Uhr morgens gibt es Frühstück, um zwölf Uhr gibt es Mittagessen und um sechs gibt es Abendbrot. Jeder, der nicht pünktlich erscheint, bekommt kein Essen mehr, also halte dich an die Uhrzeiten, wenn du nicht verhungern willst.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging den Flur entlang davon und die Treppe hinunter. Zuerst hatte ich Angst die Tür zu öffnen, ich wusste zwar nicht warum, aber es war einfach so, doch schließlich gab ich mir einen Ruck und öffnete die Tür. Im Zimmer standen zwei Betten, von denen nur eines unbewohnt aussah. Auf dem anderen lagen unzählige Stofftiere und ein blumenförmiges Kissen. Neben diesem Bett stand ein Nachtschrank auf dem vier Bücher lagen. Es waren alles Krimis. Wenn die hier erlauben solche Bücher zu lesen, dachte ich, dann kann es hier nicht so schlimm sein.
Ich werfe meinen Rucksack auf mein Bett und fange an aus zupacken. Meine Bücher legte ich, genauso wie meine Zimmergenossin, auf meinen Nachtschrank. Dann nahm ich meinen Koffer mit meiner Kleidung und räumte ein Kleidungsstück nach dem anderen in den leeren Schrank. Endlich war ich fertig und legte mich auf mein Bett um mein Buch weiter zu lesen. In diesem Moment klopfte es an der Tür. „herein!“, rief ich zur Tür. „Ich darf nicht rein, hast du vorhin nicht meiner Mutter zu gehört?“, antwortete mir eine vertraute Stimme. Ich sprang sofort auf und rannte zur Tür um sie zu öffnen. Dave grinste mich spitzbübisch an und umarmte mich und ich ließ es zu, doch dann viel mir ein was ich ihn fragen wollte. „Dave, warum hast du mir nicht erzählt, dass deine Mutter die Schuldirektorin ist?“ Dave wurde rot und guckte auf seine Schuhe, die vom Waldboden nochleicht bematscht waren. „ich dachte, dass du mich dann für so einen Streber und Besserwisser hälst, ich wollte, dass du meine wirkliche Seite siehst und mich nicht benutzt um nicht von der Schule zu fliegen, falls es bei dir einmal so weit kommen würde.“, antwortete er betreten. Ich verstand ihn nicht, so etwas Banales hätte er mir doch sagen können, schließlich war ich nicht so eine die ihren Freund nur als Sprungbrett benutzt. „Ich wurde schon mehrere Male nur benutzt und verletzt. Ich wollte mir dieses Mal ganz sicher sein. Verstehst du?“, er sah mich mit einem seiner Blicke an, die mich sofort dahin schmelzen ließen und ich konnte nicht anders als zu nicken und ihn in meine Arme zu nehmen und ihn zu trösten. Als ich ihn wieder los ließ merkte ich, dass ich Tränen in den Augen hatte. Dave schaute mich verständnislos an: „Wieso weinst du Charly? Willst du mir irgendetwas sagen?“ „Ich weine nur, weil du mir so Leid tust.“, schniefte ich. „Charly, Charly, Charly.“, Dave schüttelte seinen Kopf. „Ich muss dir nicht Leid tun, schließlich ist passiert, was passiert ist und ich glaube ich wäre ohne diesen Schmerz nicht der Selbe, der ich nun bin.“ Damit vermochte er wohl recht haben, aber das änderte nichts daran, dass ich Mitleid mit ihm hatte und ich wollte dafür sorgen, dass er mit mir ganz sicher sein konnte, das ich ihn nicht benutzen wollte um weiter zu kommen. Ich versuchte ihn ab zu lenken: „Dürfen wir beide denn alleine im Park der Schule spazieren gehen oder ist das auch verboten?“ Es klappte Dave sprang sofort darauf an. „Nein wir dürfen uns nur nicht alleine in geschlossenen Räumen, wie unsere eigenen Zimmer, aufhalten. Der Park steht nicht in der Was-ich-nicht-tun-darf-Liste.“ Also gingen wir die Treppen hinunter, aus dem Schulgebäude und dann zum angrenzenden Parkgelände. Auf der Seite der Schule ist ein großer Sandplatz mit Sitzbänken und Laternen. Von diesem Platz aus führen fünf schmale Wege zwischen den Bäumen entlang und in einzelnen Nischen dieser Wege standen immer eine Bank und eine Laterne. Von diesen kleinen Lichtungen war der ‚See der Lilofee’ die schönste Lichtung, denn sie lag an einem kleinen Teich, der aussah als würde dort wirklich die kleine Lilofee hausen. Und am Abend wenn die Sonne untergeht leuchtet der See in rot und orange. Die Lichtung der Lilofee ist die erste Lichtung im Park die ich sehe und Dave brachte mich schnurstracks dorthin. Es war schon sehr kalt am See, obwohl es noch nicht dunkel wurde und ich bekam eine Gänsehaut. „Du frierst ja!“, rief Dave entsetzt. „Ach“, murmelte ich „Das ist nicht so schlimm“ Doch schon zu spät Dave hatte sich schon aus seiner Jacke geschält und reichte sie mir. Ich nahm sie und legte sie mir um meine Schultern. Ich verstand nicht, weshalb andere Mädchen ihn nur benutzt haben, sie hätten viel mehr von ihm gehabt, wenn sie sich auf eine richtige Beziehung mit ihm eingelassen hätten.
Wir setzten uns auf die Bank, die neben der mit Efeu überwucherten Laterne stand. Das Holz war schon verwittert und die Armlehnen waren aus verschnörkelten Eisensträngen. Es war alles so schön, dass ich für einen kurzen Moment Ort und Zeit vergas und nur noch Dave anschaute. Er schaute zurück und so sahen wir uns gegenseitig an. Vor lauter Freude über diesen wunderschönen Tag seufzte ich selig auf. Dave lächelte mich glücklich an und mein Gesicht näherte sich seinem und dann küssten wir uns. Ich bekam wieder dieses Kribbeln im Bauch. Wie schön doch die Liebe ist, dachte und ich lächelte. Dave merkte es und hörte sofort auf mich zu küssen. „Wieso lächelst du?“, fragte er verblüfft. Wieso fragte er, wieso ich lächelte? Das war doch absurd. „Ich lächele, weil ich gerade daran gedacht habe wie schön die Liebe ist und wie schön es ist dich zu küssen.“, antwortete ich ihm auf seine unnötige Frage. „Achso“, nuschelte er „Wenn das so ist können wir dort weiter machen, wo wir aufgehört haben.“ Und so küsste er mich noch einmal, doch dieses Mal nahm sein Kuss mir den Atem. Dave küsste mich aus voller Leidenschaft und ich gab diese Leidenschaft so gut ich konnte zurück.
Es dämmerte schon, als wir uns durch den Park den Weg zurück zur Schule machten. Dave hatte gemeint, dass ich besser auf meinem Zimmer sein sollte wenn meine Mitbewohnerin zurückkommt.
Erbringt mich noch bis zu meinem Zimmer und küsst mich zum Abschied noch einmal. „Wenn du mit den Ziegen nicht klar kommst sagst du Bescheid, okay?“, sagte er und ging den Gang entlang und dann die Treppe hinunter in das Stockwerk der Jungen.
„Bist du die Neue?“, riss mich eine Stimme aus meinen Tagträumen. Ich drehte mich um und sah ein hübsches brünettes Mädchen. Sie sah aus las ob sie sich viel Mühe mit ihrem Äußerem geben würde. „Ja die bin ich“, erwiderte ich und reichte ihr meine Hand. „Ich heiße Charly und wie heißt du?“ „Ich heiße Natalie und bin übrigens deine Mitbewohnerin.“, stellte sie sich vor. Natalie ist ein schöner Name, dachte ich, du nett scheint sie auch zu sein. Und nach ihren Büchern zu urteilen die ich vorhin auf ihrem Nachttisch gefunden hatte schien sie spannende Geschichten sehr zu mögen. Doppelte Freude!
Wir gingen in unser Zimmer. Natalie öffnete die Fenster, setzte sich auf die Fensterbank und holte eine Schachtel Zigaretten aus der Bauchtasche ihres Pullovers. „Willst du auch eine?“, fragte sie mich und hielt mir die geöffnete Schachtel hin. „Nein danke! Ich bin Sportlerin und da darf man nicht rauchen!“, antwortete ich entsetzt. „Das eine was man nicht darf, das andere was man tut.“, erwiderte sie und zündete ihre Zigarette an. Schön blöd sich auf diesem Wege selbst zu zerstören, dachte ich im Stillen. „Du bist sicher das du keine Zigarette willst?“, fragte mich Natalie noch einmal.“ „Nein, ich bleibe dabei!“, antwortete ich nun schon etwas genervt. Sie schenkte mir einen unsicheren Blick und zog noch einmal den Rauch in ihre Lunge. Ich bekam Kopfschmerzen und ging mit einem „Ich muss meine Mutter noch anrufen.“ aus dem Zimmer. Ich ging den Flur entlang und dann die Treppe zu dem Jungenzimmern hinunter. Das Zimmer von Dave fand ich sofort. Es war das zweite Zimmer auf der linken Seite, wenn man von der Treppe kam. Von weitem hörte ich schon das Gelächter und zwischendurch schrie jemand Daves Namen.
Ich musste mehrfach klopfen, bis eine Antwort kam. „Wer ist da?“, fragte eine tiefe Stimme. „Charly!“, antwortete ich. Kaum hatte ich ausgesprochen flog die Tür auf und Dave stand vor mir. „Hey! Und schon eingelebt?“, fragte er und schloss hinter sich die Tür. Ich sah noch wie fünf Köpfe versuchten durch den Türschlitz zu gucken, bevor die Tür sich endgültig schloss. „Ja einigermaßen. Meine Mitbewohnerin scheint ganz nett zu sein.“ „Wie heißt sie?“ „Natalie, aber sie raucht, deswegen bin ich geflüchtet. Ich habe ihretwegen Kopfschmerzen bekommen.“, jaulte ich. Dave umarmte mich und ich tat es ihm nach. Einige Zeit standen wir so verschlungen im Flur, doch dann öffnete sich die Tür von Daves Zimmer und ein rothaariger Junge streckte seinen Kopf heraus: „Dave kommst du oder… oh Charly ist noch bei dir.“ Der Rotschopf wurde rot im Gesicht. „Ich komme sofort Tom.“, antwortete Dave mit einem wegwerfenden Seitenblick. Dave hatte sich, als die Tür aufgegangen war, aus der Umarmung gelöst, doch nun umarmte er mich noch einmal und gab mir einen flüchtigen Kuss auf meine Stirn. „Wir sehen uns morgen beim Frühstück. Schlaf gut mein Schatz!“ und schon war er hinter der Tür verschwunden. Er hatte mich Schatz genannt, schoss es mir durch den Kopf. Wieder einmal an diesem Tag überrollte mich eine Flut Welle voller Glückgefühle. Ich glaube ich sah sehr fröhlich aus, als ich die Treppe hinauf rannte, doch vor meinem Zimmer bremste ich abrupt ab und sorgte dafür, dass mein Gesicht nicht mehr so überschwänglich und glücklich aussah. Nun öffnete ich die Zimmertür und trat hinein und schloss die Tür hinter mir. „Wie lange hast du denn mit deiner Mutter telefoniert? Du warst fast eine halbe Stunde lang weg!“, fragte Natalie mich sofort als ich zur Tür herein gekommen war. „Meine Mutter wollte alle Einzelheiten der Schule und der Direktorin wissen. Und das hat etwas länger gedauert.“, log ich munter drauf los. Natalie nickte, als ob sie verstehen würde und ging zu ihrem Bett um sich zu setzten. Ich warf mich bäuchlings auf mein eigenes Bett und nahm mein Buch wieder in die Hand und las dort weiter wo ich vorhin aufgehört habe als Dave geklopft hatte. Doch mir fiel etwas ein, das ich Natalie unbedingt noch fragen musste. „Haben Jungen und Mädchen eigentlich zusammen Unterricht?“, ich versuchte es unschuldig klingen zu lassen und es schien zu funktionieren. „Ja, natürlich wieso sollten wir auch nicht? Sonst wäre der Unterricht total langweilig und man hätte niemanden mit dem man reden könnte!“, antwortete sie mir prompt und grinste mich an.
Um halb zehn kam die Hausmutter bei uns zur Tür herein um uns eine „Gute Nacht!“ zu wünschen. Wir wünschen ebenfall eine Gute Nacht und legten uns hin um zu schlafen. Kurz vor dem Einschlafen dachte ich über den ganzen Tag nach, der so schlecht begonnen hatte und nun so wunderbar geendet hatte. In meinem Leben gab es wieder einen Sinn zu Leben und der hieß Dave.
Um sechs Uhr wurde ich von Natalies Musikwecker mit einem Lied von Jesse McCartney geweckt. Ich zog mich schnell an um zuerst ins Bad zu können, falls Natalie eine von denen war, die so lange duschen, bis kein warmes Wasser mehr da war. Zehn Minuten brachte ich bis ich fertig war. Nun ging Natalie duschen und sie brauchte eine geschlagene halbe Sunde bis sie endlich fertig war mit dem Duschen. Anschließend gingen wir gemeinsam in das Nachbargebäude, in dem die Kantine und der Esssaal waren. Natalie setzte sich an einen frei en Tisch und fragte mich, ob ich ihr nicht Gesellschaft leisten wolle. Ich wollte und setzte mich ihr gegenüber auf einen ungepolsterten Stuhl. Es dauerte nicht lange und Natalie redete wie ein Wasserfall. Sie redete über Lehrer, den Unterricht und die Jungen der Schule. Als Daves Name fiel hörte ich genau hin. Sie sagte nämlich: „Der Sohn der Direktorin sieht total gut aus. Komisch, dass er mit keiner der Schülerinnen zusammen kommen will. Immer wieder lehnt er ein Date mit mir ab. Ich frage mich immer wieso.“ Und weiter meinte sie, dass sie Dave heute auf jeden Fall ansprechen wird. Oh mein Gott, dachte ich, wenn die rausbekommt, dass ich mit Dave zusammen bin, dann dreht die durch! Ich nahm mir vor Dave vor ihr zu warnen. Und wenn man vom Teufel spricht, erscheint dieser auch noch. Ich sah ihn sofort, als er zur Tür herein kam und mit schweifendem Blick suchte er den Raum ab, bis er mich sah. Er winkte mir zu und kam lächelnd auf mich zu. „Guten Morgen, mein Sonnenschein!“, begrüßte er mich. „Hast du gut geschlafen?“ Natalie schaut mich geschockt an. „Ja, habe ich.“, nuschelte ich. Er sah mich fragend an, doch ich tat so als hätte ich es nicht bemerkt. Ich würde es ihm später erklären müssen.
Daves Freund Tom war mit Dave zu uns gekommen. Beide setzten sich an unseren Tisch und kurze Zeit drauf saßen noch drei weitere Jungen zu uns um sich hinzusetzen. Dave hatte einen Arm um mich geschlungen und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Natalie funkelte mich immer noch an, doch zwischendurch wanderte ihr Blick immer wieder zu Tom. Ich wusste nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl, dass Natalie eigentlich auch Tom toll findet. Vielleicht kann ich da etwas arrangieren, dachte ich, als ich sah, wie Tom Natalie ansah. Die beiden waren auf jeden Fall ein gutes Paar und außerdem könnte Natalie dann nicht neidisch auf mich sein, wenn sie auch einen Freund hätte.
Nun stand Dave auf und reichte mir seine Hand, ich ergriff sie und versuchte dabei die bösen Blicken von Natalie zu ignorieren. Dave zog mich zur Tür und dann zurück ins Hauptgebäude. Unterwegs meinte er, wir hätten in der ersten und zweiten Stunde Erdkunde danach noch eine Doppelstunde Englisch und danach wäre der Unterricht vorbei und wir müssten in die große Halle zum Hausaufgabenmachen. Ich hörte nur mit einem halben Ohr hin, denn in Gedanken überlegte ich mir, wie ich Natalie wieder für mich gewinnen konnte, nun da sie mitbekommen hatte, dass zwischen mir und Dave etwas in Gange war, konnte ich nicht mehr so tun als ob ich ihn nicht vorher schon gekannt hätte. Ich grübelte und grübelte, doch mir fiel nichts ein. „Du bist so still im Moment!“ Dave riss mich aus meinen Grübeleien. „Mhm“, war das einzige was ich antwortete, denn ich hatte den vorherigen Satz von ihm nicht mitbekommen und wollte nichts Falsches sagen. „Du bist ganz woanders, oder?“, er wartete gar nicht auf meine Antwort, denn er wusste das ich sowieso nur geschwiegen hätte. Wir gingen den Flur im Erdgeschoss entlang und öffneten die Tür der großen, alten Bibliothek, in der nur der Präsensbestand war; dort konnten wir endlich wieder alleine sein und irgendwie mag ich das Küssen in einer Bibliothek sehr gerne, denn in dem Moment gab es zwei Dinge, die ich gerne mochte, auf der einen Seite Dave und auf der anderen Seite den Geruch von alten Büchern. Die Zeit ging viel zu schnell vorbei, ich hatte das Gefühl wir waren erst eine halbe Minute in der Bibliothek und nicht eine halbe Stunde. Die Flure waren gerammelt voll mit Mitschülerinnen und Mitschülern. „Naja da fall ich wenigstens nicht ganz so doll auf.“, dachte ich. Dave und ich gingen zum Klassenzimmer um pünktlich in der Klasse zu sitzen, wenn die Lehrerin hereinkommt. „Wir haben übrigens pro Tag einen Lehrer, dass kann man positiv aber auch negativ sehen. Wie du willst!“, er grinste mich an. Ach wird schon nicht so schlimm werden, dachte ich bei mir. Wir standen nun vor unserem Klassenraum, doch ich wollte nicht als erste von uns beiden hinein gehen und Dave spürte das, deswegen nahm er mich bei der Hand, öffnete die Klassentür und zog mich hinter sich in die Klasse. Dort war es genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Alle, wirklich ohne Ausnahme, starrten mich an und ich wurde wieder einmal rot und schaute zu Boden. Dave zog mich bis zu einer Gruppe von Jungen, die ihn lautstark begrüßten und es dauerte nichtlange bis sie mich ausfragten, woher ich komme und wie es mir hier im Internat gefiele. Ich erzählte ihnen alles was sie wissen wollten, nur als sie mich fragten warum ich denn ins Internat gekommen wäre, antwortete ich nicht sofort doch dann sagte ich, ich wolle es nicht erzählen und das war besser als eine Lüge zu erzählen und trotzdem musste ich nichts genaues schildern. Die Jungen merken, dass ich nicht mehr erzählen würde und fragten einfach weiter, doch sie fragten nichts mehr was von meiner Familie handelte oder auf den Grund meines Kommens anspielen konnte.
Es klingelte und Dave schob mich auf den einzigen freien Platz im ganzen Raum zu. „Tut mir Leid aber ich möchte Tom nicht von seinem Platz neben mir verscheuchen. Versuch dich mit Julian einigermaßen zu verstehen er ist mein bester Kumpel neben Tom ich weiß nicht was ich machen sollte wenn ihr ein Problem miteinander hättet.“, sagte er zu mir und ging zu seinem eigenen Platz, der zwei Tischreihen vor mir lag. Kur nachdem Julian sich selber noch einmalvorgestellt hatte ging die Tür auf und ein unglaublich gut aussehender, junger Lehrer ging zum Pult um mit einem Lauten Knallen seine graue Umhängetasche auf den Fußboden fallen zu lassen. Im gesamten Zimmer sah man Mädchen, die ihn verträumt angucken und man sah es nicht nur, sondern man konnte auch noch Seufzer hören, die sich anhörten als wären alle Mädchen bis über beide Ohren in diesen Lehrer verknallt. Mir entging zwar nicht das der Lehrer sehr attraktiv war, aber dennoch war ich nicht in ihn verknallt und ich verstand nicht, wie man sich so Hoffnung machen konnte.
Der Lehrer ließ seinen Blick durch den Klassenraum schweifen und als er mich sah, fing er freundlich an zu lächeln. „Ah, du musst Charlotte sein.“, sagte er freundlich „Herzlich willkommen in der Klasse! Mein Name ist Herr Döge.“ „Bitte nennen Sie mich Charly! Charlotte hört sich zu niedlich an!“, sagte ich nur, wie jedes Mal, wenn mich jemand Charlotte genannte hatte. „Okay, dann eben Charly.“, entgegnete mir Herr Döge und lächelte mich herzlich an. Ich schaute an ihm vorbei und sah, dass Dave ihn wütend anstarrte, doch ich wusste nicht ganz wieso, aber er würde es mir schon noch irgendwann erzählen, dass heißt wenn er wollte.
Nun begann Herr Döge den Unterricht. Er schrieb Seitenzahlen an die Tafel und meinte wir sollen sie in unserem Erdkundebuch aufschlagen und die einzelnen Seiten gründlich durcharbeiten. Julian holte sein Buch heraus und so tat ich es ihm nach, denn die Bücher hatte ich mir bevor ich zum Internat gefahren bin auch noch kaufen müssen. Als ich fertig war mit dem lesen, waren vier ganze Seiten von meinem Colledge-Block beidseitig beschrieben. Herr Döge kam auf mich zu, las meine Notizen durch und war begeistert. „Das hast du super hinbekommen!“, sagte er „Da können sich viele eine Scheibe von abschneiden.“ Bei seinem letzen Satz sah er Natalie bedeutungsvoll an. Sie wurde rot und guckte zu Boden, so wie ich es auch immer machte, wenn mir etwas peinlich war oder ich mich unwohl fühlte.
Der Rest der Stunde verlief genauso und auch die anderen Stunden waren gut. Bis jetzt mochte ich das System mit einem Lehrer pro Tag.
Als es mittags klingelte, stand Dave schon an meinem Tisch und hielt mir wie immer seine Hand hin und ich ergriff sie wie immer. Es war ganz selbstverständlich für uns beide, obwohl wir gerade einmal fast zwei Tage zusammen waren. Ich hatte das Gefühl wir würden uns schon ein ganzes Leben lang kennen, das taten wir zwar, aber es gab Unterbrechungen des Kennens, doch diese gab es für mich einfach nicht mehr.
Wir machten uns auf den Weg zum Speisesaal und dieser Saal war wirklich ein Saal, denn er war gigantisch mit sechs langen Tischen und jeweils zwei Bänken dabei, die vom Eingang bis zum zirka 20 Meter entferntem Ende des Saals, wo ein einziger kurzer Tisch quer stand. Dave zeigte auf diesen Tisch und erklärte: „Dort sitzen die Lehrer.“ Ich nickte und ließ mich von ihm mit zu einem der am weitesten von dem Lehrertisch entferntesten Plätze nehmen. Wir setzen uns zu den Jungen denen Dave mich vor der ersten Stunde vorgestellt hatten. Inzwischen kannte ich von diesen Jungen nicht nur Tom sondern auch Julian und die restlichen vier Jungen hießen: Jon, Nick, René und Phil. Sie waren alle wieder sehr nett zu mir und wir kamen schnell auf Herrn Döge zu sprechen. „Alle Mädchen aus der Klasse stehen auf ihn!“, spottete Nick, als ich ihm erklärte, dass ich nicht in Herrn Döge verknallt wäre. „Ja, aber ich gehöre nicht zum Rest der Mädchen und ich bin auch nicht so wie die!“, antwortete ich schlicht und Dave legte mir seinen Arm um. Er schien glücklich zu sein, doch nun fiel mir die Frage wieder ein: „warum hast du Herrn Döge vorhin so böse angeguckt als er mich gelobt hat?“ Dave schien verwundert darüber, dass ich es mitbekommen hatte und er erwiderte mir verlegen: „Einige Jungen sind wegen diesem Lehrer von ihren Freundinnen verlassen worden und ich dachte dass du genau wie die anderen Mädchen total in ihn verknallt wärst und ich dich deswegen verlieren würde.“ Zum Ende hin hörte er sich eifersüchtig sogar verärgert an und erst als ich seine Hand drückte und ihm mit meiner anderen Hand über die Wange strich, wurde er ruhiger. „Ich werde dich nie wegen einem Jungen oder Mann verlassen, bei dem ich nie im Leben eine Chance hätte! Schreib dir das hinter die Ohren und beruhige dich!“, teilte ich ihm sanft aber doch bestimmt mit. Nun war er endgültig beruhigt und das Gerede von anderen Lehrern ging sofort los. Es ging darum wie inkompetent die Geschichts-, Kunst- und Sportlehrerin Frau Trifton war. Außerdem meinte Jon, dass sie mit Abstand die größte Schreckschraube der gesamten Lehrerschaft sei, zu kurze Oberteile trüge und sich übertrieben schminke. „Sie schminkt sich nicht nur übertrieben, sondern auch an den falschen Stellen im Gesicht!“, ertönte eine, mir wohl bekannte, Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, stand da Natalie und lächelte, doch ihre Augen lächelten ganz und gar nicht, ich hatte eher das Gefühl, dass sie versuchte mich mit ihrem Blick zu durchlöchern. Tom fuhr sich flugs durch seine Haare und lächelte Natalie an. Sie bemerkte es erst, als sie fertig war mich anzustarren und lächelte dieses Mal richtig. Tom wurde prompt rot im Gesicht. Nun grinste Natalie selbstgefällig, es kam mir fast hochnäsig vor.
„Charly, kommst du mal kurz mit mir mit?“, sagte Natalie nun wieder an mich gewandt. Ich wusste das ich sowieso irgendwann mit ihr reden musste, warum sollte ich es also unnötig raus zögern. Ich stand auf und ging mit ihr aus der Cafeteria auf den Schulhof. Als wir endlich draußen waren, verschwendete Natalie keine Zeit mit unwichtigem Geplapper, sonder fing sofort an mich mit ihren Fragen regelrecht zu attackieren: „Warum hast du mir nichts gesagt? Wolltest du mich blamieren? Ich dachte du wärst anders als die anderen Mädchen auf dieser Schule. Doch da schein ich mich getäuscht zu haben.“ Ihre Stimme hörte sich an als ob sie sehr gekränkt wäre und am liebsten anfangen würde zu weinen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /