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Mia saß träumend im Wintergarten, es war früh am Tag und draußen war es eisig kalt. Ein Hauch von Schnee lag noch auf den Dächern der ringsherum angsiedelten Häuser.
Wirklich eine schöne Kulisse um den morgendlichen Kaffee zu genießen. Die Sonne schien kräftig und am liebsten würde sie nach draußen gehen.
Doch sie traute sich nicht. Sie hatte sich seit über 4 Wochen im Haus verschanzt.

Ja es war nun schon 32 Tage her als ihr geliebter Mann Jan verstorben war. Sie konnte und wollte es nicht begreifen. Von einem auf den anderen Tag war sie auf sich allein gestellt. Sie hatte keine Lust auf Familie und Freunde die anfangs täglich vorbei kamen. Sie wollte einfach nur alleine sein. Es irgendwie verstehen.

Im Inneren ihres Hauses sah es furchtbar unordentlich aus. Es fehlte ihr die Kraft sauber zu machen. Sie hatte zu nichts Lust und ließ sich einfach nur gehen. Einmal die Woche kam sie doch nicht drum herum mal zu duschen und ihre fettigen Haare zu waschen, aber dann schlüpfte sie wieder in seinen Pullover und versuchte seinen Geruch einzuatmen, der längst verflogen war.

Es war am späten Abend des 14. Januar, als die Polizeit vor ihrer Haustür stand und mitteilte ihr Mann sei schwer mit dem Auto verunglückt.

Sie stand einfach nur da und konnte nichts sagen. Da war nur dieser unbeschreibliche Schmerz in ihrem Inneren und ein dicker Kloß in ihrem Hals.

Die Polizisten begleiteten sie ins Haus und erklärten ihr wie es zu dem schrecklichen Unfall gekommen war.

Jan war mal wieder viel zu schnell unterwegs.
Wie oft hatte sie mit ihm schon geschimpft deswegen, doch er wollte nie auf sie hören. Er mochte diesen Rausch der Geschwindigkeit, der ihm nun zum Verhängnis wurde.

Er wollte ein Auto überholen und traf mit einem Mann mittleren Alters zusammen. Jan wurde vor einen Baum geschleudert und war sofort tot.

"Er starb kurz und schmerzlos" versuchte einer der Polizisten sie zu trösten. Der Fahrer des anderen Unfallwagens läge mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus hießt es.

Als die Polizisten damals gingen drückten sie Mia noch die Nummer eines Seelsorgers in die Hand und wünschten ihr viel Kraft.

Als sie verschwunden waren brach sie weinend zusammen.

Mia schrie immer wieder nach ihrem Jan, doch nichts auf der Welt konnte ihn ihr zurück bringen.

Sie waren doch gerade mal 31 Jahre alt, hatten so viele große Träume. Sie wollten drei Kinder bekommen und bis an ihr Lebensende glücklich sein.

Wer konnte denn ahnen, dass das Ende so nah war?

Mia´s Kaffee war kalt geworden bei den Erlebnissen in die nahe Vergangenheit. Sie bekam einen ihrer täglichen Weinanfälle und stellte am Geruch ihrer Haare fest, dass es mal wieder soweit war.

Sie fühlte sich nach dem Duschen immer wieder als ein Stück mehr Mensch, doch es fehlte ihr die Kraft dies schon wieder täglich zu tun.

Sie saß einfach den ganzen Tag nur da, starrte vor sich hin und schwelgte in Erinnerungen.

An diesem Tag hatte sie das erste mal seit dem Unfall nicht seinen Pullover nach dem Duschen angezogen. Sie mochte ihn nicht mehr, als sie feststellte, dass auch dieser langsam nicht mehr gut roch. Sie hatte ihren bequemen Jogginganzug übergestreift, in dem Jan sie immer besonders schön gefunden hatte.

Es war Abend geworden und sie öffnete sich eine Flasche Wein. Nach dem ersten Glas schaute sie erwartungsvoll gen Himmel. Es war eine Sternenreiche Nacht und sie dachte tief und fest an ihren Jan als sie nach oben schaute und wartete auf ein Zeichen.

Vergebens!

Als sie in die Hosentasche ihrer Jogginghose fasste spürte sie ein Stück Papier und erinnerte sich an den Zettel der Polizisten, mit der Nummer des Psychologen.

Nach dem dritten Glas Wein hatte sie sich endlich dazu durch gerungen diesen einmal anzurufen. Nur mal um zu hören ob er ihr was zu sagen hätte. Sie wählte zaghaft seine Nummer.

"Mertens" erklang auf dem anderen Ende der Leitung. Eine tiefe symphatische Männerstimme.

"Mia Deubner hier, mein Mann hatte vor vier Wochen einen tötlichen Autounfall und man gab mir ihre Nummer" stotterte sie.

"Frau Deubner, mein herzliches Beileid, ich habe schon viel ehr mit ihrem Anruf gerechnet"

"Warum?" entfur es ihr.

"Weil ich ihnen helfen kann dass Geschehene aufzuarbeiten und somit ein Stück besser damit klar zu kommen".

"Wenn sie meinen" antwortete ich trocken.

"Wann haben sie Zeit? Sagen sie mir ihre Adresse und ich mache mich schnellstmöglich auf den Weg" entgegnete Dr. Mertens. Ganz Baff von seiner Spontanität erklärt Mia kurz den Weg und keine halbe Stunde, jedoch drei Gläser Wein später, klingelt es an ihrer Haustür.

Dr. Mertens war ein kleiner, pummeliger Mann, so um die 50 Jahre alt. Mia hatte ihn sich nach seiner symphatischen tiefen Stimme ganz anders vorgestellt, doch sie ließ ihn herein.

Er sagte nichts zur vermüllten Wohnung, es war Mia, die nun merkte wie nachlässig sie die letzten Wochen gewesen war. Doch auch sie verlor kein Wort darüber und bat ihn leicht angetrunken in den ordentlichen Wintergarten.

"Schön haben sie´s hier" sagte Dr. Mertens.
"Danke" ist Mia´s prompte Antwort.
Sie holte ihm ein Glas Leitungswasser denn was anderes alkoholfreies hatte sie momentan nicht im Haus, doch er gab sich damit zufrieden.

Sie plauderten über banale Sachen ehe er auf Jan zu sprechen kam.

Als er sie frage, ob sie sich mal nach dem anderen Unfallopfer, welches damals schwerverletzt überlebt hatte, erkundigt hätte, verneinte sie beschämend.

Ihr wurde allerdings klar, was sie die letzten Wochen für einen bösen, egoistischen Charakter entwickelt hatte. Die ganze Welt drehte sich nur noch um sie und ihren schweren Schicksalschlag, dabei gab es Menschen, die unverschuldet wegen ihrem geliebten Mann vielleicht mittlerweile auch nicht mehr am Leben waren?

Ängstlich frage sie Dr. Mertens ob er wüsste wie es um diesen Mann steht. Als er ihr erklärte, dass es ihm den Umständen entsprechend gut ginge, er lediglich ein paar Rippen verstaucht hätte und auch wieder aus dem Krankenhaus entlassen sei, war sie erleichtert.

Dr. Mertens und Mia hatten viel geredet an diesem Abend. Es war nach Mitternacht als er sich verabschiedete.

Mia merkte wie gut ihr das lange Gespräch mit Dr. Mertens getan hatte. Es war jemand da, der sie nicht nur bemitleidet hatte, wie ihre Familie versucht hatte. Sie konnte ihm alles erzählen, wie sie fühlte und wie weh alles tat.

Aber eine Sache ließ sie die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen. Dieser durch ihren Jan verunglückte Mann. Warum hatte sie sich nicht mal nach ihm erkundigt? Sie hätte sich bei ihm und seiner Familie im Namen von Jan entschuldigen müssen.

Das schlechte Gewissen plagte sie so sehr, dass sie am nächsten Morgen seine Adresse heraus fand und einfach drauf los fuhr.

Es war das erste mal seit Wochen, dass sie aus dem Haus ging. Sie war ungeschminkt und ihre Augen hatten dunkle Schatten. Die letzten Wochen waren nicht ohne Spuren an ihr vorbei gezogen. Mit Jeans, T-Shirt, Turnschuhen und dicker Jacke war sie bekleidet.

Früher hätte sie nicht mal den Gang zum Briefkasten ohne High Heels und wenigstens einem Hauch von Puder gemacht.

Sie parkte direkt vor seinem Haus und blieb noch eine Weile im Auto. Sie war nur 20 Minuten unterwegs gewesen, doch es kam ihr ewig vor.

Mia nahm all ihrem Mut zusammen und ging den schönen gepflasterten Steinweg zur Haustür.

Hohen stand auf dem Klingelschild. Christian Hohen hieß er also.

Zaghaft drückte sie den Knopf der großen Messingklingel.

Es dauerte eine ganze Weile und dann stand Christian Hohn vor ihr. Mann konnte ihm noch kleine Schürfwunden im Gesicht ansehen. Er tat ihr leid.

Sie begann zu stottern:

"Guten Tag, ich bin Mia. Sie waren vor einigen Wochen in einen Verkehrsunfall mit meinem Mann Jan verwickelt und ich wollte schauen wie es ihnen geht."

"Geht schon" antwortet er knapp.

"Kaffee?" fragt Christian hinterher.

Mia willigte ein und betrat das alte, aber modern sanierte Bauernhaus und er führte sie in die großzügige Küche und setzte Kaffee auf.

"Es tut mir Leid" sagte er, nachdem er den ersten Schluck vom heißen Kaffee geschlürft hatte.

"Das wollte ich ihnen eigentlich heute sagen" erwidere ich kleinlaut.

"Ich habe Glück gehabt" spricht er weiter und mir entfährt nur "ich nicht".

Und so sehr Mia sich auch versuchte dagegen zu wehren, da waren sie wieder, ihre Tränen, die seit Wochen nicht trocknen wollten.

Christian versuchte sie in den Arm zu nehmne, doch sie stieß ihn zurück. Mia mochte keine Nähe mehr zu anderen Menschen seit Jan nicht mehr da war.

Sie genierte sich auch Gefühle zu zeigen, doch es ließ sich leider manchmal nicht verhindern. Christian war verständnissvoll.

Sie redeten noch über den Unfall, und er erzählte ihr, dass er kaum Erinnerungen daran hätte. Ein Auto kam auf ihn zu, er weichte aus und dann konnte er sich nur noch daran erinnern wie er im Krankenhaus wieder zu sich kam.

Nach dem Kaffee war es Zeit Christian auf Wiedersehen zu sagen.

Mia fuhr zurück in ihr Haus. Beim öffnen der Tür bemerkte sie den wiederlichen Geruch, der ihr in die Nase fuhr. Sie begriff endlich, dass sie so nicht weiter machen konnte und begann wie im Wahn aufzuräumen.

In der Küche machte sie den Anfang. Dort stand doch tatsächlich noch der Teller, von welchem Jan an seinem letzten Abend gegessen hatte. Sie wollte seine Spuren so lange wie möglich erhalten. Nach einem erneuten Heulkrampf spülte sie ihn ab.

Mia war in den letzten zwei Tagen klar geworden dass sie weiterleben musste. Sie hatte keine Wahl. Es gab ein Leben nach Jan´s Tot und sie musste damit klar kommen, ob sie wollte oder nicht. Auch wenn es nie wieder werden würde wie es einmal war.

Sie zwang sich dazu, das Haus in Ordnung zu bringen. Jan hätte es so gewollt. Sie war zu jung um sich aufzugeben.

Am Abend war alles wie neu. Nur die Fotos von Jan und Mia blieben.

Sie fasste sich ein Herz und rief ihre Mutter an. Die war so erleichtert darüber, dass Mia wieder zu weinen begann.

Am nächsten Morgen wollte sie vorbei kommen und Mia war sehr froh darüber. Sie hatte sie vermisst. Viel zu sehr hatte sie sich in ihren vier Wänden verschanzt. Das musste ein Enden haben.

Das Schicksal meint es hart mit ihr, aber sie musste neuen Mut fassen die Dinge in Angriff zu nehmen.

Als ihre Mutter kam und sie ihr von dem psychologischem Gespräch als auch von Christian erzählte, rollten ihr Tränen der Erleichterung über die Wangen. Mia´s Mutter war stolz auf sie! Und zugegebenermaßen war Mia das auch ein wenig und dachte zurück an die Sterne, in die sie zwei Tage zuvor hoffnungsvoll geblickt hatte.

War Jan´s Zeichen doch durch die Blume bei ihr angekommen?

Am Nachmittag kam Dr. Mertens und war hocherfreut über Mia´s Fortschritte. Er empfahl ihr den Kontakt zu Christian zu halten und sie tat es ihm gleich.

Christian war ein guter Mann, er wurde sogar zu einem guten Freund, obwohl sich die beiden erst kurze Zeit kannten. Mia kam es wie eine Ewigkeit vor.

Sie trafen sich regelmäßig und es ging bergauf mit Mia. Sie spüre wieder Leben in ihr, was die letzten Wochen abhanden gekommen war. Doch das Leben war nicht nur außerhalb, sie fühlte es ständig in ihr.

Als sie zur Routineuntersuchung zu ihrer Frauenärztin ging, stellte die schnell den Grund dafür fest: Mia war schwanger!

Schwanger von Jan. Sie wusste nicht ob sie sich freuen oder weinen sollte. Weinen war ja zur Zeit ihr größtes Hobby, so entschied sie sich zur Freude.

Mia war sich sicher Jan könnte sie vom Himmel aus beobachten und wäre der allerstolzeste Engel dort oben, wenn sie ihren Sohn austragen würde.

Neun Monate später war es soweit - sein Name ist Jan!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

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